Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Ich glaube, PISA hat vor allen Dingen für das deutsche Schulsystem Erkenntnisse gebracht, die wir alle in

Deutschland benutzen. Insofern bietet es mir Gelegenheit, an dieser Stelle noch einmal daran zu erinnern, dass ich in meiner früheren Verantwortung in Rheinland-Pfalz diesen Antrag, dass Deutschland sich an PISA beteiligt, eingebracht habe und ich damit von Beginn an an dieser Entwicklung im Guten wie im Schlechten nicht ganz unschuldig bin. Das heißt, der Ruck, der durch das deutsche Bildungssystem gegangen ist, ist letzten Endes über die Diskussion der Ergebnisse von PISA zustande gekommen. Und das höhere Bewusstsein um Bedeutung, die wir diesem Bereich zumessen, hat sicher entscheidend dazu beigetragen, dass dieser Entwicklungsschub insgesamt eingetreten ist.

Es gibt aus den PISA-Studien Erkenntnisse, die für alle Länder gelten, aber auch Erkenntnisse, die speziell für Berlin interessant sind. Das Spezielle für Berlin, das Durchgängige ist die starke Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft und Lernerfolg – wie versucht wird, es auf einen Punkt zu bringen. Das Spezielle in Berlin ist die Tatsache, dass wir nicht eine gleichmäßig verteilte Leistungskurve haben, so wie andere Länder; das heißt etwas weniger besonders Gute und etwas weniger besonders Schlechte und sehr viele im Mittelfeld, sondern dass wir in Berlin quasi eine Kurve mit zwei Spitzen haben.

Das heißt, wir gehören zu den Bundesländern mit Schülerinnen und Schülern, die in der Spitzengruppe der besonders Leistungsstarken sind. Wir sind leider auch in der Spitzengruppe der besonders Leistungsschwachen. Dieses ist ein Grund, weshalb die Koalition die Schulstrukturreform so energisch angefasst hat. Diese Erkenntnis haben wir Berliner insbesondere PISA zu verdanken.

Ich bin nicht in der Lage und nicht gewillt, Ihnen zuzustimmen, dass es zurzeit ein Geschachere um die Beteiligung an PISA vonseiten der KMK gibt. Es gibt – soweit ich das beurteilen kann – eine einhellige Grundlinie, dass wir uns sicher weiter an PISA beteiligen. Nur macht es keinen Sinn, Länderergebnisse mit riesigem finanziellen Aufwand noch zusätzlich über PISA zu finanzieren. Wenn wir uns aufgrund der Diskussion von PISA auf einheitliche Bildungsstandards in Deutschland verständigt haben, dass wir die über regelmäßige Evaluation und landesinterne, das heißt auf unsere Standards fixierte Vergleiche zwischen den Ländern abfragen wollen, wäre das eine Doppelarbeit, die sicher keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn hätte und letzten Endes dem Bemühen der Länder widersprechen würde, unter Beweis zu stellen, dass ein föderales Bildungssystem sehr wohl funktionieren kann, mit alternativen Angeboten und Lösungswegen der einzelnen Bundesländer, aber der Bereitschaft, sich an gemeinsamen Standards messen zu lassen, und dann muss man sie auch tatsächlich an den gemeinsamen Standards messen. Dann entfällt die Notwendigkeit, sich nicht an PISA zu beteiligen, was wir ja weiter tun, aber zusätzlich vertiefte Untersuchungen zu starten, damit statistisch signifikante Stichproben auch zur Bundesländerbeurteilung herauskommen.

Eine Nachfrage von Frau Kollegin Kosche. – Bitte!

Nachdem Sie die Untersuchungen so gelobt haben, Herr Zöllner, verstehe ich die Zeichen, die aus der OECD kommen, dass Deutschland nur weiter mitmacht, wenn bestimmte Ergebnisse von Deutschland zukünftig in die Fragestellungen eingehen, nicht. Meine Nachfrage ist: Würden Sie das auch verurteilen, so vorzugehen?

Herr Senator Prof. Zöllner, bitte!

Die Position der Länder ist über weite Bereiche sehr einheitlich und auf der Linie, wie ich es hier im Augenblick geschildert habe. Es gibt ein einzelnes Bundesland, das im Süden dieser Republik beheimatet ist, das da eine Diskussion führt. Ich sehe keine Probleme darin, oder ich hoffe, dass wir uns selbstverständlich an PISA international als Bundesrepublik Deutschland weiter beteiligen werden. Dem anderen sollte man in Ruhe und gefasst entgegensehen.

Wir haben noch eine Frage des Kollegen Steuer. – Bitte!

Danke sehr! – Ich habe eine Frage an den Bildungssenator. – Herr Zöllner! Warum vertrödeln Sie das Sicherheitskonzept und die notwendigen Verordnungen zur automatisierten Schülerdatei so lange, nachdem dieses Gesetz zunächst so schnell durchgepeitscht werden musste?

Herr Senator Prof. Zöllner, bitte schön!

