Von der Justiz erwarten die Bürgerinnen und Bürger geräuschloses Funktionieren, Rechtssicherheit, effektive Strafverfolgung und einen Justizvollzug, der Strafe, Prävention und Resozialisierung verbindet. Die Berliner Justiz leistet in diesem Sinn hervorragende Arbeit.
Dafür danke ich im Namen der SPD-Fraktion allen, die diese Arbeit tragen: den Bediensteten des Justizvollzugs, den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, den Richterinnen und Richtern, den Wachtmeistern und Bürokräften, den Rechtspflegern und den Beamten und Angestellten der Senatsverwaltungen. Sie sind die Garanten des Rechtsfriedens in unserer Stadt.
Die Haushaltsdebatte ist eine willkommene Gelegenheit, doch einmal über die Berliner Justiz und ihre zentralen Herausforderungen in den nächsten Jahren zu sprechen.
Dabei steht an erster Stelle der Ausbau des Strafvollzugs. Mit dem Doppelhaushalt 2010/2011 werden die Mittel zur
Verfügung gestellt, um eine neue Haftanstalt mit 600 Haftplätzen vor den Mauern unserer Stadt zu errichten.
Diese Maßnahme ist unverändert notwendig, um auch in Zukunft sicherzustellen, dass der Berliner Strafvollzug seine Aufgaben erfüllen kann. Wir reagieren damit auf jahrelange Überbelegung und auf die Notwendigkeit, große Teile unserer alten Haftanstalten zu entlasten und zu sanieren. Eine letzte Bestätigung, wie wichtig die neue Haftanstalt ist, hat das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtshofs geliefert. Das höchste Berliner Gericht hat darin festgestellt, dass die dauerhafte Unterbringung von Gefangenen in den kleinen Hafträumen der Teilanstalt I in Tegel gegen die Menschenwürde verstoße.
Mit dem Neubau der JVA Heidering in Großbeeren tragen wir also den objektiven Notwendigkeiten Rechnung. Und wir schaffen eine moderne Haftanstalt, die durch neue Arbeits- und Ausbildungsplätze auch für die Resozialisierung optimale Voraussetzungen bieten wird. Wichtig ist uns dabei die saubere konzeptionelle Trennung der hoheitlichen Aufgabe des Strafvollzugs im engeren Sinn von den Aufgaben, die in Zusammenarbeit mit freien Trägern und privaten Investoren besser gelöst werden können, z. B. die Vorbereitung auf die Haftentlassung und eben Arbeit und Ausbildung.
Besonders freut es mich, dass wir zur Vorbereitung der Inbetriebnahme von Heidering verstärkt in die Ausbildung junger Strafvollzugsbediensteter einsteigen, die an den Haftanstalten dringend benötigt werden.
Um dem Strafvollzug eine belastbare Grundlage zu geben, werden wir in den nächsten zwei Jahren die Gesetzgebung auf diesem Gebiet mit einem Berliner Strafvollzugsgesetz zum Abschluss bringen. Wir knüpfen dabei an das Jugendstraf- und das Untersuchungshaftvollzugsgesetz an, mit denen wir die Standards erheblich verbessert haben. Gerade das U-Haftvollzugsgesetz, das wir vor wenigen Wochen beschlossen haben, ist ein rechtspolitischer Durchbruch. Zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte unseres Bundeslandes ist es gelungen, die Untersuchungshaft durch ein Gesetz zu regeln und dabei die ureigene Aufgabe, nämlich ein ordentliches Strafverfahren abzusichern, mit den Konsequenzen aus der Unschuldsvermutung zu verbinden. Wir werden mit dem Berliner Strafvollzugsgesetz die bewährte Kooperation mit anderen Bundesländern fortsetzen und ein Gesetz vorlegen, das eine moderne Sicherheit und Resozialisierung verbindenden Strafvollzug in Berlin eine dauerhafte Grundlage verleiht.
Einen weiteren Schwerpunkt setzen wir zur Entlastung des Sozialgerichts. Um die dort entstandenen Überhänge abzubauen, wird 2009 und 2010 nicht nur die Zahl der Richter erhöht, sondern wir werden auch in einer gemeinsamen Kraftanstrengungen noch 20 zusätzliche Stellen im nichtrichterlichen Dienst schaffen. Bei den Bewährungshelfern bereiten wir den Generationswechsel durch die
befristete Einstellung von Nachwuchskräften vor, die in zwei Jahren auf freiwerdende Stellen nachrücken können.
