Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Es sind nicht so viele. – In diesem Zusammenhang, Herr Senator Dr. Nußbaum, finde ich es gut, dass Sie begonnen haben, sich bei Ihren Bezirksbesuchen die Probleme vor Ort anzuschauen, um sich ein Bild zu machen. Ich bin mir sicher, die Sichtweise ändert sich, und das gegenseitige Verständnis wird dadurch gestärkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe einmal gelernt, dass eine Rede möglichst mit einer Handlungsaufforderung enden sollte. Deshalb möchte ich rhetorisch richtig zum Ende kommen und unsere heutige, wie ich hoffe, faire und trotzdem kontroverse Debatte auch entsprechend eröffnen: Dann legt mal los! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Allgemeiner Beifall]

Vielen Dank, Herr Kollege Wieland! – Ich möchte Ihnen, aber auch dem ganzen Hauptausschuss und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit danken. Ich habe gehört, das Dankesessen des Hauses gestern Abend sei zu Ihrer Zufriedenheit verlaufen. Das freut mich natürlich. Vielen herzlichen Dank!

Zum Ablauf unserer Beratungen verweise ich auf die Ihnen vorliegenden Regularien. Nur noch ein besonderer Hinweis. Alle Fraktionen sind sich einig, dass sich bitte auch der Senat an die Redezeiten halten möge, die den Fraktionen zur Verfügung gestellt sind. Seitens der Vertreterin des Senats im Ältestenrat hat es dazu auch keinen Widerspruch gegeben. Dies bedeutet, dass der Senat insgesamt auch eine Redezeit von bis zu 120 Minuten hat. Inzwischen hat sich auch der Senat mit den Redezeiten befasst, wie ich gemerkt habe. Für die allgemeine Aussprache erklärt der Senat Zustimmung zu den vorgegebenen 30 Minuten. Für die Einzelpläne steht dann den Senatsvertretern jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Die Beisitzer im Präsidium werden auch darauf aufmerksam machen, wenn diese Redezeiten beendet oder durchgelaufen sind.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 12 Paragrafen miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 12 – Drucksache 16/2600 – sowie den diesem Gesetz als Anlage beigefügten Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 2010 und 2011, die Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2850 und den schon genannten Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 16/2850-1.

Ich eröffne damit die allgemeine Beratung mit einer Redezeit von bis zu 30 Minuten pro Fraktion und rufe hierzu auf

Allgemeine Beratung

verbunden mit

Einzelplan 03 – Regierende/r Bürgermeister/in – ohne Kapitel 03 10, 03 12, 03 13, 03 14 und 03 20

hierzu: Änderungen des Hauptausschusses gemäß Drs 16/2850

Wir beziehen auch die Änderungen zu diesem Einzelplan gemäß Drucksache 16/2850 sowie die Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses Nummern 28 bis 30 ein.

Für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Kollege Müller das Wort! – Bitte schön, Herr Müller!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Wieland hat eben darauf hingewiesen und deutlich gemacht, wie viel Arbeit und Herzblut in einem solchen Haushalt steckt, der uns heute zur Beratung vorliegt. Insofern möchte ich es auch zu Beginn meiner Rede nicht versäumen, allen zu danken, die dabei mitgewirkt haben, allen Verwaltungen, der des Abgeordnetenhauses, den Senatsverwaltungen, insbesondere natürlich auch dem

Ralf Wieland

Finanzsenator. Ganz besonders bedanken möchte ich mich aber auch im Namen der SPD-Fraktion bei den Mitgliedern des Hauptausschusses und beim Vorsitzenden des Hauptausschusses. Viel Arbeit ist da eingeflossen. Vielen Dank für diese Arbeit, die geleistet wurde!

[Allgemeiner Beifall]

Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise hinterlässt tiefe Spuren. Die tiefgreifenden Auswirkungen sind bereits im laufenden Haushalt, aber auch in den heute zur Abstimmung stehenden Doppelhaushalt sichtbar. Der Doppelhaushalt 2010/2011 umfasst rund 22,5 Milliarden Euro Ausgaben pro Jahr. Dem stehen knapp 20 Milliarden Euro Einnahmen gegenüber. Die Differenz von rund fünfeinhalb Milliarden Euro neuen Schulden für beide Jahre zusammen zeigt, in welch finanzieller Notlage Berlin sich nach wie vor befindet.

