Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Dringliche Beschlussempfehlung

Planungssicherheit statt Schulschließungen

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/2514 Antrag der CDU Drs 16/2171

in Verbindung mit

Dringliche Beschlussempfehlungen

Weiterentwicklung der Berliner Schulstruktur

Beschlussempfehlungen BildJugFam und Haupt Drs 16/2535 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2479

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Grünen vor, Drucksache 16/2479-1.

Klaus-Peter von Lüdeke

Das ist der Tagesordnungspunkt 27. – Den Dringlichkeiten wird offensichtlich nicht widersprochen.

Für die gemeinsame Beratung steht jeweils eine Redezeit bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort hat die antragstellende Fraktion, die Kollegin Senftleben. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich finde es wunderbar, es passt nämlich, dass wir heute den Antrag von Rot-Rot zur Finanzierung von Schulen gemeinsam mit dem Antrag der FDP diskutieren.

Sie wollen die sogenannte Schulstrukturreform, die ich lieber als Übergangsstrukturreform bezeichne, auf den Weg bringen. Ohne ein zukunftsfähiges Finanzierungskonzept ist das, Herr Senator, nicht nur im höchsten Maß unprofessionell, es ist vor allem unverantwortlich gegenüber den Betroffenen, den Eltern, den Lehrern und in erster Linie gegenüber den Kindern.

[Beifall bei der FDP]

Wir lesen im vorliegenden Antrag immer wieder von Ressourcen. Das Wort fällt auf. Es müssen Ressourcen bereitgestellt werden. Dabei geht es um mehr Personal, Absenkung der Pflichtstundenzahl bei Lehrkräften, kleinere Klassen, bessere Sachmittelausstattung, duales Lernen, sonderpädagogische Förderung und Fortbildung für Lehrkräfte. Das alles ist nach Aussagen, die wir gestern im Hauptausschuss hörten, für 22,6 Millionen Euro zu haben. Das für ca. 130 Schulen!

Das bestehende System der Finanzierung von Schulen ist schlecht. Und: Mit den Geldern wird nach Gutsherrenart verfahren. Dazu einige Beispiele. Junglehrern wird mehr Geld versprochen, erfahrene Lehrkräfte werden dabei jedoch vergessen; Schulleiter werden schlechter bezahlt als ihre Kollegen an der Schule; mehr Geld für Sprachförderung fließt künftig in die Sekundarschulen; weniger Stunden für die Integration von Schülern mit Behinderungen und Unklarheiten bei Eltern, deren Kinder auf einen Schulhelfer angewiesen sind. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, ich nenne Ihnen hier lediglich die aktuellen.

Eines belegen jedoch alle Beispiele: Es fehlt die Richtschnur. Die Finanzierung der Schulen erfolgt nach Gusto, sie erfolgt nach unklaren Vorgaben. Sie versprechen, Sie weisen zu, Sie schichten um, Sie ändern Schlüssel, Sie heben oder senken die Frequenzen. Und die Schulen? – Die Schulen bleiben abhängig von der Gnade der Verwaltung und bangen jedes Jahr auf das Neue, ob sie zum Schulstart ihr Personal komplett an Bord haben. Die Finanzierung der Berliner Schulen ist nicht transparent und deshalb nicht verlässlich. Genau das ist jedoch – nach Auffassung der FDP-Fraktion – eine der Kernaufgaben, die das Land erfüllen muss, um mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Bildungsqualität zu gewährleisten: eine

verlässliche und transparente Finanzierung der Bildungseinrichtungen.

Das Gegenteil ist in Berlin der Fall. Beispiel Nummer 1: Sie haben beschlossen, das jahrgangsübergreifende Lernen für alle Schulen Berlins einzuführen. Ihnen war völlig klar, dass das etwas kostet, denn sowohl Personal- als auch Raumausstattung müssen angeglichen werden. Herr Senator, nun einmal konkret: Um wie viel Euro haben Sie den Schülerkostensatz anheben müssen, um die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung von JüL zu schaffen? Blöde Frage? – Nein, keineswegs eine blöde Frage. Es ist eine entscheidende Frage, die sich ein Senator für Bildung stellen muss, bevor er Reformen umsetzen will.

