Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

[Heiterkeit bei der SPD – Beifall bei den Grünen]

Sie haben inzwischen 20 Minuten gesprochen. Ich sage das nur mal. Alles andere stelle ich in Ihr eigenes Belieben.

Na ja, wenn der Präsident mich bittet aufzuhören, dann mache ich das. Aber nicht, dass Sie dann anschließend sagen, ich erzähle Ihnen nichts.

[Volker Ratzmann (Grüne): Wenn Sie denn mal was erzählen würden!]

Lieber Herr Ratzmann! Im Vergleich zu Ihrer Fraktionsvorsitzenden, die nämlich gar nichts erzählt hat, haben Sie von mir schon eine ganze Menge Programmatik gehört. Da kann ich auch noch stundenlang weitererzählen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Eine Schlussbemerkung: Neben vielen anderen Dingen, die wir miteinander noch in Zukunft erörtern werden, ist wichtig für diese Stadt, dass wir die Liberalität dieser Stadt erhalten. Wir wissen, dass diese Stadt gerade auch deshalb so populär ist, weil viele Menschen unterschiedlicher Herkunft sich hier wohlfühlen, weil Menschen un

terschiedlicher Lebensentwürfe sich wohlfühlen, weil Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben und unterschiedlichen Religionen sich hier wohlfühlen können. Das ist ein hohes Gut, eine hohe Qualität für eine Stadt, die auch Einwanderungsstadt sein will und in Zukunft auch sein muss. Wir sind auf Zuwanderung angewiesen. Das funktioniert aber nur, wenn wir nicht zulassen, dass wir Gated Communities auf der einen Seite und No-go-Areas auf der anderen Seite haben. Wir müssen es erreichen, ein gesellschaftliches Klima zu haben, bei dem keiner diskriminiert wird, nur weil er anders als eine vermeintliche Mehrheit in dieser Gesellschaft ist.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen – Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Deshalb ist es wichtig, einen breiten demokratischen Konsens gegen Diskriminierung, gegen das Treiben der Neonazis zu haben, das es tagtäglich in dieser Stadt gibt. Deshalb sind wir für den Verbotsantrag gegen die NPD, weil es unerträglich ist, wenn sie mit dem Parteienprivileg Rechte in Anspruch nimmt und mit Steuergeldern noch die antidemokratische Arbeit finanzieren zu lassen. Deshalb sind wir für ein NPD-Verbot.

Ich bin auch dankbar, dass es am Samstag zu einer wunderbaren, schön friedlichen Protestaktion gegen Diskriminierung gekommen ist. Küssende Menschen vor einer geschlossenen Eisdiele – mir wäre lieber gewesen, dass die Eisdiele offen gewesen wäre, aber offen für alle Menschen in dieser Stadt. Darum geht es. Diese Zivilgesellschaft müssen und werden wir unterstützen, damit Berlin eine lebenswerte Stadt bleibt, die sich international zeigen kann, mit einem Klima der Offenheit und Liberalität. Dafür steht dieser rot-rote Senat, ich weiß, die Grünen auch, meine sehr verehrte Frau Eichstädt-Bohlig. Andere in diesem Haus vielleicht nicht, aber die wollen wir noch überzeugen, dass das so ist. Gemeinsam müssen wir das schaffen. Das ist unser aller Auftrag. – Schönen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 a:

Antrag

Frauen auch in Berlin in Führungspositionen

Antrag der Grünen Drs 16/2384

Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 35. Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Kofbinger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns jetzt mit der Missbilligung der Regierung. Ich fand es auch bemerkenswert, dass Herr Wowereit es geschafft hat, 20 Minuten zu reden, ohne die Frauenpolitik grundsätzlich zu erwähnen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das ist eine tolle Leistung, Respekt! – Sie dürfen ruhig sitzen bleiben! Ich erzähle jetzt etwas zur Frauenpolitik, und da kommen Sie wahrscheinlich auch vor.

Der Grund dieser Missbilligung sind die permanenten Verstöße gegen das Landesgleichstellungsgesetz, das Berliner Betriebe-Gesetz und die Berliner Verfassung, hier im Besonderen die eindeutig rechtswidrige Besetzung der Vorstände „nach Gutdünken“, wie es so schön heißt. Nachdem wiederholt von Senatsseite behauptet wurde, dass das Verhalten auch noch rechtskonform sei, prüft jetzt – glücklicherweise – Frau von der Aue, die Justizsenatorin, die Vorgänge. Damit sind wir sehr einverstanden.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Ich sage Ihnen: Sie werden zu keinem anderen Ergebnis als alle Sachverständigen kommen, die von allen Parteien befragt wurden. Es ist rechtswidrig, es missachtet die Gesetze, und es missachtet uns alle als Gesetzgeber und Gesetzgeberinnen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Die Schuld an dieser Vorgängen trifft nicht einen Einzelnen, sondern den gesamten Senat, der geflissentlich weggeguckt hat, wohlwollend abgenickt hat, und das ist der Skandal.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben mit dem zuständigen Senator Wolf bereits mehrfach im Ausschuss geredet, ihn befragt, wie es sein kann, dass die Vorstände in den landeseigenen Betrieben nicht geschlechterparitätisch besetzt sind, und dies, obwohl die Rechtslage das nicht zulässt, das LGG, das Betriebe-Gesetz wie auch die Berliner Verfassung. Es gibt da nicht mehr Gesetze zu schreiben. Es steht eindeutig darin: Vorstände müssen im gleichen Maße mit Männern und Frauen besetzt werden. Ebenso ist vorgeschrieben, dass eine Ausschreibung erfolgen muss. Das steht da drin! Und wenn Sie mir sagen: Meinen Job hat man auch nicht ausgeschrieben! –, sage ich: Hätten wir das ausgeschrieben, wären Sie uns erspart geblieben.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Trotz dieser Vorgaben wurde die Besetzung des BVGVorstandes im Oktober – mittlerweile haben wohl alle darüber gelesen – ohne Ausschreibung vollzogen. Der gute Freund des Vorstandsvorsitzenden Sturmowski wurde auf sein Betreiben hin eingestellt. Alle waren glücklich. Niemanden hat es gestört. Das ist eine sogenannte freihändige Vergabe. Wir nennen das Vergabe nach Gutsherrenart. Es ist ein eindeutiger Rechtsbruch. Hier wurden