Das ist deshalb besonders schmerzhaft, weil wir mit der Haushaltskonsolidierung auf einem sehr guten Weg waren. Ich erinnere daran, dass wir nach den Jahren intensivster Sparanstrengungen 2007 einen ausgeglichenen Haushalt und mit dem Doppelhaushalt 2008/2009 ebenfalls einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt hatten. Zusätzlich konnten wir noch einen Überschuss von rund 1 Milliarde Euro zur Schuldentilgung verwenden. Der Doppelhaushalt 2008/2009 war der Beleg sicherlich auch für eine positive Wirtschaftsentwicklung, aber er war auch ein Beleg für eine jahrelange erfolgreiche und konsequente Haushaltskonsolidierung, zu der die Berlinerinnen und Berliner beigetragen haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Bevor ich weiter auf unseren Haushalt eingehe – der Kollege Wieland hat das auch schon getan –, ist es wichtig und notwendig, noch einen sehr kritischen Blick auf die Politik des Bundes zu richten, denn die Prognosen lassen für die öffentlichen Haushalte und somit auch für Berlin in den kommenden Jahren keine grundlegenden Verbesserungen erwarten. Die Schulden der öffentlichen Hand werden bis 2013 auf über 2 100 Milliarden Euro steigen. Das heißt, dass in nur fünf Jahren noch einmal 600 Milliarden Euro Schulden hinzukommen. Das ist ein Zuwachs von mehr als einem Drittel. Sicherlich: Die Beschlüsse der vergangenen Legislaturperiode zur Stabilisierung der Finanzmärkte fließen mit in diese Zahlen ein, aber es kommen allein durch die schwarz-gelben Koalitionsbeschlüsse noch einmal 70 bis 80 Milliarden Euro obendrauf. Statt die Lasten der Finanzmarktkrise abzubauen, finanzieren Union und FDP Klientelpolitik: Steuervergünstigungen für Erben, für Hotels. Hier wird knallhart von unten nach oben umverteilt. Hier wird knallhart auf Kosten der sozial Schwachen und der Länder umverteilt.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Den weitaus größten Preis für diese Klientelpolitik werden die Länder zahlen müssen. Sie sind zu mehr als der Hälfte an den Einnahmerückgängen beteiligt. Für Berlin werden sich durch die Beschlüsse die Mindereinnahmen im Zeitraum von 2010/2013 nach ersten Schätzungen der

Finanzverwaltung auf etwa zweieinhalb Milliarden Euro belaufen. Pro Jahr fehlen Berlin bei voller Wirksamkeit der Koalitionsbeschlüsse über 700 Millionen Euro zusätzlich. Damit das klar ist: Diese Größenordnung entspricht ungefähr 50 000 Studien- oder 100 000 Kitaplätzen. Das kann man nicht hinterhersparen. Wenn wir das tun würden, würden wir weite Teile unserer Stadt kaputtsparen und nichts anderes machen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es wird deutlich: Wegbrechende Einnahmen auf Bundes- und Landesebene, Steuergeschenke von Schwarz-Gelb, das Auslaufen des Solidarpakts belasten die ostdeutschen Länder zusätzlich und gleichzeitig eine Schuldenbremse, die den Ländern jeden Handlungsspielraum nimmt – das alles zusammen ist eine unseriöse und verantwortungslose Politik, der sich alle Länder im Bundesrat engagiert entgegenstellen müssen. Das ist nicht zu akzeptieren.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Was konnten wir mit unserem Haushalt auf Berliner Ebene bewegen? – Ich könnte jetzt alle Kollegen, insbesondere die meiner Fraktion, damit erschrecken, dass ich die 120 Minuten SPD-Redezeit allein nutze, um Detail für Detail genau darzustellen, wo und wie wir Schwerpunkte gesetzt haben. Hunderte Punkte sind es.

[Zurufe von der CDU, den Grünen und der FDP]

Ja! Es ist so! Es sind Hunderte von Punkten, wo es einen deutlichen Schritt nach vorn gehen konnte. – Das Abgeordnetenhaus – übrigens ohne Ihr Zutun, Sie haben da nicht geholfen –

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

hat alle diese Schwerpunkte setzen können ohne zusätzliche Schuldenaufnahme, ohne dass dafür zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt werden musste, sondern durch Umschichtung, durch eine Schwerpunktsetzung im Bereich der Kultur für die kleinen Theater, der Feuerwehr, Stellenanhebungen, Stellen im nichtrichterlichen Bereich, Programm „Sexuelle Vielfalt“, Mütterkurse, Frauenprojekte, Jugendverbandsarbeit, Schulhelfer –

[Mieke Senftleben (FDP): Schulhelfer, peinlich!]

all das konnte finanziert werden, und all das ist richtig und wichtig und schafft Entlastung in vielen kritischen Bereichen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Viel wichtiger ist aber, glaube ich, welchen politischen Anspruch wir mit diesem Haushalt verbinden, wie und was wir mit diesem Haushalt gestalten wollen, denn dieser Haushalt stellt uns nach wie vor 44 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist eine Menge Geld, das man in den nächsten beiden Jahren ausgeben kann. Es stellt sich also wieder die Frage: Wie soll die Stadt, in der wir leben, aussehen? Welche Ziele verfolgen wir für das vor uns liegende Jahrzehnt mit unserer Finanzpolitik?