Ich weiß nicht, ob Sie verzögern oder vertrödeln gesagt haben. Ich darf es positiv formulieren: Wir schreiten in der Umsetzung dieses Verfahrens, das sicher nicht einfach ist, so zügig und so schnell wie möglich voran, aber es muss ein Schritt nach dem anderen gemacht werden.

Eine Nachfrage des Kollegen Steuer. – Bitte!

Das heißt, dass die automatisierte Schülerdatei nicht zum nächsten Schuljahr in Kraft treten und die Daten an den Schulen nicht verarbeiten kann?

Herr Senator Prof. Zöllner. – Bitte!

Es war mit der Verabschiedung des Gesetzes klar, dass der große Qualitätssprung nach vorne in der Informationsbeschaffung und für die Einrichtung von Schulen nicht mehr erreichbar war, aber ich gehe davon aus, dass Teilbereiche noch rechtzeitig kommen, sodass wir schon einen Zugewinn haben, während der eigentliche Sprung sicher erst ein Jahr später da sein wird.

Wegen Zeitablaufs hat die Spontane Fragestunde ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Herr Körting, stoppen Sie den roten Terror – Berlin darf nicht Hauptstadt des Linksextremismus werden!

Antrag der CDU

in Verbindung mit

lfd. Nr. 12:

Beschlussempfehlung

Runden Tisch gegen Linksextremismus einrichten

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/2469 Antrag der CDU Drs 16/2383

Für die gemeinsame Besprechung bzw. Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt Herr Dr. Juhnke für die CDU. – Bitte schön, Herr Dr. Juhnke!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bilanz linker Gewalt in Berlin allein seit Beginn dieses Jahres ist verheerend. Allen voran die 1.-Mai-Krawalle: 479 verletzte Polizisten, davon 47 durch einen Angriff mit einer Tränengasbombe; versuchter Mord gegen Polizeibeamte durch Molotow-Cocktails; 170 Autos durch Brandanschläge zerstört. Der Schaden

beträgt insgesamt ca. 4 bis 5 Millionen Euro. Stein- bzw. Farbbeutelangriffe auf sechs Deutsche-Bank-Filialen, zwei Sparkassenfilialen, die Verdi-Zentrale, das Car-LoftWohngebäude in Kreuzberg, hier allein viermal, sowie die Kreisgeschäftsstelle der CDU in Pankow. Brandanschlag auf die Bußgeldstelle der Polizei, eine Tiefgarage am Kollwitzplatz, das Gebäude des Polizeiabschnitts 15 und zwei Polizeifahrzeuge. Brandanschlag auf die Geschäftsstelle des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Inbrandsetzung von Barrikaden auf der Kreuzung Liebigstraße/Ecke Rigaer Straße und anschließende Stein- und Flaschenwürfe auf Polizei und Feuerwehr. Inbrandsetzung von Barrikaden im Mauerpark mit anschließenden Stein- und Flaschenwürfen auf die Polizei. Buttersäureangriffe auf Lokale in Friedrichshain. Flucht des Innensenators vor Autonomen am 28. April in der Grünberger Straße in Friedrichshain. Drohung vom „antikapitalistischen Block“ gegen die CDU und ihren Infostand am 1. Mai in Kreuzberg. So weit nur die Vorkommnisse außerhalb der sogenannten „Action Weeks“.

Bei diesen ist es noch zu folgenden weiteren Ereignissen gekommen: Ein Wachmann vor der Verdi-Zentrale wird mittels Luftdruckgewehr mit zwei Schüssen angeschossen. Er hat dabei leichte Verletzungen am Arm erlitten. Versuchte Erstürmung und Besetzung des Flughafens Tempelhof, 102 Festnahmen, 23 verletzte Polizisten. Ein illegal betriebener Radiosender im „Köpi“ zur Koordination der Aktionstage. 28 Autos durch Brandanschläge zerstört, fünf Autos durch das Zerkratzen des Lacks beschädigt. Besetzung eines leeren Wohnhauses in der Voigtstraße durch 150 Personen und Flaschenwürfe auf die Polizei. Besetzung eines leeren Wohnhauses in der Dolziger Straße durch 80 Personen. Besetzung eines leerstehenden Verdi-Gebäudes, zwei verletzte Polizisten. Besetzung einer Brache in der Rigaer Straße durch 40 Personen. Wiederinbrandsetzung von Barrikaden auf der Kreuzung Liebigstraße/Ecke Rigaer Straße. Inbrandsetzung eines Baugerüstes für Loft-Wohnungen in der Fichtestraße. Stein- und Farbbeutelangriffe auf drei Jobcenter und die Bundesagentur für Arbeit, das Haus der Deutschen Wirtschaft, eine SAP-Niederlassung, das Amtsgericht Lichtenberg, das Wohnprojekt Marthashof, Loft-Wohnungen in der Fichtestraße, den Neubau einer Fernsehfirma in Friedrichshain, Wohnungen in der Schwedter Straße, das Verdi-Haus in der Köpenicker Straße, eine Bankfiliale in der Warschauer Straße. Verwüstung einer sanierten Wohnung in der Rigaer Straße, Angriffe auf einen BVG-Bus der Linie M 44. So weit die vermutlich nicht einmal ganz vollständige Bilanz des Schreckens linker Gewalt in Berlin für das erste Halbjahr 2009. Wir fragen uns: Was passiert noch alles? Was muss noch alles passieren, damit dieser Senat endlich aufwacht?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das Einsatzfiasko und Versagen des Innensenators am 1. Mai waren sogar Themen im Deutschen Bundestag. Die Deutsche Polizeigewerkschaft titelte:

Zwischen Steinigung und Wut. Kiezterrorismus auf hohem Niveau – nur durch Zufall keine toten Polizisten.

