Vielen Dank, Frau Demirbüken-Wegner! – Jetzt hat Herr Zillich für die Linksfraktion das Wort. – Bitte!
[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Endlich einer, der zum Thema spricht! – Uwe Doering (Linksfraktion): Und zwar fachkundig!]
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hier geht jetzt alles durcheinander. Nachdem die CDU über brennende Autos geredet hat, rede ich jetzt über die Schule.
Der hier vorgelegte Haushalt kann es nicht leisten, alles das, was in den einzelnen Ressorts fachpolitisch geboten erscheint, finanziell abzusichern. Es ist deshalb notwendig, Prioritäten zu setzen, und das tut der Haushalt. Er tut das insbesondere im Bildungsbereich. Er tut das in der Kita; er tut es in der Schule, und er tut das in der Hochschule, wozu mein Kollege Albers noch etwas sagen wird.
Die wichtigste Aufgabe im Bereich der Bildungs- und Schulpolitik ist die Reform der Schulstruktur, auf die wir uns verständigt haben. Diese Reform geht die zentralen Probleme unseres Schulsystems an. Wir wollen, dass kein Kind mehr die Schule ohne Abschluss verlässt. Wir wollen, dass deutlich mehr qualifizierte Abschlüsse bis zum Abitur erreicht werden, und wir wollen insbesondere, dass der Zusammenhang zwischen den Sozial- und Migrationshintergrund einerseits und den Bildungschancen andererseits überwunden wird.
Natürlich muss nicht nur die Schulstruktur angegangen werden, wenn man diese Ziele erreichen will. Es gibt aber den Gegensatz zwischen Strukturveränderung und Qualitätsentwicklung, den die FDP herstellt, nicht. Er geht vielmehr darum, die strukturellen Hindernisse für eine bessere Qualität zu überwinden. Die Hauptschulen sind das beste Beispiel dafür, dass Ressourcen und Engagement nicht zu besserer Qualität führen, wenn man die Strukturen nicht ändert. Trotz guter Ausstattung und engagiertem Personal haben die Kinder dort keine Chance. Deswegen ist es wichtig, dass wir Kinder nicht länger auf Hauptschulen schicken.
Internationale Organisationen und die Wissenschaft zeigen, dass die frühzeitige Aufteilung der Kinder auf verschiedene Schulformen schlecht ist: Sie ist ungerecht, führt nicht zu besseren Leistungen und benachteiligt Kinder aus armen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund systematisch. Deshalb wollen wir diese Aufteilung überwinden.
Kern der Reform ist, dass künftig alle weiterführenden Schulen zu allen Abschlüssen – bis hin zum Abitur – führen. Im Alter von elf Jahren muss dann nicht mehr über die Lebensperspektive von Kindern entschieden werden. Die Aufteilung – du wirst Akademiker, du Facharbeiter, und du hast keine Chance – wird es nicht mehr geben. Stattdessen gibt es nach der Grundschule die Wahl zwischen dem Gymnasium – das auf Tempo setzt, wenig Zeit für individuelle Förderung lässt und auf dem Probehalbjahr und Sitzenbleiben drohen – einerseits und der integrierten Sekundarschule – die zu den gleichen Abschlüssen führt – andererseits. Diese Schule wird pädagogisch neue Wege gehen. Sie wird eine Ganztagsschule sein. Sie muss eine neue Lehr- und Lernkultur verwirklichen, in der das individuelle Lernen der Kinder im Mittelpunkt steht. Sie kennt kein Sitzenbleiben und keinen Zwang, die Gliederung des Schulsystems im Inneren zu reproduzieren. Sie macht Angebote des praktischen Lernens.
Natürlich führt eine solche Reform zu Debatten. Natürlich besteht sie aus Kompromissen. Es ist nicht möglich, einen bis ins Kleinste ausgearbeiteten Plan für eine Reform vorzulegen, den dann ohne Kontroverse zu beschließen und ohne Veränderungsbedarf umzusetzen. Das ist auch nicht wünschenswert. Es ist eine Stärke, wenn in der Debatte zum Beispiel die Anregung derjenigen aufgegriffen wurde, die sich gegen eine Absenkung der Stundentafel für den naturwissenschaftlichen Unterricht ausgesprochen haben. Wir begrüßen das. Das war uns wichtig.
