Mari Weiß

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Sehr geehrte Frau Claßen-Beblo! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich auch von meiner Fraktion erst einmal vielen herzlichen Dank für die Prüfungstätigkeit und das, was daraus im Bericht geworden ist. Mit Ihrer Hilfe wird die Berliner Verwaltungstätigkeit effektiver. Das ist eine Feststellung, und genau deshalb ist es mittlerweile auch üblich, dass viele Monita sich bereits vor der Befassung im Haushaltskontrollausschuss erledigen. Und genau weil das so ist, wird bereits im Bericht genannt, inwiefern die Verwaltungen schon durch die Prüfungstätigkeit des Rechnungshofs eigenes Verfahren ändern. Ein gutes Beispiel ist das des Serverbetriebs. Da hat die Senatsinnenverwaltung schon angekündigt, dass sie dezentrale virtuelle Serverkonzepte durchaus prüfen will.
Auf einige Punkte aus dem Rechnungshofbericht möchte ich auch eingehen. Als Erstes die Finanzlage und Haushalts- und Vermögensrechnung, die nimmt immerhin ein Viertel des gesamten Berichts ein. Ein Punkt verwundert mich dann schon, das ist das Thema Schuldenbremse und Schuldenabbau. Ich möchte gern aus dem Jahresbericht 2009 des Rechnungshofs zitieren, in dem es heißt:
Eine nachhaltige Konsolidierung des Landeshaushalts mit dem Ziel des Schuldenabbaus ist ins
besondere angesichts der sinkenden Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisung, aber auch unter Berücksichtigung einer prognostizierten ungünstigen Wirtschaftsentwicklung infolge der Finanzkrise auf mittlere Sicht kaum realisierbar.
Zu Deutsch: nicht machbar. Und nun, zwei Jahre später, Unkritisches: Wir wollen die Schuldenbremse haben, sie wird aufgewertet. Und der Schuldenabbau kommt plötzlich auch wieder im Bericht vor. Dabei hieß es doch gerade noch: auf mittlere Sicht kaum realisierbar.
Zwei Jahre mittlere Sicht, okay. Und das nun mit 58 Millionen Konsolidierungshilfen mehr – das soll jetzt den Unterschied machen? Daran glauben wir nicht so richtig. Und wenn dann sogar die Ausnahmetatbestände der grundgesetzlichen Regelung plötzlich als Instrument der Aushöhlung der Schuldenbremse mystifiziert werden, dann haben wir so unsere Probleme. Dabei muss man doch eigentlich klar sagen: Das Schwellenwertsystem, das der Stabilitätsrat geschaffen hat, ist ein System der kommunizierenden Röhren, und es verschleiert schlichtweg die Offenlegung von gesamtgesellschaftlichen Schieflagen. Das widerspricht dem Sozialstaatsprinzip.
Und nicht nur über die Sanierungskonzepte muss man dann reden, sondern auch fragen, wo denn die im Grundgesetz und im Stabilitätsgesetz erwähnten Sanierungshilfen bleiben. Bisher sprechen wir immer nur über Konsolidierungshilfen. Hier hätte ich mir eine differenziertere und volkswirtschaftlich nachhaltige Sichtweise gewünscht.
Einen Punkt hat mein SPD-Kollege schon angesprochen, die Kosten der Unterkunft. Das ist nun im Rechnungshofbericht auch ein allgemein bekanntes Thema, das hatten wir schon häufiger. Hier weist der Rechnungshof auf die Angemessenheitsprüfung im Land Berlin hin und darauf, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung dem entgegenstünde. Das wurde aber meines Erachtens mit der letzten SGB-Reform geändert und im Berliner Sinn dann auch verbessert. Richtig ist, dass die AV Wohnen viele Jahre lang ein gutes und sozialverträgliches Regelungswerk war, und richtig ist auch, dass sie mittlerweile nicht mehr rechtssicher ist. Aber genau deshalb setzt sich meine Fraktion seit mehr als zwei Jahren für die Überarbeitung ein. Das scheiterte bisher am Koalitionspartner.
Jetzt gibt es eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretärsebene, die sich sicherlich auch mit den Kritiken des Rechnungshofs beschäftigen wird. Eines ist aber klar: Die in Berlin geltenden Sonder- und Härtefallregelungen haben sich bewährt, und wir werden sie erhalten.
Weitere spannende Punkte im Rechnungshofbericht kann ich jetzt nur in Stichpunkten erwähnen. Spannend wird
sicher die Debatte über den Nutzen und den Umgang mit Derivaten. Das ist ein neues Thema, und das werden wir wahrscheinlich sehr ausführlich besprechen. Spannend sind auch die Monita bei SenStadt, weil sie ein bisschen unseren Eindruck aus dem Hauptausschuss bestätigen, dass es Verwaltungen gibt, in denen das Wort Intransparenz, vergessene Parlamentsbefassungen und fehlende Steuerung, doch ein bisschen häufiger vorkommt als in vielen anderen.
Fragen wirft auch das Vergütungssystem bei der BIM auf. Und dann gibt es im Rechnungshofbericht noch ganz alte Bekannte, die wir immer wieder im Haushaltskontrollausschuss haben: Charité, Stiftung Oper, BIH. Zusammenfassend muss man sagen: Der Bericht beinhaltet viele aufklärungsbedürftige Punkte. Vieles wird sich sicher wieder im Dialogverfahren, hoffentlich bereits vor der Ausschussbefassung, klären. Andere Punkte werden wir bearbeiten müssen. Ich danke dem Rechnungshof noch einmal ausdrücklich für die mittlerweile deutlich zukunftsgerichtete Herangehensweise, mit der wir gemeinsam vom Land Berlin finanzielle Nachteile abwenden können, anstelle der früher vorherrschenden Befassung mit lange abgeschlossenen Prozessen. – Vielen Dank!
Ihr Antrag zielt auf eine Überprüfung der derzeitigen Bestellungspraxis für Notarinnen und Notare ab. In einem Punkt haben Sie recht: Mit Blick auf die anderen Landesregelungen ist die derzeitige Bedürfniszahl von 325 Notarsgeschäften eine frei gewählte – die Länder wählen hier unterschiedlichste Grenzen zwischen 275 und 400.
Ihr Ansinnen ist dabei, jungen Notarinnen und Notaren größere Chancen auf Neuzulassung zu ermöglichen. Wie Sie ja in Ihrer Begründung aus der Beantwortung der Senatsjustizverwaltung auf Ihre Kleine Anfrage 16/15 349 abgeschrieben haben, geht die derzeitige Berechnung auf einen Anstieg von Kleinstnotariaten zurück. Mich wundert aber, dass Sie beim Lesen der Beantwortung der Anfrage nicht wahrgenommen haben, dass die Senatsjustizverwaltung selbst Folgendes zusichert:
Es wird jedoch in regelmäßigen Abständen überprüft, ob die Regelung in Nr. 1 Abs. 3 AVNot im Hinblick auf gegebenenfalls veränderte tatsächliche Rahmenbedingungen einer Anpassung bedarf.
Hier wäre doch ein Verweis auf diese Zusage in Ihrem Antrag hilfreich gewesen. Lassen Sie uns im Ausschuss darüber diskutieren, ob eine angemessene Altersstruktur durch das bestehende Verfahren ausreichend sichergestellt werden kann oder ob sich die Rahmenbedingungen in diesem Sinne verändert haben! Ob dazu das von Ihnen beantragte Berichtswesen nötig ist oder ob sich dieses Thema bereits im Ausschuss darstellen lässt, werden wir dort erkennen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Statzkowski und Herr Birk! Ich hätte mir eine einvernehmliche Debatte gewünscht. Ich glaube, ehrlich gesagt, auch immer noch nicht, dass dieses Thema ein Parteienthema ist, denn eigentlich wissen wir alle, worum es geht. Es geht nicht etwa, wie der Antrag sagt, euphemistisch um die Neuausrichtung der Volkshochschulen und Musikschulen, es geht in weiten Teilen um den Erhalt von zwei der wichtigsten soziokulturellen Angeboten, die wir in der Stadt haben. Und diese wollen wir doch in erster Linie gemeinsam sichern.
Aber in dem Kommissionsbericht geht es auch um andere Inhalte. Da geht es darum, Qualität zu sichern. Da geht es darum, strukturelle Nachteile auszugleichen und Abstimmungsprozesse zu verkürzen. Herr Statzkowski hat es schon richtig gesagt, es ist ein Projekt der Servicestadt Berlin, und das sollte man ernst nehmen. Wir können uns nicht dafür einsetzen, dass es im Land Berlin Verwaltungsreformen gibt, und dann so langwierige Prozesse in Gang setzen, dass von Verwaltungsreform, Geschwindigkeit und Effizienz nicht mehr die Rede ist. Das ist meines Erachtens kontraproduktiv. Da sind wir uns einig.
Aber, Herr Birk, aber, Herr Statzkowski, darin sind wir uns doch auch einig: Woran liegt es denn? – Es liegt daran, dass der Senat ein Kollegialgremium ist. Und dieses Kollegialgremium Senat hat im Moment einen Stau. Und deswegen reden wir mit dem Musikschulbeirat, und deswegen reden wir mit den Volkshochschulen. Aber es ist nicht die Koalition. Wie Sie wissen, sind alle Abgeordneten von der Koalition, die in diesen Gremien sitzen, auch
immer wieder diejenigen, die das von beiden Senatsverwaltungen einfordern.
