Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

d) Antrag

Mieterschutz sichern – Berlin lehnt unsoziale Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung ab

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2802

Das ist die gemeinsame Priorität der Fraktion Die Linke und der Fraktion der SPD unter dem Tagesordnungspunkt 25. Wird der Dringlichkeit in Bezug auf Drucksache 16/2811 widersprochen? – Ihr wird nicht widersprochen.

Ich hatte den Ursprungsantrag Drucksache 16/2729 vorab an den Hauptausschuss überwiesen. Ihre nachträgliche Zustimmung stelle ich fest. Den Antrag auf Drucksache 16/2802 hatte ich vorab an den Bauausschuss überwiesen. Auch hierzu stelle ich Ihre nachträgliche Zustimmung fest. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen wiederum eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Kollege Doering.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Pressemeldungen und Kommentare in den letzten Tagen, aber insbesondere die vielen Studien und Erhebungen zur Mietsituation bestätigen: Es gibt in Berlin einen angespannten Mietenmarkt, steigende Mieten und eine starke Ausdifferenzierung nach Stadtteilen, die zur sozialen Entmischung führt. Wir sehen uns daher in dem von der Koalition eingeschlagenen Weg einer Prüfung der bisherigen Mietenpolitik bestätigt und bestärkt. Wer jedoch meint, die Politik solle sich nicht in Fragen der Miethöhe einmischen, der ist auf dem Holzweg. Wer eine Begrenzung der Neuvertragsmieten bei landeseigenen Wohnungsunternehmen von vornherein strikt ablehnt, der hat die Aufgabe und Funktion städtischer Unternehmen zur Daseinsvorsorge nicht begriffen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Die landeseigenen Wohnungsunternehmen sollen für die breiten Schichten der Bevölkerung günstigen Wohnraum anbieten – so lautet deren Auftrag. Die breiten Schichten in Berlin können sich nur eine Miete im Rahmen des Mietspiegels leisten. Eine andere Vermietungspolitik als diese befördert die soziale Entmischung der Stadt. In unserem Antrag steht – Zitat –:

Eine Wohnung stellt kein Handelsgut wie jedes andere dar, von dessen Erwerb man absehen kann.

Unter diesem Aspekt ist die Entwicklung der Marktpreise beim Verband der Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen interessant. 1995 betrug die Durchschnittsmiete bei den Verbandsmitgliedern des BBU noch 3,13 Euro. Heute müssen die Altmieter im Schnitt 4,70 Euro und die Neumieter im Schnitt 5,08 Euro zahlen.

Henner Schmidt

[Christoph Meyer (FDP): Weniger als im sozialen Wohnungsbau!]

Das ist immerhin eine Steigerung von über 2 Euro in dieser Zeit! – Jetzt frage ich – und das ist für mich eine entscheidende Frage –: Haben die Einkommen und Bezüge der Berlinerinnen und Berliner in demselben Maße Schritt gehalten? – Für viele Mieterinnen und Mieter nehmen die Belastungen durch Miete und Betriebskosten ständig zu. Ein Kommentar im „Tagesspiegel“ hat es treffend beschrieben:

Wer fürs Wohnen ein Drittel von 900 Euro ausgibt, muss sich viel stärker einschränken als jemand, der von 3 000 Euro nach Abzug der Miete noch 2 000 Euro übrig hat.

Dazu noch zwei Anmerkungen: Wo gibt es in Berlin noch Mieten für 300 Euro? Und: Über 20 Prozent aller Haushalte haben ein Einkommen, das unter 900 Euro liegt. Ich glaube, diese beiden Bemerkungen machen die Dimension des Problems deutlich.

Hier sind wir auch schon bei der Frage, was ein sozialer Wohnungsbau leisten muss, wenn er seinem Namen gerecht werden soll. Die Mieten müssen daher unter dem allgemeinen Durchschnitt liegen. Wie dies erreicht werden soll, ob über die Subjektförderung eines jeden einzelnen Mieters oder die Objektförderung des Mietobjekts – da kann man mit Für und Wider argumentieren. Für den Berliner sozialen Wohnungsbau gibt es, denke ich, keinen Königsweg. Für den Abbau der Altlast aus der Anschlussförderung der vergangenen Jahrzehnte wird es keine kostengünstige Lösung geben.

Wir sprechen uns dafür aus, wie es von der Senatorin für Stadtentwicklung vorgeschlagen wurde, dass die Vermieter in Form von Abschlägen ein Darlehen auslösen können, wenn sie gleichzeitig versprechen oder vereinbaren, dass sie ihre Miete um zehn Prozent unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete senken. Das würde die entsprechenden Quartiere sozial durchmischt erhalten,

[Christoph Meyer (FDP): Das glauben Sie!]

weil sie dann bei den Mieten unter dem Berliner Durchschnitt liegen. Wir meinen, dass diese Lösung den Bedürftigen zugute kommt und damit zielführend ist.

