Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

[Zuruf von der CDU]

Der Skandal um Herrn Jermak ist nur die Spitze des Eisbergs, und auch hier geht die Linkspartei zur Tagesordnung über, als wäre nichts gewesen.

Um ein klares gesellschaftspolitisches Signal zu geben, hat die CDU-Fraktion die Idee eines Runden Tisches gegen Linksextremismus zur Diskussion gestellt. Unser diesbezüglicher Antrag ist im Innenausschuss auf die im demokratischen Umgang denkbar schäbigste Art behandelt worden: Er wurde durch einen Änderungsantrag ersetzt, bei welchem die Grundidee bis in die Überschrift hinein komplett verändert wurde.

[Zuruf von Tom Schreiber (SPD)]

Nun soll stattdessen eine ohnehin schon in Auftrag gegebene Studie der Landeskommission Berlin gegen Gewalt zum Thema „Ursachen linksextremistischer Gewalt in Berlin“ im Abgeordnetenhaus diskutiert werden. Meine Damen und Herren von der Koalition! Ich frage Sie, welchen Stellenwert Sie dieser Landeskommission eigentlich zubilligen, wenn Sie sogar einen Antrag für nötig halten, damit einer ihrer Berichte dem Berliner Abgeordnetenhaus zur Kenntnis gegeben werden kann. Von einer Diskussion dieses Berichts steht im Übrigen nichts in dem Antrag, denn der hat lediglich das Ziel, ein wichtiges, aber für Rot-Rot in höchstem Maße unangenehmes Thema zweitklassig zu beerdigen. Das ist schon vom Umgang her ein weiterer Meilenstein in der Peinlichkeitsliste dieser Koalition!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der Senat wäre in der Pflicht, endlich ein Klima zu schaffen, in welchem jeder Extremismus – egal von welcher Seite – mit der gleichen Ächtung des Staates und der

Gesellschaft zu rechnen hätte. Am Schlusspunkt müsste im Zweifel die Entschlossenheit unserer Polizei stehen, aber viel wichtiger ist, es begönne in den Köpfen und im Handeln derjenigen, die für die Politik unserer Stadt derzeit noch die Verantwortung tragen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Die CDU-Fraktion erwartet von Rot-Rot – und speziell vom Regierenden Bürgermeister –, diese gesellschaftliche Verantwortung endlich anzunehmen und nicht nur eine schlecht bezahlte und demotivierte Berliner Polizei die Drecksarbeit machen zu lassen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Im Grunde wissen wir jedoch alle, dass dieser rot-rote Wowereit-Senat aufgrund seiner Blindheit auf dem linken Auge, seiner ideologischen Befangenheit und seiner gesellschaftspolitischen Geisterfahrerei dazu weder bereit noch in der Lage ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Juhnke! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen ist deutlich geworden: Es gibt in Berlin keine Spielräume für illegale und gewalttätige Aktionen.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Teile der linksextremen Szene wollten testen, ob der Senat zurückweichen und rechtsfreie Räume zulassen würde – sie wurden eines Besseren belehrt;

[Zuruf von René Stadtkewitz (CDU)]

der Rechtsstaat hat entschlossen und mit Augenmaß reagiert.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Zwei Wochen lang hat ein linksautonomes Aktionsbündnis in Berlin seinen Protest gegen die sogenannte Gentrifizierung, also die Verdrängung von Menschen mit niedrigem Einkommen aus bestimmten Nachbarschaften, gebündelt in die Öffentlichkeit getragen. Erklärter Höhepunkt der Aktionswochen sollte die Besetzung des Tempelhofer Flughafengeländes am 20. Juni sein. In der Öffentlichkeit gab es Kritik und Ablehnung gegen diese Form der Mobilisierung, aber auch Unterstützung – bei den Grünen, bei der Partei Die Linke, leider auch bei den Jungsozialisten in der SPD. Nach Ablauf der Aktionswochen müssen wir feststellen, dass die Kontrolle über diesen im Ursprung vielleicht als friedlich und kreativ gedachten Protest den Initiatoren entglitten ist. Deshalb lagen auch alle falsch, die für die Anliegen des Akti

Dr. Robbin Juhnke

onsbündnisses Verständnis ausgedrückt haben. Die Aktionswochen haben nicht nur eine ohnehin in Berlin aktive gewaltbereite Szene mobilisiert, sie haben offenbar auch Extremisten von außerhalb angezogen. Dabei kam es erneut zu Übergriffen gegen das Eigentum der Berlinerinnen und Berliner. Autos von Privatpersonen sowie Lieferwagen der Post wurden angezündet, trauriger Höhepunkt war ein Anschlag in der Nachbarschaft des CDUAbgeordneten Dr. Juhnke – der Präsident hat vorhin dazu die passenden Worte gefunden.

[Andreas Gram (CDU): Aber ein bisschen spät!]

