Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Volker Thiel (FDP)]

Es gibt tatsächlich ein Problem, was den offenen Katalog von „Daseinsvorsorge“ angeht, den der Antrag der Grünen vorgibt. Man kann ja darüber reden – und das sollten wir auch –, ob das, was im derzeitigen Koalitionsantrag steht, ausreicht, aber der Daseinsvorsorgebegriff von Forsthoff ist kein Rechtsbegriff, sondern ein beschreibender Begriff und insofern offen. Wenn wir vermeiden wollen, dass wir uns jedes Mal im Parlament darüber streiten, ob ein Vertrag wie der mit „Bread and Butter“, die Vermietung städtischer Immobilien u. Ä. zur Daseinsvorsorge gehören oder nicht, bin ich für Rechtsklarheit. Den Ärger sollten wir vermeiden. Wir sollten politisch definieren, in welchen Bereichen wir die Offenlegung wollen, und dort sollten wir sie machen. Ich persönlich will ja gar nicht privatisieren, weder im Strafvollzug noch in der Bildung. Ich will eine Vorkehrung treffen für den Fall, dass uns das Europarecht oder andere rechtliche Vorschriften verpflichten, bestimmte Bereiche der Daseinsvorsorge auszuschreiben und an Private zu vergeben. Da muss Transparenz her. Das ist mir wichtig.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Noch eine Bemerkung zur Rolle des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit: Ich bin der Ansicht, die Entscheidungsbehörde zur Transparenzfrage sollte an dieser Stelle der Senat sein, der sich sinnvollerweise auch des Rats des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit versichert. Warum? – Die Exekutive, der Senat ist dem Parlament verpflichtet und kann von uns in Anspruch genommen werden. Die Kontrolle ist darüber gewährleistet, dass man klagen kann. Man kann rechtliche Ansprüche geltend machen, und dann prüfen Gerichte. Ich finde, das ist genug Kontrolle. Das soll auch so sein. Der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sollte seine Kompetenz im Bußgeldbereich genauso behalten wie in der Beratung und Unterstützung von Exekutive und Legislative bei der Klärung datenschutz- und informationsrechtlicher Fragestellungen.

Das dritte Problem bezieht sich auf die rückwirkenden Konsequenzen eines solchen Gesetzes. Dazu haben der Kollege Ratzmann und ich beim „Wassertisch“ das selbe Problem angesprochen. Man muss sich damit auseinandersetzen, dass sich das Land – angesichts der Tatsache,

dass seinerzeit zwei Seiten Vertraulichkeit vereinbart haben – nicht dem Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung seiner Gesetzgebungskompetenz aussetzen darf. Ich hielt das schon damals für politisch falsch, aber es steht in den Verträgen. Damit muss man umgehen. Deswegen war ich ein bisschen über die Resolution der Grünen erstaunt. Das, was die Stärke des grünen Antrags zum Informationsfreiheitsgesetz ausmacht, taucht in der grünen Entschließung nicht mehr auf. Das ist – vorsichtig ausgedrückt – eine Inkonsequenz. Sie sollten in Ihrem Entschließungsantrag nicht mehr suggerieren, als Ihr Änderungsantrag zum Informationsfreiheitsgesetz hergibt.

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Das ist mir wichtig. Insofern finde ich das ein bisschen plakativ. Sie wissen doch, wo die Grenzen des uns Möglichen sind. Die sollten wir miteinander ausloten.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Jotzo. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kugler! Ich glaube, wir sollten darin übereinstimmen, dass die Frage, wie viel man zu einem Thema zu sagen hat, nicht davon abhängt, ob man es schafft, zu einem Tagesordnungspunkt einer anderen Fraktion möglichst viele Dringlichkeitsanträge ins Plenum einzubringen. Es sollte vielmehr darauf ankommen, ob man in den Ausschussberatungen zu einem sachdienlichen Ergebnis beiträgt.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Benedikt Lux (Grüne) – Christian Gaebler (SPD): Da sind wir gespannt!]

Ich will Ihnen entgegenkommen, denn das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Berlin ist ein ganz zentrales und wichtiges Gesetz für uns Liberale. Es geht darum, dass der Staat keine Blackbox sein darf. Staatliches Handeln soll transparent, nachvollziehbar und publik sein. Weil das ein ganz wichtiger Grundsatz ist, darf man ihn nach Meinung der Liberalen auch nicht dadurch relativieren, dass man Kataloge in ein Gesetz hineinschreibt, wonach bestimmte Verträge oder Vertragspartner privilegiert oder diskriminiert werden. Wir wollen ein gleich hohes Niveau an Informationsfreiheit für alle Verträge und Aktionen des Staates, und zwar egal in welchem Bereich, dem der Daseinsvorsorge, der Grundversorgung usw. Der Weg, den die Entwürfe der Grünen und von Rot-Rot gehen, ist falsch, da sie die Daseinsvorsorge im IFG herausheben wollen. Das wird der Sache nicht gerecht.

[Beifall bei der FDP]

Die eigentliche Frage – deswegen sind Ihre Anträge überarbeitungsbedürftig – ist doch nicht, ob wir eine bestimmte Gruppe von Verträgen besonders behandeln wollen. Vielmehr ist die Frage, die sich beim „Wasservolksbegehren“ stellt: Was ist eigentlich ein Betriebs- und ein Geschäftsgeheimnis, und welche Definition lassen wir für die Vertragsparteien zu? Ist es mit dem Informationsfreiheitsgesetz vereinbar, wenn ein Staat eine Vereinbarung mit Privaten trifft, wonach alles, was in dem Vertrag steht, plötzlich Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist? – Da sagen wir Liberalen ganz klar : Nein!