Zum Antrag der Mieterbeiräte: Wir wollen einen Bewusstseinswechsel bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bewirken. Einige Gesellschaften sind, was die Mieterbeiräte betrifft, vorbildlich, andere sehen jedoch die Mieterbeiräte eher als Last. Dabei sollten die Mieterbeiräte als Partner des Vermieters angesehen werden. Wenn Anregungen und Kritik aufgegriffen werden, tragen die Mieterbeiräte zur Mieterzufriedenheit bei. Die Betriebskosten sinken durch Vorschläge der Mieterbeiräte, das Wohnumfeld verbessert sich, Leerstand wird auf diese Weise verringert. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die Mieterbeiräte, nachdem die allgemeine Anweisung ausgelaufen ist, wieder eine rechtliche Legitimierung erhalten

und dass in allen Wohnungsbaugesellschaften in gleicher Weise mit Mieterbeiräten umgegangen wird.

[Beifall bei der Linksfraktion – Christoph Meyer (FDP): Da klatscht nicht mal die SPD!]

Dies wollen wir durch eine Mustersatzung erreichen, die in allen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gleichermaßen gilt.

Zum Schluss zum Antrag „Mieterschutz sichern“ nur einige Worte: Bei den von der schwarz-gelben Bundesregierung angestrebten neuen Kündigungsfristen für Vermieter hat wohl auch die Berliner CDU erkannt, was die Pläne ihrer Bundesregierung in der Mieterstadt Berlin anrichten würden. Deshalb freue ich mich auf eine spannende Debatte im Bauausschuss.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Doering! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Heide das Wort. – Bitte sehr!

Danke sehr! – Herr Doering! Wir müssen mit der spannenden Debatte nicht bis zum Bauausschuss warten, sondern können auch hier schon einige Dinge miteinander besprechen. Zum Ersten: Ich finde es außerordentlich interessant, dass die Koalition nach zwei doch verheerenden Wahlniederlagen und einigen schlechten Umfrageergebnissen das Thema Mieten wiederentdeckt hat. Wir als CDU-Fraktion haben uns jedenfalls dieses Themas schon im März angenommen und einen Antrag gestellt, dass man noch einmal grundsätzlich darüber nachdenken muss, ob das bisherige System der Objektförderung, das heißt der Förderung ganzer Wohnblöcke und aller Mieter mit der Gießkanne wirklich eine Zukunft hat oder ob es nicht viel sinnvoller ist, die Mieter zu unterstützen, die sich die Mieten nicht leisten können.

[Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Eine lange Forderung der FDP!]

Leider Gottes eine lange Debatte und eine lange Forderung der FDP und auch der CDU! – Aber in den letzten fünf, sechs, sieben Jahren ist eigentlich nichts passiert. Man guckt immer wie das Kaninchen auf die Schlange auf die ständig steigenden Mieten, auf die sinkenden Förderbeträge des sozialen Wohnungsbaus, und passiert ist gar nichts.

Auch der Antrag, über den wir heute reden, ist kein Antrag, der ausgegoren ist, sondern lediglich ein Berichtsauftrag: Man solle mal überlegen, wie man bestimmte Dinge macht. – Wenn man nachfragt: Welches finanzielle Volumen muss man einsetzen? Was sind die entsprechenden Rahmenbedingungen und -parameter? Soll das für die ganze Stadt und für sämtliche Förderprogramme gelten? –, dann bleiben Sie die Antwort schuldig. Diese

Uwe Doering

Antwort sind Sie auch im Hauptausschuss schuldig geblieben. Insofern ist dieser Antrag aus meiner Sicht unzureichend, weil es zwar richtig ist, im sozialen Wohnungsbau die Mieten zu begrenzen, weil aber auch die vorzeitige Rückzahlung von Fördermitteln nichts Neues ist.

Ich habe gerade heute einen Aufsatz aus dem Jahre 2002 gefunden, in dem Herr Brandt bereits damals die Folgen beschrieben hat – seitdem ist aber nichts mehr passiert. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, die Folgen bleiben aber weiterhin im Dunkeln. Nach einer so langen Regierungszeit und einer so langen Vorbereitungszeit hätte ich mehr erwartet.

[Beifall bei der CDU]

Ich komme zu den weiteren Anträgen, die Sie gestellt haben: bezahlbare Mieten zur Begrenzung von Energie- und Verbrauchskosten sichern. Das ist aus meiner Sicht auch ein Antrag, der der Wirklichkeit nur wenig gerecht wird. Sie lehnen sich an die Energiesparverordnung an, die für Altbauten nur in Teilbereichen gilt. Sie müssen sie nur dann erfüllen, wenn Baumaßnahmen durchgeführt werden. Beim Großteil der Altbauten, bei dem nichts gemacht wird, gilt die EnEV gar nicht. Insofern ist es müßig zu sagen, wenn eine Wohnung der EnEV nicht entspricht, dann hat der Mieter ein Minderungsrecht – sie fallen erst gar nicht darunter. Ich bitte Sie darum: Schauen Sie sich die Rechtsvorschriften an, bevor wir derartige Anträge von Ihnen bekommen.

[Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Das Thema Energieausweis ist aus meiner Sicht von der Bedeutung her ein Flop, ob zu Recht oder zu Unrecht, müssen die Wohnungsbaugesellschaften entscheiden. Ich finde es auch wichtig, ihn auszuhändigen, ich fände es aber noch wichtiger, wenn man eine Pflicht statuieren würde, nach der die Mieter die Betriebskostenabrechnung des Vormieters einsehen dürfen. Dann wissen sie konkret, welche Kosten in dieser Wohnung entstehen, sei es für Warmwasser oder für Heizung.

Ein großer Teil Ihres Antrags beschränkt sich darauf, Mieterschutz zu sichern und die Pläne der großen Koalition abzulehnen. Ich habe mir daraufhin die Koalitionsvereinbarung noch einmal sehr genau angesehen. In dieser Vereinbarung ist nicht enthalten, was Sie in Ihrem Antrag stehen haben, ganz im Gegenteil! Selbst der Mieterbund, der nicht gerade als Freund der Hausbesitzer verschrien ist, sagt, es bestehe Licht und Schatten. Es gibt insbesondere noch keinerlei Gesetzesvorhaben, keinerlei ausformulierte Vorschläge, an denen man ablesen könnte, was Sie ablehnen wollen.

In der Koalitionsvereinbarung ist nicht von einer Verkürzung von Kündigungsfristen die Rede, sondern nur von einer Angleichung. In der Presse habe ich ganz deutlich gesagt, dass wir für den Bereich der Eigenbedarfskündigung in Berlin eine durchaus andere Auffassung haben, weil es im Ballungsraum ungleich schwerer ist, eine gleichwertige Wohnung in der gleichen Gegend zu finden

als im ländlichen Bereich. Insofern stehen wir dem sehr skeptisch gegenüber. Andererseits enthält die Koalitionsvereinbarung auch ein klares Bekenntnis zur Verhinderung von Luxusmodernisierung – das werden Sie sicherlich unterschreiben. Sie enthält ein klares Bekenntnis zu einer Unterstützung bei energetischer Sanierung – das werden Sie auch begrüßen. Wir können uns nun darüber streiten, ob die Mieter nur bei wesentlichen Beeinträchtigungen des Wohnwertes ein Recht zur Minderung haben oder ob man bereits mindern kann, wenn der Maurer drei Mal am Tag mit schmutzigen Schuhen durch das Treppenhaus läuft – das wollen Sie doch mit Sicherheit auch nicht.

Wir haben sodann noch das Thema, dass der Kampf gegen Mietnomaden erleichtert werden soll – das ist sicher auch ein Ziel Ihrer Koalition. Wir können uns darüber unterhalten, ob es bei Hartz-IV-Empfängern sinnvoll ist, dass die Miete direkt an den Vermieter überwiesen wird, damit sie dort auch ankommt – das mag auch ein sinnvoller Bereich sein. Bezüglich der Koalitionsvereinbarung würde Ihnen empfehlen, zunächst einmal abzuwarten, welche Anträge vorgelegt werden, dann können wir immer noch kontrovers über diese Dinge streiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Heide! – Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt das Wort – bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! – Herr Dr. Heide! Wenn wir die Ausschussreise machen, dann sollten wir die alten Protokolle mitnehmen.

[Andreas Gram (CDU): Was? – Zurufe von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und Christoph Meyer (FDP)]

Ja, wir werden eine Ausschussreise machen, und wir sollten die Protokolle mitnehmen, aus denen hervorgeht, wie die Diskussion im Ausschuss über die Mietentwicklung gelaufen ist. Vielleicht irre ich mich, vielleicht irren Sie sich, Herr Dr. Heide, das ist eine wissenschaftliche Aufbereitung wert.

Berlin ist eine Metropole, die sich auch die Mieter leisten können – das ist keine historische Bemerkung, sondern eine von Hans-Georg Rips im Mietenmagazin Nr. 10 aus 2009. Diesem Urteil ist nichts hinzuzufügen, vielmehr ist die nachhaltige Mietensicherheit zu bewahren und behutsam weiterzuentwickeln.

Wir haben Brennpunkte, aber trotzdem ist es nicht dramatisch.

[Beifall bei der FDP]

Dr. Manuel Heide

In bestimmten Innenstadtbezirken ist sicherlich eine sensible Situation eingetreten, aber ich frage mich, wo all die Proteste gewesen sind, als es in Friedrichshain, in der Frankfurter Allee, am Arkonaplatz und Kollwitzplatz sensibel gewesen ist. Dort hatten wir ähnliche Prozesse, und hier wir werden gegensteuern. Aus diesen Gründen: Alles, was die Mietersicherheit beeinträchtigt, lehnt die SPD-Fraktion ab, insbesondere die Vorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung.