Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

[Beifall bei der FDP]

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat hierzu einen Änderungsantrag eingebracht, über den ich zuerst abstimmen lassen möchte. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU. Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? – Das ist die FDP-Fraktion. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Der Rechtsausschuss empfiehlt einstimmig – bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der FDPFraktion – die Annahme der Drucksache 16/2491 mit Änderungen. Wer der Gesetzesvorlage unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2781 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU. Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die FDP-Fraktion. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft in Berlin mit Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung des Fachausschusses angenommen.

Ich rufe auf

Dr. Sebastian Kluckert

lfd. Nr. 8:

II. Lesung

Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten im Land Berlin (Geodatenzugangsgesetz Berlin – BeoZG Bln)

Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/2782 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2550

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 15 Paragrafen miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 15 – Drucksache 16/2250 –. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Ausschuss für Bauen und Wohnen empfiehlt mehrheitlich – gegen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – die Annahme der Drucksache 16/2250. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. – Die Gegenprobe!

[Unruhe]

Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

[Christian Gaebler (SPD): Wir sind auch dafür! – Weitere Zurufe]

Ich merke, dass sich die Koalitionsfraktionen noch nicht so ganz einig sind.

[Christian Gaebler (SPD): Doch!]

Aber ich höre jetzt, sie sind dafür.

[Christian Gaebler (SPD): Wir dachten, wir lassen die Opposition die Arbeit machen!]

Wir probieren es einfach noch mal – alle gemeinsam.

[Andreas Gram (CDU): Bis das Ergebnis stimmt!]

Nicht, bis das Ergebnis stimmt! Wir haben auch bei Ihnen schon oftmals Zugeständnisse gemacht,

[Andreas Gram (CDU): Das war ein Witz!]

und das machen wir als Präsidium bei jeder Fraktion, die das durchaus einmal verabsäumen kann, rechtzeitig den Arm zu heben.

[Uwe Goetze (CDU): „Oft“ ist aber scharf übertrieben!]

Also noch einmal: Der Ausschuss für Bauen und Wohnen empfiehlt mehrheitlich – gegen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – die Annahme der Drucksache 16/2250. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. – Das ist die Mehrheit. Die Gegenprobe! – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist das Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten im Land Berlin angenommen.

Die lfd. Nr. 9 ist durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 10:

I. Lesung

Zustimmungsquorum beim Bürgerentscheid – Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes

Antrag der Grünen Drs 16/2783

Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Abgeordnete Lux. – Bitte!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grünen-Fraktion legt Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, um Bürgerbegehren zu vereinfachen und zu verklaren. Sicherlich sind alle Fraktionen dafür, Bürgerbegehren zu vereinfachen und zu verklaren, und wohl alle Fraktionen sind der Meinung, dass man Bürgerbegehren unterstützen sollte. Wenn Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen wollen, dann gebietet uns das, dass wir sie unterstützen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Björn Jotzo (FDP)]

Es ist im Prinzip ein ganz einfaches Problem, über das wir heute reden. Momentan sieht § 47 des Bezirksverwaltungsgesetzes vor, dass sich 15 Prozent aller zur Wahl berechtigten Bürgerinnen und Bürger am Bürgerentscheid beteiligen. Damit hat man folgenden Effekt: Wenn man eine 15-Prozent-Beteiligung braucht, wird es einen Teil geben, der dem Anliegen der Trägerin bzw. des Trägers zustimmt, und es wird einen Teil geben, der dagegen ist und seine Gegenstimme abgeben will. Nehmen wir einmal an, es gehen 10 bis 11 Prozent der Leute hin und sagen: Ja, wir sind dafür, dass es hier Parkraumbewirtschaftung gibt. – Und es gibt eine Gruppe von vielleicht 5 bis 6 Prozent der Leute, die sagen: Nein, wir wollen, dass es hier keine Parkraumbewirtschaftung gibt. – Und die geht auch zur Wahl und stimmt dagegen. Damit wären gerade diese 5 bis 6 Prozent der Leute, die dagegen sind, diejenigen, die denjenigen, die dafür sind, dazu verhelfen, dass das Quorum von 15 Prozent erfüllt wird und deren Anliegen die Zustimmung erhält.

