Protokoll der Sitzung vom 14.01.2010

Denn Bologna ist mehr als Bachelor und Master, Bologna ist auch die soziale Öffnung der Hochschulen. Aber die erreichen Sie so nicht. Studiengebühren schrecken ab, und weder Ihre Stipendien noch diese armselige BAföGErhöhung von gestern, die weit hinter dem Notwendigen zurückbleibt, werden das irgendwie kompensieren.

Und dann kommen Sie noch zu einem „Bildungssoli“. Den Begriff haben Sie sich bei uns mal nett ausgeborgt, aber während wir dabei von einem Bestandteil des Steuersystems reden, ist das bei Ihnen eine Zwangsabgabe für Kinderlose über 25. Das verstehe ich jetzt wirklich nicht mehr, und ich bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen im Fachausschuss, was das jetzt soll.

Allein schon deswegen meine ich auch, dass wir die Debatte im Fachausschuss gründlich führen müssen, denn einem Antrag, der hinten dran Gebühren so aufnimmt, können wir nicht zustimmen.

Frau Abgeordnete Schillhaneck! Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin! – Ich würde aber gern konstruktiv und gemeinsam mit Ihnen und der Koalition die guten Punkte in Ihrem Antrag retten, denn nur dann können wir gemeinsam die Situation verbessern. Das sollten wir auch tun. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Für die Linksfraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Albers das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Auf die Diskussion im Ausschuss freue ich mich auch schon, Frau Schillhaneck! – Die CDU hat ihr Herz für die Studierenden entdeckt und legt diesen Entschließungsantrag vor – „Solidarität im Bildungsstreik – Studierbarkeit gewährleisten!"“– Die Botschaft hör ich wohl, aber „Studierbarkeit gewährleisten“ heißt dann auch, die existenzsichernden materiellen Voraussetzungen für ein Studium zu schaffen. Sie haben das jetzt auf Bundesebene in der Hand. Wie ernst sie das nehmen, ist gerade schon geschildert worden. Ideen eines Stipendiensystems auf der Basis von Mäzenatentum bei gleichzeitigem Festhalten an Studiengebühren sind sicher nicht dazu angetan, die Studierbarkeit zu gewährleisten. Wir haben in Berlin über die Hochschulverträge die materielle Grundlage trotz Haushaltsnotlage mit überprozentualem Zuwachs im Haushalt gesichert.

Sie fordern Solidarität im Bildungsstreik. Zur Solidarität im Bildungsstreik gehört es aber ebenfalls – und das zeigt gerade die Diskussion um die Auswirkungen der Bologna-Reform auf die Studierfähigkeit –, dass es notwendig ist, Mitbestimmungsstrukturen an den Hochschulen weiter auszubauen und zu stärken. Ich bin gespannt, wie weit Ihre Solidarität dabei geht und wie Sie sich dazu verhalten werden, wenn es um die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes gehen wird. Die begründete Unruhe an unseren Hochschulen belegt, dass die Bologna-Reform in ihrer ursprünglichen Intention zunächst einmal gescheitert zu sein scheint. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es fehlt an der Zeit, auf alle einzugehen. In den neuen Studiengängen bleibt für Selbstdenken und Auslandsaufenthalt keine Zeit. Der Bachelorabschluss wurde auf Teufel komm raus auf Berufsfähigkeit – die allerdings dann reduziert auf Employability – getrimmt.

Die Konsequenz daraus hat Gesine Schwan sehr gut auf den Punkt gebracht: Der Geist ist aus den Hochschulen

ausgezogen. – Die Universität im Sinne Humboldts war immer mehr als bloße Ausbildungsanstalt. Wissenschaft ist mehr als nur der spezialisierte Erkenntnisprozess zur Grundlegung technischer oder sozialer Anwendungen. Wissenschaft ist die Art und Weise, in der aufgeklärte Menschen ihr Welt- und Selbstverhältnis artikulieren. Universitäten sind Orte und Horte kritischer Reflektion gesellschaftlicher Entwicklungen. Wir haben uns durch den Bologna-Prozess so, wie er realisiert wurde, weit von solchen Zielsetzungen im Sinne Humboldts entfernt. Das ist eine gefährliche gesellschaftliche Entwicklung, und deswegen braucht es die grundlegende Reform der Reformen.

Das Problem Bologna ist allerdings auch nicht auf Berliner Ebene zu lösen. Es muss auf Bundesebene, ja auf europäischer Ebene gelöst werden. Insofern sehe ich nicht vorrangig den Sinn einer Berliner Bologna-ReformKonferenz. Das greift viel zu kurz. Aber noch aus einem anderen Grund halte ich eine solche Konferenz im Moment nicht für sinnvoll. Auch die Hochschulen selbst sind jetzt in der Verantwortung. Es hilft nicht, permanent gegen die Politik Autonomie für sich einzufordern, sich dann aber der Verantwortung, die daraus erwächst, zu entziehen.

