Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Man sollte eigentlich mit Blick auf die Diskussion um den Bildungsstreik und um Bologna gelernt haben, dass es nicht nur Quantität, sondern vor allem um Qualität geht. Es geht um Studierbarkeit. Es geht darum, dass wir an den Hochschulen ein Angebot haben, mit dem die Studierenden auch etwas anfangen können. Dieser Aspekt ist im Augenblick weder in Ihrem Haushalt noch in der dahinter stehenden Politik zu erkennen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP) und Anja Schillhaneck (Grüne)]

Zweite Großbaustelle ist die Charité. Auch da ist völlig ungeklärt, wie es weitergeht. Nun haben Sie sich irgendwo dazu durchgerungen, dass es Geld für die wesentlichen Investitionen geben soll. Auskömmlich ist das nicht. Aber es stellt sich die grundsätzliche Frage. Wie ist die Charité aufgestellt? Ist es richtig, beispielsweise zu sagen, dass hier nicht Qualität, sondern Quantität zählt, womit ich nicht sagen will, dass die Charité nicht qualitativ Hochwertiges leistet?

[Lars Oberg (SPD): Wollen Sie CBF schließen?]

Ist es denn richtig, zu sagen: „Size does matter“ – auf die Größe kommt es an? – Ich meine, das ist in dem Zusammenhang völlig unpassend. Denn schaut man es sich insgesamt an, steht die Charité bei den eingeworbenen Drittmitteln erst mal ganz gut da, rechnet man es aber auf die Hochschulprofessoren um, stellt man fest, dass man sich bundesweit im unteren Mittelfeld wiederfindet. Also ist da doch irgendetwas faul.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Joachim Esser (Grüne)]

Ich will Ihnen sagen, was da faul ist. Da ist nämlich vor allem die permanente Verunsicherung der Hochschulordinarien an den Standorten der Charité ein wesentlicher Beitrag. Denn es ist doch selbstverständlich, dass jemand, der vor der Frage steht, ob er einer Berufung nach Berlin folgen wird, aber nicht weiß, ob er künftig eher Reisekader ist, weil er zwischen Steglitz, Mitte und RudolfVirchow hin- und herfährt, oder ob er an einem Standort,

der auskömmlich ausgestattet ist, unterrichten kann, sich das zweimal überlegen wird. Deshalb muss es eine klare Zusage geben – übrigens für alle Standorte der Charité, die wir gegenwärtig haben –, dass sie auskömmlich ausgestattet sind und dass dort auch vernünftig gearbeitet werden kann. Dazu gehört auch die Abgrenzung gegenüber unserem zweiten landeseigenen Versorgungskonzern, nämlich Vivantes.

Damit will ich zum Schluss kommen. Ich habe das an der Stelle aufgrund der Zeit nur anreißen können. Aber allein die Tatsache, dass Sie heute hier einen Haushalt verabschieden, bedeutet noch lange nicht, dass Herr Zöllner einen Plan dafür hat, was er mit dem Geld macht und wie er mit der Wissenschaftspolitik in Berlin umgeht. Das ist das eigentliche Problem jenseits der Zahlen, die heute zu beschließen sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Herr Dr. Albers hat nun das Wort für die Linksfraktion. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir sind in dieser Legislaturperiode mit dem erklärten Ziel angetreten, die Wissenschaftsstadt Berlin zu stärken. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart:

Die Berliner Hochschulen haben in den vergangenen Jahren bedeutende Konsolidierungsbeiträge erbracht. Sie benötigen nunmehr eine stabile finanzielle Grundlage. Deshalb werden die Koalitionsparteien die Landeszuschüsse im Rahmen der Hochschulverträge nach 2009 verstetigen. Die Forschungsstärke der Hochschulen soll auf ihrem hohen Niveau erhalten bleiben. Der qualitativen und quantitativen Entwicklung von Lehre und Studium soll an den Universitäten ein ebenso großer Stellenwert eingeräumt werden.

Mit dem Doppelhaushalt 2010/2011 haben wir diesen Anspruch ein Stück weiter eingelöst. Herr Zimmer! Wir sichern die Strukturen, und wir schaffen damit auch die Voraussetzung für die Entwicklung von Qualität.

Wir werden uns dennoch die Hochschulwelt heute nicht schönreden, können aber klar und unmissverständlich – und sehr wohl auch in Kenntnis der kritischen Stimmen aus den Hochschulen – feststellen, dass wir unter den gegebenen Bedingungen, die zu einem wesentlichen Teil von uns nicht zu beeinflussen sind – und auch durch Sie nicht zu beeinflussen wären – einiges erreicht haben. Und das kann sich sehen lassen. Den Hochschulen sei versichert: Auch die Dinge, die wie z. B. die Gleitklausel für steigende Kosten, die außerhalb der Verantwortung der Hochschulen liegen, noch nicht durchgesetzt werden konnten, bleiben auf der Agenda.