Insgesamt ist die Beschlusslage über den Justizhaushalt von einem Sinn für das Wesentliche und für das Mögliche getragen. Die Berliner Justiz erhält mit diesem Doppelhaushalt einen Beamtenrock, der eng sitzt, aber warm hält, und er ermöglicht Bewegung in die richtige Richtung. Die Justiz wird ihre Aufgaben damit in bewährter Qualität erfüllen. Ich bitte um Zustimmung zum Einzelplan 06.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Rissmann das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Lieber Kollege Dr. Felgentreu! Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass Geräuschlosigkeit ein Maßstab, ein Kriterium dafür ist, dass Justiz gut funktioniert, dann ist es in Berlin wohl nicht der Fall.
Was fällt mir sonst spontan ein, wenn ich heute hier über den Einzelplan 06, über Justiz, mit Ihnen reden darf? – Eigentlich nur: ideenlos, planlos, hoffnungslos.
Das ist auch bei den vorherigen Reden zum Ausdruck gekommen. Politik kann in erster Linie über Haushaltspolitik gestalten, Schwerpunkte und Rahmenbedingungen setzen sowie auf Entwicklungen reagieren bzw. Veränderungen nachvollziehen. Wenn das so ist, dann kann das Urteil über den Haushalt von Frau von der Aue nur sein: nicht nur ideenlos, planlos und hoffnungslos, sondern obendrein noch politiklos, aus meiner Sicht gar politikfrei,
frei von jedem gestalterischen Anspruch, ohne Einsicht, ein bloßes von gigantischen Scheuklappen getragenes „Weiter so“.
Sie haben, Frau Senatorin, aus den letzten zwei Jahren nichts gelernt, oder, wofür wohl auch einiges spricht, sich schlichtweg im Senat nicht durchsetzen können. Das ist umso schlimmer, weil die Berliner Justiz angesichts der großen Aufgaben eine starke Lobby bräuchte. Dies muss eine Justizsenatorin sein. Stattdessen deckeln Sie die zum ganz großen Teil berechtigten Anliegen der Mitarbeiter in den Haftanstalten, der Staatsanwälte – Frau Junker lässt grüßen –, der Richterschaft, insbesondere an den Sozi
algerichten, der Rechtspfleger, der Amtsanwälte usw. Wenn das Ihr Amtsverständnis ist, Frau von der Aue – und dies scheint bei diesem Haushalt wieder einmal zum Ausdruck zu kommen –, dann haben Sie Ihren Job gründlich falsch verstanden.
Fünf Minuten Redezeit erlauben mir nur, auf einige Punkte einzugehen. Da müssen natürlich gerade hier in Berlin an erster Stelle die Berliner Haftanstalten stehen. Sie tragen, Frau von der Aue, die Verantwortung dafür, dass man in Tegel und auch anderenorts in anderen Berliner Haftanstalten häufig von Justizmitarbeitern verwaiste Flure vorfindet und die Gefangenen sich schlichtweg selbst überlassen werden. Dies ist eine tickende Zeitbombe, die Sie mit diesem Hauhalt hätten entschärfen können. Sie tun hier nichts. Allein der Verfassungsgerichtshof unseres Landes stoppt das Schlimmste.
Wir leiden an einer extremen Personalknappheit. Der durchschnittliche Krankenstand liegt bei 13 Prozent. Ihr eigenes Kienbaum-Gutachten besagt: Nur sechs bis zehn Prozent der Tätigkeiten der Vollzugsbeamten liegen in der Betreuung der Gefangenen. Nur sechs bis zehn Prozent! Bis zum Jahr 2015 werden 577 Bedienstete in den Ruhestand gegangen sein. Das sind mehr als 20,5 Prozent aller derzeit Bediensteten. Und was tun Sie? – Sie unternehmen nichts. Wenn das so weitergeht, werden wir bald die Situation haben, dass Gefangene auf sich selbst aufpassen müssen.
Der zweite Punkt ist die Fortsetzung Ihrer Maulkorbpolitik. Wir mussten uns in der Vergangenheit mit Ihrem unsäglichen Umgang mit dem verdienten Oberstaatsanwalt Roman Reusch befassen. Nun setzen Sie diesen Umgang mit Ihrer eigenen Genossin, der Oberstaatsanwältin Junker, fort, und das mutmaßlich nur, weil sie in ihrer Eigenschaft als Verbandsvertreterin evident schlechte Arbeitsbedingungen für ihre Kollegen gerügt hat. Auch hier: keinerlei Einsicht.
Der dritte Punkt ist die Hilflosigkeit bei der Unterbindung des Mobilfunkverkehrs in den Haftanstalten. Zuerst mussten wir Sie zum Jagen tragen und zwingen, dass Sie die Grundlagen überhaupt erst dafür schaffen, diesen gefährlichen Mobilfunkverkehr in den Anstalten zu unterbinden. Seitdem passiert nichts. Sie kriegen es einfach nicht hin, nunmehr die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, obwohl Ihnen unionsregierte Länder wie Niedersachsen oder Baden-Württemberg vormachen, wie das gehen kann. Ihr Konzept ist so schlecht, dass Ihr eigener Finanzsenator Ihnen von den 2,5 Millionen Euro, die Sie beantragt haben, schlichte und geradezu lächerliche 300 000 Euro gelassen hat. Das ist ein absoluter Bankrott.