Deshalb auch von hier noch mal meine ausdrückliche Bitte an den Senat: Wir wollen diese Stellungnahme kurzfristig haben. Wir wollen, dass Sie Ihre Umsetzungsbedenken benennen, falls Sie sich nicht einigen. Und wir wollen, dass wir endlich die Stellungnahmen der Bezirke bekommen.
Unser gemeinsames Interesse ist klar: Wir wollen endlich anfangen. Verschiedene Vorschläge müssen auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft werden. Zum Beispiel gibt es bei den Abstimmungsprozessen durchaus unterschiedliche Meinungen, ob wirklich neue Gremien nötig sind. Aber das Interesse an einem Strukturausgleich haben wir doch alle.
Anders als Sie sehe ich diesen Bericht nicht durchweg positiv. Ich bin gegen die Abstimmung der Globalsummen. Es würde im Übrigen auch dem widersprechen, was die Bezirke auf ihrem Bezirkskongress gesagt haben. Und wie Sie richtig gesagt haben: Fangen wir mit einer Abstimmung in dem einen Bereich an, dann müssen wir es auch für alle anderen Bereiche tun. Das widerspricht der Globalsumme, und damit schaffen wir die Bezirke ab.
Stattdessen wollen wir finanzielle Spielräume für eine gute, bürgernahe Politik in den Bezirken sicherstellen. Das bedeutet für uns in erster Linie, das Zuweisungsmodell zu einem echten Produktbudget zu machen. Wir wollen keine weiteren Eingriffe der Senatsverwaltung für Finanzen. Wir wollen nicht den Normierungsfaktor, und wir wollen auch keine getrennte Zuweisung des Personalplafonds. Wir wollen aber – und das hat Herr Birk richtig gesagt –, dass endlich Mindeststandards in die Produkte kommen, dass es eine Plausibilitätskontrolle der Produkte gibt und dass man den Produktpreis so erhöht, dass er genau für das, was die Kommission fordert, auskömmlich ist.
Für den Antrag gilt: Es ist unser gemeinsames Anliegen. Es wäre mir heute sehr wichtig, dass wir das auch so vermitteln. Der Text ist so nicht tragbar, weil wir den Kommissionsbericht eben nicht eins zu eins umsetzen wollen. Wir wollen vom Senat einen Umsetzungsbericht, darin sind wir uns einig. Und notfalls werden wir im Ausschuss dafür sorgen, dass es eine gemeinsame Aufforderung zur Berichterstattung gibt.
Uns wird noch ausreichend Möglichkeit gegeben sein, über die konkreten Vorschläge des Kommissionsberichts zu streiten, und zwar über jeden einzeln, über viele wahrscheinlich im Unterausschuss „Bezirke“, über einige im Fachausschuss. Aber Fakt ist: Für das Meiste sind nicht wir zuständig, sondern die Bezirke. Auf diese konkrete Diskussion freue ich mich ganz besonders.
Aber an dieser Stelle müssen wir den Senat auffordern, uns endlich seine Stellungnahme vorzulegen. – In diesem Sinne wünsche ich mir von Ihnen ein gemeinsames Fangen-wir-es-endlich-an.
Ich habe eine Frage an Herrn Senator Zöllner. – Es ist Ihnen vielleicht bekannt geworden, dass es gestern eine Pressemitteilung des Verwaltungsrats des Kitaeigenbetriebes Nordost gab, der zur Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen Wirtschaftsplans beschlossen hat, die gesetzlich verankerten Vor- und Nachbereitungszeiten zu unterschreiten, und damit natürlich auch die Erfüllung des Berliner Bildungsprogramms infrage zu stellen droht. Da ist jetzt die konkrete Frage, wie Sie diesen Beschluss bewerten und was Ihr Haus dort konkret als Fachaufsicht zu unternehmen vorhat.
Jetzt haben wir im Hauptausschuss ausführlich erfahren, dass die jeweiligen Eigenbetriebe schon in der Vergangenheit sehr viele Maßnahmen getroffen haben, um strukturelle Defizite abzubauen. Deshalb können wir uns nur vorstellen, dass das deren letzte Möglichkeit ist.
Wir würden deshalb gerne wissen, wie Sie zukünftig verhindern, dass weiterhin strukturelle Defizite zulasten der Kinder, der Bildungsqualität oder der Beschäftigten in den Einrichtungen abgebaut werden müssen.
Her Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche, es kurz zu machen. Ich glaube, dass die Haltung meiner Partei zu diesem Antrag eindeutig ist, merke aber, dass wir innerhalb der Koalition dazu noch Gesprächsbedarf haben. Dem werden wir in den Ausschüssen nachkommen.
Nein, Konflikte haben wir nicht, wir haben immer nur Diskussionspotenzial. Ich gehe davon aus, dass auch wir hier, ähnlich wie in Bremen, solche Vorstöße künftig gemeinsam tragen werden. Ich glaube, wir schaffen es auch, Herrn Felgentreu an dieser Stelle zu überzeugen.
Ähnliche Initiativen hat es bereits in der letzten Wahlperiode von uns gegeben, nur fehlte auch damals die Zweidrittelmehrheit, denn anders als in Bremen müssen wir unsere Landesverfassung ändern und nicht nur das Landeswahlgesetz. Aber die Tatsache, dass heute gleich so viele Anträge zur Verfassungsänderung diskutiert werden, lässt mich hoffen, dass wir uns in dieser Frage einig werden.
Jetzt mache ich mir langsam Sorgen, wenn das Klatschen immer aus den anderen Reihen kommt.
Ich möchte grundsätzlich meine Redezeit dafür nutzen, etwas zum Thema Diskriminierung durch fehlendes Wahlrecht zu sagen.
Unser Wahlrecht schließt bekanntlich viele Gruppen aus. In Zeiten des demografischen Wandels werden Kinder und Jugendliche ausgeschlossen, aber auch langjährig hier
lebende Nichtdeutsche, die gerade in einer Stadt wie Berlin das Leben deutlich gestalten, dürfen nicht wählen. Nicht nur deshalb, aber auch deshalb ist dieses dicke Brett, das wir hier im Parlament und auf Bundesebene bohren werden, Bestandteil unseres Integrationskonzeptes.
Für beide Fallgruppen – also sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch die Nichtdeutschen – gab es in diesem Parlament schon Initiativen auch meiner Fraktion, die aber immer an der fehlenden Zweidrittelmehrheit – also an der CDU, mal im Abgeordnetenhaus, mal im Bundesrat – scheiterten. Vielleicht aber lösen hier die Vorstöße verschiedener Landesparlamente – Bremen hat es vorgemacht – mit rot-rot-grüner Mehrheit einen gewissen Rutsch im Bundesgebiet aus, der den öffentlichen Druck auf die CDU in diesem Punkt erhöht, damit wir künftig an dieser Stelle gemeinsam agieren können. Am Tag, an dem das Abgeordnetenhaus das Thema Kinderrechte diskutiert, sollte von hier ein klares Signal für eine kinder- und jugendfreundliche parlamentarische Demokratie ausgehen.
Noch ein jugendpolitischer Hinweis zur Debatte über die politische Reife. Die Frage politischer Reife ist in erster Linie eine von demokratischer Kultur und nicht von Alter. Ich kenne 14-Jährige, die Antikriegsdemos organisieren oder kreativ mit eigenen Veranstaltungen und Schulungen rechtsextreme Jugendkultur bekämpfen.
In dem von mir selbst mit aufgebauten Jugendgremien in Lichtenberg, einer Jugendjury zum Beispiel, sitzen 12Jährige, die mit einem enormem Weitblick und Gerechtigkeitssinn über Finanzmittel für Projekte entscheiden. Alle, die in diesem Jahr an den Veranstaltungen zur U-18Wahl teilgenommen haben, werden den unter 18-Jährigen sicher nicht Politikreife absprechen. Das sind im Übrigen auch keine Ausnahmefälle. All diese Menschen haben mir vor allen Dingen eines gezeigt: Wer über politische Reife diskutiert, muss als erstes die Angebote und Strukturen schaffen, die politische Reife erfordern, damit politische Reife für junge Menschen eine selbstverständliche, erstrebenswerte und besonders erreichbare Eigenschaft wird.
Wer junge politische Menschen haben will, muss Politik für sie verständlich und anfassbar machen, nicht nur in der Schule, sondern auch durch die Möglichkeit der Beteiligung im Wohnumfeld und in jugendspezifischen Angelegenheiten. Das gilt selbstverständlich über Wahlen und Abstimmungen hinaus. Das ist eine hehre Aufgabe, das sehe ich durchaus ein. Aber hier müssen vor allem wir Parlamentarier zum Beispiel auf dem Jugendforum und in anderen Gremien, wo wir mit jungen Menschen in Kontakt kommen, noch sehr viel leisten. Da beweisen wir dann endlich politische Reife. Dann wäre die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre vielleicht bald nur ein erster kleiner Schritt auf einem langen Weg der Demokratisierung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Benedikt Lux
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch von meiner Fraktion, lieber Herr Harms, herzlichen Dank an Sie und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungshofes!
Die parlamentarische Aufarbeitung im Unterausschuss Haushaltskontrolle durfte ich erst zwei Monate miterleben. Die Sachorientierung vonseiten des Rechnungshofes wie auch vonseiten der betroffenen Senatsverwaltungen, aber auch meiner Abgeordnetenhauskolleginnen und kollegen ist mir einen großen Dank wert, auch weil es zeigt – was Frau Thamm hier im Plenum wieder infrage gestellt hat –, dass man – vielleicht nicht im Plenum, aber sicher im Haushaltskontrollausschuss – gemeinsam im Interesse des Landes Berlin handeln kann.