Zum Teil sind die Probleme auch hausgemacht. Herr Zimmer! Vieles von dem, was Sie hier gefordert haben, ist originäre Aufgabe der Selbstverwaltung unserer Universitäten. Viele der verantwortlichen Herren Professoren im stillen Kämmerlein haben eben ohne die jetzt einzufordernde Mitarbeit und Mitbestimmung der Studierenden ihre Studiengänge so konzipiert, dass zunächst einmal alles hineingepackt wurde – nicht zuletzt auch, um die jeweils eigene Bedeutung entsprechend zu wichten. Der eigenen Reputation mag das vermeintlich geholfen haben, der Studierbarkeit ihrer Fächer ganz sicher nicht. Die Hochschulen sind gut beraten, zuallererst in einer strukturierten Kooperation mit den Studierenden diese völlig überfrachteten Studiengänge zu entschlacken und den damit verbundenen Prüfungswahnsinn zu beenden. Das geht aber auch ohne Ihre Konferenz.

Es fehlt die Zeit, aber zu einer Preziose Ihres Antrags will ich noch etwas sagen: Sie fordern einen „Bildungssoli“. Diese verniedlichende Begriffsform! Das ist eine alte Idee – auch der Grünen, aber auch der SPD. Die SPD wollte diesen Beitrag bei den gut Verdienenden erheben, und darüber kann man ja auch reden. Aber als die SPD diese Forderung 2009 in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat, Herr Zimmer, ist Ihr Generalsekretär Pofalla wie ein Springteufelchen aus der Kiste gehüpft. „Focus-online“ vom 9. März 2009:

„Bildungssoli“ – Empörung über SPD-Steuerpläne: Die CDU zeigt sich entsetzt über die Steuerpläne ihres Koalitionspartners. Sie fürchtet erheblichen Schaden für den Mittelstand.

So ist sie nun mal, unsere CDU. Mangels eigener Ideen präsentiert sie uns diese Forderung, allerdings in einer für sie so typischen, skurril modifizierten Art.

[Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Sie fordert in ihrem Antrag den Senat auf, isoliert in und für Berlin einen solchen Beitrag zu erheben. Das soll nicht etwa bei den besser Verdienenden geschehen. Nein! Jetzt sollen – so definiert sich christdemokratische Gerechtigkeit – alle kinderlosen Alleinstehenden zwischen 25 und 55 Jahren – ob mit Einkommen oder ohne, ob selber Student oder nicht – eine solche Abgabe leisten.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Jetzt verstehe ich Ihre plakativen Überschriften: Solche Anträge kann man wirklich nur in der Hoffnung schreiben, dass sie niemand liest.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie machen den Leuten im wahrsten Sinne des Wortes ein X für ein U vor. Nur die Überschrift soll hängen bleiben. Prima! Aber nehmen Sie diese Forderung doch in Ihr nächstes Berliner Wahlprogramm, Herr Zimmer! Wir danken dann auch schön dafür.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dragowski das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Sie wollen in dem Antrag viel, bieten jedoch keine oder politisch falsche Lösungen an.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Ihre Anleihen bei den Grünen für die Forderung nach einer Bologna-Reform-Konferenz und bei der SPD und den Grünen für einen „Bildungssoli“ lassen mich fragen, ob die CDU nun durch wissenschaftspolitische Beliebigkeit zur konturlosen wissenschaftlichen Volkspartei werden will.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und Lars Oberg (SPD) – Zurufe]

Herr Oberg! Freuen Sie sich nicht zu früh! Wo wir gerade über das Thema Bologna sprechen: Sie haben gerade diesen „Runden Tisch Studierbarkeit“ gelobt, und Sie, Herr Albers, haben gesagt, das Bologna-Problem sei nicht in Berlin zu lösen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Durch den Berliner Senat!]

Dazu muss ich mal folgenden Punkt vorbringen: Für die Finanzierung von Bologna, die bislang durch den Berliner Senat für die Hochschulen nicht erfolgte, ist vor allem das Land Berlin verantwortlich. Da warten wir auch auf Ihre Taten. Da reicht es nicht, von irgendwelchen angeblichen