Etwas Ähnliches hat das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren als verfassungswidrig bezeichnet – in vielen Entscheidungen. Das ist ein ähnlicher Effekt wie ein negatives Stimmengewicht. Das Abgeordnetenhaus sollte da nicht weiter tatenlos zusehen, denn dieses Problem ist bei den letzten 28 Bürgerbegehren bekannt geworden. Es ist zum Glück nie ein solcher Fall eingetreten, aber es wäre fatal, wenn er eintreten würde. Deswegen bitte ich Sie alle: Stimmen Sie unserem Gesetzesantrag in der Folge zu!

[Beifall bei den Grünen]

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki

Demokratie ist kein Hütchenspiel. Abstimmen gehen ist kein Hütchenspiel. Man soll wissen, dass eine NeinStimme auch tatsächlich eine Nein-Stimme ist. Deswegen ist auch die von uns vorgeschlagene Änderung grundsätzlich geeignet, die Beteiligung an Bürgerbegehren zu erhöhen. Denn diejenigen, die mit Nein stimmen wollen, haben dann nicht mehr die Unsicherheit, ob sie möglicherweise mit ihrer Stimmabgabe den Ja-Leuten zur Erfüllung des Quorums verhelfen. Sie brauchen nichts mehr zu prognostizieren, sondern werden von uns sichergestellt. Sie bekommen Rechtssicherheit, wenn Sie unserem Gesetzesantrag folgen.

Über die Höhe kann man sich immer noch unterhalten. Momentan ist es ein Beteiligungsquorum von 15 Prozent. Man kann eine einfache Rechnung machen. Eine Initiative braucht beim Bürgerentscheid mindestens 7,5 Prozent plus eine Stimme – das ist rechnerisch das absolute Minimum –, um den Bürgerentscheid gewinnen zu können, wobei unterstellt ist, dass 7,5 Prozent mit Nein stimmen. Da wir als Grüne jetzt nicht eine Erleichterung oder Quorumsabsenkung durch die Hintertür einführen wollen und auch an der bewährten Form der Bürgerbegehren und an der Anzahl der Stimmen – dass also Leute bei einer 15Prozent-Beteiligung und mit einer Mehrheit von Ja- gegenüber Nein-Stimmen ein Bürgerbegehren durchsetzen können – grundsätzlich nichts verändern wollen, schlagen wir Ihnen ein Zustimmungsquorum vor, wie wir es vom Grundsatz her auch auf Landesebene haben. Wir schlagen vor, dass bei einem Bürgerbegehren ein Zustimmungsquorum von 10 Prozent gelten soll. Das ist angemessen. Das entspricht in etwa dem rechnerischen Mittel, das sie auch momentan brauchten, um ein Bürgerbegehren durchzubekommen.

Deswegen kann ich sie nur auffordern: Machen Sie mit bei „Stimmenklarheit für Bürgerentscheide“, und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Nun hat der Abgeordnete Dr. Felgentreu das Wort für die SPD-Fraktion. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass wir nach den Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit der direkten Demokratie sowohl auf Bezirks- als auch auf Landesebene gesammelt haben, jetzt darangehen sollten, die eine oder andere Sache zu korrigieren oder Rechtsklarheit herzustellen, wo bisher Unklarheit gegeben war. Die Argumentation, die der Kollege Lux vorgetragen hat, warum das Beteiligungsquorum einen logischen Fehler enthält, der gewissermaßen sogar undemokratische Effekte haben kann, fand ich plausibel.