So werden, das hat Frau Thamm vielleicht falsch dargestellt, die meisten Entscheidungen im Haushaltskontrollausschuss einmütig getroffen. Deshalb wundert mich die Haltung der CDU ein bisschen.
Für den neuen Bericht und die Arbeit im Unterausschuss wäre es aber noch zielorientierter, wenn die Opposition nicht ausgerechnet deshalb murren würde, weil wir in politisch durchaus kontroversen Fällen auch einmal eine Anhörung vorschlagen und deshalb der Ausschuss nicht eine halbe, sondern auch einmal zwei Stunden dauert.
Dass das sinnvoll ist, hat doch gerade die Anhörung zu den Prüfungsvereinbarungen mit Landesbeteiligungen gezeigt. Hier stehen sich die Landesunternehmen sowie die Senatsfinanzverwaltung auf der einen Seite und die Auffassung des Rechnungshofes diametral entgegen. Durch die Anhörung konnten wir erstmals die Argumente der Landesbeteiligung im Einzelfall analysieren und die Ablehnung von generellen Prüfungsvereinbarungen parlamentarisch entkräften. Diese Auflage zum Abschluss von Prüfungsvereinbarungen konnten wir einstimmig beschließen. Das finden Sie in dem hier mitzuberatenden Druckstück.
Dabei gebührt dem Rechnungshof noch einmal ausdrücklich mein Dank. Sie sind unsere Kontrollmöglichkeit auch in die Tochtergesellschaften von Landesbeteiligungen hinein. Ohne Ihre Vehemenz gerade bei diesem Thema würden wir wenig Einblick erhalten.
Nun kurz zum diesjährigen Rechnungshofbericht. Vieles wurde bereits gesagt. Wir werden das dann diskutieren, wenn die Stellungnahmen der Verwaltungen vorliegen. Mit Erlaubnis des Präsidiums möchte ich einen Satz zum Haushalt, auf den sich ja schon einige bezogen haben, zitieren. Ich las im Rechnungshofbericht:
Die finanzpolitischen Ziele der Finanzplanung 2008 bis 2012 sind jedoch weitgehend obsolet. Ursachen dafür sind geringere Steuereinnahmen als Folge des Konjunktureinbruchs sowie Steuerrechtsänderungen und zusätzliche Ausgaben aufgrund der Konjunkturpakete von Bund und Ländern. Eine nachhaltige Konsolidierung des Landeshaushalts mit dem Ziel des Schuldenabbaus ist damit auf mittlere Sicht kaum noch realisierbar.
So viel zum Thema. Die Schuld liegt eindeutig nicht beim Land. Selbstverständlich müssen wir auch weiterhin sehen, wie wir die Konsolidierung vorantreiben, aber dass es auf mittlere Sicht hin nicht mehr realisierbar ist, das sagt auch der Rechnungshof.
Ein Schwerpunkt in den kommenden Beratungen wird sicher die Charité sein. Das zeichnet sich ab. Gerade das Thema Facility-Management hat bereits den Hauptausschuss beschäftigt. Auch das Thema der außertariflichen Zahlung in den Landesbeteiligungen wird erneut auf der Tagesordnung stehen. Auch die bereits ausführlich erwähnten Prüfungen in den Landesbeteiligungen werden wir weiterhin zu begleiten haben.
Auch hierzu finden wir wieder Beanstandungen im Bericht. Diesem werden wir nachgehen müssen.
In diesem Sinn, lieber Herr Harms, vielen Dank für Ihre Arbeit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen im Unterausschuss, trotz Ermangelung dieser Fähigkeit hier im Plenum: auf eine gute, sachorientierte Zusammenarbeit! – Vielen Dank!
Erst einmal eine Vorbemerkung zu Herrn Schruoffeneger! Es handelt sich bei den Bezirken übrigens nicht um pauschale Minderausgaben, sondern um pauschale Mehreinnahmen. So viel hätte ich von Ihnen schon erwartet, dass Sie sich für die Bezirke interessieren. Was das Datenmaterial angeht: Heute ist der Stichtag für die Bezirke, die
das erste Mal ihre Datenmaterialien eingeben müssen. Insofern ist auch das nicht wirklich gut recherchiert. Jetzt komme ich zu meiner Rede.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Bezirke in diesem Haus eine neue, ja fast ungewohnte Aufmerksamkeit erfahren. Wenn ich mir jetzt die Reihen anschaue, und das angesichts dessen, dass wir bei den Prioritäten sind, scheint das Interesse doch nicht mehr so groß zu sein. Was ich sonntags mache, hat Herr Graf schon zitiert. Insofern kann ich dafür sprechen, dass es in meiner Fraktion ein großes Thema ist.
In den Bezirken und nicht im Plenum lebt diese Stadt. Hier befindet sich die soziokulturelle Infrastruktur. Daher ist es unsere Aufgabe, hier als Parlament die Verfassung des Landes Berlin ernst zu nehmen und die Lebensverhältnisse der Berlinerinnen und Berliner in den Bezirken zu sichern. Wem verdanken wir allerdings die neue Aufmerksamkeit? – Nicht Ihnen, Herr Graf! Erstaunlicherweise verdanken wir sie auch nicht den Grünen, die sich sonst immer jede Form der parlamentarischen Aufklärung auf die Fahne schreiben. Nein, dieses Mal waren es die Bezirke selbst, die durch ihren Zusammenschluss endlich das „divide et impera“! der Senatsfinanzverwaltung durchbrochen haben.
Jetzt einmal ehrlich: Ich bin seit drei Monaten im Hauptausschuss. Ich kann mich wirklich nicht erinnern, dass es auch nur eine Sitzung gab, in der nicht irgendein Parlamentarier einen Bezirk als Kronzeugen für alle für Wirtschaftlichkeit oder Nichtwirtschaftlichkeit der Bezirke herangezogen hat. Genießen Sie nicht ein wenig das Privileg, dass Sie die Sparzwänge der Bezirke gefiltert, ja indirekt erleben dürfen? Dieses Privileg hat schon Herrn Sarrazin gut schlafen lassen. Das wird es auch bei Herrn Nußbaum tun.
Es ist doch auffällig, dass die Anträge der CDU ausgerechnet in die Wahlkampfphase fallen, wo einzelne Parlamentarier plötzlich wieder vor Ort erklären sollen, wie man sie und wieso man sie trotz mangelnden Einsatzes für ihren Bezirk in den Bundestag direkt wählen soll. Ob das im Bundestag besser wird?
Zur Ihren Anträge, liebe CDU-Fraktion, kann man also nur sagen: Da war die Koalition schneller und übrigens auch weniger aktionistisch. Nun haben wir endlich eine klar erkennbare Bezirkslinie, die alle Fraktionen hier im Parlament zum Handeln zwingt. Was machen wir damit? Sie stellen Anträge zum Wertausgleich, die schon im Rat der Bürgermeister keine Mehrheit gefunden haben – so viel zum Ernstnehmen der Bezirke. Wir nehmen die Bezirke ernst und uns im übrigen auch als Haushaltsgesetzgeber. Daher haben wir erst kürzlich in dem Antrag, der hier schon mehrfach erwähnt wurde, umfangreiche Vorarbeiten für neue Verfahren zur Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in Auftrag gegeben. Meiner Fraktion geht es im übrigen dabei um Mindeststandards. Auch über das Modell des RdB für neue Finanzbeziehungen zwi
schen Land und Bezirken, das auf einen am Sozialraum ausgerichteten Wertausgleichfonds hinwirkt, wird zu diskutieren sein.
Insofern interpretiere ich Ihren Antrag einmal wohlwollend positiv als einen ersten, unausgereiften Diskussionsvorschlag der CDU-Fraktion, den Sie im Unterausschuss Bezirke auch einmal den Betroffenen, nämlich den Bezirken vorstellen wollen.
Wünschen Sie sich die zurück? – Ich komme zu Ihrem zweiten Antrag. Auch hier nehmen Sie sich und das Parlament nicht ernst. Wieso haben wir eigentlich dafür gesorgt, dass wir die Bezirkszuweisung frühzeitig diskutieren, wenn Sie noch vor der Veröffentlichung der Antworten der Senatsfinanzverwaltung auf den umfangreichen Fragenkatalog, den auch Ihre Fraktion noch angereichert hat, hier schon Tatsachen schaffen wollen? Dabei sei übrigens ausdrücklich erwähnt, dass wir uns fraktionsübergreifend darin einig sind, dass die Defizite der aktuellen Finanzzuweisung nicht in der Verantwortung der Bezirke liegen.
Bisher sind auch alle mir bekannten Gegenrechnungen nicht an den 142 Millionen Euro aus dem Bezirkspapier vorbeigekommen. Dazu Stellung zu nehmen, haben wir der Senatsfinanzverwaltung mit unseren Fragen die Möglichkeit gegeben. Dass diese das gemeinsam mit den Bezirken in Abstimmungsrunden tun will, sollte hier ausdrücklich positiv herausgehoben werden. Fazit: Wir stehen hinter den Bezirken. Ihren Antrag werden wir gemeinsam mit den fundierten Papieren der Bezirke und den Stellungsnahmen der Senatsfinanzverwaltung im Ausschuss beraten.
Eine letzte Beobachtung: Auch ich lese Zeitung. Da liest man zum Thema Opposition vermisst Sparwillen: Dazu gehören laut Goetze eine
deutliche Verschlankung der staatlichen Aufgaben. In den kommenden Jahren würden viele Mitarbeiter aus Altersgründen aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden.
Das ist mein letzter Satz.