Die Schulen stehen vor großen Herausforderungen. Sie brauchen dafür Unterstützung durch Fortbildungsangebote und Hilfe bei der pädagogischen Entwicklung. Solche Unterstützungen werden wir verlässlich gewähren. Sie brauchen auch eine gute Ausstattung. Wir senken die Klassenfrequenz auf 25 Kinder. Zusätzlich wird der Ganztagsbetrieb mit Lehrern, Erziehern und Sozialarbeitern ausgestattet. Es gibt Teilungs- und Förderstunden sowie Mittel für praktisches Lernen. Zusätzlich bekommen die Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus armen Familien und solchen mit Migrationshintergrund extra Personalmittel.
Die Schulstrukturreform mit ihren Verbesserungen und Herausforderungen ist weder kostenneutral zu haben – da helfen auch die Spiegelfechtereien des Kollegen Steuer nicht – noch ist sie ein Sparprogramm. Wir stellen dafür erhebliche Mittel im Haushalt zur Verfügung.
Wir haben in den Haushaltsberatungen noch einmal einige Millionen bereitgestellt. Damit wollen wir einerseits Stellen an Schulen in sozialen Brennpunkten finanzieren, und andererseits haben wir dafür gesorgt, dass die Reform nicht bereits am Anfang dadurch belastet wird, dass die Decke von vornherein zu kurz ist. Wir haben aus vergangenen Bildungsreformen in den Schulen gelernt. Die jetzige Schulreform ist im Haushalt ausfinanziert.
Herr Kollege Zillich! Kennen Sie das Papier der Bildungsverwaltung aus dem Internet zum Dualen Lernen, in dem unter anderem der Girls’ Day als adäquate Form des Dualen Lernens vorgeschlagen wird? Halten Sie das für die bisherigen Hauptschüler in der neuen Sekundarschule für ausreichend?
Erstens, lieber Kollege Steuer: Ich bin nicht der Auffassung, dass das Duale Lernen nur eine Angebot für die ehemaligen Hauptschüler ist.
Zweitens: Es ist sinnvoll, dass es verschiedene Angebote, Möglichkeiten und Schulprofile gibt und beispielsweise das Produktive Lernen eine Chance bekommt. Der Girls’ Day allein ist sicher nicht ausreichend, aber die Debatten hierzu sind noch nicht beendet.
Die Berliner Gemeinschaftsschulen haben überzeugend begonnen. Sie haben bereits jetzt gezeigt, dass sie Ziel, Beispiel und Motor für die Entwicklung der Berliner Schulen sein können. Wir garantieren mit den Haushalt, dass sich neue Schulen als Gemeinschaftsschulen auf den direkten Weg in Richtung einer Schule ohne Auslese machen können, in der von der ersten bis zur 10. Klasse beziehungsweise zum Abitur gemeinsam gelernt wird. Wo immer es eine Schule will, wo ein Bezirk es will, wo Eltern es wollen, da kann es neue Gemeinschaftsschulen geben.
Mit diesem Haushalt können nicht alle Probleme, die wir haben, gelöst werden. Wir wissen, dass wir insbesondere im Bereich der Grundschulen noch erhebliche Probleme haben. Auch innerhalb des Bildungsbereiches galt es, Prioritäten zu setzen. Trotzdem sind auch hier über die Schulstrukturreform hinaus Verbesserungen gelungen. Ich will zwei Punkte nennen: Erstens stellen wir zusätzliche Mittel für die Ausweitung der wichtigen Angebote der Mütterkurse zur Verfügung, und zweitens hat die Koalition im Doppelhaushalt mehr Geld für Schulhelfer für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen zur Verfügung gestellt. Wir teilen nicht die Annahme des Senats, dass ein steigender Bedarf hier nicht existiert – deshalb die Erhöhung des Titels. Gleichzeitig ist der Senat beauftragt, für ein transparentes Bewilligungsverfahren auch mit mehrjährigen Verträgen zu sorgen.
