Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

Herr Kollege Lux! Ich habe große Zweifel, ob es Sinn machen würde, diese Diskussion permanent weiterzuführen. Uns ist daran gelegen, Rechtssicherheit herzustellen, und ich denke, das tun wir mit dem Antrag.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Damit habe ich die wesentlichen Punkte genannt. Ich will nicht das wiederholen, was ich vor fünf Sitzungen schon einmal gesagt habe. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Kollege Rissmann hat das Wort für die CDU-Fraktion. – Bitte!

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Meine Fraktion spricht sich mit den vorliegenden Anträgen für die Beibehaltung der bisherigen Regelung zur Bildung der Bezirksämter aus und möchte dafür heute die verfassungsrechtliche und auch die einfach-gesetzliche Grundlage schaffen. Kollege Birk hat darauf hingewiesen, dass meine Fraktion dies schon seit langem wollte, und insofern hoffe ich darauf, dass Sie meinen in Ruhe vorzutragenden sachlichen Argumenten, die für die Beibehaltung des proportionalen Bezirksamtes sprechen, Ihre Aufmerksamkeit schenken.

Zunächst hilft ein Blick auf die Rechtsnatur unserer Berliner Bezirke. Diese sind Selbstverwaltungseinheiten Berlins, allerdings ohne eigene Rechtspersönlichkeit, was – wie Sie wissen – dem Stadtstaatenstatus Berlins und dem damit einhergehenden zweistufigen Verwaltungsaufbau – eingeteilt in Haupt- und Bezirksverwaltung – geschuldet ist. Deshalb können die Berliner Bezirke nicht als Gemeinden angesehen werden, denn ihnen fehlt die Rechtsfähigkeit und der Körperschaftsstatus. Wir haben in Berlin keine kommunale Selbstverwaltung, sondern

Thomas Kleineidam

eine Beteiligung der Berliner Bezirke an der Verwaltung nach den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung.

Herr Rissmann! Darf ich Sie kurz unterbrechen? – Sie sind von der Lautstärke her nicht immer zu verstehen. Vielleicht können Sie das Podium etwas höher stellen.

Danke für den Hinweis, Herr Präsident! – Also zum Ergebnis: Wir haben folgende Ausgangslage: Die Rechtsnatur unserer Bezirke besteht darin, dass wir nur eine kommunalähnliche Selbstverwaltung haben. Daraus folgt auch, dass wir im Unterschied zu vielen Flächenstaaten keine Bezirksregierungen haben, sondern ausschließlich Bezirksverwaltungen.

Vor diesem Hintergrund scheint es sachgerecht, alle maßgeblichen politischen Kräfte auf kommunaler Ebene wie bisher nach dem D’Hondt-Verfahren an der Verwaltung des Bezirkes zu beteiligen. Wenn man ein politisches Bezirksamt will – und darüber kann man selbstverständlich reden –, müsste man in einem ersten Schritt den Berliner Verwaltungsaufbau ändern. Man müsste die Bezirke erheblich stärken und sie unabhängiger von der Hauptverwaltung machen. Man müsste also zunächst tatsächlich eine kommunale Selbstverwaltung einführen. Dies kann man wollen. Auch ich wäre dafür offen, dieses zu diskutieren. Solange aber dieser erste Schritt nicht getan ist, kann man nicht den zweiten Schritt gehen und das politische Bezirksamt einführen.

Ein weiterer Punkt, der für die Beibehaltung des bisherigen D’Hondt-Verfahrens bei der Bezirksamtsbildung spricht, ist – wie es auch in der Begründung des Antrags zum Ausdruck kommt – der positive Erfahrungswert. Die Einbeziehung aller maßgeblichen politischen Kräfte hat sich grundsätzlich bewährt, und insofern müsste es starke Argumente geben, die für ein politisches Bezirksamt sprechen. Die habe ich aber bisher nicht gehört.