Dieses müsse man nutzen, um die Aufgaben neu zu regeln.
Bei der Verschlankung ist wohl weniger von „Neuregelung“ als von „Abschaffung“ die Rede. Die staatlichen Aufgaben werden bekanntlich von den Bezirken wahrgenommen. Wie also stehen Sie, wehrte Kolleginnen und
Kollegen von der CDU-Fraktion, eigentlich jenseits von Wahlkampfreden zu den Bezirken?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das hatten wir hier noch nicht: Vor wenigen Tagen ist eine Kleine Anfrage zum Thema Kita meiner Kollegin Margrit Barth öffentlich geworden, die die aktuelle Versorgungssituation mit Kitaplätzen darstellt. Fast 42 Prozent der unter dreijährigen Kinder besuchen eine Einrichtung oder nutzen die Tagespflege. Das ist schon heute mehr als der bundesweit geforderte Schlüssel für 2013, und wir haben uns vorgenommen, bis 2013 unseren jetzigen Schlüssel auf 46 Prozent zu erhöhen. Bei den über Dreijährigen sind es fast 90 Prozent, im letzten Kitajahr sogar über 98 Prozent. Fast 60 Prozent aller Angebote sind mindestens Ganztagsplätze, schon jetzt! Damit geht Berlin weit über das hinaus, was in der Bundesrepublik jetzt Standard ist, und wird es wohl auch in naher Zukunft immer tun.
Das lassen wir uns etwas kosten. Die Millionen, das hatte Frau Scheeres schon gesagt, finden sich besonders im Nachtragshaushalt, und wenn man sich die mittelfristige Finanzplanung ansieht, findet man für 2010 817 Millionen Euro für den Kitabereich. Zusätzlich gibt es die Investitionsmittel für U3 und das Konjunkturprogramm II. Wir finden, dass das eine beeindruckende Bilanz ist und dass man das hier auch einmal sagen sollte, statt sich über Nuancen zu streiten.
Trotz dieser guten Bilanz wollen wir uns nicht zufrieden zurücklehnen. Noch in diesem Jahr werden wir die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle Kinder im Vorschuljahr einen Anspruch auf Teilzeitförderung erhalten und die beiden verbleibenden Kitajahre ab 2010 bzw. 2011 beitragsfrei genutzt werden können.
Trotzdem sehen wir noch weiteren Handlungsbedarf. Priorität haben für uns die Verringerung der Zugangsbeschränkungen durch weiteren Ausbau des Rechtsanspruchs und die Qualitätsentwicklung. Ligaverbände, DAKS, Eigenbetriebe – es wurde schon erwähnt – haben im Rahmen einer Studie nachgewiesen, dass die Umsetzung des Berliner Kitabildungsprogramms personellen Mehrbedarf erfordert, vor allem Vor- und Nachbereitungszeit, Zeit für die Dokumentation, Fort- und Weiterbildung und nicht zuletzt Zeit für die Elternarbeit, also
Maßnahmen, die im Rahmen der Qualitätsentwicklung notwendig sind. Dass da Handlungsbedarf besteht, ist längst unbestritten, und wie wir gerade beim RBB gehört haben, scheint das auch über Parteigrenzen hinaus so zu sein.
Angesichts dessen frage ich mich, was der Antrag der Grünen, ein Gesetzentwurf, hier bewirken soll, noch dazu, wo die Änderung des Kitagesetzes bereits in Vorbereitung ist,
auch wenn uns der Referentenentwurf – das haben wir deutlich gemacht – nicht in allen Punkten gefällt. Hier könnten wir gemeinsam handeln, statt das Parlament wieder mit zwei Gesetzesentwürfen zu beschäftigen. Und dann sollten Sie, liebe Grüne, auch einmal darauf achten, wie Sie Gesetzesentwürfe schreiben. Wenn das Plenum schon eindeutig erkennen kann, in wie vielen Minuten Sie das geschrieben haben, sollten Sie das lieber weglassen.
Bei der schon fortgeschrittenen Debatte wirkt Ihr Antrag bei seinen gesetzlichen Ungereimtheiten sicherlich nicht verfahrensbeschleunigend.
Seit 2008 gibt es etliche Beschlüsse meiner Fraktion und auch der Landespartei, die wesentliche Forderungen der Initiatoren und Initiatorinnen des Kitavolksbegehrens aufnehmen und einen Stufenplan zur schrittweisen Umsetzung der pädagogischen Verbesserungen vorschlagen.
Auch das hat Frau Scheeres schon gesagt, und auf diesem Stufenplan bestehen wir, und wir werden ihn auch durchsetzen.
Von wem?
Ja!
Mir ist nicht bewusst, dass meine Fraktion jemals gesagt hätte, dass sie das eine gegen das andere ausspielt und eine Priorität setzt. Ich habe eher den Eindruck, dass die Grünen ein schon beschlossenes Verfahren benutzen, um eine Finanzierung darzustellen, die sonst bei ihren Haushältern nicht durchkäme.
Ich möchte gern weitermachen. – Zuletzt am 2. März 2009, also noch weit vor der Antragstellung der GrünenFraktion, hat meine Fraktion ihre Haltung noch einmal bestätigt, den Stufenplan eingefordert und deutlich gemacht, dass sie zum vorliegenden Referentenentwurf besondere Anforderungen hat und diese auch parlamentarisch umsetzen wird. Ja, auch wir wünschten uns, dass es schneller ginge und dass wir noch heute ein Zeichen setzen könnten. Doch es geht auch hier um einen Haufen Geld, 71 Millionen Euro, Frau Scheeres hat es gesagt. Witzigerweise sagt der Grünen-Antrag nichts dazu.
Bei den allgemeinen Äußerungen Ihrer Haushälter im Hauptausschuss zum Themenbereich Kinder und Jugend, zuletzt gestern, bezweifele ich auch, dass Sie eine reelle Finanzierungsmöglichkeit in Ihrer eigenen Fraktion durchsetzen könnten. Wir werden aber nicht umhinkommen, in den Haushaltsberatungen die Voraussetzungen für die pädagogischen Verbesserungen zu schaffen, die wir wohl alle wollen.
Das wird nur stufenweise gehen. Über die notwendige Prioritätensetzung werden wir uns fachlich auseinandersetzen müssen.
Für die Linke kann ich heute nur sagen: Wir stehen zu unserem Wort, und das werden wir in den Haushaltsberatungen durchsetzen.
Ich mache es kurz: Dass ich seit fünf Jahren dasselbe erzähle, war mir gar nicht bewusst. Ich bin erst seit zwei Jahren hier im Parlament, insofern wundert mich das.
Was Ihre Rede angeht, zeigt dies nur, dass die Haushälter der Grünen auch definitiv über die Grünen regieren. Es hat sich gezeigt, auch die Grünen haben sich vom Grundsatz der gebührenfreien Bildung verabschiedet – das ist erst einmal ein „guter“ Ansatz.
Da sieht man, wo der liberale Anstrich bei den Grünen inzwischen herkommt.
Was mich noch wundert: Als Haushälterin wissen Sie, dass selbst die Kitabeitragsfreiheit nicht ausreicht, um das zu finanzieren, was Sie fordern. Wenn Sie mir erzählen, dass Sie als Haushälterin meinen, das Geld reiche nicht aus für das, was wir wollen, dann zeigt das doch, dass Sie in Ihrer eigenen Fraktion nicht in der Lage sind, gutes Geld für gute Bildung zu investieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Debatte um die Neuordnung der Finanzzuweisung reicht nunmehr drei Jahre zurück. Den Aufschlag haben im Übrigen die Bezirke gemacht, nicht die Grünen und nicht die CDU. 2007 legten sie ein Positionspapier vor, in dem sie auf einen Grundwiderspruch hinwiesen. Seit 2005 – so haben wir es beschlossen – artikulieren die Bezirke ihren Finanzbedarf auf Basis ihrer betriebswirtschaftlichen Jahresergebnisse, das heißt auf der Basis ihrer tatsächlichen Leistungsspektren und der Effizienz der Mittelverwendung im interbezirklichen Vergleich. Das heißt dann KLR oder, kurz, Menge mal Preis.
Das Land aber bildet seinen Haushalt auch weiterhin nach politisch ausgehandelten Titeln ab – und so auch die Zuweisung an die Bezirke. Im Ergebnis steht dann ein Bezirksplafond, der keinen Bezug zum bezirklichen Leistungsvolumen hat.
Nun kenne ich viele Kritiken an dem Bezirkszuweisungssystem. Die meisten gehen in die Richtung, dass die Bildung des Medians – was wohl auch so ist – zu einer Abwärtsspirale führt. Aber wer sagt denn bitte, dass dieses System zu zu viel Geld führt? Wieso sollte es aus finanzpolitischer Sicht also keine Anerkennung finden?
Der Ersetzungsantrag der Koalition, den wir heute mitberaten, sieht das übrigens auch so. Das Finanzsystem hat sich bewährt.
Dass wir in eine politische Steuerungslosigkeit geraten, ist schlicht realitätsfern. Das Land greift durch Planmengen oder Zielbudgets ziemlich heftig in dieses System ein.
Aber wie passen denn nun Kameralistik und KLR zusammen? – Wenn Titel und Budgetberechnung nicht zusammenpassen, dann muss heruntergekürzt werden, verteilt auf alle Bezirke. Die Senatsfinanzverwaltung nennt das dann unverfänglich Normierung. – Sicher gibt es hier nicht wenige Ansätze der babylonischen Sprachverwirrung, aber es ist viel mehr; es sind zwei getrennte Kulturkreise. Lassen Sie uns – so wie in unserem Antrag – mehr Interkulturalität wagen!
