Protokoll der Sitzung vom 14.01.2010

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir stehen zu unserer Verantwortung, wir ziehen aber auch Konsequenzen daraus und reden nicht nur herum.

Übrigens zu Ihrem Fraktionskollegen, Herrn Meyer: Herr Meyer! Was Sie hier alles gefordert haben, was man jetzt alles machen sollte und was Sie hier mit Anträgen auf Entschädigung sagen: Stellen Sie doch einmal den S-Bahnfahrgästen Ihren Dienstwagen zur Verfügung! Dann würden Sie einen sinnvolleren Beitrag leisten als mit Ihren komischen Anträgen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Och! von der CDU – Frank Henkel (CDU): Dienstfahrrad!]

Zurück zum Thema: Für uns steht im Mittelpunkt aller Überlegungen, sich nie wieder in solcher Form Dritten auszuliefern. Deshalb sind auch die Forderungen nach sofortiger – –

[Unruhe]

Herr Präsident! Könnten Sie vielleicht für etwas Ruhe sorgen und so lange die Uhr anhalten?

Meine Damen und Herren! Würden Sie bitte dem Redner mehr zuhören!

[Zurufe]

Nein! Es gibt jetzt keine Zwischenfragen mehr. Ich muss leider meine Restredezeit noch für ein paar Erläuterungen nutzen, auf die Sie ja ganz begierig warten.

Für uns steht im Mittelpunkt aller Überlegungen, sich nie wieder in solcher Form Dritten auszuliefern. Deshalb sind auch alle Forderungen nach sofortiger Komplettausschreibung des S-Bahnverkehrs falsch und lediglich ver

stockte Glaubensbekenntnisse einer gescheiterten Privatisierungsideologie der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen, die ja zur Öko-FDP mutiert sind.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch die CDU hat in den letzten Monaten die Ausschreibung beschworen und erst vor drei Tagen eine unglaubwürdige Kehrtwendung gemacht. Für uns ist vor allem sicherzustellen, dass die wichtigen Betriebsmittel direkt vom Land Berlin kontrolliert werden – das lässt sich nicht durch noch so kleinteilige Verträge gewährleisten. Das kann eine neu zu gründende oder bestehende landeseigene Gesellschaft übernehmen; wer den Betrieb dann tatsächlich durchführt, kann unabhängig davon entschieden werden.

Wir können die aktuellen Probleme bei der S-Bahn nicht kurzfristig lösen, wir müssen aber alles in Bewegung setzen, damit die Bahn AG zum einen die Belastungen für die Fahrgäste so gering wie möglich hält – durch Ersatzverkehr, gute Informationen und Servicepersonal auf den Bahnsteigen, das die Auswirkungen abmildert –, zum anderen die Fehlentscheidungen der Vergangenheit aufhebt und massiv in die S-Bahn investiert.

Über den aktuellen Fall der S-Bahn hinaus sollten wir für den gesamten Bahnkonzern ein Umsteuern einfordern; die Bahn ist ein Unternehmen der Daseinsvorsorge für die Menschen und nicht der Boni-Maximierung für einige Manager. Hier sind Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht, Fehlentwicklungen der Bahnreform zu erkennen und für schnelle Veränderungen zu sorgen; das Land Berlin wird dazu seinen Beitrag leisten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von den Grünen: Wann denn? – Zuruf von der FDP: Welchen denn?]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Friederici das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer das Gleiche mit Herrn Gaebler. Es gibt Krisen, Katastrophen, schlimme Situationen in Berlin, die SPD regiert seit acht Jahren, aber Verantwortung will sie einfach nicht übernehmen – es ist immer das Gleiche!

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)]

Die katastrophale Verkehrsleistung der Berliner S-Bahn bewegt alle Berlinerinnen und Berliner. Alle Zeitungen schreiben täglich über die S-Bahn, RBB und TV.Berlin senden jeden Tag dazu. Endlich haben sich auch SPD und Linkspartei dazu durchringen können – Sie haben sich ja erst in den letzten 48 Stunden dazu entschlossen –, heute endlich die S-Bahn zum Thema zu machen.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Die Menschen in unserer Stadt diskutieren im Moment über nichts anderes. Ich weiß ja nicht, ob die Herrschaften Wowereit und Junge-Reyer, wenn sie in die Kantine gehen oder vielleicht ja auch S-Bahn fahren sollten – so wie ich –, die Ohren aufmachen. Dann würden Sie den gerechten Zorn über die S-Bahn und das Nichtstun des politisch hierfür verantwortlichen Senats aufnehmen können. Ich glaube aber nicht, dass Sie beide sich dort im Moment gerne blicken lassen – unseren Regierenden Bürgermeister muss man allerdings entschuldigen: Wer nach vier Wochen Weihnachts- und Winterurlaub endlich wieder zurück ist, bekommt natürlich nicht alles mit.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Heiterkeit bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion: Billig!]

Der Auftritt des urlaubserholten Herrn Wowereit in der Pressekonferenz am Dienstag entsprach ganz seiner üblichen Basta-Politik. Jetzt will er endlich ein ChefGespräch mit dem Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, führen.

