Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

Drittens: Eine gute, bürgernahe Verwaltung setzt die Stärkung tatsächlich beider Ebenen in Berlin voraus und ist nicht, wie Sie es sich in Ihren anderen Anträgen vom Juni vorstellen, durch eine einseitige Stärkung der Bezirke zu sichern. Das ist nicht der Weg. Das ist nicht vernünftig.

Deswegen kann man diese Argumente nicht einfach vom Tisch wischen und in der Tonalität der Superlative und der Menschenrechtsverletzungen jammern, Herr Birk,

[Zurufe von den Grünen]

sondern man muss sich am Ende auf eine vernünftige Lösung einigen. Da haben Sie im Übrigen am Ende nicht recht, wenn Sie sagen, wir hätten das ohne Bedingungen getan. Im Juni haben Sie sich noch daran erinnert, inzwischen haben Sie es vergessen.

[Thomas Birk (Grüne): 8 Millionen hat das gekostet!]

Es waren nicht 8 Millionen, es waren 80 Millionen Euro. Es waren 80 Millionen Euro, die den Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg wegen katastrophalen Managements immer noch nicht reichen, um einen vernünftigen Haushalt aufzustellen. Das ist etwas, zu dem die Grünen niemals auch nur einen Funken beigetragen haben. Das ist

das wiederhole ich noch mal – die politische Realität des Einsatzes der Grünen für die Bezirke. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP hat der Kollege Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen Reden sollte man wieder zu dem zurückkommen, um das es eigentlich geht. Ich glaube, man muss auch ein oder zwei Argumente der letzten Debatte wieder aufgreifen, weil sie offensichtlich vergessen worden sind.

CDU, Linke und SPD wollen die Verfassung und den Status quo der Bezirksamtsbesetzungen ändern – einen Status quo, der normalerweise ausgelaufen wäre und automatisch geendet hätte –, um ihn nun für immer und ewig festzuschreiben. Da geht es nicht nur um juristische Fragen, sondern auch darum, wie Verwaltung für die Bürger gestaltet werden soll. Die einzige Begründung, die in dem Antrag steht, ist, dass der Status quo sich so wunderbar bewährt habe. Ich sehe das nicht. Auch die FDPFraktion sieht das nicht. Man sieht beim Status quo, dass jeder Bezirksstadtrat etwas in seinem Bereich macht, dass es gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern keine Transparenz gibt, wer eigentlich was verantwortet – das kommt auch durch die Vermischung der Kompetenzen zwischen Senat und Bezirken –, und auch eine klare Zielsetzung, eine klare Verantwortung existiert da nicht mehr. Es hat auch etwas mit Demokratie zu tun, Herr Kollege Lederer, dass man Leute verantwortlich machen kann.

[Ramona Pop (Grüne): Davon versteht er ja nichts!]

Das, was Sie beantragen, ist das Gegenteil von Transparenz und Demokratie. Es ist die schwarz-rot-rot organisierte Verantwortungslosigkeit.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Ansonsten reden hier alle Fraktionen immer von den starken Bezirken. Starke Bezirke sind Bezirke, die handlungsfähig sind, die klare Ziele setzen, die sie umsetzen können, und die den Bürgerinnen und Bürgern zeigen können, was sie gemacht haben. Das Proporzbezirksamt kann das eben nicht. Wer handlungsfähige Bezirke will, kann nicht handlungsunfähige Bezirksamtsstrukturen in die Verfassung schreiben.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Und dann steht in dem Antrag, das Bezirksamt solle ein breites Spektrum an Meinungen abbilden. Es geht nicht darum – wie Sie eben gesagt haben, Herr Lederer –, dass man sich einigt, sondern darum, ein breites Spektrum abzubilden. Was ist denn der Vorteil eines breiten Spektrums, wenn gleichzeitig linke, sozialdemokratische, grüne

und konservative Politik übereinander, nebeneinander, untereinander, durcheinander gemacht wird?

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Die FDP ist ja nicht dabei!]

Es wäre schon besser, wenn es klare Mehrheiten von Fraktionen gäbe, die sich politisch ähnlich sind, und von anderen, die dann die Opposition spielen und klare Alternativen anbieten können.

