Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Der Entwurf, den die Kollegen von der CDU hier vorgelegt haben, hat viele der Einwände, die sowohl meine Fraktion als auch große Teile der Fachöffentlichkeit gegen den Senatsentwurf vorgebracht haben, berücksichtigt. Das ist gut.

[Beifall bei der FDP – Zuruf der Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner]

Nicht gut jedoch ist, dass Sie hier suggerieren, Sie hätten das mit der gesamten Liga abgestimmt. Zur Liga gehören neben der Diakonie noch andere Verbände, mit denen der Entwurf nicht abgestimmt ist.

[Andreas Otto (Grüne): Unerhört!]

Die gesamte Fachöffentlichkeit und die betroffenen Träger müssen endlich in die Entwicklung dieses Gesetzes eingebunden werden. Das hat bisher weder der Senat noch die CDU berücksichtigt.

[Beifall bei der FDP]

Mit der Vorlage des Entwurfs hat die CDU-Fraktion aber vor allem dazu beigetragen, dass sich endlich auch das Parlament und die gesamte Öffentlichkeit mit diesem wichtigen Thema befassen können.

[Gregor Hoffmann (CDU): Das war das Ansinnen!]

Viel zu lange hat der Senat die Vorlage seines Entwurfs zum Wohnteilhabegesetz hinausgezögert.

[Gregor Hoffmann (CDU): Richtig!]

Hinzu kommen die inhaltlichen Mängel, die er bisher nicht aufgenommen hat. Sicherlich wird die Koalition diesem Antrag nicht zustimmen, immer mit dem Verweis darauf, dass doch vonseiten des Senats doch etwas in Vorbereitung sei. Doch immer wieder muss man dann auf den Ertrag warten. Ich prophezeie, dass Berlin in diesem Bereich zu den Ländern gehören wird, die als letzte ein Wohnteilhabegesetz haben werden.

Entschuldigen Sie, Herr Lehmann, Ihre Redezeit ist beendet.

Mein letzter Satz! – Damit zeigt der Senat ein weiteres Mal, wie wenig ernst er die Bedürfnisse der Menschen dieser Stadt nimmt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für eine Kurzintervention hat nun Frau Abgeordnete Dott das Wort.

Sehr geehrter Herr Lehmann! Ich möchte zwei Dinge anmerken. Wir reden hier überhaupt nicht über einen Gesetzentwurf des Senats, den wir in der letzten Zeit hätten besprechen können, weil der noch gar nicht vorliegt, sondern wir reden von der Vorlage, dem Vorgänger davon. Zweitens kann das, was die CDU heute hier vorgelegt hat, gar nicht abgestimmt werden,

[Christoph Meyer (FDP): Wird ja nicht abgestimmt!]

denn es muss in jedem Fall erst einmal im Fachausschuss diskutiert werden. Insofern werden wir den Antrag als Koalition heute auf keinen Fall ablehnen, weil es inhaltlich noch gar nicht zur Debatte steht. Das ist ja der Skandal, dass er hier zur Priorität gemacht worden ist. Hier hört keiner zu, kann keiner zuhören, weil niemand weiß, wovon die Rede ist. Auch wir im Sozialausschuss haben das Thema noch nicht behandelt.

Vielen Dank! – Herr Lehmann! Möchten Sie antworten?

[Rainer-Michael Lehmann (FDP): Nein!]

Das ist nicht der Fall. Dann liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des CDUAntrags Drucksache 16/2489 federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und an den Hauptausschuss. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf die Priorität der Fraktion Die Linke

lfd. Nr. 4 b:

Dringlicher Antrag

Verbot der Diskriminierung aufgrund sexueller Identität ins Grundgesetz!

Antrag der SPD, der Linksfraktion und der Grünen Drs 16/2518 Neu

Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widersprochen.

[Andreas Gram (CDU): Doch, ich widerspreche!]

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. – Herr Abgeordneter Dr. Lederer das Wort – bitte sehr!

[Andreas Gram (CDU): Sie haben meinen Widerspruch zur Kenntnis genommen? – Christian Gaebler (SPD): Sie können nur als Fraktion widersprechen!]

Ich habe es zur Kenntnis genommen. Klären Sie das mit Herrn Goetze! – Herr Lederer! Sie haben das Wort!

Rainer-Michael Lehmann

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ziel unseres Antrags ist die Ergänzung des Diskriminierungsverbots aus Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Identität. Der Senat soll aufgefordert werden, eine entsprechende Bundesratsinitiative einzureichen.

Wenn man der Tagespresse von heute glaubt, dann haben CDU und FDP angekündigt, gegen diesen Antrag zu stimmen – mit der Begründung, es handele sich um Effekthascherei vor dem CSD. – Wenn das alles ist, was Ihnen als Begründung für die Ablehnung einfällt, bin ich einigermaßen erstaunt.

[Andreas Gram (CDU): Warten Sie es doch ab, bis Sie unsere Rede gehört haben!]

Noch vor wenigen Wochen haben wir hier einen einstimmigen Beschluss dieses Hauses zur Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt verabschiedet. Nur die CDU hat nicht darüber abgestimmt, Sie hatten an dem Tag Auszeit, Sie waren hier nicht im Plenum.