In der Generaldebatte ist der Koalition vorgeworfen worden, keine Schwerpunkte zu setzen. Zwei Jahre Stillstand wurden prophezeit. Der Bildungshaushalt belegt das Gegenteil. Bildung ist der Schwerpunkt der Koalitionspolitik. Wir gehen eine große Schulstrukturreform an. Dass das Stillstand bedeutet, werden auch ihre Kritiker nicht behaupten. Nein, wir stellen die Weichen für eine bessere und gerechtere Schule! Wir verändern im Interesse der Kinder und der Stadt! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zillich! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Herrmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor zwei Jahren haben Sie, Herr Senator, an die Kinder und Jugendlichen saure Mandarinen verteilt, und auch wenn wir es dieses Mal geschafft haben, uns an einigen Punkten anzunähern – Herr Mutlu hat schon vieles genannt –, steckt trotzdem nicht viel Besinnlichkeit in Ihrem Haushalt. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie es schaffen, in diesem Jahr ein Abkommen für die Jugend zu schließen und nicht ein einziges Mal in Ihrer Haushaltsrede das Wort Jugend in den Mund zu nehmen. Das finde ich erbärmlich!
Einer Ihrer mehreren Hundert Schwerpunkte ist die Kitaverbesserung. Dazu ist heute schon viel gesagt worden, von Frau Pop und auch Frau Jantzen. Ich möchte hier nur noch mal betonen, dass ich es erstaunlich finde, dass Sie von den Eltern in dieser Stadt und von Gerichten zum Jagen getragen werden mussten. Und das nun als Ihren Schwerpunkt zu verkaufen, ist erbärmlich! Das ist nämlich in erster Linie nicht Ihr Verdienst gewesen, sondern das der Eltern.
Ein weitere Schwerpunkt, den Sie uns immer verkaufen, ist das Rahmenkonzept Kulturelle Bildung. Ja, es ist positiv, dass TUSCH und TanzZeit im Einzelplan 10 abgesichert werden und auch das MACHmit! Museum nun in diesem Einzelplan verankert ist. Aber auf der anderen Seite – und ich finde, auch das gehört zur Wahrheit dazu – haben Sie zwar bei TUSCH und TanzZeit die Summen abgesichert, die vorher bei den kulturellen Projekten etatisiert waren, aber die Mittel, die TUSCH vorher aus dem Einzelplan 10 bekommen hat – das war immerhin ein Viertel –, fehlen jetzt.
Herr Müller! Ich freue mich, dass Sie sich in dem Hauptausschussberatungen unserem Antrag angenähert haben. Zwar ist von Ihnen nicht die komplette Summe von 300 000 Euro für die Jugendverbände und die Jugendbil
dungsstätten zugebilligt worden, aber wenigsten die Hälfte, und das finden wir gut. Aber das als einen von hundert Schwerpunkten zu bezeichnen – Entschuldigung –, das ist peinlich!
Nun zu einem der größten Risiken in Ihrem Haushalt, dazu ist heute noch wenig gesprochen worden: die Hilfen zur Erziehung. Im nächsten Jahr werden 360 Millionen Euro den Bezirken zugewiesen. Es ist jetzt schon absehbar, dass das nicht ausreichend ist. Angesichts dessen, dass es zwar für die Bezirke theoretisch möglich ist, das, was an Hilfen zur Erziehung übrig bleibt, in Prävention zu stecken, sie jedoch zu wenig Gelder in die Bezirke weisen, wird für die Prävention nichts übrigbleiben. Wir erleben doch jetzt schon, dass gerade die Prävention in den Bezirken leidet – Kinder- und Jugendarbeit und die Familienförderung. Da muss es eine Umsteuerung geben.
