Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Mit der Perspektive auf die JVA Heidering werden auch Veränderungen im Berliner Vollzug möglich. Kollege Felgentreu hat darauf hingewiesen. Wir werden die Lehrter Straße und auch das Haus I in Tegel dichtmachen können. Das ist auch nötig, denn die Zustände dort sind katastrophal. Die Berliner Justiz konnte da in den letzten Jahren wenig tun, denn aufgrund der Belegungssituation wurde jeder Haftplatz gebraucht.

Wir haben ein Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet und ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz beschlossen. Das sind gute Grundlagen für den Justizvollzug. Auch diese Gesetze können sich sehen lassen. Vor uns steht nun die Erarbeitung und Verabschiedung eines Strafvollzugsgesetzes. Wir werden auch hier wieder versuchen, das auf einer breiten Basis mit den anderen Ländern zu machen, um einen Wettbewerb um die Absenkung von Qualitätsansprüchen zu verhindern.

Die Herausforderung – das liegt auf der Hand – wird darin bestehen, die Qualität und die Arbeitsläufe in allen Bereichen zu sichern. Es war nicht möglich, aus dem Vollen zu schöpfen. Wir erinnern uns alle an die Rederunden heute Morgen. Es ist klar, dass das Land Berlin auch in der Perspektive keinen warmen Geldregen zu erwarten hat. Auch Schwarz-Gelb wird uns nicht helfen, unsere Kassenlage zu verbessern. Das ist das Problem, Kollege Rissmann, vor dem jede Regierung stehen würde, auch eine, an der Sie beteiligt wären. Das muss man an dieser Stelle einmal klipp und klar sagen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Insofern konnte unser Etat nicht alle Wünsche erfüllen. 22 Richterstellen für die Sozialgerichte und das entsprechende nichtrichterliche Personal konnten wir sichern. Die Sozialarbeit in den sozialen Diensten – auch darauf hat Kollege Felgentreu hingewiesen – zeigt aber auch,

dass es immer wieder aktuelle Problemlagen gibt, die neue finanzielle Lasten mit sich bringen, auf die wir reagieren müssen.

Wir haben zudem das Problem von pauschalen Minderausgaben in nicht unerheblicher Höhe. Das wird untersetzt werden müssen, was alles andere als leicht ist. Wir werden durch Veränderungen der familienrechtlichen Zuständigkeiten ein drittes Familiengericht zum 1. Januar 2010 in Schöneberg errichten. Auch das haben wir abgesichert. Das war angesichts der Rahmenbedingungen auch nicht ohne Weiteres und ganz leicht möglich, unter denen wir diesen Haushalt aufzustellen hatten.

Insofern kann ich mich anschließen: Das Wesentliche und Mögliche steckt in dem Etat, und da benutze ich, lieber Kollege Felgentreu, ausdrücklich Ihre Worte. Mich persönlich hat besonders gefreut, dass es uns gelungen ist, eine Institution zu sichern, die in den vergangenen Jahren ehrenamtlich und hie und da unterstützt wurde durch entweder private Spenden oder kleine Zugaben der öffentlichen Hand, nämlich den Runden Tisch ausländische Strafgefangene. Das ist etwas, was wir brauchen: einen Ort, an dem die besonderen Bedingungen von Strafgefangenen mit Migrationshintergrund diskutiert werden können. Das haben wir gesichert, und das ist, glaube ich, ein wichtiges Zeichen.

Somit bitte ich zumindest die Koalitionsfraktionen um Zustimmung. Dass die anderen zustimmen, da habe ich meine Zweifel. Ich glaube eher nicht. Das deutet sich hier schon an. Es ist ein guter Etat. Man kann ihm bedenkenlos zustimmen, und das wird die Koalition auch tun. Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Behrendt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratung des letzten Justizhaushalts wurde zu einem Scherbengericht über die Amtsführung der zuständigen Senatorin von der Aue, und Kollege Rissmann hat darauf hingewiesen: Es ist in den letzten zwei Jahren nicht viel besser geworden. Insgesamt fehlt dem vorgelegten Justizhaushalt jegliche politische Handschrift. Schwerpunktsetzungen, zukunftsweisende Projekte oder Entwicklungslinien sind kaum erkennbar.

[Beifall bei den Grünen]

Und das trotz der vielfältigen Baustellen im Justizbereich. Wir haben immer mehr Verfahren vor den Sozialgerichten. Wir haben zu viele Selbstmorde in den Justizvollzugsanstalten. Wir haben weiterhin extrem lange Verfahrensdauern bei den Wirtschaftsstrafkammern. Mir persönlich fällt es sehr schwer, den Leuten draußen zu erklären,

Dr. Klaus Lederer

warum eigentlich Straftaten von Herrn Landowsky, die vor 2001 begangen wurden, erst 2009 vor Gericht kommen. Wir haben explodierende Kosten im Betreuungsbereich. Wir haben bedrückende Zustände in den Knastaltbauten. Wir haben die völlig überflüssige Disziplinierung von mutigen Staatsanwälten, und wir haben auch, was die I- und K-Ausstattung angeht, den Offenbarungseid bei Modesta.

Nur auf einer Baustelle passiert nichts. Obwohl Sie, Frau Senatorin, im Sommer einen Spatenstich auf dem Baufeld in Großbeeren vorgenommen haben, ist da überhaupt nichts passiert. Die Baustelle ist vollkommen verwaist, und das, obwohl die sozialdemokratische Rechtspolitik jetzt auf den Neubau der Justizvollzugsanstalt in Heidering verengt ist, wie der Kollege Felgentreu ausgeführt hat. Da ist, wie gesagt, bisher noch nichts passiert. Die Vergabe der Beräumung des Grundstücks ist gescheitert, sie wurde aufgehoben vor der Vergabekammer. Es wäre und ist also noch Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, für eine Einkehr, und diese Einkehr ist dringend angezeigt. Wir haben seit Wochen konstant weniger als 5 000 Gefangene in den Berliner Haftanstalten. Wir hatten im Jahr 2008 im Durchschnitt so wenig Gefangene wie in den letzten acht Jahren nicht mehr. Von den prognostizierten und für Großbeeren erforderlichen 5 800 Gefangenen sind wir meilenweit entfernt.

Zum Lob – es wird kurz: Positiv an diesem Etat ist, dass Sie jetzt doch Mittel für die strukturierte Entlassungsvorbereitung eingestellt haben. Es wäre auch zu aberwitzig gewesen, dass hier eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe genau das vorschlägt, aber von Ihnen, Frau von der Aue, im Regen stehen gelassen wurde. Es bedurfte hier der Unterstützung des Parlaments, dass wenigstens diese Ergebnisse der Arbeitsgruppe für die strukturierte Entlassungsvorbereitung in den Plan eingestellt wurden.

In den Beratungen 2007 – ich habe es angesprochen – brüsteten Sie sich, Frau Senatorin – wie gewohnt unterstützt vom Kollegen Lederer –, damit, dass zusätzliche Mittel für freie Mitarbeiter, die für die Resozialisierung der Jugendlichen in der Jugendstrafanstalt gedacht waren, in den Haushalt eingestellt wurden. Das war immerhin ein zaghafter Ausgleich für die Millionen, die Sie für Zäune, Fenstergitter und andere Sicherheitsmaßnahmen dort ausgegeben haben.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Und nun, zwei Jahre später, werden diese Mittel, die uns hier als große Errungenschaft des rot-roten Senats verkauft wurden, halbiert. So wird der Jugendstrafvollzug mit Sicherheit nicht besser. Das ist ein rot-rotes Armutszeugnis.

[Beifall bei den Grünen]

Weiterhin fehlt bei Ihnen, Frau Senatorin, jede konstruktive Idee, wie mit den Altbaubeständen in Moabit und in Tegel mit den Häusern II und III in Zukunft umgegangen werden soll. Nur die notwendigsten Reparaturen an Dach und Fenstern werden hier vorgenommen. Die dringend

erforderliche grundlegende Sanierung lässt aber weiterhin auf sich warten, und vermutlich – da Sie ja alles auf Großbeeren konzentrieren, das da keine Abhilfe schaffen kann – werden wir auch in zehn Jahren noch Strafe auf dem baulichen Standard des vorletzten Jahrhunderts vollstrecken.

Insgesamt kann deshalb dieser Justizetat unsere Zustimmung nicht erhalten. Für die Berliner Justiz werden die Jahre 2010 und 2011 wiederum verschenkte Jahre werden. Das ist bedauerlich!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Behrendt! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Kluckert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider können die haushälterischen Aussagen, Annahmen und Prognosen des rot-roten Senats für den Bereich der Justiz keine verlässliche Grundlage für die Verabschiedung dieses Haushaltsplans sein.

