Protokoll der Sitzung vom 10.09.2009

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Wir müssen das natürlich ausschreiben. Wir definieren als Staat die Leistung, nicht die technischen Details. Wir definieren, wie oft, wann und wo was abzufahren ist und wie es der Auftragnehmer zu erbringen hat. Oder umgekehrt bedeutet dies, was die Probleme sind, ob das Manager oder Bremsklötze oder Ähnliches sind, interessiert den Auftraggeber nicht. Dann kürzt er nach einer vorher vereinbarten Vertragsstrafe die Vergütung. Das geht natürlich, Kollege Lederer, über 100 Prozent hinaus. Natürlich ist darin auch Schadensersatzpflichtigkeit vorzusehen. Im Zweifelsfall ist bei einer wiederholten Vertragsverletzung der Vertrag zu kündigen und neu auszuschreiben. Damit organisieren Sie über die Zeitachse Wettbewerb. Darum muss es gehen. Nur dann bekommen die Berlinerinnen und Berliner eine hervorragende Leistung zu einigermaßen günstigen Preisen. Verstehen Sie doch einfach einmal, dass es hier um Wettbewerb und nicht um eine Änderung der Rechtsform oder anderen Kokolores geht!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wenn schon liberal, dann wenigstens richtig, Herr Wowereit!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort zu einem Beitrag hat jetzt wieder der Regierende Bürgermeister, bitte schön!

[Unruhe]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe doch dauernd gehört: Er stellt sich der Debatte

nicht. – Jetzt meckern Sie auf einmal, dass ich mich hier einmische. Sie müssen sich endlich einmal entscheiden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sonst muss alles Chefsache sein. Da wird vorgeworfen: Er kommt nicht, er redet nicht. – Jetzt redet er, und es ist auch wieder nicht gut.

[Volker Ratzmann (Grüne): Nein, nein!]

So viel Gelegenheit werden wir mit Herrn Lindner nicht mehr haben, jedenfalls hier. Ich hoffe, dass Sie in Berlin noch Ihren Wohnsitz behalten, Herr Lindner.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wir sehen uns wieder!]

Das ist nicht das Problem. Aber es lohnt sich in der Tat, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen, und zwar auch vor dem 27. September, damit Deutschland am 28. September nicht aufwacht und sich wundert, was man gewählt hat, denn Sie haben die Katze mal wieder aus dem Sack gelassen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Da sind wir komplett anderer Auffassung. Sie wollen im Personennahverkehr und im öffentlichen Nahverkehrssystem einen ominösen und ruinösen Wettbewerb haben. Den wollen wir nicht haben. Wir wollen eine Leistung für die Bürgerinnen und Bürger, die sich dem Wettbewerb entzieht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Denn bei dem Wettbewerb, erst recht bei dem freien Spiel der Kräfte, würden viele auf der Strecke bleiben, und viele Menschen in den abgelegenen Regionen, die nicht profitabel wären, hätten keinen öffentlichen Nahverkehr mehr. Deshalb sind wir dagegen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der FDP]

Herr Wowereit! Bei Frau Hämmerling besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Ach, Frau Hämmerling! Ja, gerne! Sie nähert sich der FDP so schön an, dann kann sie auch jetzt bei Herrn Lindner anknüpfen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Martina Michels (Linksfraktion): Genau!]

Herr Wowereit! Sie haben gerade gemeinsam mit Brandenburg erfolgreich den Regionalverkehr ausgeschrieben, ich hatte es erwähnt. Halten das auch für einen ruinösen Wettbewerb, den Sie da ausgeschrieben haben? Wenn ja, warum machen Sie denn so etwas?

Woher wissen Sie denn schon jetzt, dass er erfolgreich ist, wo sie noch gar nicht angefangen haben? Das ist das Schärfste, dass Sie das alles schon wieder wissen! Das wissen Sie jetzt schon! Erörtern Sie das doch mal, nachdem es schon eine Weile gelaufen ist!