Ich habe es an anderer Stelle gesagt: Nach Jahren der Kürzungen gibt es unter dem Strich wieder mehr Geld für die Berliner Hochschulen. Der Aufwuchs im Wissenschafts- und Hochschulbereich liegt bei rund 3,5 Prozent und ist damit deutlicher als bei allen anderen Senatsressorts. Herr Zimmer! Wir schauen in diesem Zusammenhang auch auf die Zahlen. Sehr wohl auf Qualität, aber eben auch auf die absoluten Zahlen! Das ist ein schöner Erfolg. 334 Millionen Euro fließen insgesamt in den nächsten Jahren bis 2013 zusätzlich in die Berliner Hochschulen.

[Mirco Dragowski (FDP): Dank des Bundes!]

Ein schöner Erfolg rot-roter Kooperation und kein Platz für Eifersüchteleien! Ein gemeinsames rot-rotes Projekt im Konsens, dass die Ausgaben für unsere Hochschulen – für Forschung, für Lehre, für Wissenschaft – Investitionen in die Zukunft dieser Stadt sind und sich für diese Stadt und damit auch für uns alle auszahlen werden!

Das ist auch ein Erfolg der Beharrlichkeit unseres Wissenschaftssenators Zöllner, der dicke Bretter bohren und dafür einiges aushalten musste. Geschenkt! In den vielen teils sehr persönlichen und teils auch giftigen Angriffen auf ihn spiegelt sich wieder einmal nur die Hilflosigkeit der Opposition, eine politische Alternative zur rot-roten Wissenschaftspolitik auch nur im Ansatz erkennbar zu entwickeln. Sie schließen sich in Ihrem selektiven Wahrnehmungsvermögen ein und betreiben einfallslose Frontalopposition.

Ganz besonders deutlich wird diese Hilflosigkeit an dem völlig abstrusen Vorwurf, der z. B. von Ihnen, Frau Schillhaneck, immer wieder vehement vorgebracht wird, wir betrieben Etikettenschwindel, weil ein Teil des Geldes – Herr Dragowski hat es vorhin auch noch mal gesagt –, das den Hochschulen zur Verfügung gestellt wird, nicht aus dem Land, sondern vom Bund komme. Was ist das für ein Argument? „Na und?“ kann ich da nur sagen. Wir haben das auch im Koalitionsvertrag so angekündigt. Die Koalition prüft, inwieweit nationale und europäische Fördermittel besser für Wissenschaftsinvestitionen genutzt werden können. Entscheidend ist, dass es uns gelingt, dieses Geld in dieser Stadt verfügbar zu machen. Wer will uns denn ernsthaft dafür schelten, dass wir das Geld überall dort holen, wo wir es bekommen können? Wichtig ist, dass diese Gelder den Hochschulen politisch zur Verfügung gestellt werden.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Es ist genau die Aufgabe des Wissenschaftssenators, solche möglichen Quellen zu erschließen, und genau das hat er gut getan.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

In diesem Zusammenhang auch noch eine Anmerkung zur Einstein-Stiftung: Die Idee war, zusätzliches Geld in die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung zu geben und damit auch die Kooperation zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung zu fördern und eben auch jene Bereiche zu stärken, die aus verschiedenen

Nicolas Zimmer

Gründen überhaupt keine Möglichkeit haben, im Rahmen irgendeiner Exzellenzförderung zusätzliche finanzielle Mittel zu akquirieren. Das war keine „spinnerte“ Idee. Natürlich war dieser Ansatz sinnvoll und notwendig, und es verfestigt sich mit zunehmender Kritik von Ihnen der Eindruck, dass diese Idee, weil sie gut war, auch schnell Gegner und Feinde bei Ihnen hatte, weil es nicht sein konnte, dass Rot-Rot etwas Gutes tut, weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf.

Es gab natürlich auch berechtigte Kritik und begründete Skepsis, und manches im Ablauf schien den Skeptikern ja auch recht zu geben. Ob nun die Veranstaltung „Falling Walls“ der richtige Einstand war, um diese Zweifler und Skeptiker zu überzeugen, auch darüber kann man sicher streiten. Aber wir haben diese Einrichtung geschaffen. Sie wird jetzt leben, und sie wird mit den Mitteln – und noch einmal: das sind zusätzliche Mittel für die Wissenschaft, 40 Millionen Euro pro Jahr, die wir im Doppelhaushalt zur Verfügung stellen – so umgehen, dass es ihr gelingt, Kritiker zu widerlegen und Skeptiker zu überzeugen.