Seit 2007 hat sich in dieser Richtung einiges getan, um die Bezirke besser in das parlamentarische Aufstellungsverfahren einzubinden. Die Bezirke werden jetzt bereits unmittelbar nach Festsetzung des Plafonds angehört und in die Lage versetzt, ihrem Finanzbedarf Ausdruck zu verleihen. An diesem Punkt stehen wir gerade. Der eigentliche Grundkonflikt aber – KLR und Titel auf der andren Seite – wurde nicht aufgelöst, wie sich an den aktuellen Diskussionen zum Bezirksplafond wieder überdeutlich gezeigt hat. Dabei kann das KLR-System doch so viel leisten! Es erkennt an, dass Bezirke unterschiedlich sind und unterschiedlich wirtschaften. Da nützen die permanenten Einzelbeispiele der Senatsverwaltung für Finanzen zum Beweis, dass die Bezirke – nicht der einzelne Bezirk – grundsätzlich – und nicht in einzelnen Bereichen – noch Nachholbedarf haben.
Aber wozu haben wir den Median? – Hohe Produktkosten führen zu Budgetverlusten, niedrige Produktkosten zu Budgetgewinnen und zu einem Anreiz zu weiterer Optimierung. Hier sehen einige, wie erwähnt, berechtigterweise die wenig gesteuerte Abwärtsspirale. Aber hier sieht unser Antrag vor, mehr Mindeststandards einzuführen.
Nun hat das gerade erfolgte Zuweisungsschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen die ganze KLR ad absurdum geführt. Kein einziger Budgetgewinner hat mit der jetzigen Zuweisung tatsächliche Gewinne gemacht. Dafür ein Beispiel: Lichtenberg. Nach dem Produkthaushalt hätte Lichtenberg 3 Millionen Euro Gewinn gemacht. Stattdessen steht da jetzt ein fettes Minus von 3 Millionen Euro. Das hat mit Anreizen nichts zu tun und mit KLR erst recht nicht.
Aber wir sprechen ja über den Antrag der Grünen. Herr Ratzmann hat vorhin die Schuldenbremse als Allheilmittel nachhaltiger Politik gelobt. Entschuldigung! Wo ist denn bitte der Handlungsspielraum der zukünftigen Generation, wenn wir so in die Substanz eingreifen, dass sie ihren Finanzspielraum nur noch dafür verwenden kann, die eben abgebaute Substanz wieder aufzubauen? Wiederaufbau im Vergleich zur Bestandssicherung – das kann doch nur teuer sein!
Dann noch Frau Pop! Frau Pop sagt, das Geld reiche ohnehin nicht für die Kitas aus. Herr Schruoffeneger unterstellt gestern im Hauptausschuss unterschwellig die Steuerbarkeit im Bereich der Fallmengen HzE – Herr Goetze übrigens auch. Wer soll Ihnen jetzt noch glauben, dass Sie in den Haushaltsberatungen bei den Bezirksfinanzen mehr Rückgrat beweisen?
Aber solche Anträge können Sie stellen!
Einig sind wir uns dennoch darin, die erwähnten Kulturkreise zusammenzuführen, die Debatte um die Bezirksfinanzen zu objektivieren, zu politisieren und schließlich zu parlamentarisieren. Damit fangen wir nicht erst nächste Woche im Unterausschuss an.
Aber was heißt das konkret? – Objektivieren hieße in diesem Fall, 142 Millionen Euro mehr zuzuweisen, wie die Bezirke mit ihrer Rechnung belegen. Dem widerspricht SenFin. Hier haben wir die Parlamentarisierung. Wir – das Parlament – werden hier entscheiden müssen. Diese Herausforderung nehmen wir gerne an.
Zum Schluss eine Anmerkung zum Wertausgleich. Hier halte ich es wie auch Herr Schneider mit dem LexPosterior-Grundsatz. Die von SenFin den Bezirken mitgeteilten Veränderungen im Wertausgleichsverfahren werden sicher nach Beschluss unseres Koalitionsantrags heute zurückgenommen werden.
Der letzte Satz. – Denn hier heißt es, dass es erst ab 2011 Veränderungen geben wird, ergo für 2010: Beibehaltung des Status quo. Das wird der Senat sicher ähnlich sehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fühle mich total geehrt, hier diese Rede zum Thema Gewalt von Jungen halten zu können, denn ich darf mitreden, weil ich neuerdings auch einen Sohn habe. Der ist übrigens hyperaktiv, grölt den ganzen Tag. Das liegt aber eher daran, dass sein Vater Musiker ist und er den Unterschied zwischen Reden und Singen noch nicht kennt. Aber auch da könnte man annehmen, das wäre ein Fehlverhalten.
Dass es offensichtlich in der Gesellschaft unterschiedliche Wahrnehmungen von Fehlverhalten und richtigem Verhalten gibt, haben wir auch in den vielen Anhörungen im Ausschuss zum Thema Benachteiligung von Jungen oder auch zur Gewalt hin immer wieder gehört. Ich verweise dazu auf die Ausführungen von Herrn Preuss-Lausitz, der noch einmal sagte, wir sollten vielleicht grundsätzlich unsere Wahrnehmung von Anforderungen, die wir an Kinder und Jugendliche stellen, und die Frage von Fehlverhalten und Mobilität überdenken. Muss Unterricht immer im Sitzen stattfinden? Muss das Parlament im Sitzen stattfinden? Wieso dürfen Parlamentarier nicht sinnlos beim Reden herumlaufen? Wieso dürfen Besucher immer nur gerade auf den Rängen sitzen? Diese Fragen müssen wir uns doch stellen. Das ist eine Präventionsarbeit.
Das Thema, das die Anträge anschneiden, ist im Übrigen nicht neu. Es bekommt nur gerade wieder eine mediale Aufmerksamkeit, aber sicher hat es keine plötzliche politische Brisanz. Ich will nur kurz einmal einige Zahlen nennen: Wir haben in drei Monaten Ausschussarbeit drei Anhörungen gehabt, zu Themen, die diese Anträge anschneiden. Wir haben eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe des Senats, der gerade ein Konzept zum Thema Gewalt in diesem Bereich erarbeitet. Wir haben eine Senatskonzeption, die in der Erarbeitung ist und die sogar Haushaltsauswirkungen darstellen soll. Auch im Senat wird dieses Thema mit hoher Wichtigkeit gesehen.
Die Anträge sind von 2007. Schon damals gab es die Landeskommission gegen Gewalt. Die gibt es auch schon seit Anfang 2000. Wir hatten vorhin ein kurzes Gespräch mit dem RBB draußen. Da ging es um folgende Sachen: Es geht darum, keine Einzelmaßnahmen durchzuführen, langfristige Konzepte zu sichern, verbindliche Zusammenarbeit aller Verantwortlichen zu sichern, kurz: eine Konzeption zu machen. Es sollen vorhandene Maßnah
men gestärkt oder ergänzt und auf ihre Effektivität werden.
Das Lustige ist, dass ich jetzt nicht etwa aus dem CDUAntrag, sondern aus dem Senatsbeschluss von 2008 zu der Konzeption, die der Senat gerade aufsetzt, zitiere. Soviel zum Thema, wir brauchen diese Anträge.
Stattdessen arbeitet der Antrag selbst mit Unterstellungen, die Frau Demirbüken-Wegner hier natürlich niemals sagen würde. Er sagt Sätze wie: Man müsste Maßnahmen ergreifen, um das Gewaltpotenzial zu verringern.
Das Gewaltpotenzial von allen jungen Männern, das von allen Jugendlichen? Man müsste ein Erziehungs- und Präventionskonzept machen. Bei Erziehungskonzept fällt mir gleich Erziehungslager ein.
Dann steht darin, man müsste das gegebenenfalls von Gewalt geprägte Männlichkeitsbild überarbeiten. Ist das Männlichkeitsbild immer von Gewalt geprägt? Man müsste die Angebote unter soziale Kontrolle stellen. Genau, und am Besten noch einen Polizisten daneben. Man müsste sich bewusst darüber werden, dass die Beziehung von männlichen Kindern und Jugendlichen zur Anwendung und Ausübung von Gewalt nach anderen Mustern und Regeln erfolgt als bei Mädchen. Das ist doch nun definitiv ein Erziehungsproblem und sicher nicht genetisch bedingt.
Vielmehr haben wir in den Anhörungen gelernt, dass es einen Dreiklang zwischen pädagogischer Struktur, Wertschätzung und Perspektive für eine gelingende Zukunft gibt. Was greift der Antrag hier auf? – Im Endeffekt greift er nur das Thema pädagogische Struktur auf. Aber haben wir nicht tatsächlich ein Wertschätzungsproblem? Hat Ihr Antrag mit diesen Unterstellungen nicht auch ein Wertschätzungsproblem für diese Gruppe? Was ist eigentlich Ihr Konzept zum Thema Perspektive? Was nützt das nächste Anti-Gewalttraining, wenn ich für die jungen Männer keine Lehrstelle habe?
Das wiederum ist vielleicht auch ein Bundesproblem. Da sind Sie bekanntlich in Verantwortung.
Aus der Studie von Herrn Pfeiffer möchte ich nur drei Dinge erwähnen. Jugendgewalt hat eine gleichbleibende und rückläufige Tendenz, soviel zum Thema politische Brisanz. Zweitens: Die soziale Missbilligung von Gewalt und eine gewaltfreie Erziehung sind die wichtigsten Präventionsmaßnahmen. Dazu möchte ich zwei Beispiele nennen. Gewalt beginnt mit Worten. Häufiger, meistens, wenn ich im Parlament sitze, fällt mir der Satz ein:
Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen. Auweia! Das ist ein klassischer Fall von Gewalt mit Worten. Seit den Debatten von scheidenden Senatoren in der Zeitung wissen wir auch, dass Gewalt nicht nur mit Worten, sondern auch mit Zahlen beginnt, das zum Thema Prävention.