[Beifall bei der CDU]

Schließlich sollten wir uns die politische Realität in unseren Bezirken vor Augen führen. Gerade auf bezirklicher Ebene hat der Dienst am Bürger – die Bürgerfreundlichkeit und die Bürgernähe – im Vordergrund zu stehen. Die bezirkliche Verwaltung ist oft der erste und sicherlich auch der häufigste Anlaufpunkt für die Berliner. Eine Einbindung aller maßgeblichen politischen Kräfte in die Bildung des Bezirksamtes kann damit sicher helfen – gerade durch den damit verbundenen Zwang zur Zusammenarbeit –, dieses Ziel besser zu erreichen. Auch aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung in zehn Jahren Kommunalpolitik als Bürgerdeputierter und Bezirksverordneter kann ich sagen, dass eine unnötige Aufteilung der bezirklichen Verwaltung in Regierung und Opposition sicherlich nicht helfen würde, die in unseren Bezirken doch bisher – Gott sei Dank! – öfter gemeinsam fraktionsübergreifend in den Griff genommenen Probleme

sachlich zu lösen. Unabhängig davon wäre es, wie gesagt, auch systemfremd. Das hatte ich eingangs dargelegt.

Abschließend möchte ich festhalten: Auf unserer bezirklichen Ebene gibt es heute schon kaum noch Spielräume. Der absolute Großteil der Verwendung der bezirklichen Mittel ist sowieso vorgegeben. Freiräume für eine effektive politische Schwerpunktsetzung sind eigentlich gar nicht und wenn überhaupt, dann nur kaum vorhanden. Wenn man das sieht, sollte man daran auch ablesen können, dass das gemeinsame Verwalten des Bezirkes im Vordergrund steht – und eben nicht das Regieren nur eines Teils der politischen Kräfte auf kommunaler Ebene. Nach all dem bleibt für mich und meine Fraktion festzuhalten, dass wir uns auch aus diesen Gründen für die Beibehaltung des Proporzbezirksamtes aussprechen müssen.

[Beifall bei der CDU Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion Die Linke hat Herr Dr. Lederer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass hier irgendetwas klammheimlich und in Windeseile durch das Parlament gepeitscht wird – da sind schon die Grünen davor, die mit lautstarkem Flügelgeflatter und Gejammer dafür sorgen werden, dass die halbe Welt, auch die, die es nicht interessiert, von diesen skandalösen Vorgängen wie einer Verfassungsänderung und einem Antrag zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes erfahren wird.

Wir haben am 25. Juni – mein Kollege Kleineidam hat schon darauf hingewiesen – den gesamten Vorgang schon einmal in aller Ausführlichkeit im Parlament diskutiert. Damals hat der Kollege Birk auch schon mal die Fahne der Demokratie hochhalten und so tun können, als würden hier Menschenrechtsverletzungen begangen, nur weil man zur Frage, ob das politische oder das Proporzbezirksamt die sinnvolle Variante der Organisation der Exekutivspitzen in den Bezirken ist, eine andere Auffassung gewonnen hat.

Die Sachlage ist relativ übersichtlich. Wir haben ab 1. Januar 2010 keine Regelung zur Bildung der Bezirksämter mehr. Wir brauchen also eine neue. Dazu muss man auf jeden Fall das Bezirksverwaltungsgesetz ändern, möglicherweise auch die Verfassung. Ich hatte gehört, es seien gerade Signale aus der Grünen-Fraktion gewesen, die die Legitimität einer reinen Gesetzesänderung bestritten haben. Gerade deswegen haben wir gesagt, dann gehen wir lieber auf Nummer sicher und schreiben es in die Verfassung. Umso erstaunlich, dass die Grünen jetzt sagen: Das hättet ihr nie machen müssen!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sven Rissmann

Das ist Bigotterie, das ist Heuchelei und nicht das, was wir getan haben, nämlich einfach eine vernünftige Debatte dazu zu führen, was für diese Stadt sinnvoll und was nicht sinnvoll ist.

[Michael Schäfer (Grüne): Umfaller!]

Wir können gern noch einmal eine Debatte über Hamburg führen. Dann melden wir einen Extra-Tagesordnungspunkt an. Dann reden wir mal über die Regierungspolitik von Frau Goetsch und anderen in Hamburg, dann reden wir mal über Umfaller.

