Protokoll der Sitzung vom 10.09.2009

Der vom Senat in dieser Woche beschlossene Gesetzentwurf enthält auch einen bedarfsunabhängigen Anspruch auf Teilzeitförderung für alle Kinder im letzten Jahr vor der regelmäßigen Schulpflicht und – um zu Ihrer zweiten Frage zu kommen – die Beitragsfreiheit drei Jahre vor der Einschulung.

Zu Ihrer Frage 2: Der Senat hält an der Einführung der Beitragsfreiheit für die drei Kindergartenjahre fest, da die Beitragsfreiheit für alle Kinder dieser Stadt unabhängig vom Einkommen der Eltern ein unverzichtbarer Schritt zu mehr Bildungschancengerechtigkeit ist.

[Mieke Senftleben (FDP): Das sehen andere anders!]

Ich sage das noch mal nachdrücklich: Trotz der Tatsache, dass man in einem solchen Bereich wie Bildung eine weitere Verbesserung und einen Ausbau mit Recht fordern kann, gibt es eine Basis, auf der Bildungs- und Chancengerechtigkeit überhaupt nur aufgebaut werden kann, und das ist die Tatsache, dass sie grundsätzlich unabhängig von zusätzlichen Finanzierungen sein muss, das heißt, dass sie beitragsfrei im vorschulischen Bereich, im schulischen Bereich und – ich betone – auch in dem darauffolgenden u. a. Hochschulbereich sein muss. Sie ist ein Akt sozialer Gerechtigkeit und Integration. Die Beitragsfreiheit entlastet alle Eltern, aber insbesondere auch die fühlbar, deren Kostenbeitrag bei kleinen oder kleinsten Einkommen eine spürbare Belastung darstellt. Die Beitragsfreiheit öffnet den Weg in die vorschulische Bildung der Kinder für alle Eltern, dann unabhängig von der Einkommenssituation. Und wie die Diskussionslage und die Positionierung sich in dem Bezug auf Beitrags- oder Gebührenfreiheit blitzschnell ändern können, wenn die Wirklichkeit sich ändert, können Sie aus der Diskussion über die Studiengebühren im Laufe der letzten Jahre in der Bundesrepublik Deutschland feststellen. Die noch vor Kurzem vorhandene Mehrheit in der Bevölkerung zur Einführung von Studiengebühren hat sich offensichtlich schlagartig gewandelt in dem Moment, in dem sie eingeführt worden sind, weil dieses selbstverständliche Recht dann nicht mehr existiert hat, sodass sich jetzt selbst CDU-Bundesländer zum Vorreiter der Gebührenfreiheit machen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Vielen Dank, Herr Senator Prof. Zöllner!

Meine erste Mitteilung jetzt ist, dass wir die Sitzung für ungefähr zwei Minuten unterbrechen müssen, weil es einen technischen Defekt gibt. Tut mir leid, aber es geht gleich weiter.

[Unterbrechung der Sitzung von 13.50 bis 13.53 Uhr]

Meine Damen und Herren! Aus den zwei Minuten sind nun drei geworden, aber nun können wir weitermachen und hoffen, dass es heute die einzige Panne bleibt.

Ich bitte Frau Jantzen und Frau Demirbüken-Wegner, sich noch einmal einzudrücken. Jetzt hat Frau Abgeordnete Jantzen Gelegenheit zu einer Nachfrage. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Gestatten Sie mir zunächst eine Richtigstellung der Zahlen des Senators: Die 740 Millionen Euro im Jahr 2009 sind ohne den Nachtragshaushalt. Es sind bereits über 800 Millionen Euro in 2009, und damit ist Ihre exorbitante Steigerung eigentlich real nicht vorhanden.

Meine Frage ist aber: Wie verträgt sich Ihre Absage an die auf verschiedenen Veranstaltungen und in Presseerklärungen versprochenen Verbesserungen für die Erzieherinnen und Erzieher und auch die Eltern mit Ihrer Presseerklärung von heute, wo Sie zu der OECD-Studie erklärt haben: „Bildung darf nicht zu einem Schönwetterthema verkommen, bei dem Versprechen und Absichtserklärung Tatenlosigkeit verschleiern.“ Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie die gute und wichtige Qualitätsentwicklung, die in den Kindertagesstätten mit sehr engagierten Erzieherinnen begonnen hat, an die Wand fahren und die Erzieherinnen völlig demotivieren?

