Bündnis 90/Die Grünen über Wochen gezielte Abwerbeversuche mit Versprechungen und Zusagen gemacht werden, dann ist das ein neuer Stil, und da muss ich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
die Sie ja immer so hohe moralische Ansprüche an alle und jeden stellen: Dass Sie immer, wenn es Ihnen passt, unter diese Latte, die Sie anderen legen, locker durchlaufen, das lassen wir Ihnen heute nicht durchgehen!
Um von der Formaldebatte wegzukommen: Auch inhaltlich ist nicht nachvollziehbar, was Sie dort betreiben. Wir gehen in einen Bundestagswahlkampf, in dem für ein gemeinsames rot-grünes Projekt geworben wird, und das läuten Sie dadurch ein, dass Sie die SPD schwächen wollen und damit natürlich auch die Perspektive für eine rotgrüne Mehrheit im Bund – das ist doch völlig absurd, liebe Grünen! Wo wollen Sie denn eigentlich hin? Sie müssen sich mal entscheiden!
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) und Christoph Meyer (FDP)]
Was am Ende dieses traurigen Jamaika-Schauspiels steht, ist die Mobilisierung in Hoffnung auf eine Zufallsmehrheit. – Herzlich willkommen, Herr Graf, schön, dass Sie aus Bochum etwas früher zurückgekommen sind, um bei uns sein zu können. Eigentlich sollten Sie dort noch gemeinsam mit Frau Flesch bei der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages sein. Schön, dass Sie es überraschend möglich gemacht habe, hier zu sein. Frau Flesch wird auch demnächst eintreffen, sie hat den nächsten Zug genommen, nachdem Sie den vorherigen genommen haben.
Ist das wirklich der Stil dieses Hauses? Wollen wir so miteinander umgehen? Ist das eine inhaltliche Auseinandersetzung, die die Bürgerinnen und Bürger in der Stadt von uns erwarten? – Das ist lächerlich, das ist Klamauk, und das ist eines Parlaments unwürdig!
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Jawohl! von der SPD – Zurufe von Frank Henkel (CDU) und Ramona Pop (Grüne)]
Als überzeugter Anhänger des Parlamentarismus freue ich mich, so viele Oppositionsabgeordnete in diesem Plenarsaal zu sehen – das hatten wir lange nicht, herzlich willkommen!
Ich muss Sie aber noch darauf hinweisen: Gemeinsames Sitzen in einem Raum heißt noch nicht, dass man gemeinsame Inhalte und dafür auch eine gemeinsame Mehrheit hat.
Diese gemeinsamen Inhalte und diese gemeinsame Mehrheit hat nur die rot-rote Koalition – die wird sie auch weiterhin nutzen, und deswegen ist unser Thema das Thema des Tages. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Juhnke das Wort. – Bitte schön, Herr Juhnke!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Wochen haben wir uns bereits mit dem Thema 1. Mai beschäftigen müssen. Es gab warnende Stimmen, die ein hohes Maß an Gewalt für diesen Tag prognostiziert haben. Es gab warnende Stimmen, dass man diese Serie von Gewalttaten und Provokationen von links, die Brandanschläge auf Autos, die spontane Zusammenrottung von Chaoten, die menschenverachtende Hetze, die Plakate und CDs, die zum Mord an Polizisten aufriefen, nicht ignorieren darf. Und es gab einen Innensenator, der in seiner Voreinschätzung sagte, es spreche nichts dafür, dass Gewalt von großen Gruppen organisiert wird – welch eine eklatante Fehleinschätzung!
Welch eklatante Fehleinschätzung aus politisch gewollter Blindheit, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Im Ergebnis haben wir den gewalttätigsten 1. Mai seit vielen Jahren erlebt. Durch die falsche Einschätzung der Sicherheitslage wurden die Polizisten in eine Situation geführt, in der sie dem höchsten Ausmaß an Gewaltbereitschaft seit Jahren gegenüberstehen mussten. Nachdem die Schlacht dann geschlagen war und fast 500 verletzt wurden, sagt der Polizeipräsident, der auch für diese Abwiegelungstaktik verantwortlich ist, es sei ja gar nicht so schlimm geworden, meist seien es nur Prellungen gewesen. Ich finde, das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten.