Ja, Herr Henkel! Es ist ein Prestigeobjekt. Aber warum sollte Rot-Rot keine Prestigeobjekte schaffen, mit denen es beweist: Die Wissenschaftsstadt Berlin ist keine Werbeaufschrift, sondern gelebte Politik und materiell zu untersetzende Verpflichtung. Nicht auf Kosten der Hochschulen, sondern zusätzlich zu dem, was die Hochschulen eh bekommen! Herr Henkel! Sie werden sich wohl damit abfinden müssen: Rot-rote Wissenschaftspolitik ist ein Prestigeobjekt für uns und für diese Stadt, und so wird es in dieser Stadt und darüber hinaus auch wahrgenommen. Dieser Haushalt belegt das auch in Zeiten der Krise eindrucksvoll. Herr Henkel! Sie haben angekündigt, Sie seien da. Prima! Dann können Sie weiter staunend zuschauen, wie wir nachlegen – auch über 2011 hinaus! – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Frau Kollegin Schillhaneck hat nun das Wort für die Fraktion der Grünen. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Mutlu hat mit einem Lob begonnen. Liebe Koalition! Herr Zöllner! Dass Sie im Bereich Wissenschaftspolitik eher kein Lob bekommen, wissen Sie selber. Wofür auch? – Nicht für dieses haushälterische Armutszeugnis!

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Lars Oberg (SPD): Das ist sachlich nicht begründet! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Jetzt sind wir aber traurig!]

Ja, Herr Albers! Wir müssen auch auf die Finanzen gucken. Sie rechnen sich da etwas schön – schlicht und ergreifend. Der größte Teil von Ihrer 3,5-Prozentsteige

rung in den beiden Einzelplänen 10 70 und 10 80 kommen aus Hochschulpakt, Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung und Innovation und BAföG-Steigerung. Das sind also durchlaufende Posten und Zahlungen, zu denen das Land ohnehin vertraglich oder rechtlich verpflichtet ist. Sie rechnen sich da etwas schön. Es ist alles gutes Geld, aber es ist keine erkennbare eigenständige landespolitische Schwerpunktsetzung im Haushalt zwischen Ihren Hunderten anderen Schwerpunkten. Das ist es einfach nicht.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Nicolas Zimmer (CDU)]

Es ist auch ein inhaltliches Armutszeugnis, was Sie hier abliefern, denn Sie haben keinen Cent übrig für die dringend benötigten Qualitätsverbesserungen in der Lehre. Ihr sogenanntes Leistungsmodell, auf dem ganz viele Hoffnungen ruhen, auch bei Ihnen – ich weiß nicht, was Sie sich alles davon versprechen –, liegt noch nicht vor. Und um Qualität geht es dabei auch nicht.

[Lars Oberg (SPD): Dann können Sie es auch noch nicht kritisieren!]

Es interessiert Sie anscheinend auch herzlich wenig, was genau das an den Hochschulen für Auswirkungen haben wird. Sie wollen 6 000 Studienplätze schaffen, sehr schön. Machen Sie! Aber der Regierende Bürgermeister hat vorhin selber gesagt: Wir haben 140 000 Studierende, 80 000 finanzierte Studienplätze in etwa,

[Lars Oberg (SPD): Mehr!]

fehlen 60 000. In den Naturwissenschaften habe ich gelernt: Wenigstens die Zehnerpotenz sollte man ansatzweise treffen.

Ganz wesentlich geht es den protestierenden Studierenden derzeit auch um die Qualitätsverbesserung. Das ignorieren Sie. Wir haben Ihnen schon vor längerer Zeit konkrete Vorschläge gemacht, worum es bei der Reform der Reform gehen muss. Aber von Ihnen vermissen wir das Bekenntnis zu besseren Betreuungsverhältnissen, besseren Studienbedingungen, und warum? – Weil das richtig Geld kosten würde. Das wollen Sie an dieser Stelle nicht in die Hand nehmen.

Noch eine Sache zur strategischen Aufstellung: Herr Zöllner hat es nicht geschafft, das ihm zur direkten Förderung der Wissenschaft in die Hand gegebene Geld auszugeben. Nun ist er es los. Es geht in die Kitas, sicherlich auch ein sinnvoller Verwendungszweck. Aber was mussten wir im Ausschuss hören? – Das mache eh keinen Unterschied. – Ganz ehrlich: Da war ich entsetzt. Es kann nicht sein, dass es in dieser Stadt nicht genügend sinnvolle exzellente Forschungsprojekte gibt, die man damit hätte fördern können.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Lars Oberg (SPD): Hat auch keiner behauptet!]

Sie versagen übrigens auch bei der Investitionsplanung, nicht nur beim Thema Charité. Ein Hinweis: Es wird hier immer von Universitäten und außeruniversitären For

Dr. Wolfgang Albers

schungseinrichtungen geredet; wir haben auch noch Hochschulen. Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, FHTW, jetzt HTW, hat derzeit schon nur 70 Prozent der Fläche, die sie braucht. Sie soll weiter Studierende aufnehmen, das finden wir positiv, aber die kriegen keinen Cent, um mehr Räume zu bekommen, um mehr Plätze zu schaffen. Ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen, ob wir da irgendwie 24/7-Lehrbetrieb machen, das kann nicht aufgehen. Da versagen Sie in Ihrer strategischen Planung.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Deswegen muss ich ganz klar sagen: Vieles von dem, was Sie hier tun, womit Sie sich feiern, ist eher Antiwerbung für den Standort Berlin. Schade!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dragowski. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit der Vision von Prof. Zöllner anfangen.