wissentlich und willentlich die §§ 5 LGG und 28 Berliner Betriebe-Gesetz sowie Artikel 19 der Berliner Verfassung gebrochen. Das ist skandalös und zeigt, dass Sie und der gesamte Senat nicht einmal gewillt sind, die gleichstellungspolitischen Mindeststandards Ihres Koalitionsvertrags zu erfüllen.

[Beifall bei den Grünen]

Das zeigt aber auch, Herr Wolf, dass Sie als Frauensenator im Senat nicht durchsetzungsfähig sind.

Wir haben schon vor Monaten gefordert, die rechtswidrige Besetzung mit sofortiger Wirkung rückgängig zu machen. Seitdem haben sich uns interessante Menschen angeschlossen: die SPD-Frauen, die ASF-Frauen, aber auch in der SPD die Selbstständigen, die Juristinnen und Juristen, die Bildungsexpertinnen und -experten und die Arbeitnehmer und -nehmerinnen. Die ASF-Frauen haben einen gleichlautenden Antrag dazu für den Parteitag geschrieben. Wir sind gespannt, wie das ausgeht. Es ist ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang. Wir sind sauer über die Unverfrorenheit, wie hier Gesetze gebrochen werden. Wir wollen nicht zurückschauen, sagte mir Herr Wolf gerade im RBB-Interview, wir wollen nach vorn schauen und noch ein Gesetz machen. – Wie viele Gesetze brauchen Sie denn noch? Sie müssen sie einhalten! Ich will, dass Ihren hehren Worten auch mal Taten folgen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich will Frauen in den Vorständen sehen. Es sind zehn von 89. Sie regieren fast acht Jahre lang. Haben Sie das einmal ausgerechnet? Bis Sie eine paritätische Besetzung haben, lebe ich nicht mehr! Ich würde es aber gern noch erleben.

[Beifall bei den Grünen]

Hier hat sich der Berliner Männerklüngel wieder einmal auf höchster Ebene durchgesetzt. Dieses Verfahren war an Intransparenz nicht zu überbieten. Diesmal waren es Wolf und Wowereit, die Herrn Schneider für Frau Dr. Roos in den IBB-Vorstand gelotst haben. In schönster Eintracht haben sie das so beschlossen. Dass es vorher Zoff in der eigenen Fraktion gegeben hat und nicht nur mit den Frauen, das ist an ihm abgeprallt. Dass ein Fraktionsmitglied daraufhin seine Fraktion verlassen hat, ist ihm egal. Das ist männliche Arroganz der Macht in Reinform.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Meine Zeit ist zu Ende, deshalb fasse ich zusammen: So sieht die rot-rote Frauenpolitik aus – in der konkreten Praxis nämlich. Es ist peinlich, wie Sie versuchen, mit Tricks, Kungeleien und offenen Gesetzesverstößen Frauen von Spitzenpositionen fern zu halten. Sie sind kein Frauensenator, Sie sind ein Frauenverhinderungssenator. Ich würde mir wünschen, Sie gäben den Job ab.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Kofbinger! – Für die SPDFraktion hat nunmehr die Kollegin Neumann das Wort. – Bitte schön, Frau Neumann!

Ja, Frau Kofbinger, laute Reden sind häufig nicht sinngebend, möchte ich dazu nur sagen. Große Vorschläge sind ja nun nicht gekommen.

[Beifall bei der SPD – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Sehr wahr! – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD, vor allem die Frauen in der Berliner SPD und in der Fraktion, können mit einigem Selbstbewusstsein auf das bisher Erreichte in der Gleichstellungspolitik zurückblicken.

[Beifall bei der SPD – Gelächter bei den Grünen]

Was auch immer auf dem Weg zu mehr Gleichstellung in Berlin seit 1989 erreicht wurde,

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

mit welchen Koalitionen auch immer Mehrheiten erzielt wurden – ohne die SPD hat sich nie ein Fortschritt in der Frauenpolitik ergeben.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]