[Beifall bei den Grünen]

Herr Senator Prof. Zöllner, bitte!

Ich sehe nicht, inwieweit eine Absage an eine entsprechende auch personelle Verbesserungen in den Kitas dadurch stattgefunden hat, dass in einem bestimmten Haushaltsjahr eine solche Aufstockung nicht möglich ist. Auf dem weiten Weg, bei dem ich immer gedacht habe, dass auch zwischen Ihnen und mir Konsens besteht,

[Elfi Jantzen (Grüne): Genau deshalb frage ich!]

dass wir den Bildungsbereich kontinuierlich ausbauen müssen, gibt es möglicherweise Unterschiede, wie schnell man einen solchen Weg gehen kann, der auch damit zusammenhängt, ob man in der realistischen Verantwortung ist, diesen Weg zu gehen, oder aber nur formulieren muss, dass er wünschenswert wäre.

Ich bin nach wie vor mit allem Nachdruck der Meinung, dass wir in diesem Bereich auch personelle Verbesserungen brauchen. Ich stehe aber auch dazu, wenn beides oder das Dreifache oder Vierfache – und es geht um mehrere Maßnahmen, die alle sehr kostenintensiv sind –, wenn nicht alles zusammen möglich ist, dass man dann gar nicht umhin kommt, eine Reihenfolge festzulegen.

[Ramona Pop (Grüne): Und Sie machen die falsche! Das ist das Problem!]

Und der Senat hat die Reihenfolge der Realisierbarkeit beschlossen, die dem entsprechenden Haushaltsentwurf zugrunde liegt. Das bedeutet nicht, dass das andere als unnötig erachtet wird oder dass man ihm eine Absage erteilt hat.

[Beifall von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Zweitens stelle ich nachdrücklich fest, dass ich nie – dazu habe ich ein gewisses Maß an Erfahrungen – gesagt habe, dass zum Jahr x die Maßnahme y mit absoluter Sicherheit kommt. Ich habe nur gesagt, dass es mehrere Entwicklungsperspektiven im Kitabereich gibt, wobei die personelle Verbesserung einer von mehreren Punkten war, und dass ich mich mit allem Nachdruck dafür einsetzen werde.

Dass ich nicht mit allen Wünschen, die ich an den Haushalt habe, erfolgreich gewesen bin, mögen Sie bedauern. Ich bedauere es auch etwas, aber die realistischere Einschätzung, dass es in Zeiten finanzieller Engpässe immer Abwägungsprozesse gibt, ist eine, die einen Politiker auszeichnen und nicht vorgeworfen werden sollte.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Senator Prof. Zöllner. – Das Wort für eine weitere Nachfrage hat Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte sehr!

Verehrter Herr Senator! Es ist in diesem Hohen Haus relativ irrelevant, ob Sie persönlich, ich oder meine Kollegin Frau Jantzen es bedauern, es sind ganz viele kleine Kinder von der Situation betroffen. Mich würde die Reaktion der Fachexperten interessieren, die vor Ort das gesetzliche Berliner Bildungsprogramm umsetzen sollen. Sie haben, wenn die Qualitätssicherung nicht stattfindet, das BBP nicht umgesetzt werden kann, die Verhandlungen mit Ihnen und mit Ihrem Haus ausgesetzt. Es finden in Berlin Berliner Kitatage genau zu diesem Thema statt. Nicht alles zusammen, aber der Stufenplan war weitest

gehend von Ihnen zugesprochen und es war versichert worden, dass Sie Ihr Bestes tun wollen. Es geht um personelle Besserung, die eine Qualitätssicherung darstellt.

Frau Demirbüken-Wegner! Wenn Sie bitte Ihre Frage stellen möchten!

Es geht um eine Generation von Kindern, wenn heute schon jedes vierte Kind unabhängig von seiner Herkunft mit mangelhaften Deutschkenntnissen in die Kita kommt. Wir wollen Sie dieser Entwicklung entgegensteuern? Null Investitionen in die Qualität!

[Zurufe: Frage!]

Wie wollen Sie diesem entgegensteuern?

Vielen Dank, Frau Demirbüken-Wegner! – Es antwortet der Senator für Bildung, Herr Prof. Zöllner!