Ich erinnere noch einmal an die Aussage von Innensenator Körting vor dem 1. Mai: Es spricht nichts dafür, dass Gewalt von großen Gruppen organisiert wird. – Mittlerweile lässt der Senator verkünden, dass er sich „nicht mehr überraschen“ lassen will. – Hört, hört!

Mittlerweile wissen wir auch, dass der 1. Mai 2009 der für unsere Polizisten gefährlichste aller Zeiten war. 479 verletzte Kolleginnen und Kollegen, das ist leider ein ganz trauriger Rekord und bedeutet 350 Verletzte mehr als im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre, wobei schon ein einziger einer zu viel wäre.

[Beifall bei der CDU]

Dieses Ergebnis ist so erschreckend, dass ein Hilferuf von einer Seite ergangen ist, von der wir bisher keine kontroversen Meinungen gewohnt waren. Es war der Polizeipräsident von Berlin selbst, der festgestellt hat, dass die Politik und die Gesellschaft in dieser Stadt zu viel Toleranz gegenüber Randalierern aus dem linksextremen Spektrum im Gegensatz zum rechtsextremen Spektrum üben.

[Andreas Gram (CDU): Späte Erkenntnis!]

Mit der Lösung des Problems linker Gewalt sei die Polizei allein überfordert.

Ich kann nur sagen, hier trifft Herr Glietsch einmal genau ins Schwarze. Natürlich ist es mit der Polizei allein als Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Fehlentwicklungen und falsch verstandener Toleranz beim Linksextremismus nicht getan; wir alle sind gefragt. Ich erwarte auch hier den Aufschrei des Entsetzens bei allen, die verstanden haben, wie weit die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch diese Provokationen gefährdet wird. Ich erwarte den vollen Widerstand der Zivilgesellschaft gegen den dunkelroten Ungeist, und ich erwarte auch hier den Aufstand der Anständigen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Doch wo bleibt der Senat in dieser Frage? – Ich kann es Ihnen sagen: Außer ein paar aktuellen Lippenbekenntnissen passiert gar nichts, denn Sie haben sich ganz einseitig dem Kampf gegen den Rechtsextremismus verschrieben. In den Richtlinien der Regierungspolitik ist ein ganzer Punkt diesem Thema gewidmet, von allen anderen extremistischen Bedrohungen wird einfach geschwiegen.

Damit das unmissverständlich bleibt: Für die CDUFraktion ist der Kampf gegen Rechtsextremismus, Intoleranz, Antisemitismus und auch religiösen Fanatismus eine Selbstverständlichkeit. Wer sich jedoch – wie Rot-Rot in Berlin – einseitig nur einem Phänomen des Extremismus entgegenstellt, der darf nicht erwarten, in seinem Engagement übermäßig ernst genommen zu werden, der läuft Gefahr, dass man ihm nicht mehr glaubt, wenn er verfassungsbeschwörende Sonntagsreden hält.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sehr geehrte Vertreter von Rot-Rot! Kommen Sie mir nicht damit, dass die Polizei auch Straftaten von links verfolge. Natürlich tut sie das, das wäre auch der Anfang vom Ende, wenn das nicht mehr passieren würde. Die Polizei fühlt sich aber alleingelassen, wenn Rot-Rot weiterhin nicht bereit ist, das Übel zu benennen und an der Wurzel anzugehen, wenn weiterhin bagatellisiert wird, wenn weiter versucht wird, zu verharmlosen und wenn weiter versucht wird, den Kompass unserer gesellschaftlichen Werte in die ganz linke Ecke zu verschieben.

[Beifall bei der CDU]

Gemäß der amtlichen Polizeistatistik werden 56 Prozent aller extremistischen Gewaltdelikte von links verübt, doch nicht einmal 5 Prozent der staatlichen Bemühungen widmen sich diesem Gewaltphänomen. Die Augenklappe des Innensenators verhindert eine Auseinandersetzung mit der Realität.

Ein weiterer Hinderungsgrund ist die Linkspartei und ihre Grauzone zur linksextremen Szene. Hier gibt es personelle Überschneidungen und eine unverhohlene Sympathie für alle, die unsere Gesellschaft von links in Frage stellen. So gilt die erste Sorge der Linken den gewaltbereiten Demonstranten und nicht den verletzten Polizisten.

[Zuruf von der CDU]