Steigerungen der Beträge für die Hochschulen in den Hochschulverträgen zu sprechen. Was ist mit den 15 Prozent Mehrbedarf für Bologna? Die können wir bisher nicht erkennen. Anstatt Runde Tische, die nichts kosten, zu loben, handeln Sie endlich und geben den Hochschulen mehr Geld, damit sie die Bologna-Reform umsetzen können!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Sie wollen, dass alle Curricula der neuen Studiengänge überarbeitet und erneuert werden. Aber ich frage Sie, gerade vor dem Hintergrund der Betreuungsrelationen: Wer soll das alles leisten? Wer soll das alles überarbeiten und erneuern? Diese Ressourcen fehlen dann in der Betreuung der Studierenden und in der Lehre. Wir als Liberale setzen hier auf die Hochschulen und die Hochschulgremien. Sollen doch die Gremien der Hochschulen entscheiden, wo Änderungsbedarf besteht! Die Studierenden sind in den Hochschulgremien vertreten, sei es im Akademischen Senat oder in den Kommissionen für Lehre. Insoweit – das hat der Kollege Albers auch gesagt – sind die Hochschulen mit am Zuge und müssen auch ihren Beitrag leisten. Dazu brauchen sie sicherlich keine Anträge aus dem Berliner Abgeordnetenhaus und keine BolognaReformkonferenzen.

[Beifall bei der FDP]

Zu dem Thema Stipendien: Sie wollen Landesstipendien für junge Menschen aus bildungsfernen oder sozial schwachen Familien. Wir als FDP-Fraktion haben auch in den vergangenen Plenarsitzungen ein Stipendienprogramm für Berliner Studierende gefordert. Jedoch betonen wir im Unterschied zu Ihnen ganz klar:

[Mieke Senftleben (FDP): Leistung!]

Wir wollen Stipendien für die Studierenden mit den besten Leistungen.

[Beifall bei der FDP]

Das müssen wir ganz klar festhalten.

Die Sicherstellung, dass wir auch Studierenden aus sozial schwachen Familien den Zugang zur Hochschule finanziell ermöglichen, erfolgt durch das BAföG. Da können Sie über zwei Prozent BAföG-Erhöhung meckern, wie Sie wollen. Wir haben uns auch einmal umgehört. Die Länder waren bisher nicht so erfreut und so kooperativ, wenn es um das Thema BAföG-Erhöhungen ging, weil sie kofinanzieren müssen. Also dann treiben Sie Ihren Berliner Senat dazu, dass er freudig mit der Bundesebene über BAföG-Erhöhungen verhandelt! Stellen Sie die Gelder für BAföG-Erhöhungen im Landeshaushalt bereit! Dann gibt es sicherlich bessere Reaktionen auf Bundesebene. Aber einfach nur im Berliner Abgeordnetenhaus zu meckern, reicht nicht.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie davon sprechen, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, und den Ansatz teilen wir, dass Sie

mehr jungen Menschen aus bildungsfernen Familien den Hochschulzugang ermöglichen wollen, dann schließen Sie sich unserer Forderung an! Wir als FDP-Fraktion fordern, dass die Initiative arbeiterkind.de durch den Berliner Senat unterstützt wird. Ich möchte einige Punkte zu der Initiative nennen, falls sie noch nicht alle kennen. Die Initiative arbeiterkind.de ermutigt Schülerinnen und Schüler nichtakademischer Herkunft zum Studium unter unterstützt sie auf ihrem Weg zum erfolgreichen Studienabschluss. Auf arbeiterkind.de können sich die Schülerinnen und Schüler über die Vorteile eines Studiums und die hervorragenden Berufsperspektiven für Akademiker informieren. Außerdem werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich ein Studium finanzieren lässt. Neben dem BAföG werden auch Studierende nichtakademischer Herkunft vorgestellt, die sich erfolgreich um Stipendien bei staatlichen und privaten Stiftungen beworben haben. Das heißt, es gibt konkrete Ansätze, und hier sollten wir aktiv werden und nicht verschiedene Tatbestände vermischen.

Ein letztes Wort zur Hochschulfinanzierung: Unklar ist mir auch Ihre Forderung nach einer Risikoabschirmung für die Studierenden und Hochschulen durch das Land Berlin. Müssen wir das so verstehen, dass Sie gegen eine leistungsorientierte Hochschulfinanzierung grundsätzlicher Art sind? Wir Liberale sind der Ansicht, dass eine leistungsorientierte Hochschulfinanzierung zu besseren Leistungen in Lehre und Forschung führt. Der entscheidende Punkt ist nur die konkrete Ausgestaltung eines solchen Hochschulfinanzierungssystems. Hier hat der Senat mit den Hochschulen bisher kein vernünftiges Konzept. Hier können wir den Senat auffordern, endlich aktiv zu werden. Das Preismodell hat die Kollegin Schillhaneck schon angesprochen. So funktioniert es nicht.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Hier haben Sie sicherlich die Möglichkeit, den Antrag so zu ändern, dass auch wir als FDP-Fraktion zustimmen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2898 an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Die lfd. Nr. 5 war gemeinsame Priorität der Koalitionsfraktionen unter dem Tagesordnungspunkt 4 b. Die lfd. Nr. 6 steht auf der Konsensliste.

Lfd. Nr. 6 A:

Dringliche I. Lesung