[Beifall bei der FDP]

In Berlin wird diese Frage gar nicht erst gestellt, geschweige denn zu beantworten versucht. In Berlin wird seit Jahren munter losreformiert, ohne die Voraussetzungen zu schaffen. Dazu passt das zweite Beispiel, die Umsetzung der sogenannten Schulstrukturreform, besser: die Umsetzung der Übergangsstrukturreform. Sie, verehrte Kollegen von Rot-Rot und auch von den Grünen, wollen die Reform, und Sie wissen: Es kostet. Aber ich habe den Eindruck – und das wurde gestern Abend bestätigt –, Sie haben eigentlich keine Ahnung, wie viel die Reformen kosten. Sie reden von erforderlichen Ressourcen, aber die 22,6 Millionen Euro sind durch nichts, aber auch gar nichts wirklich hinterlegt.

[Beifall bei der FDP]

Da geht es denn gern einfach so Pi mal Daumen, damit kommen wir schon hin. Alles nach dem Motto: Passt schon. Nein! Die Frage muss auch hier lauten: Herr Senator! Um wie viel Euro muss der Schülerkostensatz angehoben werden, damit eine solch einschneidende Reform erfolgreich umgesetzt werden kann? Herr Nolte – schade, er ist nicht da! –, Sie sagten gestern im Hauptausschuss so schön: Wir wollen das vielleicht gar nicht so hören. – Diese Äußerung, Herr Nolte, spricht Bände und lässt nichts Gutes ahnen.

[Beifall bei der FDP]

Frau Kollegin! Ich bitte Sie jetzt, einen kurzen Schlusssatz zu formulieren.

Ja! – Die Umstellung der Finanzierung auf Schülervollkostensätze ist richtig. Sie sorgt für mehr Transparenz und Bildungsgerechtigkeit. Sie ist richtig, weil sie eine Budgetierung der Schulen ermöglicht, damit sie eigenverantwortlicher als bisher agieren können. Selbstverständlich ist die Umstellung auch deshalb richtig, weil die Schulen in freier Trägerschaft endlich wissen, woran sie sind. Momentan werden sie mehr als stiefväterlich behandelt.

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns

Aber auch hier ist mehr Transparenz geboten. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat die Abgeordnete Frau Dr. Tesch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Senftleben! Sie sagen, dass Ihr Antrag zu den Anträgen zur Schulstrukturreform passt.

[Mieke Senftleben (FDP): Genau!]

Wo passt das denn? – Das passt überhaupt nicht zusammen. Die Einführung der Schulstrukturreform ist finanziell abgesichert. Auch die Schulhelfersituation wird sich im kommenden Haushalt verbessern. Die Finanzierung der Berliner Schulen ist transparent. Wir erinnern uns daran, dass es neben der normalen Zuweisung auch noch für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache und zusätzlich für Schülerinnen und Schüler, die von den Lernmitteln befreit sind, Lehrerstunden gibt. Das alles nicht per Gießkanne, sondern prozentual genau. Wir erinnern uns, dass wir in der letzten Legislaturperiode die Maßnahme hatten, dass alle Schulen, die mehr als 40 Prozent Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache hatten, einheitlich Lehrerstunden zugewiesen bekamen, gleich, ob sie 41 Prozent aufwiesen oder 99 Prozent. Die Schulen mit 39 Prozent haben das eben nicht bekommen. Wie es jetzt durchgeführt wird, ist es transparenter.

[Özcan Mutlu (Grüne): Schlechter für die Kinder!]

Frau Senftleben, Sie verwechseln – das bedrückt mich als Bildungspolitikerin sehr – schon wieder das jahrgangsübergreifende Lernen mit der Schulanfangsphase. Das jahrgangsübergreifende Lernen ist das Lernen der Klassen 1 bis 3 und freiwillig. Die Schulanfangsphase ist nicht freiwillig, dies ist das Lernen in heterogenen Altersgruppen in den ersten beiden Klassen. Natürlich ist auch das ausfinanziert. Selbstverständlich gibt es zusätzliche Erzieher-/Erzieherinnenstellen, um das durchführen zu können. Ihr Antrag, meine liebe Fraktion der FDP, ist ein sogenannter Running-Gag, wenn er denn komisch wäre. Sie stellen diesen Antrag jedes Mal vor den Haushaltsberatungen.

[Björn Jotzo (FDP): Weil er sinnvoll ist!]

Er strebt eine Budgetierung der Schülervollkostensätze an. Es geht Ihnen, liebe FDP, dabei vor allem um die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft. Da behaupten Sie, dass erst durch die Vollfinanzierung der Schulen freier Trägerschaft die größtmögliche Wahl- und Diskriminierungsfreiheit zwischen öffentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft gewährleistet sei. Dem ist nicht so. Die Beschlusslage des Hauptausschusses – das wissen Sie auch – ist es, die Möglichkeiten eines Finanzierungssystems im Rahmen der Finanzplanung des Landes Berlin zu prüfen und einen Vorschlag vorzulegen.