Wir gehen auch davon aus, dass es einfach von der Struktur her falsch angelegt ist, wenn auf Bezirks- und auf Landesebene unterschiedliche Regeln dafür gelten, ab wann ein Bürgerentscheid, ab wann ein Volksentscheid erfolgreich ist. Da wir auf Landesebene vernünftigerweise ein Zustimmungsquorum haben, sollten wir auch auf Bezirksebene zu einem Zustimmungsquorum kommen. In diesem Punkt haben die Grünen die richtige Frage gestellt und auch den richtigen Lösungsweg vorgezeichnet. Darüber werden wir uns im Rechtsausschuss zu unterhalten haben.

Über die Höhe eines solchen Zustimmungsquorums werden wir sicherlich noch einmal nachdenken müssen. Grundsatz bei den Überlegungen, die wir bisher in der SPD-Fraktion und auch in der Koalition angestellt haben, ist, dass es dabei zu keiner Verschlechterung der Standards für direkte Demokratie kommen sollte. Wir müssen noch mal genau prüfen, was der richtige Stellenwert wäre.

Allerdings sollten wir an dieser Stelle nicht stehen bleiben und noch einen Schritt weitergehen. Es gibt im Bereich der direkten Demokratie auf Bezirksebene noch ein, zwei andere offene Fragen. Die eine ist die demokratietheoretisch sicherlich sehr vernünftige und in der Theorie richtige Überlegung, dass die Bürgerinnen und Bürger theoretisch beiden Vorschlägen ihre Zustimmung geben und dann nachträglich gewichten können, wenn der Bezirk zu einem Bürgerbegehren einen Alternativvorschlag zur Abstimmung stellt. Das Problem bei dieser Sache ist bloß: Das versteht kein Mensch, und das führt ins Chaos. Das haben wir in Lichtenberg erlebt. Deswegen sollten wir generell dazu übergehen, dass in dem Moment, in dem Alternativen vorgelegt werden, auch alternativ abzustimmen ist. Das ist ein Punkt, den wir bei einer Novelle des Bezirksverwaltungsgesetzes in Bezug auf die Demokratie ebenfalls angehen müssen.

Dritter Punkt: Wir sollten auch noch einmal prüfen, ob sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit auf Landesebene auch Konsequenzen für die Bezirksebene ergeben, ob man da die Zulässigkeitsprüfung in irgendeiner Weise auf eine verbindliche Grundlage stellen muss, damit es nicht dazu kommt, dass ein eigentlich rechtlich unmögliches Bürgerbegehren zur Abstimmung gestellt wird und am Ende dann ein Bürgerentscheid gefällt wird, der rechtlich nicht haltbar ist und nachträglich vor Gericht korrigiert werden muss. Das wäre ein Frustrationserlebnis, das ich denjenigen, die sich an der direkten Demokratie beteiligen, die ihre Stimme abgeben, nicht zumuten möchte. – Über diese Punkte sollten wir noch etwas länger nachdenken und nicht sofort zu Einzellösungen kommen, sondern zusehen, dass wir ein kleines Paket schnüren können, eine Novelle des Bezirksverwaltungsgesetzes, das dann vernünftige und tragfähige Regelungen für die weiteren Jahre bringt.

Ich gebe offen zu, dass ich über das Vorpreschen der Grünen deswegen ein bisschen unglücklich bin. Ich halte den Fokus für zu verengt. Wenn wir die Sache ein wenig

Benedikt Lux

gründlicher vorbereitet hätten, hätten wir die Möglichkeit gehabt, das auf eine vernünftige Grundlage für mehr Bereiche als nur für einen einzelnen Regelungsinhalt zu stellen. Aber wie dem auch sei – in der Tendenz marschieren wir in dieselbe Richtung. Wir sollten zusehen, dass wir im nächsten halben Jahr etwas hinbekommen, was dazu führt, dass wir auch in Zukunft tragfähige Regelungen für die direkte Demokratie haben werden. – Ich danke Ihnen!