Dieser absolute Bankrott wird eigentlich nur noch davon übertroffen, dass Sie eine absolut peinliche MODESTAPleite hingelegt und zu verantworten haben. Sie haben hier zu verantworten, dass von einer roten Justizverwal
tung mindestens 8,5 Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden, auch wenn Ihr Staatssekretär – der öfter mal im Rechtsausschuss als Mathe- oder Lateinlehrer fungiert – uns da etwas anderes vorrechnen wollte. Sie werden im nächsten Rechtsausschuss erklären müssen – gerade vor dem Hintergrund, was wir in der notleidenden Berliner Justiz mit den 8,5 Millionen Euro hätten machen können –, was dort eigentlich passiert ist.
Mein letzter Punkt ist der Aktenstau im Sozialgericht. 17 000 Hartz-IV-Fälle sind in der Warteschleife. Das sind nicht nur 17 000 Akten, Frau von der Aue, sondern das sind 17 000 Menschen, die dahinter stehen und ihre verfassungsrechtlich verankerte Justizgewährleistungspflicht in Anspruch nehmen und aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage in aller Regel dringend auf eine Entscheidung angewiesen sind. Rot-Rot postuliert sonst immer, für die sozial Schwachen da zu sein. Ich frage mich: Wo sind Sie, Frau von der Aue? Angesichts dieser nur wenigen Punkte wird es Sie nicht wundern, wenn wir diesem Einzelplan nicht zustimmen können. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Rissmann! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Dr. Lederer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich, seit ich Mitte 2003 Mitglied des Rechtsausschusses geworden bin, nicht erinnern, dass wir so lange zusammengesessen und beraten haben wie in diesem Jahr. Wir haben gegen acht, neun Uhr angefangen, und als wir auseinander gingen, war es dunkel. Wenn ich einmal unterstelle, dass das eine gründliche Arbeit war, die wir da geleistet haben – das Durchforsten der Titel, das Nachschauen im Einzelplan, wo Möglichkeiten für andere Gestaltungsschwerpunkte existieren –, dann kann ich nur sagen, dass wir die Möglichkeiten, die wir gesehen haben, ausgeschöpft haben und dass sich das Ergebnis sehen lassen kann. Mein Dank für die konstruktive Arbeit geht von dieser Stelle an die Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss.
Ich denke, es war durchaus eine konstruktive und vernünftige Arbeit, die wir dort geleistet haben. Dem Dank des Kollegen Felgentreu für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Justiz kann ich mich nur anschließen.
Der Justizetat wird sich in den Einnahmen etwa auf dem Niveau halten, das wir im vergangenen und in diesem Jahr hatten. Die Ausgaben werden höher sein: 39 Millionen Euro im Jahr 2010, ca. 44 Millionen Euro im Jahr 2011. Das zeigt, dass wir Schwerpunkte setzen konnten und mussten.
Ich gehe jetzt im Einzelnen darauf ein, wo das passiert ist. Zentral ist sicherlich der Personalbereich. Über die Probleme ist hier gesprochen worden. Wir haben altersbedingte Fluktuationen, und wir müssen dafür sorgen, dass Menschen da sind, die auf die Stellen gehen, die sukzessive frei werden, wenn Leute ihren wohlverdienten Ruhestand antreten. Wir haben das Ausbildungsplatzangebot aufgestockt. Wir haben – auch mit der Perspektive auf die JVA Heidering – die Ausbildung von Justizvollzugsobersekretärsanwärtern begonnen, und zwar in einem nicht unerheblichen Umfang. Wir wissen natürlich, dass der Betrieb der JVA Heidering mit 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kernteam nicht möglich sein wird.
Aber nicht nur das: Wir haben darüber hinaus auch die Angebote der freien Träger der Straffälligen- und Bewährungshilfe nicht nur gesichert, sondern ausgebaut. Das ist auch nötig. Perspektivisch wollen wir ein Rahmenkonzept für den geschlossenen Männervollzug umsetzen, nach dem die Betreuung, die Resozialisierung und das Übergangsmanagement unter verstärkter Einbindung von freien Trägern stattfinden soll.
Mit der Perspektive auf die JVA Heidering werden auch Veränderungen im Berliner Vollzug möglich. Kollege Felgentreu hat darauf hingewiesen. Wir werden die Lehrter Straße und auch das Haus I in Tegel dichtmachen können. Das ist auch nötig, denn die Zustände dort sind katastrophal. Die Berliner Justiz konnte da in den letzten Jahren wenig tun, denn aufgrund der Belegungssituation wurde jeder Haftplatz gebraucht.