Genau deshalb schlagen wir vor, dass man einen Präventionstopf in Höhe von 5 Millionen Euro einrichten muss, denn nur so kann man eine wirkliche Umschichtung machen und in Zukunft HzE-Maßnahmen, die teuer sind, vermeiden. Das ist in der volkswirtschaftlichen Endabrechnung günstiger, und damit fällt uns das, was wir heute einsparen und morgen teurer ausgeben müssen, nicht auf die Füße. Wir reden nicht nur, sondern wir schlagen diese 5 Millionen Euro Präventionsmittel vor. Damit machen wir einen Anfang. Von Ihnen hören wir bisher leider nur viele nette Worte zum Jugendhilfebudget, aber es steckt leider nichts dahinter.
Entschuldigen Sie, Frau Herrmann! Ich muss Sie ganz kurz unterbrechen. – Ich gebe nochmals bekannt, dass von den Zuschauerrängen in diesem Haus weder Beifall noch Missbilligungen erwünscht oder erlaubt sind. – Bitte sehr!
Danke, Frau Vorsitzende! – Ich finde es auch wichtig, dass man aus einer Jugendperspektive einen Gesamtblick auf den Haushalt wirft, und zwar insbesondere was die Nachhaltigkeit und was die Generationengerechtigkeit angeht. Da findet man leider wenig. Wer heute an Klimaschutz oder Umwelt spart, der verpestet die Umwelt. Das ist nicht generationengerecht. Und die Haushaltsgelder für Ausbildung werden in Höhe von 13 Millionen Euro gestrichen. Das ist nicht generationengerecht. Die Neuverschuldung steigt, und Sie schaffen es, diesen Bereich um rund 2 Millionen Euro im Doppelhaushalt zu senken. Damit verschieben Sie Haushaltslasten auf die junge Generation. Das ist nicht generationengerecht.
Frei nach Albert Schweitzer möchte ich zum Schluss sagen: Wer glaubt, mit diesem Haushalt ist ein großer Wurf für junge Berlinerinnen und Berliner gemacht wor
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Herrmann! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Czaja das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Clara Herrmann! Auch mir liegt das Thema HzE besonders am Herzen. Vielleicht liegt es an unserer Generation, dass wir dieses Thema in der Haushaltsberatung völlig vermissen und dass wir uns dafür stärker einsetzen, dass Jugendliche gerade in unserem Alter auch Perspektiven in dieser Stadt bekommen.
Ich möchte an der Stelle noch einmal das Thema HzE untermauern. Sie haben in den Haushaltsberatungen und auch Senator Zöllner hat in seinen heutigen Ausführungen keinerlei Bezug darauf genommen. Ich glaube – wir als FDP-Fraktion sehen es zumindest so –, dass man nicht mit einer gewissen Ohnmacht dem einfach gegenüber treten kann, wenn man jetzt schon weiß, dass in den zukünftigen Jahren die Haushaltsansätze, die für diesen Bereich gebildet wurden, nicht ausreichen werden, um den Problemen entschieden entgegenzutreten.
Wir wollen – und dieser Diskussion werden Sie sich im nächsten Jahr annehmen müssen – mit Ihnen eine Debatte führen, inwieweit wir Anreizsysteme für die Bezirke stärker verankern, inwieweit wir Anreizsysteme auch im Haushaltsgesetz verankern und zukünftig dafür sorgen können, dass die Präventionsarbeit, die in den Bezirken geleistet wird, tatsächlich auch positiv zu Buche schlägt. Das soll heißen, dass, wenn HzE-Fälle zurückgefahren werden und Mittel übrigbleiben, diese auch in präventive Arbeit gesteckt werden können.
Der zweite Punkt, den wir für wichtig halten, ist, dass Sie sich auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie lange die Verweildauer eines Kindes in einer Hilfemaßnahme ist. Hier sind Sie bisher einer konstruktiven Debatte ausgewichen. Vielleicht muss sie auch erst einmal angeregt werden. Wir werden das im nächsten Jahr tun. Aber für uns ist es nicht hinnehmbar, dass ein Kind, das 14 Jahre in einer Hilfe verweilt, etwa 1 Million Euro kostet und am Ende womöglich noch im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor landet. Das ist keine Perspektive, und die junge Generation in dieser Stadt braucht Perspektiven.