Eine letzte Anmerkung: Gewalt ist nur ein Symptom. Gewalt ist sicher nicht das Problem der jungen Menschen.
Es gibt auch junge Männer, die sich zurückziehen, wenn sie in der Gesellschaft nicht klarkommen.
Wir brauchen eine Anerkennungsstruktur. Wir brauchen Maßnahmen, dass sich junge Männer wieder in der Gesellschaft zurechtfinden. Das ist ein bisschen mehr als ein Aktionsprogramm.
Stimmen Sie zu, dass es angemessen ist, Menschen richtig zu zitieren und dass es dann an dieser Stelle angemessen wäre, zu zitieren, dass ich der Meinung bin, dass PeerGruppen-Effekte sinnvoller sind als Erwachsene, die in die Schulen gehen?
Ich frage den Senat:
1. Wie bewertet der Senat, dass nach Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes künftig auch Fortbildungen von Erzieherinnen und Erziehern mit Meister-BAföG gefördert werden können, wer kann dies unter welchen Voraussetzungen in Anspruch nehmen, und welche Angebote und anerkannten Qualifizierungsziele gibt es für die entsprechenden Berufsgruppen in Berlin?
2. Wie wird der Senat über die neuen Fördermöglichkeiten informieren, und wie wird er diese gezielt nutzen, um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel in den pädagogischen Berufen entgegenzuwirken?
Eine Nachfrage zu den Qualifizierungszielen: Ist es denn auch möglich, den jetzt geplanten akademischen Abschluss bei Erzieherinnen und Erziehern auch als Qualifizierungsziel anzuerkennen und damit auch ein BAföG für Erzieherinnen und Erzieher zu erreichen, die von der Fachschule den akademischen Abschluss erhalten?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kurze Vorbemerkung: Ich verstehe die Grünen nicht so wirklich, weil wir doch schon weiter sind. Erwarten Sie jetzt ernsthaft, dass der Senat das Konzept der Bezirke abschreibt, bloß damit wir einem Antrag der CDU zustimmen? Das verstehe ich nicht. Wir haben den Antrag der CDU ausführlich im Fachausschuss diskutiert und werden ihn übrigens ablehnen, weil er die tatsächlichen Gegebenheiten nicht beachtet. Wir hatten das Thema. Kahlschlagsanierung versus fachliche Umsteuerung. Da vertrete ich doch eindeutig die fachliche Umsteuerung.
Auch im Plenum haben wir übrigens sehr oft schon über das Thema Hilfen zur Erziehung geredet. So viel möchte ich zum Thema „die Koalition beschäftigt sich nicht damit“ anmerken. Ich finde es nicht gerade familienfreundlich, um 20.55 Uhr Positionen auszutauschen, wo wir doch eigentlich alle bei unseren Kindern sein könnten.
Deshalb möchte ich einmal hier drei Bemerkungen machen. Erstens: Jedes Kind hat nach dem KJHG das Recht auf eine gesunde Entwicklung, und das physisch und psychisch. Das schließt übrigens auch ein, dass es ab und zu auch mal ihre Eltern sieht, auch wenn sie Parlamentarier sind. Insofern möchte ich noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Ob einer Hilfe zur Erziehung im Sinne des Kindeswohls nichts ist, was man steuern kann. Nur die Frage der adäquaten Maßnahmen liegt im Ermessen des Jugendamte, und das in jedem der weit über 17 000 Einzelfälle, die jährlich in Berlin zu entscheiden sind. Aber Achtung, diese sind nicht immer die preiswertesten Maßnahmen, wie wir spätestens seit dem Fall Adnan wissen. Adäquat heißt übrigens notwendig, also die Not eines Kindes wendend.
Trotz dieses Druckes, der auf den Jugendämtern lastet, die Not der Kinder zu wenden, wurden die Ausgaben in den Bezirken von 2002 bis 2006 um 132 Millionen Euro gesenkt. Herr Nolte hat das angesprochen. Fallrevisionen, Hilfeplanverfahren, Controlling und besonders auch die Sozialraumorientierung sind nur wenige Stichworte. Dieser fachlich notwendige Prozess war übrigens auch finanziell spürbar. Auch hier haben wir die Zahlen bereits gehört. Eine nur ansatzweise vergleichbare Ausgabenreduzierung – 132 Millionen Euro – hat es in keinem anderen Bereich jemals in Berlin gegeben. Seit 2007 steigen jetzt wieder die Fallzahlen und mit ihnen übrigens auch die Ausgaben der Bezirke. Im Jahr 2007 gaben die Bezirke insgesamt fast 332 Millionen Euro für Hilfen zur Erziehung aus. Jetzt sind es 363 Millionen Euro. Was ist passiert? – Es liegt sicher nicht an der mangelnden Fachlichkeit und dem Kostenbewusstsein der Bezirke. Wir müssen konstatieren, dass sich die schwierige soziale Lage vieler Familien auf den Hilfebedarf auswirkt. Wir
stellen weiterhin fest, dass neue Anforderungen – auch das wurde bereits erwähnt, Kinderschutz beispielsweise – auch viel Kosten verursachen. Kinderschutz sagt doch: Schaut nicht weg. Macht das Licht an. Macht das Licht früher an, wenn es Kindern nicht gut geht.
Nicht zuletzt wenn man den Handlungsempfehlungen des Monitorings für soziale Stadtentwicklung 2009 folgt, werden aus den geforderten integrierten Strategien für besonders belastete Stadtquartiere neue und wichtige Aufgaben auch für das System der Jugendhilfe erwachsen. Steigende Fallzahlen sind im übrigen auch kein Berliner Problem. Es handelt sich dabei um einen bundesweit festzustellenden Trend.
Nun müssen wir als Politik reagieren. Wir können und dürfen dort die Bezirke nicht allein lassen. Dort gilt das Jugendhilferecht weiter, auch wenn das Geld alle ist. Allein im letzten Jahr klaffte zwischen Zuweisung und tatsächlichen Ausgaben eine Lücke von über 40 Millionen Euro. Der Fachausschuss hat auf Initiative der Koalitionsfraktionen die Finanzverwaltung aufgefordert, zusätzlichen Bedarf der Bezirke für das Jahr 2008 und 2009 im Rahmen der finanziellen Steuerung zu berücksichtigen. Neben der Notwendigkeit, für die finanziellen Mehrausgaben eine gerechte Lösung zu finden, ist es auch nötig, das bisherige System der Finanzierung der Hilfen zur Erziehung grundsätzlich zu überdenken. Darin sind wir uns in allen Fraktionen einig.
Dabei sind eine realistische Zuweisung von Anfang an und eine gerechte Verteilung der finanziellen Risiken unumgänglich. Auch darin sind wir uns einig. Gerecht heißt hier, den beschränkten Steuerungsmöglichkeiten gerecht zu werden. Deshalb begrüßen wir auch das Konzept der Jugend- und Finanzstadträte außerordentlich. Wir gehen im übrigen auch fest davon aus, dass auch der RdB dieses fachlich fundierte Papier beschließen wird. Ja, Frau Jantzen, auch wir werden das bei der Beratung zu den Bezirksfinanzen zugrunde legen.
Ein letzter Punkt: Hinter den Hilfen zur Erziehung stehen immer einzelne Fälle. Diese Fälle haben Namen und Gesichter. Zu oft werden Hilfen zur Erziehung unter reinen Kostenaspekten diskutiert. Kinder merken sehr früh, wie eine Gesellschaft, wie die Welt der Erwachsenen mit ihnen umgeht. Die Hilfen zur Erziehung sind dabei immer nur ein zumeist sehr trauriger Schlusspunkt einer manchmal sehr langen Entwicklung. Auch das hat Adnan gezeigt. Es muss uns gelingen, mehr in die allgemeine Förderung und in die Prävention zu investieren. Das ist im Sinne der Betroffenen und im übrigen auch unter finanziellen Gesichtspunkten sinnvoll. – Vielen Dank!
Die heute dem Abgeordnetenhaus zur Entscheidung vorliegenden Anträge wurden im Fachausschuss für Bildung,
Jugend und Familie mit einer ausführlichen Anhörung behandelt. Aber auch im Plenum haben wir uns in letzter Zeit mehrfach mit diesem Thema auseinandergesetzt. Die Positionen der Fraktionen sind bekannt. Für die Linksfraktion möchte ich es daher an dieser Stelle kurz machen.
Ja, auch aus unserer Sicht gibt es Probleme mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Jede dieser Meldungen nehmen wir ernst. Die Auseinandersetzung damit verlangt jedoch Realismus und Sachlichkeit. Dazu gehört auch die Suche nach den Ursachen. Die Anhörung im Ausschuss hat uns dabei wichtige Erkenntnisse vermittelt. Sie hat den bisher eingeschlagenen Weg bestätigt und auch Hinweise gegeben, in welche Richtung weitergearbeitet werden sollte.
Dazu gehört für mich die wichtige Erkenntnis, dass es stets einen Dreiklang geben muss, zwischen – pädagogischer – Struktur, Wertschätzung gegenüber den Kindern und Jugendlichen, aber auch gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und eine Perspektive auf eine gelingende Zukunft, auf ein glückliches Leben.