Die Radikalisierung und die zunehmende Gewaltbereitschaft entspricht der Logik dieser Aktionswochen, und das musste auch den Initiatoren klar sein. Wer zu wochenlangem Protest aufruft, wer eine kontinuierliche Steigerung erreichen und dazu motivieren will, der produziert Eskalation. Das Signal ist: Das, wozu wir unmittelbar aufrufen, geht, aber es geht auch mehr. Was dieses „mehr“ für eine gewaltbereite Szene bedeutet, kann sich jeder von uns ausrechnen. Deshalb dürfen die Sprecherinnen und Sprecher demokratischer Parteien und auch ihrer Jugendorganisationen diese Form des Protestes nicht unterstützen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Christoph Meyer (FDP): Das gilt aber auch für Sie, oder?]

Auch wir haben Verständnis dafür, dass Menschen sich wünschen, dass das Tempelhofer Feld für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar wird. Es ist unbefriedigend, ein Dreivierteljahr nach Einstellung des Flugbetriebs an einem Zaun stehen zu bleiben,

[Beifall bei den Grünen]

obwohl wir wissen, hinter dem Zaun liegen ein Grillplatz, Sportanlagen, Möglichkeiten für Einzelne und für Familien. Es ist gut, dass Tempelhof kein Flughafen mehr ist, die Schließung hat mehr Ruhe, mehr Sicherheit, weniger Umweltverschmutzung für die Menschen in Neukölln, Kreuzberg und Tempelhof gebracht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Trotzdem wollen wir noch mehr: Wir wollen, dass die Menschen die Räume nutzen können, die der Flugverkehr frei gegeben hat.

[Ach was! von den Grünen]

Aber natürlich kann diese Öffnung nur kontrolliert und schrittweise erfolgen.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP) – Zurufe von den Grünen]

Keinesfalls, meine Damen und Herren von den Grünen, darf das politische Ziel, das Tempelhofer Feld zu öffnen, zum Freibrief für Hausfriedensbruch und Gewalt werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Launige Begriffe wie „Zaunübersteigung“ und „friedliches Picknick“ dafür zu verwenden, wie es die Grünen getan haben, ist irreführend und verantwortungslos.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Noch weniger dürfen die Vorteile, die wir jetzt genießen, dazu missbraucht werden, die Nachbarinnen und Nachbarn des Tempelhofer Feldes zu verunsichern. Es geht nicht an, als Protestaktion gegen Gentrifizierung den Bewohnern des Schiller-Kiezes fingierte Mieterhöhungen zu schicken. Wer den Eindruck erzeugt, rund um das Tempelhofer Feld würden die Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben, der zündelt bewusst. Die Mieten in den einfachen Wohnlagen sind und bleiben stabil! Selbst bei Neuvermietung gibt es keinen sprunghaften Anstieg, der Mietspiegel garantiert Stabilität auf Jahre. Wer den Menschen etwas anderes einreden will, spielt mit ihren Ängsten. Diesen selbsternannten Gentrifizierungsgegnern geht es um ihre eigenen politischen Ziele und nicht um die Interessen der Menschen, deren Sorgen sie vergrößern. Für die Anwohner ist das Ende des Flugbetriebs ein Grund zur Freude. Daran darf sich nichts ändern.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne)]

Die Aufgabenstellung in dieser Situation ist klar. Wir haben die Grundrechte und das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger des Landes Berlin zu schützen. Und wir müssen deutlich machen, dass linksextreme Gewalt in Berlin genauso wenig geduldet wird wie jede andere Form von Gewalt gegen Menschen und Sachen.

[Andreas Gram (CDU): Fangt mal an!]

Was die CDU macht, hilft dabei nicht weiter. Herr Juhnke haut auf den Putz, wie das seine Art ist. Er wirft mit unangemessenen und belasteten Schlagworten um sich. Die CDU-Fraktion meldet als Thema „roten Terror“ an. Herr Henkel, hören Sie auf, von „rotem Terror“ zu schwadronieren! Wir haben keinen Deutschen Herbst, und wir haben erst recht keine bolschewistische Diktatur, die diesen Begriff einmal geprägt hat. Aber wir haben eine schwierige Lage, die die Innenpolitik vor anspruchsvolle Aufgaben stellt. Dieses Haus sollte auch anspruchsvoll darüber diskutieren und ernst zu nehmende Vorschläge machen.

Die CDU-Vorschläge, die bisher auf dem Tisch liegen, nämlich eine Sonderkommission der Polizei einzusetzen und einen Runden Tisch einzuberufen, folgen beide derselben Logik, nämlich dem berühmten Satz: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Aber die Sonderkommission, Herr Gram, kann sich genauso wenig neben jedes Auto stellen, wie es die regulären Dienststellen der Polizei können. Und was ein Runder Tisch über das hinaus leisten könnte, was die Landeskommission gegen Gewalt heute schon macht, das haben Sie bisher nicht erklären können.

[Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU): Jetzt kommen wir zu Ihren Vorschlägen!]

Deshalb, Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, bitte ich Sie mitzudenken. Geben Sie nicht der Versuchung nach, wie Sie es heute getan haben, aus der nachvollziehbaren Besorgnis vieler Menschen politisches Kapital schlagen zu wollen, sondern versuchen Sie mit uns, durch Aufklärung,

[Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU): Wessen Aufklärung?]

Deeskalation und Klarheit im Umgang mit Gesetzesbrechern den gewaltbereiten Linksextremisten den Boden zu entziehen!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Steffen Zillich (Linksfraktion)]