Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

Benedikt Lux

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Beifall von Tom Schreiber (SPD)]

Danke schön, Frau Kollegin Weiß! – Für die FDPFraktion hat nunmehr der Kollege Dr. Kluckert das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Kluckert, eilen Sie herbei!

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Aber lassen Sie dieses Mal den Zeigefinger bitte unten!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder kommt ein populistischer, sozialpolitisch motivierter Vorschlag zur Änderung des Wahlrechts. Einer möchte gern, dass Eltern zusätzlich eine Stimme pro Kind erhalten,

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Nicht schlecht, die Idee!]

ein anderer möchte, dass Wähler, die arbeiten gehen, zwei Stimmen haben und Wähler, die nicht arbeiten, nur eine, der nächste sieht die Gefahren einer überalterten Bevölkerung und fordert, dass Rentner vom Wahlrecht ausgeschlossen werden sollen. Die Verknüpfung sozialpolitischer Vorstellungen mit dem Wahlrecht garantiert Aufmerksamkeit.

[Benedikt Lux (Grüne): Wo haben wir etwas verknüpft?]

Ja, auch für die Grünen! – Aber lassen Sie mich für die FDP feststellen: Das Wahlrecht ist keine Materie für Spielereien und für Experimente.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Joachim Luchterhand (CDU) und Cornelia Seibeld (CDU)]

Leider tingeln die Grünen mit dem Vorschlag, das Wahlalter abzusenken, durch einige Landesparlamente. Allerdings sind sie sich, Herr Lux, noch nicht einig, wo die Grenze liegen soll, denn in Niedersachsen haben die Grünen beantragt, dass die Grenze bei 14 Jahren liegen soll,

[Benedikt Lux (Grüne): Wir wollen Sie ja mitnehmen!]

und aus Sicht der Grünen in Niedersachsen müsste Ihre Forderung hier eine große Diskriminierung für die 14- und 15-Jährigen sein.

[Andreas Gram (CDU): Unerhört!]

Solche Vorschläge sind populistisch und haben mit der Realität nichts zu tun.

[Beifall von Björn Jotzo (FDP) und Andreas Gram (CDU)]

Wir Liberalen, Herr Lux, sind der Auffassung, dass staatsbürgerliche Rechte und Pflichten aufeinander bezogen sein müssen. Sie sind zum Teil auch an bestimmte Altersstufen gekoppelt. Sie von den Grünen sind immer

schnell dabei, wenn es darum geht, die staatsbürgerlichen Rechte von Jugendlichen zu betonen und zu erweitern.

[Benedikt Lux (Grüne): Ja!]

Sie sagen dann, Sie wollen Jugendliche partizipieren lassen, Sie erinnern daran, dass mit Zwölf eine grundsätzliche soziale und moralische Urteilsfähigkeit gegeben ist und der Bildungsstand heute bei Jugendlichen höher ist als früher. So heißt es auch in Ihrer Antragsbegründung ganz pathetisch:

Jugendliche verfügen bereits zu einem frühen Zeitpunkt über die Fähigkeit, sich eine eigene politische Meinung zu bilden.

[Benedikt Lux (Grüne): Stimmt doch!]

Es besteht daher kein Zweifel, dass Jugendliche hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenz, ihrer Reife und ihrer intellektuellen Urteilsfähigkeit früher als mit 18 Jahren politisch entscheidungsfähig sind.

Wenn es aber, meine Damen und Herren von den Grünen, darum geht, die Jugendlichen auch an ihre Pflichten zu erinnern und auch an ihre Verantwortung gegenüber dem Einzelnen und der Gesellschaft, dann tun Sie sich ganz schwer damit. Dann wollen Sie von einer Absenkung der Strafmündigkeit nichts hören. Nichts davon, dass 18Jährige nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden müssen. Da soll auch der 20-Jährige noch die Möglichkeit haben, wie ein Minderjähriger behandelt zu werden. Da wollen Sie von Verantwortung, Reife, sozialer Kompetenz und intellektueller Urteilsfähigkeit überhaupt nichts mehr hören.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Das zeigt doch, dass Sie hier nicht ernst zu nehmen sind, Herr Lux. Demselben Jugendlichen, den Sie bei der Wahl für gereift halten, Entscheidungen über die Führung unseres Landes zu treffen, unter Abwägung der unterschiedlichen politischen Alternativen und der Folgen für ihn, die Gesellschaft und den Staat, genau demselben Jugendlichen sprechen Sie die Reife, Urteilsfähigkeit und Weitsicht ab, wenn es um Raub, Diebstahl und Körperverletzung geht

[Volker Ratzmann (Grüne): Ich dachte, der Stahl-Flügel ist aufgelöst!]