Was hat die Anhörung in diesem Sinne an Erkenntnissen gebracht?
1. Zur allgemeinen Wahrnehmung: Kriminalität und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen sind keine Massenerscheinung, sie betreffen einen Bruchteil der Population. Im letzten Bericht zur Schulgewalt im Schuljahr 2006/07 meldeten Berliner Schulen im Jahresdurchschnitt 1,8 Vorfälle. Natürlich ist jeder Vorfall einer zu viel, doch die drastischen Zuwächse der vorangegangenen Jahre konnten deutlich abgemildert werden. Es lässt sich feststellen: Die verschiedenen Maßnahmen von Senat, Bezirken und der Zivilgesellschaft, nicht zuletzt der Kinder und Jugendlichen selbst, zeigen Wirkung. In diesem Kontext waren die Aussagen des Mitarbeiters des Kriminologischen Instituts Niedersachsen interessant. Danach belegen Untersuchungen in verschiedenen bundesdeutschen Großstädten, dass die polizeiliche Kriminalstatistik in diesem Kontext nur bedingt aussagefähig ist.
2. Perspektive schaffen: In den durch das Institut durchgeführten Untersuchungen wurde ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand von Kindern und Jugendlichen und der Häufigkeit von auffälligem Verhalten nachgewiesen. Danach stellt ein niedriger Bildungsstand, oftmals verbunden mit einer schwierigen sozialen Herkunft, einen wesentlichen Risikofaktor für abweichendes, delinquentes Verhalten dar – Risikofaktor, mehr aber auch nicht! Deshalb gilt es: Früh zu beginnen, allgemein zu fördern, präventive Angebote für Kinder und Eltern bereitzustellen. Am wichtigsten ist es dabei, die soziale Lage der Familien zu verbessern. Das kann nicht die Aufgabe einzelner Ressorts oder Institutionen sein. Schule und Jugendhilfe können nicht als Reparaturbetrieb für die Folgen gesellschaftlich bedingter Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden. In diesem Sinne ist z. B. der Ausbau des Zugangs zur Kita und zur ganztägigen schulischen För
derung an einer Schule für alle Kinder wichtig und genießt zu Recht bei der Linksfraktion Priorität. Doch auch das Integrationsprogramm des Senats, das Programm zur Stärkung von öffentlich geförderter Ausbildung und Beschäftigung und andere Initiativen leisten für eine lebenswerte Perspektive einen wesentlichen Beitrag.
3. Thema Struktur schaffen: Es sollte allen klar sein, dass hier nichts schnell passiert, sondern dass es um langfristig angelegte Prozesse geht, in denen die beteiligten Systeme eng zusammenwirken müssen. Doch nicht nur Kooperation und Abstimmung sind notwendig. Unerlässlich sind auch Vertrauen, Kontinuität und Verlässlichkeit. Das heißt auch, dass wir nicht jede Woche etwas Neues erfinden sollten, sondern die bewährten bestehenden Strukturen stärken und bei neuen Rahmenbedingungen weiter entwickeln müssen, ohne sie aufzugeben oder zu ignorieren. Hier ist es wichtig und richtig, dass der Senat der Ganztagsschule viel Aufmerksamkeit widmet. Der Ausbau von Angeboten der schulbezogenen Kinder- und Jugendsozialarbeit ist der richtige Weg. Doch auch diese können keine Wunder bewirken, wenn die Auseinandersetzung mit Gewalt an der Schule nicht als gemeinsame Aufgabe aller Professionen unter Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler und Eltern betrachtet wird. Mehr Personal und mehr Geld im System bewirken nichts, wenn dahinter kein schlüssiges, von allen Beteiligten getragenes Konzept steht. In diesem Sinne ist es zu begrüßen, dass sich der Landesjugendhilfeausschuss intensiv mit der Entwicklung eines Konzeptes für eine Gesamtstruktur Schule-Jugendhilfe befasst. Doch zu Recht kam in der Anhörung der Hinweis, dass es auch ein Leben nach 16.00 Uhr gibt. Hier sehen wir als Linke noch erheblichen Handlungsbedarf bei der bedarfsgerechten Sicherung von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken.
4. Last but not least die Wertschätzung: Wie sollen Kinder und Jugendliche soziale Verhaltensnormen lernen, wenn die Vorbilder fehlen? Wenn Kinder und Jugendliche in Schulen und in der Gesellschaft nicht Wertschätzung erfahren, sondern nur als Vorgaben erfüllende Objekte betrachtet werden. Wertschätzung bedeutet die Stärken von Kindern und Jugendlichen wahrzunehmen – z. B. hohe Kreativität anstelle von Unkonformität, hoher Bewegungsdrang anstelle nerviger Zappelphilippe, selbstständige Persönlichkeiten anstelle von aufmüpfigen Eigenbrödlern. Hier sind wir auch wieder beim Thema Partizipation: Wertschätzung bedeutet auch, den anderen als gleichrangig anzusehen, Normen mit den Kindern und Jugendlichen auszuhandeln und eben nicht einfach vorzugeben. In diesem Sinne hilft auch Wegsperren nichts – die Forderung nach geschlossener Unterbringung geht da ins Leere. Schnelle und konsequente Auseinandersetzung mit der Tat sind notwendig, aber auf Augenhöhe, nicht ausschließlich mit dem Zeigefinger. Und der Erziehungsgedanke muss im Vordergrund stehen. Auch da liegt der Senat mit seinem Konzept richtig, z. B. wenn er konsequent die Diversion ausbaut.
In diesem Kontext haben wir auch die vorliegenden Anträge bewertet. Aus Sicht der Linksfraktion werden beide Anträge den aktuellen Erfordernissen nicht gerecht. Den Antrag der CDU-Fraktion lehnen wir ab, weil er in wesentlichen Teilen in die falsche Richtung geht. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne hat sich durch das Handeln des Senats erledigt.
Das ist die Runde der jungen Mütter. Ich setze das jetzt fort. Einige sind nicht mehr ganz so jung, aber zumindest Mütter. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon von Frau Scheeres gehört, dass wir gerade neue Bevölkerungsstatistiken bekommen haben. Was für mich aus diesen Statistiken am deutlichsten hervorgeht, ist, dass wir zwar in den letzten zehn Jahren mehr Zuzüge als Wegzüge von jungen Menschen zu verzeichnen haben, dass es dort aber eine extrem hohe Fluktuation gibt. Das heißt, die positive Nachricht, dass wir in den letzten Jahren mehr junge Menschen für die Stadt gewinnen konnten, ist erst einmal da. Trotzdem muss man immer wieder feststellen: Unsere Bevölkerung wird altern.
Der Senat – und auch das Abgeordnetenhaus mit seinem Beschluss – hat sich auf den demografischen Wandel eingestellt und dazu einen ersten Zwischenbericht vorgelegt, über den wir auch im Ausschuss debattiert haben. Mit unserem Antrag fordern wir nun ein, bei der Konzeptentwicklung die Belange junger Menschen erkennbar stärker als bisher in die Überlegungen einzubeziehen. Gerade die Altersgruppe der Jugendlichen und der jungen Erwachsenen wird in den nächsten Jahren den stärksten Rückgang erfahren: um 14,4 Prozent. Zusammen mit der hohen Fluktuation bei den Zuzügen und Wegzügen, von der ich bereits gesprochen habe, muss unter anderem Ziel dieses neuen Handlungsfeldes sein, die Zahl der Zuziehenden zu halten und zu erhöhen und die Wegzüge zu reduzieren. Dabei sollten wir auch die Alterssegregation beachten. Zukünftig werden wir Bezirke haben, die von jungen Menschen dominiert sind, und Bezirke, die von alten Menschen dominiert sind.
Die Senatsverwaltung hat das alles unter dem Thema „Bleibepolitik“ zusammengefasst. Dabei fangen wir allerdings nicht bei null an. In den letzten Jahren ist es trotz einer Haushaltsnotlage gelungen, ressortübergreifende Anstrengungen zu unternehmen, um die Entwicklungsbedingungen und Zukunftschancen junger Menschen zu verbessern. Dabei ist Bildung natürlich ein Schlüssel. Ziel muss es sein, einen jungen Menschen von klein an auf einen optimalen Start in das Leben vorzubereiten. Hier sei zum Beispiel der Ausbau der Kita zur Bildungseinrichtung genannt. Die ersten Gemeinschaftsschulen haben sich bereits auf den Weg gemacht, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufzubrechen.
Bemerkenswert, liebe Frau Senftleben, ist es übrigens, dass die Idee der Gemeinschaftsschule im Onlinedialog des Familienbeirats eine hohe Akzeptanz genießt. Auch der Familienbeirat hat sich das Demografiethema als einen Schwerpunkt gesetzt.
Bildung ist außerdem ein wichtiger Bestandteil des vom Senat entwickelten Integrationskonzepts. Die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund in unser Gemeinwesen ist wohl eine der größten Herausforderungen bei der Bewältigung des demografischen Wandels in unserer Stadt.
Bleibepolitik im wörtlichen Sinn bedeutet aber auch, stärker etwas für minderjährige Flüchtlinge zu tun und diese in Berlin zu verankern.
Hervorzuheben sind auch die Anstrengungen des Berliner Senats, die Armut junger Menschen und deren Folgen weiter zu bekämpfen. Hier dürfen wir nicht nachlassen.
Die wichtigste Maßnahme gegen Armut von Kindern und Jugendlichen ist es dabei, existenzsichernde Arbeit für die Eltern zu schaffen, gute Schulabschlüsse zu fördern und Ausbildung und den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten.