[Zurufe von den Grünen]

Wir haben die Situation, dass wir den Status quo so nicht beibehalten können. Eine Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes ist unbedingt nötig. Bisher läuft die Bildung des Bezirksamts nach den Stärkeverhältnissen der Fraktionen in der BVV, und zur Wahl des Bezirksbürgermeisters gibt es die Möglichkeit der Bildung von Zählgemeinschaften. Jetzt hat sich – das hat der Kollege Birk beim Lesen der Anträge richtig erkannt – die Koalition mit der CDU-Fraktion auf Anträge zur Verfassung und zur Gesetzesänderung geeinigt.

[Michael Schäfer (Grüne): Arroganter Umfaller!]

Das ist klar, eine Einigung mit der CDU käme den Grünen nie in den Sinn. Mit der CDU gemeinsame Anträge zu machen ist bei den Grünen komplett unvorstellbar.

[Heiterkeit bei der SPD – Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von den Grünen]

So wie ihr kreischt, scheint es euch ja extrem wichtig zu sein! Ihr habt jede Möglichkeit in der Geschichte Berlins genutzt, um mehr Einfluss in den Bezirken zu bekommen, als euch nach euren Stärkeverhältnissen zusteht. Ich erinnere nur an die Situation 1992 in Hohenschönhausen, wo ihr eigentlich eine Splittergruppe wart und die Bezirksbürgermeisterin stellten musstet.

[Thomas Birk (Grüne): Das habt ihr bis heute nicht verkraftet!]

Das ist all das, was den Grünen einzig und allein interessant erscheint – Pöstchen abzugreifen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von den Grünen]

Euch hat doch die reale Stärkung der Bezirke nie interessiert. Euch haben Grünen-Stadträte und Grünen-Bürgermeister interessiert. Das ist alles, was euch interessiert hat. Deswegen wart ihr bei der Debatte um den Haushalt und um die Ausstattung der Bezirke auch überhaupt nicht präsent. Aber Frau Herrmann und Herr Schulz krähen jetzt durch den Bezirk und zeigen auf die Koalition.

[Zurufe von den Grünen]

Als die Bezirke damals gekämpft haben, hat man von Herrn Schulz und Frau Herrmann nichts gehört und nichts gesehen. Das ist Grünen-Politik in Berlin in Sachen Stärkung der Bezirke.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Eine Politisierung der Bezirke ist durchaus sinnvoll, wenn sie mit einer entsprechenden Stärkung verbunden ist. Die Debatten sind lange geführt worden. Man muss feststellen: Über den zu gehenden Weg gibt es weder einen Konsens innerhalb der Parteien noch einen Konsens innerhalb der Bezirke. Die Mehrheit der Bezirke jedenfalls hält das politische Bezirksamt nicht für sinnvoll. Ich finde, es hat sogar da nach wie vor seinen Charme, aber es gibt eben auch drei Argumente dagegen, und auch sie haben Hand und Fuß. Ich würde sie nicht einfach ideologisch vom Tisch wischen und so tun, als ob hier etwas Demokratiewidriges passiert. Auch zukünftig werden Bezirksamtsmitglieder in Berlin selbstverständlich gewählt; sie werden nicht einfach eingesetzt.

[Zurufe von den Grünen]

Nun tun Sie doch nicht so, als ob die Demokratie abgeschafft würde!

[Zurufe von den Grünen]

Quak, quak, quak!

[Beifall bei der SPD]

Drei Argumente! Erstens: Der Proporz ermöglicht eine Entwicklung gemeinsam getragener Lösungen, schafft auch den Zwang zur Kooperation aller Kräfte im Bezirk. – Das ist nicht nur absurd, denn Parteienknatsch hat es unter solchen Bedingungen in der Tat schwer.

[Zuruf von Thomas Birk (Grüne)]

Zweitens: Das Proporzbezirksamt ermöglicht eine breitere Spiegelung des Wählerwillens. – Auch dieses Argument kann man nicht einfach beiseitewischen, sondern auf der unteren Ebene durchaus als Plus begreifen.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Drittens: Eine gute, bürgernahe Verwaltung setzt die Stärkung tatsächlich beider Ebenen in Berlin voraus und ist nicht, wie Sie es sich in Ihren anderen Anträgen vom Juni vorstellen, durch eine einseitige Stärkung der Bezirke zu sichern. Das ist nicht der Weg. Das ist nicht vernünftig.