Erstens gibt es jetzt schon durch die kontinuierliche Politik und Schwerpunktsetzung des Senats im Kitabereich gerade in der Sprachfähigkeit eindeutige Fortschritte, die über die letzten Jahre belegbar sind.

Zweitens ist es so, dass eine Vielzahl von Maßnahmen dazu dient, dieses Ziel, das ich mit Ihnen teile, zu erreichen, so unter anderem, dass man überhaupt eine Kita besucht.

Es ist sicher unstrittig, dass die Beitragsfreiheit eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, gerade die jungen Menschen zu erreichen, die uns in diesem Zusammenhang besonders wichtig sind und die meist einer Gruppe der Bevölkerung zuzurechnen sind, deren Einkommenssituation so ist, dass sie sich rechtzeitig überlegen muss, ob die Kinder in die Kita geschickt werden.

Man kann geteilter Ansicht darüber sein, ob man das eine oder andere zuerst macht, wenn man nicht beides gleichzeitig machen kann. – Ich meine tatsächlich, dass man beide Ansichten vertreten kann. – Die Ansicht, die letztlich der Entscheidung des Senats zugrunde lag, die Beitragsfreiheit zuerst zu realisieren, war eine gedankliche Koppelung an das Grundrecht auf Bildung, das in den anderen Lebensabschnitten in Deutschland selbstverständlich kosten- bzw. beitragsfrei ist.

Das heißt nicht, dass das andere Ziel aufgegeben wird. Ich habe deutlich gemacht, dass ich es für notwendig halte, dass man das macht. Die Situation bei der Hauhaltsaufstellung war so, dass in der Abwägung aller Notwendigkeiten eine Realisierbarkeit nicht gegeben war. Aber auch

Sie wissen, dass der Stufenplan für den Senat eine ernsthafte Richtschnur war. Sicher wird es Gegenstand der Haushaltsberatungen sein, möglichst noch Lösungen zu finden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es wird nicht bestritten, dass eine Weiterentwicklung auch in der Personalausstattung wünschenswert ist. In der Abwägung hat es auch eine Rolle gespielt, dass Berlin in den zur Verfügung stehenden, vergleichbaren Untersuchungen sowohl in Bezug auf die Investitionen, die Sie ansprachen, als auch auf die Personalausstattung in der Spitzengruppe der Bundesrepublik Deutschland liegt.

Vielen Dank, Herr Senator!

Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Kluckert, und zwar zu dem Thema

BIM spielt mit der Gesundheit der Staatsanwälte – aus Habgier oder Unfähigkeit?

Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Für wie glaubwürdig hält der Senat die Aussagen der BIM, dass sie bei der Vermietung des Dienstgebäudes Turmstraße 22 an die Staatsanwaltschaft keine Kenntnis über die von offensichtlich beschädigten Mineralfaserplatten ausgehenden Gesundheitsgefahren für die Nutzer des Gebäudes gehabt hätte?

2. Wann können die angemieteten Räume von der Staatsanwaltschaft wieder genutzt werden, und welche Maßnahmen ergreift der Senat nach diesem Vorfall?

Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Abgeordneter! – Für den Senat antwortet die Justizsenatorin. – Bitte sehr, Frau von der Aue!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Kluckert! Der Sachverhalt wird sich abschließend erst nach Auswertung der angeforderten Sachverständigenäußerungen beurteilen lassen. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Berlin hat im Einvernehmen mit der BIM am 3. September dieses Jahres die Schließung des Dienstgebäudes verfügt, nachdem eine von der BIM GmbH am 1. September veranlasste Untersuchung von Staubproben zur Feststellung von Mineralfasern geführt hat. Die BIM GmbH hat inzwischen Schutzmaßnahmen, und zwar eine Beschichtung der Decken mit Farbe und

Reinigungsarbeiten in den Räumen, durchgeführt und einen Sachverständigen eingeschaltet.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Berlin hat unabhängig davon entschieden, sich auch extern sachverständig beraten zu lassen, und hat das Umweltbundesamt um Amtshilfe gebeten. Das Umweltbundesamt hat sich bereiterklärt, die erbetene Begutachtung durchzuführen. Darüber hinaus wird das Arbeitsmedizinische Zentrum der Charité von der Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit herangezogen.