[Beifall bei der FDP]

Die Frage ist nicht, welche Gruppe von Verträgen oder Vertragspartnern wir definieren, sondern wie wir mit der geltenden Systematik so umgehen, dass wir das Ergebnis erreichen, das das Informationsfreiheitsgesetz in seiner klaren und einfachen Struktur bereits enthält. Dem müssen wir Geltung verschaffen.

[Beifall bei der FDP]

Die Einlassung, die von der Linksfraktion zum Entschließungsantrag der Grünen kam, halten wir für richtig. In der Tat werden die schwierigen rechtlichen Aspekte hier nicht erfasst, insbesondere nicht der des Vertrauensschutzes für die damals vertragschließenden Parteien. Auch das bedarf einer Würdigung. Da geht der grüne Entschließungsantrag nicht weit genug.

Zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen: Das ist eine relativ leichte Angelegenheit, denn alles, was Sie da schreiben, sind befürwortenswerte Allgemeinplätze. Sie haben aber mit der hiesigen Problematik und insbesondere dem, was Ihr Gesetzentwurf vorsieht, nichts zu tun. Insbesondere unter Punkt III lassen Sie sich lange zur informationellen Selbstbestimmung aus, während Sie in Ihrem dringlichen Antrag eine „Drei-Monats-Erpressung“ von Altvertragspartnern vorsehen. Wir werden im Ausschuss diskutieren, ob das der richtige Umgang ist. Ihrem völlig entschärften Entschließungsantrag kann man bedenkenlos zustimmen. Es stellt sich allenfalls, meine Damen und Herren von der SPD, zum Punkt I, wo Sie sind endlich für konkrete Verhandlungen mit den Anteilseignern der Berliner Wasserbetriebe für eine vollständige Offenlegung einsetzen wollen, die Frage, warum Sie das in den letzten elf Jahren nicht schon gemacht haben.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen]

Wenn Sie sich jetzt für eine Veränderung der Verträge im Interesse der Berlinerinnen und Berliner einsetzen wollen, dann begrüßen wir das als FDP-Fraktion ausdrücklich. Wir fragen uns nur: Warum haben Sie und Ihre Kollegen von der CDU diese Verträge so gestaltet, dass sie nicht nur eine Intransparenz vorsehen, sondern den Bürgerinnen und Bürgern auch Jahr für Jahr das Geld aus der Tasche ziehen? Der Kollege Melzer hat bereits gesagt, dass es um Hunderte Millionen Euro geht, die die Bürgerinnen

und Bürger für diesen Pseudoprivatisierungsschwachsinn zahlen mussten.

[Beifall bei der FDP]

Ich habe eine ganz andere Vermutung, nämlich dass die Veröffentlichung dieser Verträge aus politischen Gründen unterbleibt. Sie wollen nämlich nicht, dass das, was Sie damals zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger vereinbart haben, das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Das ist auch die einzige Erklärung dafür, dass der Inhalt dieser im Grunde relativ belanglosen Verträge, der längst in der Zeitung stand, noch nicht auf dem Tisch liegt. Das können sich SPD und CDU ins Stammbuch schreiben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Vorabüberweisung der Drucksache 16/2928 hatten Sie bereits eingangs nachträglich zugestimmt.

Zur Drucksache 16/2939 wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung mit der Bitte um Behandlung im Unterausschuss Datenschutz und Informationsfreiheit vorgeschlagen. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Über den Antrag der Fraktion der Grünen „Wasserverträge offenlegen“ soll nun sofort abgestimmt werden. Wer dem Antrag Drucksache 16/2929 zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der CDU-Fraktion ist der Antrag abgelehnt.

Zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 16/2949 ist ebenfalls die sofortige Abstimmung beantragt worden, die ich nun durchführe. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und der FDP. Wer ist dagegen? – Dagegen ist die Fraktion der Grünen. Enthaltungen sehe ich nicht, dann ist das so beschlossen.

Ich komme zu

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung zuständigkeitsrechtlicher Vorschriften

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/2905 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2584

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III – Drucksachen 16/2584 und 16/2905.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Fachausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung von Grünen und FDP, die Gesetzesvorlage Drucksache 16/2584 mit Änderung anzunehmen. Wer der Vorlage mit der Änderung Drucksache 16/2905 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CDU, sind die Fraktionen der SPD und der Linken. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das bei Enthaltung der Fraktionen der Grünen und der FDP so beschlossen. – Damit ist das Gesetz zur Änderung zuständigkeitsrechtlicher Vorschriften so beschlossen.

Die lfd. Nr. 6 war Priorität der SPD unter dem Tagesordnungspunkt 4 c.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 6 A:

Dringliche II. Lesung

Gesetz zum Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Beschlussempfehlungen EuroBundMedienBerlBra und Haupt Drs 16/2944 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2876

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden, und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung und die Paragraphen 1 und 2, Drucksache 16/2876.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Beide Ausschüsse empfehlen mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der Grünen und der Fraktion der FDP die Annahme der Gesetzesvorlage. Wer dem Gesetz Drucksache 16/2876 also zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen der Grünen und der FDP. Damit ist das Gesetz zum Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag so beschlossen.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 7:

I. Lesung

Gesetz zum Vertrag über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern – Vertrag zur Ausführung von Artikel 91c GG

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2916