Dieser Vorschlag liegt noch nicht vor. Daher ist der Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ohne Sinn.

[Mieke Senftleben (FDP): Der letzte wurde abgelehnt, Frau Kollegin!]

Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen ist durch Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes gewährleistet, aber es gebietet keine volle Übernahme der Kosten, da sich die Kosten der öffentlichen Schulen nicht eins zu eins auf die Privatschulen übertragen lassen. Privatschulen haben keine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Angebotes, und der mit der Schülerstruktur zusammenhängende Personalaufwand öffentlicher Schulen lässt sich auch nicht immer mit demjenigen der Privatschulen vergleichen.

Die Wartezeit war Gegenstand der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht, das eine Finanzierungspflicht während der Wartezeit nicht angenommen hat. Aber wir im Land Berlin haben dennoch in der letzten Legislaturperiode die Wartezeit für bewährte Träger aufgehoben.

[Mieke Senftleben (FDP): Ja, weiß ich!]

Das ist doch ein positiver Punkt, Frau Senftleben! Hier wurde doch Ihrer Forderung entsprochen. Das müssen Sie doch auch einmal anerkennen, bevor Sie hier immer wieder nicht finanzierbare Anträge stellen.

Privatschulen dürfen nach dem Grundgesetz keine Sonderung der Schülerinnen und Schülern nach Besitzverhältnissen vornehmen. Frau Senftleben! Sie sind aber auch nicht dazu gezwungen, wie Sie immer behaupten. Sie können nämlich diesem Verbot der Sonderung Rechnung tragen, indem sie Freiplätze anbieten oder einkommensabhängige Schulgelder erheben. Das tun sie auch, und Sie wissen das. Das passiert in der Realität seit Jahren, und ich sehe daher keine Notwendigkeit, das zu ändern.

Mit überwiesen wurden, wie Sie bereits sagten, die beiden dringlichen Beschlussempfehlungen des Bildungsausschusses zu den Anträgen der CDU, die mehrheitlich abgelehnt wurden. Der erste Antrag ist lächerlich: Keine Änderung der Schulstruktur am Parlament vorbei! – Was machen wir seit Wochen hier im Parlament? Wir beraten die neue Schulstruktur – im Ausschuss und vor zwei Wochen hier im Plenum sogar im Rahmen einer Aktuellen Stunde.

Auch der zweite Antrag ist widersinnig: Planungssicherheit statt Schulschließungen! – Die Bezirke als Schulträger haben im Rahmen der zu vergebenden K-II-Mittel ihre Prioritäten aufgestellt, und danach wird nun verfahren. Die Schulen werden dementsprechend um- und ausgebaut.

Nun liegt heute endlich auch der Antrag der Koalitionsfraktionen vor, nachdem er gestern noch den Hauptausschuss passieren musste. Nach all den Debatten um die Zulassungskriterien, die nur einen kleinen Teil der geplanten Schulstruktur umfassen, lassen Sie uns nun endlich diesen Antrag beschließen, damit das Gesetz zur

Änderung der Berliner Schulstruktur endlich auf den Weg gebracht werden kann! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Tesch! Eine Punktlandung. – Nun hat Frau Senftleben das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte!

Danke, Herr Präsident! – Ja, eine Kurzintervention, weil Sie, verehrte Frau Dr. Tesch, auch der Realität ein bisschen ins Auge blicken müssen. Erstens hat der Hauptausschuss den Senat gebeten, bezüglich der Finanzierung von Schulen und Schulen in freier Trägerschaft eine Finanzierung neu zu denken – nach Schülerkostensätzen. Das ist richtig, und genau dieses hat der Senat abgelehnt. Ausrufezeichen! Deshalb sind wir fest davon überzeugt, dass wir diese lapidare Ablehnung nach dem Motto: Wir haben es immer so gemach, nicht akzeptieren! Das war nämlich die Begründung: Wir haben es immer so gemacht. Wir sind damit supergut gefahren, und aus diesem Grund bleibt es auch immer dabei. – Das ist für uns nicht genug. Wir wollen, dass sich der Senat noch einmal mit einer Vollkostenfinanzierung auseinandersetzt.

Es sind drei Punkte – und ich nenne sie noch einmal –: Schülerkostensätze sorgen für mehr Transparenz. Das ist wichtig. Die ist nämlich momentan nicht gegeben. Sie ermöglichen auch eine Budgetierung für die Schulen im Rahmen der Eigenverantwortung, damit sie es besser machen können als bisher. Das Budget für Fortbildung, für Sekretärinnen, für Hausmeister, Hauswarte usw. – und auf Dauer auch mehr!