[Beifall bei der SPD – Zurufe von den Grünen]

Aber jetzt zu der Grundauffassung, Herr Lindner! Sie sagen, das interessiert Sie gar nicht, was die alles machen. Und wenn Sie den Wettbewerb haben, ist alles gut. – Ich sage Ihnen ganz klar: Egal, ob privates oder öffentliches Unternehmen, das spielt dabei keine Rolle. Was hier passiert, ist, dass zulasten der Sicherheit fahrlässig Wartungen nicht durchgeführt wurden – und das war ursächlich für den Crash, der jetzt gelaufen ist –,

[Zurufe von der FDP]

das darf sich weder ein privates noch ein öffentliches Unternehmen leisten – nur an der Gewinnmaximierung orientiert.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das ist etwas, was Sie endlich verstehen müssen, dass es im Unternehmertum auch so etwas wie Moral gibt, sowohl bei privaten als auch bei öffentlichen Unternehmen. Man kann die Gewinne nicht zulasten der Sicherheit und der Wartung steigern. Das ist hier passiert, und das darf nicht toleriert werden. Deshalb wenden wir uns dagegen, lieber Herr Lindner! Und wenn Sie das gut finden, dann stimmt da etwas nicht.

[Zurufe von den Grünen und der FDP]

Ich sage Ihnen noch etwas, das unterscheidet uns auch: Sie werfen dem Senat so oft eine Wirtschaftsförderpolitik vor, die nicht ausreichend ist. Sie sagen in Ihrer Konsequenz, es soll dem Berliner Senat egal sein, ein Berliner Unternehmen mit über 3 000 Mitarbeitern von heute auf morgen auf die Straße zu setzen. Da sage ich Ihnen, es ist dem Berliner Senat nicht egal, was mit der S-Bahn und dem Berliner Betrieb passiert.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir haben für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Verantwortung. Man kann sie nicht einerseits loben und ihnen andererseits deutlich machen, wir wollen auf ihre Mitarbeit verzichten,

[Zurufe von der FDP]

und wir wollen, dass sie zu einem Arbeitgeber kommen, bei dem sie schlechtere Bedingungen haben, damit der Zuschlag erteilt werden kann. Das ist nicht die Politik des Senats.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Björn Jotzo (FDP)]

Auch zu Herrn Steffel noch einmal: Wir haben bereits Nachverhandlungen vereinbart. Und diese Nachverhandlungen werden auch durchgeführt. Dies haben wir unabhängig von dem letzten Crash gemacht, das haben wir

gleich am Anfang gemacht. Denn es sind in der Tat noch Nachbesserungen des Vertrags notwendig, die aber nicht das Grundproblem betreffen, mit dem wir es jetzt zu tun haben. Wir werden nachverhandeln. Und wir sagen ganz öffentlich und auch ganz deutlich, dass die Bahn sich nicht sicher sein kann, dass ihr Vertrag verlängert wird. Dies wird der Senat sorgfältig abwägen und dann zur Entscheidung vorlegen. Das werden wir ganz sorgfältig machen, auch unter Berücksichtigung der Sachen, die jetzt bei der S-Bahn passieren, und wie die S-Bahn damit umgeht und ob der neue Vorstand in der Lage ist, sowohl die Bahn als auch die S-Bahn neu aufzustellen in dem Sinne, dass hier für die Bürgerinnen und Bürger etwas geleistet wird und dass die S-Bahn nicht immer nur eine Zitrone ist, die ausgequetscht werden kann, koste es, was es wolle und um jeden Preis. Das ist die Politik des Berliner Senats. Da wollen wir hin,

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

und wir werden bei dem Versuch, dies im Interesse der Berlinerinnen und Berliner zu erreichen, auch nicht nachlassen. Ich bezweifle, dass es im Interesse der Berlinerinnen und Berliner ist, den Vertrag vorschnell zu kündigen und die S-Bahn vor die Tür zu setzen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Vorschnell!]

Damit würde sich für die Berlinerinnen und Berliner nichts verbessern, sondern es würde sich verschlechtern. Und die These, dass es danach einen besseren Anbieter gibt, ist zurzeit nur eine Behauptung und nicht bewiesen.

[Joachim Esser (Grüne): Woher wissen Sie das denn?]

Deshalb werden wir das auch nicht so machen.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Wir werden nach wie vor daran festhalten, dass wir weiterhin investieren. Wir haben in der gesamten Debatte bislang noch nicht erwähnt, dass Milliarden Euro investiert worden sind, auch Bundesmittel. Über die Bahn selbst bis hin zum Landeshaushalt haben wir Milliarden Euro in das öffentliche Nahverkehrssystem investiert.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Und das werden wir auch zukünftig tun, und zwar deshalb, weil wir der Meinung sind, dass das eine notwendige Investition ist.