[Mario Czaja (CDU): Ihr hattet uns beleidigt!]

Aber immerhin haben Sie darauf bestanden, dass Sie diese Initiative in den Ausschüssen mit unterstützt hätten. Demzufolge kann man davon ausgehen, dass das Anliegen dieser Initiative eigentlich vom ganzen Haus getragen wird.

[Andreas Gram (CDU): Wir waren beleidigt!]

Hören Sie doch einfach einmal zu! Sie können dem Anliegen einfach ernsthafte Aufmerksamkeit widmen anstatt hier Ihre Späßchen zu machen. Ich finde, das Anliegen ist es auch durchaus wert und hat es verdient.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

In Punkt 23 dieses Beschlusses hieß es, dass das Land Berlin Bundesratsinitiativen zur Herbeiführung der rechtlichen Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher sexueller Identität ergreifen möchte. – Genau das passiert hier. Die erste Chance, diesem Bekenntnis von seinerzeit Taten folgen zu lassen, lassen Sie ungenutzt und kneifen. Ich finde, das ist ein ziemliches Trauerspiel.

Sehr geehrte CDU und FDP! Ja, der Termin ist bewusst gewählt. Das ist ja vielleicht auch nicht unbedingt typisch, dass drei Parteien – eine Oppositionspartei und zwei Regierungsparteien – hier gemeinsam einen solchen Antrag einreichen, aber das Anliegen ist es wirklich wert. Die Prideweek zwischen Stadtfest und CSD sichert eine höhere Aufmerksamkeit für dieses Thema. Die Forderungen der bundesweiten Demonstrationen zum diesjährigen CSD nehmen dieses Ziel in Bezug auf Artikel 3 Abs. 3 auf. Ich finde es richtig, das aufzugreifen. Unser Parlament hat heute auch die Chance, ein Zeichen der Solidarisierung mit dieser Forderung zu setzen. Es geht auch um Akzeptanz, nicht einfach nur um gesetzliche Änderungen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das ist auch nicht schlicht und einfach Verfassungskosmetik. 1948 haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes in Reaktion auf den Naziterror gegen ganze Bevölkerungsgruppen den Artikel 3 Abs. 3 eingeführt. Zwei Bevölkerungsgruppen vergaß man: behinderte Menschen, die unter den sogenannten Euthanasiemaßnahmen der Nazis zu leiden hatten, und die homosexuellen Menschen, die Rosa-Winkel-Verfolgten. 1994 gab es eine Verfassungsreform, die die erste Unterlassung korrigierte. Auf die zweite Korrektur warten wir, wie auch auf die Rehabilitierung und Entschädigung von in Ost und West nach § 175 StGB alter Fassung Verurteilten, bis heute vergeblich.

In der Berliner Verfassung ist das Merkmal „sexuelle Identität“ im Übrigen seit 1995 aufgenommen, und die Berlinerinnen und Berliner haben diese Verfassung damals abgestimmt. Es ist höchste Zeit, diesen Zustand auch auf Bundesebene herzustellen. Das ist dringend notwendig.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die Erweiterung dieses Diskriminierungsverbots hätte wohl auch Folgen, denn nach wie vor rechtfertigt und sanktioniert das Bundesverfassungsgericht in fortlaufenden Kammerentscheidungen die europarechtswidrige Verweigerung von Rechten für gleichgeschlechtliche Menschen mit der abwegigen Begründung, die Ehe sei aufs Kinderkriegen und -aufziehen ausgelegt, die Lebenspartnerschaft nicht. In diesem Zusammenhang spielt der Name eines Vorzeigekonservativen eine entscheidende Rolle, nämlich der des Verfassungsrichters Udo Di Fabio, ins Bundesverfassungsgericht entsandt auf Vorschlag der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands.

Das muss man sich einmal vorstellen: Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern wird nicht nur das Adoptionsrecht vorenthalten und die steuerrechtliche Privilegierung der Ehe, die im Übrigen keine Gebärpflicht umfasst. Erst wird die Gründung von Regenbogenfamilien erschwert, dann wird das auch noch zur mehr als krummen Rechtfertigung von Ungleichbehandlung benutzt. Ich finde das ziemlich abenteuerlich. Deswegen muss das ein Ende haben. Die rechtliche Gleichstellung ist die Voraussetzung der tatsächlichen Akzeptanz. Mit einer Änderung und Ergänzung von Artikel 3 Abs. 3 werden auch im Bundesverfassungsgericht andere Abwägungen notwendig und möglich.

Die CDU und die FDP kann ich nur auffordern: Wenn Sie es ernst nehmen mit der Gleichstellung, dann stimmen Sie heute mit uns für diesen Antrag! Ich glaube, das wäre ein gutes Zeichen, auch in Richtung der anderen Bundesländer, die sich mit diesem Thema auch noch auseinanderzusetzen haben, insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Kollege Steuer ja deklamatorisch die Akzeptanz sexueller Vielfalt de facto zu einem entscheidenden Eckpfeiler