Wir Liberale sind der Ansicht, dass das Wahlrecht zu einem Parlament grundsätzlich einherzugehen hat mit der Volljährigkeit, und wir sind der Ansicht, dass mit 18 Jahren eine angemessene Altersgrenze für die Volljährigkeit und die damit zusammenhängenden Fragen gefunden worden ist.

Abschließend betone ich: Das Wahlrecht muss auch weiterhin mit einem Minimum an Persönlichkeitsbildung und persönlicher Reife einhergehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Volker Ratzmann (Grüne): Dann dürften Sie auch nicht wählen!]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Kluckert!

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung beider Gesetzesanträge federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung sowie an den Hauptausschuss. Widerspruch dazu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 13:

I. Lesung

Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Antrag der SPD, der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion Drs 16/2805-Neu

Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Person von Frau Jantzen. Frau Jantzen hat jetzt das Wort. – Bitte schön, Frau Jantzen!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! „Kinder haben Rechte, seit 20 Jahren sogar schriftlich“ lautet die Aufschrift auf den Glückskeksen, die Sie heute alle auf Ihren Plätzen gefunden haben. Anlass für uns, diese Kekse hier zu verteilen, ist der 20. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention, der am vergangenen Freitag gefeiert wurde.

Wir freuen uns sehr, dass es um diesen 20. Geburtstag herum in diesem Haus endlich die erforderliche Mehrheit für die Aufnahme der Kinderrechte in die Berliner Landesverfassung gibt. Damit steigen wir nämlich auf Platz 12 der Bundesländer, die die Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen haben, nach Niedersachsen im Sommer dieses Jahres. Das ist ein Glückstag für die Kinder und Jugendlichen in Berlin, und es zeigt, dass sich langer Atem bei politischen Initiativen lohnt.

In Artikel 13 der Berliner Verfassung soll jetzt nach dem Willen der SPD, der Linkspartei, der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingefügt werden:

Jedes Kind hat ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und auf den besonderen Schutz der Gemeinschaft vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung. Die staatliche Gemeinschaft achtet, schützt und fördert die Rechte des Kindes als ei

genständige Persönlichkeit und trägt Sorge für kindgerechte Lebensbedingungen.

Damit stellen wir klar: Kinder sind neben Erwachsenen gleichberechtigte Subjekte mit eigenständigen Rechten und Bedürfnissen. Das ist ein deutliches Signal für eine kinderfreundlichere Gesellschaft.

[Beifall bei den Grünen]

Wir, Bündnis 90/Die Grünen, haben uns nach kurzer Bedenkzeit entschieden, diese Verfassungsänderung so mitzutragen und dem Antrag beizutreten. Wir möchten, dass zumindest die Kinderrechte in der Verfassung verankert werden, und deswegen könnten wir zur Not diesen Kompromiss zum Schluss auch mit abstimmen. Wir möchten aber – wie wir das auch in unserem 2007 eingebrachten Antrag aufgeführt haben – auch das Recht auf Bildung und auf altersgemäße Beteiligung in die Verfassung aufnehmen. Das fordern auch die im Bündnis „Kinderrechte ins Grundgesetz“ zusammengeschlossenen Organisationen.

Die Experten fordern außerdem – das ist in der Anhörung im letzten Jahr hier im Jugendausschuss deutlich geworden – die Verankerung der Vorrangstellung des Kindeswohls in der Verfassung. Bei der kurzfristigen Einbringung war jetzt leider keine Zeit, noch zu verhandeln. Ich hoffe aber, dass sich hier in den Beratungen in den Ausschüssen noch etwas bewegen wird.

Die Kinderrechte in die Verfassung zu schreiben oder eine UN-Kinderrechtskonvention zu ratifizieren, reicht allerdings nicht aus, damit die Kinderrechte auch verwirklicht werden. Das zeigen die wiederholten Nachrichten über Vernachlässigung und Gewalt gegen Kinder nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Das zeigt auch eine Umfrage des Kinderschutzbundes anlässlich des 20. Geburtstages der UN-Kinderrechtskonvention. Danach haben nämlich fast 30 Prozent der befragten Kinder angegeben, dass ihre Eltern sie schlagen dürfen. Knapp 30 Prozent der befragten Mädchen und über 20 Prozent der Jungen wissen nicht, dass die Kinderrechte für alle Kinder gelten. 25 Prozent der Kinder glauben, dass sie ihre Meinung gegenüber Erwachsenen nicht sagen dürfen, und 18 Prozent der Jungen und 14 Prozent der Mädchen wissen nicht, dass sie ein Recht haben zu spielen. Das finde ich für ein Nichtentwicklungsland wie Deutschland ein Armutszeugnis, und das zeigt, dass die Kinderrechte von den Erwachsenen in unserem Land nicht genügend gewürdigt werden.

[Beifall bei den Grünen]