[Beifall bei der FDP]

Zu dem Thema Machtpolitik, da hat Herr Birk recht, muss man etwas sagen. Das Schöne an dem System für die Großen ist doch, dass die Stadträte im Prinzip feststehen, egal, was der Wähler entscheidet. Der Wähler kann einen unfähigen Stadtrat nicht loswerden, auch nicht, indem er eine andere Partei wählt. Unfähige Stadträte werden – wie bei der CDU in Neukölln – eher durch die eigene BVVFraktion abgeschossen. Die SPD hatte auf ihrem Parteitag ursprünglich sogar ein Modell vorgelegt, das ganz durchdacht war, nämlich: Wenn die SPD in der Mehrheit ist, kann sie durchregieren, und wenn sie nicht in der Mehrheit ist, kriegt sie auf jeden Fall einen Stadtrat. Das hat selbst der SPD-Parteitag nicht mitmachen wollen, weil das, was Sie vorgeschlagen haben, zu dreist war.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Ich finde es peinlich, dass Teile der SPD – es war bei Ihnen sehr umstritten; es waren nur Teile der SPD – die Verwaltungsstrukturen ausschließlich daraufhin betrachten, wie viele Posten für die SPD dabei abfallen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Die Linke wollte mal etwas anderes. Sie waren mal für das politische Bezirksamt, haben auch Gründe gebracht, die jetzt von den Grünen und der FDP ebenfalls angeführt worden sind. Jetzt haben Sie sich an den Standpunkt der CDU gehängt. Wenn die Argumentation, die man öffentlich von der Linken hört – die Kompetenzzuweisungen sind so kompliziert, dass die Bezirke gar nicht genau erkennbar etwas tun können und nicht handlungsfähig sind, deshalb soll man da auch nicht Regierung und Opposition spielen – logisch wäre, müssten Sie die Bezirke konsequenterweise ganz abschaffen. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Bezirke durch zusätzliche Kompetenzen gestärkt werden. Das hätte Rot-Rot längst machen können. Sie hätten diesen Kompetenzwirrwarr schon längst bereinigen und verbessern können, auch unterhalb der Schwelle einer Verfassungsänderung.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Mit dieser Verfassungsänderung wird also ein unbefriedigender Status quo auf Dauer einbetoniert. Den kann man nur noch durch Verfassungsänderung ändern. Transparenz und Verantwortlichkeit gegenüber dem Bürger und Wähler werden verschleiert. Die Verwaltungen werden eher noch unpolitischer. Die Existenz der Bezirke wird letztendlich infrage gestellt, und das Ganze ist ein deprimierender Dämpfer für alle, die auf bessere Verwaltungsstrukturen in Berlin gehofft haben, und es ist auch de

Dr. Klaus Lederer

primierend für alle, die auf mehr Demokratie auf der Bezirksebene hoffen.

Ich kann nur hoffen, dass vielleicht doch noch bei Teilen der antragstellenden Parteien, bei denen das Thema ja sehr umstritten war, ein Nachdenken stattfindet und dass Sie sich vielleicht noch einmal überlegen, was Sie hier anrichten, und sich etwas differenzierter aufstellen, als es eben bei der Debatte im Plenum der Fall war. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung beider Anträge federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Im Zusammenhang mit diesen beiden Anträgen komme ich auf den Wunsch der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu sprechen, folgende in der 50. Sitzung am 25. Juni 2009 überwiesenen Anträge der Grünen gleichlautend wie die eben beratenen Anträge zu überweisen, nämlich

„Zehntes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin“, Drucksache 16/2496,

„Gesetz zur Stärkung der bezirklichen Demokratie und Selbstverwaltung (Selbstverwaltungsstärkungsgesetz)“, Drucksache 16/2497,

„Starke Bezirke für Berlin I: Bezirkliche Aufgaben gesetzlich festschreiben“, Drucksache 16/2498 und

„Starke Bezirke für Berlin II: Status der Bezirksamtsmitglieder ändern“, Drucksache 16/2499.

Die bisherige Mitberatung des Verwaltungsreformausschusses wird damit aufgehoben. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe jetzt auf

lfd. Nr. 4 c:

a) Antrag und Dringliche Beschlussempfehlung

Bezahlbare Mieten sichern I: für einen nachhaltigen Berliner Mietspiegel und eine tragbare Mietenentwicklung im Sozialen Wohnungsbau

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2769 Beschlussempfehlung Haupt Drs 2811

b) Antrag

Bezahlbare Mieten sichern II: bundespolitische Initiativen zur Begrenzung von Energieverbrauch und Energiekosten

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2770

c) Antrag

Mieterbeiräte stärken

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2801

d) Antrag