Im Nachgang zu den Einsätzen am 1. Mai hat es wahrhaft einen Sturm des Protestes gegeben. Die Stimmung bei den beteiligten Einheiten ist auf dem Nullpunkt. Viele Beamte haben seitdem massive Loyalitätsprobleme mit ihrer Führung. Es gibt eine Vielzahl von katastrophalen Beurteilungen über den Einsatz. Die aus den anderen Bundesländern und von der Bundespolizei eingesetzten Kräfte haben zum Teil darum gebeten, nicht mehr in Berlin eingesetzt zu werden. Mit anderen Worten, Herr Körting: Der Einsatz war ein Fiasko. Das haben Sie zu verantworten, das hat der rot-rote Senat unter Klaus Wowereit zu verantworten.
Herr Senator! Sie haben den eingesetzten Polizistinnen und Polizisten für deren Leistung gedankt. Das ist selbstverständlich. Dem Dank haben sich bereits die CDU und andere Fraktionen angeschlossen. Was aber in dieser Situation von Ihnen verlangt wird, Herr Körting, ist nicht nur ein Dankeschön, sondern eine ganz dicke Entschuldigung
an diejenigen Polizisten, die in den Einsätzen verheizt wurden. Angesichts der Massivität der verbalen Bedrohung aus Kreisen der linken Chaoten hätte viel deutlicher gemacht werden müssen, dass der Staat bereit und entschlossen ist, sein Gewaltmonopol durchzusetzen. Es wäre angebracht gewesen, sich schützend vor die eigenen Mitarbeiter zu stellen und ein klares „bis hierhin und nicht weiter“ zu formulieren. Wer Polizisten bedroht, muss mit der gesamten Entschlossenheit des Staates rechnen.
Stattdessen ist der Senat auf Tauchstation gegangen und hat schon im Vorfeld kleinbeigegeben in der Hoffnung, die sehr verehrten Damen und Herren Demonstranten nicht zu provozieren. Den Dank haben wir am 1. Mai erlebt.
Doch gehen wir ein paar Tage zurück – vor den Krawallen. Der Senator sitzt bei einem Gespräch mit Wirten aus der Umgebung des Boxhagener Platzes in Friedrichshain, eine Gruppe Autonomer beginnt sich zu versammeln. Der Senator beschließt, das Gespräch kurzfristig abzubrechen und den Ort „zügig“ zu verlassen. Ich vermag im Nachhinein nicht zu bewerten, ob die Sicherheitslage ein Verbleiben gerechtfertigt hätte. Ich erkenne hier nur ein fatales Symbol. Der Senator für Inneres, gleichsam die personifizierte Staatsmacht, muss vor ein paar Autonomen flüchten. Der Staat kann nicht mehr überall in dieser Stadt selbstverständlich präsent und gleichzeitig sicher sein. Das ist im Vorfeld des 1. Mai die fatale Botschaft.
Der Senator kann in seinem gepanzerten Wagen flüchten. Der Senator kann sich abends in sein sicheres und beschauliches Potsdam absetzen, aber die ganz normalen Berlinerinnen und Berliner können nicht flüchten, Herr Körting und Herr Wowereit. Die normalen Berliner müssen sich auf diesen Staat verlassen können. Zurzeit sind sie aber selbst am meisten verlassen,
weil ein rot-roter Senat zu feige ist, die Auseinandersetzungen mit den Ursachen linker und linksautonomer Gewalt zu suchen, verlassen, weil ein Innensenator Körting die Entstehung rechtsfreier Räume duldet und stattdessen lieber geschmacklose Vergewaltigungsvergleiche bemüht,
und verlassen, weil ein Regierender Bürgermeister Wowereit zu allem schweigt und die Polizei weiter kaputtspart. Rot-Rot kann die Ordnung und Sicherheit in dieser Stadt nicht mehr gewährleisten.