Die Ressource Jugend in einer alternden Gesellschaft ist das eine. Das ist bisher im Konzept auch dargestellt. Das andere ist es, den Ressourcen junger Menschen selbst mehr Möglichkeiten und Raum zu geben. Die Herausforderung an das neue Handlungsfeld besteht dabei darin, Freiräume zu schaffen: Freiräume des Denkens, des Bewegens, aber auch den Erhalt und den Ausbau der außerschulischen Angebote, seien es Jugendfreizeiteinrichtungen, Selbstorganisation oder Kultur. Aber auch die Förderer von jungen Menschen und ihrer Entwicklung müssen im Sinn von Bleibepolitik in Berlin gehalten und unterstützt werden:
Lehrer, nennen wir das Stichwort Fachkräftemangel, aber auch Sozialpädagogen, Erzieher, Kinderärzte. Diese Liste wäre unendlich weiterzuführen.
Junge Menschen an den Entscheidungen zu beteiligen, die sie und ihre Zukunft betreffen, muss zum Normalfall in dieser Stadt werden. Das ist ein weiteres Thema des Handlungsfeldes.
Wenn wir heute mit unserem Antrag einfordern, dass Jugend ein eigenes Handlungsfeld bekommt, geht es uns auch darum, daran zu erinnern, Jugend nicht auf einen finanziellen Klotz zu reduzieren. Im Gegenteil: Wir können es uns als Gemeinwesen gar nicht leisten, auch nur auf einen jungen Menschen in unserer Stadt zu verzichten. Denn in junge Menschen zu investieren lohnt sich allemal. Und übrigens: Es rechnet sich auch. In diesem Sinn
bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe kurz überlegt, ob ich auf den Beitrag von Frau Demirbüken-Wegener eingehe oder ob ich mich an dem Antrag entlanghangele.
Zwei Bemerkungen vorweg: Ich halte nichts von pauschalen Präventionsangeboten für alle Formen des jugendlichen Verhaltens, von Gewalt über Kleinkriminalität bis hin zum Rechtsextremismus. Ich finde, der Rechtsextremismus hat eine besondere Bedeutung. Mit allgemeinen Präventionsangeboten für Jugendliche kann man dagegen nichts tun.
Was den Antrag angeht, so möchte ich ebenso wie unser Koalitionspartner darauf hinweisen, dass wir jede Initiative unterstützen, die sinnvoll und geeignet ist, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft entgegenzutreten. Deshalb werden wir den vorliegenden Antrag der Grünen im Ausschuss sorgfältig prüfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass die Maßnahmen, die wir bisher ergriffen haben, den gewünschten Erfolg vermissen lassen, wie Sie in der Antragsbegründung schreiben. Wer – wie ich auch – die Gegendemonstration gegen die NaziDemonstration am Wochenende in Lichtenberg erlebt und danach auch das Jugendforum hier im Haus besucht hat, der kann bestätigen, dass es gerade die jungen Menschen sind, die kreativ und vielfältig gegen Gewalt und für ihre zivilgesellschaftliche Verantwortung kämpfen. Das ist übrigens ein Aspekt, der mir in dem Antrag der Grünen ein wenig zu kurz kommt. Sie gehen nicht davon aus, dass man etwas mit Kindern und Jugendlichen macht, sondern es soll etwas für Kinder und Jugendliche getan werden. Ich erinnerte mich kurz an Parteischulungen. Angesichts der sonst eingeforderten Beteiligungsprojekte der Grünen wundert mich das schon. Bitte mehr Bottom-up und weniger Top-down!
Was die Initiativen des Senats angeht, so hat sich in den letzten Jahren erwiesen, dass es besonders die bezirklichen Netzwerke sind, die Wissen vermitteln, die Protest und Gegenmaßnahmen bündeln und die organisieren können. Gerade in der Arbeit und den lokalen Aktionsplänen haben sich diese Bündnisse gestärkt, wie ich aus meinen eigenen Erfahrungen aus einem Aktionsbündnis, in dem
ich Mitglied bin, berichten kann. Wir haben mobile Beratungsstellen, wir haben Standpunkte-Pädagogen, und wir haben auch andere Initiativen und Einrichtungen, die dort eine Vorreiterrolle einnehmen. Das können wir übrigens nicht zuletzt deshalb, weil der Senat viele Bundesmittel, aber auch eigene Mittel zur Verfügung stellt. Insofern kann ich das Versagen, dass Sie schildern, nicht sehen. Im Gegenteil, ich bin der Auffassung, dass noch nie so viele junge Menschen so sehr sensibilisiert für die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen, rassistischen und antisemitischen Einstellungen und Handlungen waren wie heute.
Natürlich ist nichts so gut, dass man es nicht besser machen könnte. Das Erreichte ist nicht immer das Erreichbare. Deshalb werden wir Ihren Antrag ausführlich prüfen. Wir müssen unsere Konzepte weiterentwickeln, und wir müssen dabei auf Aktuelles reagieren. Da können zum Beispiel die Vorschläge, die in diesem Jahr im Jugendforum gemacht worden sind, eine Hilfe sein.
Der Senat hat im Juni des Jahres die Berliner Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgelegt. Darin wird dem Schwerpunkt Kinder und Jugendliche ein breiter Raum gewidmet. Es geht darum, Demokratie in der Schule und im außerschulischen Kontext erlebbar und erfahrbar zu machen und sich erfolgreich mit rechtsextremistischem und rassistischem Gedankengut auseinanderzusetzen. Es geht natürlich auch darum, Pädagoginnen und Pädagogen sowie andere, die mit jungen Menschen zu tun haben – z. B. Übungsleiterinnen und Übungsleiter aus Sportvereinen –, zu qualifizieren. Dabei sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass viele zivilgesellschaftliche Institutionen und Einrichtungen bereits jetzt entsprechende Angebote vorhalten. Auch hier spielen übrigens die Bündnisse eine wichtige Rolle. Damit das so bleibt, ist es wichtig, dass das Engagement, die vielen Maßnahmen, Initiativen und Projekte eine solide Finanzierung erhalten. Dabei sehen wir auch die Bundesebene in starker Verantwortung. Auch dazu wäre ein Zeichen im Antrag begrüßenswert gewesen.
Was sich als gut und richtig erwiesen hat, muss verstetigt und ausgebaut werden. Gleichzeitig muss für Neues und Innovatives eine Basis vorhanden sein. Hier werden wir auch im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen weiterdiskutieren und gegebenenfalls Schwerpunkte setzen müssen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Welche Aufgabe hat ein Parlament? – Diese Frage musste ich mir vor der Abstimmung stellen. Die Antwort darauf wird Ihnen mein Abstimmungsverhalten erklären. Parlamente machen Gesetze, und Gesetze sind in einer Gewaltenteilung dazu da, den Bürger und die Bürgerin vor Willkür der Exekutive zu schützen. Im Grundkurs Staatsorganisationsrecht nennt man das bekanntlich Gesetzesvorbehalt. Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollen dafür sorgen, dass wir bei Eingriffen in die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger Beschränkungen derart fassen, dass die Exekutive weiß, was sie darf und was sie nicht darf, und dass die Judikative auf diese Einhaltung der Beschränkungen achten kann. Diese Aufgabe haben wir mit dem neuen ASOG nicht vollständig erfüllen können. Deshalb konnte ich dem Gesetzesentwurf auch nicht zustimmen. Wir werden die Exekutive, in diesem Fall die Polizei, bitten müssen, unbestimmte Paragrafen grundrechtskonform auszulegen. Wir werden die Betroffenen bitten müssen, im Falle eines ihrer Meinung nach zu weiten Eingriffs zu klagen, und wir werden die Gerichte bitten müssen, diese Verfahren schnell zu behandeln, damit ein klares Bild über Eingriffsbeschränkungen entsteht. Aus diesen Gründen – und weil ich nicht möchte, dass ein Parlament auf die anderen beiden Gewalten hoffen muss – konnte ich nicht zustimmen.
Trotzdem spreche ich sicherlich im Namen meiner Koalition, wenn ich sage, dass wir die Evaluationsklausel sehr ernst nehmen und in zwei Jahren nicht einfach, wie es von der FDP gefordert wird, die Änderung zurücknehmen, sondern den Mut beweisen werden, ggf. – ich gehe davon aus, dass uns der Evaluationsbericht bestätigen wird – bestimmte Verfahren komplett für unzulässig zu erklären, weil sie u. U. unnütz oder falsch sind.
Denn auch das kann ein ASOG, und dann gilt auch nicht mehr die generelle Eingriffsnorm und das permanente: „Die Polizei darf es doch eh!“
Damit linke Politik auch das und noch viele ganz andere Sachen in zwei Jahren leisten kann, möchte ich, dass die Koalition bis dahin handlungsfähig bleibt. Deshalb und trotz anderer politischer Überzeugung heute kein Nein von mir.
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung: Meine Partei hatte sich im Zuge der Gespräche über das ASOG darauf verständigt, das Thema Bürgerrechte innerparteilich und öffentlich noch stärker in den Mittelpunkt zu setzen.
Das ist uns ja offensichtlich mit dem ASOG auch gelungen. – Daran wird sich auch die „Linksjugend [solid]“ beteiligen und offensiv Demonstrantinnen und Demonstranten dabei unterstützen, sich vor Polizeiwillkür zu schützen. Wenn Sie das ähnlich sehen, können Sie jetzt einmal in ihren Portemonnaies kramen und schauen, wie viel Geld Sie zum Beispiel für die Rote Hilfe übrig haben, denn ich werde dafür spenden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!