[Beifall von Christoph Meyer (FDP]

Zu oft hat sich das, was uns vom Senat erzählt wurde, im Nachhinein als haltlos, substanzlos und falsch erwiesen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wurde uns nicht – das ist das erste Beispiel – vor zwei Jahren, im Zuge der Medikamentenaffäre, vom Vorsitzenden der Untersuchungskommission erzählt, man könne bei einer Ausschreibung 40 Prozent der Kosten einsparen? Damals hatten wir Ausgaben von 1,4 Millionen Euro. Dieser Senat hat nicht 550 000 Euro eingespart, wie die Untersuchungskommission im April 2007 in Aussicht gestellt hatte, dieser Senat hat auch nicht 70 000 Euro eingespart, wie von ihm selbst im August 2008, als Herr Flügge schon längst entlassen, weg und vergessen war, kleinlaut in Aussicht gestellt wurde. Nein! Dieser Senat hat überhaupt nichts eingespart. Er gibt heute mehr denn je für Medikamente aus.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Frau von der Aue! Sie haben entweder unberechtigt Erwartungen geweckt oder in der Sache versagt. Beides ist jedenfalls kein Qualifikationsnachweis.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die FDP-Fraktion – da bin ich beim zweiten Beispiel – hat in den Haushaltsberatungen im Rechtsausschuss an verschiedenen Stellen aufgezeigt, wo Einnahmen zu niedrig und Ausgaben zu hoch angesetzt wurden. Wenn unsere Änderungsanträge von Ihnen von der rot-roten Koalition abgelehnt wurden, dann sage ich Ihnen dazu: Das habe ich erwartet. Wenn aber der Senat ein paar Tage später, wenn es darum geht, 85 Millionen Euro für die Kitas zusammenzukratzen, an drei Positionen die von uns bean

Dirk Behrendt

tragten Einsparungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro selbst vornimmt, dann sage ich Ihnen von der rot-roten Koalition auch: Sie brauchen uns nie wieder zu erzählen, dass Sie unseren Einsparungsvorschlägen aus sachlichen Gründen nicht zustimmen können. Nie wieder, Herr Felgentreu, wollen wir einen solchen Unfug von Ihnen hören!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe]

Haltlos, substanzlos und falsch waren auch die Angaben des Senats zu den Kosten der Mobilfunkverhinderung in den Justizvollzugsanstalten. In dem Gesetzentwurf des Senats zum Mobilfunkverhinderungsgesetz wurden Gesamtkosten in Höhe von 2,5 Millionen Euro genannt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass man schon glücklich sein kann, wenn man überhaupt in einer einzigen Anstalt für 2,5 Millionen Euro die Mobilfunkunterdrückung realisieren kann. Auf unsere Nachfrage wurde im Rechtsausschuss von den Sachverständigen erklärt, dass man gegenwärtig überhaupt nicht seriös die Kosten schätzen kann. Dieser Senat hat versucht, mit unseriösen Kostenschätzungen das Parlament hinter das Licht zu führen. Von einem solchen Senat kann auch kein Bürger Ehrlichkeit erwarten. Trickserei und Arroganz sind nicht von ungefähr die Markenzeichen des rot-roten Senats.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Geldvernichtung gepaart mit fragwürdigen Rechtfertigungsversuchen finden wir im Bereich der Justiz auch an anderen Stellen. Über das Millionengrab MODESTA werden wir uns noch ausgiebig unterhalten. Wir werden Sie nicht aus Ihrer Verantwortung entlassen.

Abschließend noch zwei Worte zu den Haftanstalten. Erstens: Die FDP-Fraktion spricht sich dafür aus, zur Bekämpfung der personellen Unterausstattung in einigen Bereichen und zur Verbesserung der Sicherheit in den Anstalten und damit auch der Bürger 80 zusätzliche Stellen im Bereich des allgemeinen Vollzugsdienstes zu schaffen.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Das kostet Geld, Herr Lederer. – Im liberalen Sparbuch, das sich jeder Bürger – auch Sie – auf unserer Internetseite herunterladen kann, haben wir die Gegenfinanzierung durch Ausgabenkürzungen und Einnahmeverbesserungen dargestellt.

Zweitens: Sicherheit in den Anstalten muss nicht immer viel Geld kosten, Herr Dr. Lederer. Um die Drogenproblematik zu bekämpfen, fordern wir vom Senat, endlich Drogenspürhunde in den Anstalten anzuschaffen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was die kosten!]

Die Anschaffung und Ausbildung eines Hundes kostet einmalig 12 000 Euro, Herr Dr. Lederer, und die Unterhaltung jährlich 2 000 Euro.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Man braucht mehr davon!]

Machen Sie endlich das, was in anderen Ländern erfolgreich praktiziert wird! Orientieren Sie sich sowohl in dieser Einzelfrage als auch im Großen und Ganzen an den Ländern, die erfolgreich von der FDP regiert werden!

[Beifall bei der FDP – Vereinzeltes Gelächter bei der SPD]