Im ersten Jahrzehnt nach der Wende war es ganz klar, welche Aufgaben vor uns lagen: Das Zusammenwachsen der Stadt war zu organisieren, gleiche Lebensverhältnisse waren darzustellen. Im zweiten Jahrzehnt nach der Wende hat sich Berlin weiterentwickelt zu der deutschen Metropole, zu einer weltoffenen und toleranten Metropole, die Menschen aus dem In- und Ausland anzieht. Kulturschaffende, Wissenschaftler leben und arbeiten gern in unserer Stadt.

Dieses dritte Jahrzehnt wird nach meiner Einschätzung auf die Veränderung reagieren müssen, die mit einer internationalen Metropole einhergehen. Es gibt soziale Verwerfungen, und viele sagen dann: Wir müssen darauf achten, dass wir die soziale Gerechtigkeit im Blick behalten. – Das stimmt mit Sicherheit, aber darunter versteht auch jeder etwas anderes. Vielleicht geht es auch um ein bisschen mehr. Vielleicht geht es für viele Menschen auch um soziale Sicherheit. Gerade in den Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise machen sich viele Menschen Sorgen: Werden sie ihren Arbeitsplatz behalten können? Oder, wenn sie ihn verloren haben: Werden sie einen neuen finden? Werden die Kinder eine gute Ausbildung erhalten? Wird man sich die Gesundheitsversorgung, die man braucht, auch leisten können, wenn man krank wird? Werden wir weiter in einer sicheren Stadt leben? Wie werden sich Umwelteinflüsse, die veränderte Umwelt auf uns, auf unser Leben und das Leben unserer Kinder auswirken? Werden wir gemeinsam mit den Menschen, die zu uns kommen, eine Grundlage formulieren können, von der wir sagen könnten, dass es eine gelungene Integration ist?

All diese Fragen werden nicht allein auf Landesebene zu bewegen sein und schon gar nicht über einen Doppelhaushalt. Nicht in jedem Einzelfall wird man helfen können, und für viele Probleme in unserer Stadt wird es keine einfachen Lösungen geben, aber wir müssen jeden Tag gemeinsam daran arbeiten, dass wir Lösungen anbieten und auf diese Fragen Antworten geben können, die die Menschen so drängen.

Klar ist: Gute Bildung, aktive Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, also die ökonomische Basis, sind wichtige Voraussetzungen für soziale Sicherheit, die es zu stärken gilt. Deshalb investieren wir mit diesem Doppelhaushalt nicht nur weiter im klassischen Sinne in Infrastruktur, sondern wir investieren im Wesentlichen in diesem Haushalt in Bildung und Wissenschaft. Das ist eindeutig der Schwerpunkt der Koalition, und es ist der richtige Schwerpunkt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber auch in der Wirtschaftspolitik beginnen wir nicht bei null. Trotz Wirtschaftskrise haben wir erfreuliche Zahlen vorzuweisen. Die Arbeitslosenquote konnte seit 2005 um sechs Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig haben wir einen Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wie sonst nirgendwo im Bundesgebiet. Wir haben die richtigen Weichen im Bereich der Tourismuswirtschaft, Kreativ- und Kulturwirtschaft, in unserer Cluster-

und Kompetenzfeldstrategie gestellt. Berlin hat eine starke Position bei zukunftsträchtigen Wirtschaftszweigen. Das belegt der Zukunftsatlas 2009: Rang eins in der Gesundheitswirtschaft, Rang zwei bei hochwertigen Unternehmens- und Forschungsdienstleistungen, Rang vier in der Logistik. Insgesamt arbeiten rund 300 000 Berlinerinnen und Berliner in einem der Zukunftsfelder Berlins, mehr als in jeder anderen Region Deutschlands.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber wir dürfen an der Stelle auch nicht lockerlassen. Wir müssen die Industrie unterstützen hin zu einer Neuorientierung, zu nachhaltigem Wirtschaften. Wir müssen auf Umwelttechnologien setzen. Wir müssen dafür werben, dass Berlin der Standort für Umwelttechnologien ist. Wir können und sollten der Ort für neue Mobilitätskonzepte sein, gerade auf den großen Flächen, die wir in Tegel und in Tempelhof zur Verfügung stellen können. Ich bin froh, dass sich der Regierende Bürgermeister so dafür einsetzt, dass aus dem dann ehemaligen Flughafen Tegel ein Technologiepark wird, und in diesem Technologiepark müssen selbstverständlich auch Industrieflächen zur Verfügung gestellt werden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Siemens hat zusammen mit dem Land Berlin in einer Studie deutlich gemacht, dass Berlin Platz acht im europaweiten Wettbewerb der umwelt- und klimafreundlichsten Städte einnimmt. Wir sind da besonders engagiert und haben viele Kompetenzen, auf die wir weiter setzen müssen.

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Ich sage das ganz bewusst auch in Bezug auf das Klimaschutzgesetz. Es ist ein richtiger und wichtiger Schritt, auch ein Klimaschutzgesetz voranzubringen. Wir müssen hier klare Akzente setzen, und es wird nicht so sein, dass man Klimapolitik betreiben kann, ohne dass es jemand merkt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]