Herr Wowereit! Nur mit Wundenlecken ist es nach dem 1. Mai nicht getan. Die Stadt steckt in einer schweren Krise. Die CDU-Fraktion erwartet von Ihnen auch dazu eine Stellungnahme in einer Regierungserklärung. Fast 500 Polizeibeamte, darüber darf man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir brauchen eine glasklare Auseinandersetzung mit den Ursachen linker Gewalt. Lassen Sie uns deshalb im Rahmen einer Aktuellen Stunde darüber sprechen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der geplante Weiterbau der A 100 erhitzt die Gemüter. Er ist zentrales Thema und auch Zankapfel in der Koalition, und das zu recht. Es rumort in den Regierungsfraktionen und an der Basis, und deshalb sagen wir: Lassen Sie uns heute darüber reden.
Die SPD ist uneins. Die SPD in Friedrichshain-Kreuzberg lehnt den Weiterbau der A 100 ab, genauso wie die Genossen in Pankow. Denn auch die Pankower haben verstanden, dass ihr Bezirk als nächster von dem Ringausbau betroffen sein wird. Mit der Entscheidung über den 16. Bauabschnitt bereitet Rot-Rot den 17. Bauabschnitt vor – da gibt es gar kein Vertun – und sorgt somit für den Druck für die komplette Schließung des Innenstadtringes.
[Zuruf von der CDU: Recht so! – Christian Gaebler (SPD): Ich denke, Sie wollen mit denen zusammen abstimmen?]
Wie man diesen Druck erzeugt, können Sie sich im Moment in Köpenick ganz genau angucken. Da geht es weiter mit der Tangentialverbindung Ost. Das ist eine Straße, die abrupt endet. Dort wollen die Leute, dass weitergebaut wird, denn am Straßenende stehen die Autos natürlich im Stau, und das wird hier genauso sein.
Fakt ist: Die Linksfraktion will den Weiterbau der A 100 nicht. Respekt, Frau Matuschek, ich teile Ihre Auffassung, dass die A 100 nicht der Entlastung der Wohngebiete dient, sondern zu ihrer Entwertung führt.
Das sehen wir ganz deutlich am Sozialstrukturatlas. Am Ende wohnen nur noch die in Autobahnnähe, die sich
nichts anderes leisten können. Es ist verständlich, dass Sie kein Interesse daran haben. Aber leisten Sie auch direkten Widerstand gegen die A 100. Es liegt in Ihrer politischen Verantwortung, ob die A 100 weitergebaut wird oder nicht.
Es gibt Leute, die sagen, der Osten sei mit Autobahnen unterversorgt. Deshalb müsse die A 100 verlängert werden. Denen sagen wir: Denken Sie doch einfach einmal an den Bundesplatz! Stellen Sie sich den Heidelberger Platz vor! Da sage ich: Ersparen Sie das dem Osten der Stadt. Ersparen Sie das Ostberlin! Die Bahnhöfe Treptower Park und Frankfurter Allee dürfen nicht auf solche Art und Weise verschandelt werden. Wenn die Autobahn gebaut wird, dann fallen zwar die Mieten, aber das ist das Gegenteil von Sozialpolitik. Sozialisten und Sozialdemokraten müssen so etwas ablehnen.
Der Weiterbau der A 100 ist auch klima- und umweltpolitisch falsch, aber vor allem verkehrspolitisch völlig unsinnig. Am Ende des 16. Bauabschnitts werden die Autofahrer im Raum Elsenstraße mit 60 000 Fahrzeugen im Stau stehen, und der Weiterbau des 17. Bauabschnitts wird daran auch nicht viel ändern, außer dass diese 60 000 Fahrzeuge dann an der Frankfurter Allee im Stau stehen werden. Danach soll es laut Senatorin Junge-Reyer nicht mehr weitergehen, nur noch eine Stadtstraße wird gebaut, aber am Stau, am Ende jedes Bauabschnitts entsteht der Bedarf zum Weiterbauen. Das wird auch hier so sein.
Wir lehnen das ab, und das sollten Sie gerade in den Regierungsfraktionen auch so erkennen und ebenfalls ablehnen.