[Oh! von der CDU]

Wer hätte das gedacht? – Nach 13 Monaten S-Bahnkrise ist Herr Wowereit wieder in der Berliner Landespolitik angekommen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der CDU-Fraktion ist das Thema S-Bahn sehr, sehr wichtig. Ein Weiter-so! in der Krise kann es nicht mehr geben. Es ist nicht damit getan, dass wir im Verkehrsausschuss in fast jeder Sitzung vom Senat erklärt bekommen, man habe mit der S-Bahn gesprochen und bald werde alles wieder besser. Das hören wir von Senat und S-Bahn seit einem Jahr. Die Landesregierung muss hier und heute in der Aktuellen Stunde erklären, wann sie endlich tief greifende Konsequenzen ziehen will.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, Frau Senatorin Junge-Reyer im November 2009 in der Fragestunde gefragt zu haben: Ist die S-Bahn fit für den Winter? – Darauf sagte sie sinngemäß, ja, die S-Bahn habe ihr versichert, es gäbe keine Winterprobleme. Genau das ist das Problem dieses erfolglosen roten Senats: Sie, der Senat, verlassen sich darauf, was man Ihnen sagt, Sie sind als Senat nicht willens und in der Lage gewesen, selbst die Wintervorbereitungen der Bahn zu überprüfen. Es interessiert Sie überhaupt nicht, Fachbeamte in die Werkstätten zu führen und sich selbst davon zu überzeugen, ob das stattfindet, was man Ihnen sagt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ist das nun Unfähigkeit, Trägheit oder die übliche EgalHaltung des Berliner Senats? – Alles, was der Senat anpackt, geht schief: Die S-Bahn, die Vermarktung des ehemaligen Flughafens Tempelhof, das WLAN-Netz, keine Kriminalitätsbekämpfung bei brennenden Autos in der Nacht – nichts funktioniert in dieser Stadt!

[Zurufe von Martina Michels (Linksfraktion) und Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

SPD und Linkspartei verwalten nur noch die eigene Unfähigkeit! Rette sich, wer kann, bis zum nächsten Wahltermin 2011!, das ist die Regierungsparole.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Es ist richtig, die S-Bahn und die Deutsche Bahn sind Verursacher des S-Bahn-Verkehrsdesasters – weil die Börsengangabsichten der SPD-Genossen Gerhard Schröder und der diversen Verkehrsminister – zum Schluss war es Tiefensee – und von S-Bahn-Chef Mehdorn zu massivem Personalabbau, zu Fahrzeugverschrottung und Werkstattschließungen geführt haben.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Die sind schuld, nicht der Winter!

Verursacher des Chaos ist die S-Bahn, verantwortlich für das Chaos ist der Berliner Senat, denn Sie tragen seit acht Jahren Regierungsverantwortung und Verkehrsverantwortung in Berlin.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Sie sind für das Funktionieren und Nichtfunktionieren des Verkehrs in Berlin verantwortlich.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Die CDU-Fraktion hat fünf zentrale Fragen in der Aktuellen Stunde. Erstens: Warum schafft es SPD-Senatorin Junge-Reyer nicht, als Anwältin der Fahrgäste machtvoll und stark gegenüber S-Bahn und Deutsche Bahn aufzutreten? Warum werden die Zahlungen des Senats an die S-Bahn nicht deutlicher reduziert? – Das ist das einzige wirkungsvolle Druckmittel, das dem Senat noch bleibt!

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Zweitens: Was haben die Nachverhandlungen des Senats mit der S-Bahn gebracht? – Es muss doch endlich irgendwelche Fortschritte geben! Uns ist es völlig rätselhaft, wieso die Senatorin seit drei Monaten mit der S-Bahn verhandelt – oder eben auch nicht verhandelt. Dabei sind die Fakten doch klar: Die S-Bahn fährt deutlich reduziert, und wir, das Land Berlin, zahlen zu viel. Jeder Monat dieser trägen Verhandlungsleistung des Senats kostet Berlin massiv Geld. Das ist unverantwortlich gegenüber dem Steuerzahler und den Berlinerinnen und Berlinern, die S-Bahn fahren.

Drittens: Warum hat der Senat als ein Vertragspartner zugesehen, als Werkstätten geschlossen wurden und massiver Personalabbau stattgefunden hat? Warum hat sich der Senat nicht an die Seite des Betriebsrats unter ihrem Vorsitzenden Wegner gestellt – den ich hier übrigens herzlich begrüße –, der immer und immer wieder drei lange Jahre vor den zu erwartenden und nun eingetretenen schlimmen Folgen warnte?

[Beifall bei der CDU – Beifall von Astrid Schneider (Grüne) und Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Wir möchten heute – mit Belegen – wissen, welche Gespräche und Strategien der Senat in den letzten Jahren

unternommen hat, um Werkstattschließungen und Personalabbau zu verhindern. Wir wollen verstehen, weshalb die S-Bahn trotz massiven Protestes des Betriebsrates Personal in Werkstätten abgebaut hat und Werkstätten geschlossen hat. Lag dies möglicherweise an der fehlenden Unterstützung des Senats?

Viertens: Warum vernebelt der Senat die Diskussion über die dubiose S-Bahn-Kaufabsicht, wo doch die Deutsche Bahn nicht im Traum daran denkt, die S-Bahn zu verkaufen? Wie soll Berlin sich das auch leisten können? – SPD und Linkspartei haben gerade einen Doppelhaushalt beschlossen, bei dem die Neuverschuldung völlig aus dem Ruder läuft; wie soll man sich das überhaupt noch leisten können?

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Joachim Esser (Grüne)]