Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

Wir können ja gleich heute damit anfangen, dass Sie mal ein bisschen was sagen!

Die SPD-Fraktion will jedenfalls eine Verschärfung des Informationsfreiheitsgesetzes für den Kernbereich der Daseinsvorsorge, mehr Transparenz und Publizität, Rechtssicherheit für zukünftig zu schließende Verträge und eine Rückwirkung im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir das rechtssicher hinkriegen! Der vorliegende Koalitionsentwurf ist aus unserer Sicht ein guter Ansatz dafür. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Kugler! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Lux von der Fraktion der Grünen.

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Kugler! Nach meiner Wahrnehmung drückt sich die SPD vor den entscheidenden Fragen, nämlich erstens: Wo soll der Schaden liegen? – Das Argument „Schaden“ ist seit mehreren Monaten im Raum. Aber wo genau soll dieser Schaden liegen? Wieso hat die Senatsverwaltung nicht bereits geprüft, wodurch ein Schaden verursacht werden könnte, und dann die Akten zumindest im restlichen Bestandteil offengelegt? Sie sagen seit Monaten, dass Sie die Verträge aufdecken wollen, aber fürchten sich vor einem Schaden, bloß kommen Sie nicht weiter mit Ihren Schritten. Der haltlose, fast skandalöse Zustand ist ja, dass fast alle Senatoren sagen, ja, wir wollen, aber niemand es tut. Ich finde, hierauf haben die Berlinerinnen und Berliner einen Anspruch, dass jetzt endlich Entscheidungen fallen und in diesem Land endlich was passiert.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Punkt 2: Sie sagen, Ihr Vorteil im Gesetzentwurf sei, die öffentliche Grundversorgung wäre abschließend durch Landesrecht geregelt. Hier bitte ich Sie inständig im Interesse nicht nur der Grünen, sondern auch der künftigen Generationen, die vielleicht noch von Privatisierungsmaßnahmen betroffen sein werden – und ich weiß, dass da auch kritische Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind –: Bitte denken Sie darüber nach, weshalb Sie diesen Katalog der öffentlichen Grundversorgung nicht abschließend regeln sollten! Sie haben nicht die Bildung, die Gesundheit, den Wohnungsbau und den Strafvollzug drin, der in manchen Ländern schon privatisiert wird, der hier im Maßregelvollzug und in der Psychiatrie teilweise schon, bestimmte Aufgaben jedenfalls davon, privatisiert wird. Warum haben Sie das in Ihrem Begriff nicht drin? Warum haben Sie da keine Generalklausel drin?

[Zuruf von Michael Müller (SPD)]

Der Eindruck bleibt doch, dass Sie den Katalog dichtmachen und in diesem Bereich vielleicht veröffentlichen, aber in den anderen Bereichen nichts geht. Das darf doch nach Ihrem Anspruch nicht sein, wenn wir da auf einer Seite stehen.

[Beifall bei den Grünen]

Der letzte Punkt, weil ich es nur geradestellen will: Der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist bereits jetzt mit Exekutivrechten ausgestattet. Er darf Bußgelder verhängen. Er hat im letzten Jahr Bußgelder in Höhe von 1,4 Millionen Euro verhängt, darunter 1,1 Millionen Euro gegen die Deutsche Bahn, ein sehr umfangreiches Bußgeld, wo wir uns froh zeigen können, dass dieser Beauftragte für Datenschutz und Informations

freiheit seine Aufgaben so verantwortungsvoll wahrnimmt. Deswegen denke ich, dass er im Einvernehmen mit der Verwaltung durchaus der richtige Ansprechpartner wäre, denn er kann unabhängig kontrollieren und gewährleisten, dass nicht aus falscher Begründung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Rücksicht genommen wird.

[Beifall bei den Grünen – Senator Dr. Ehrhart Körting: Seit wann ist denn der Justizvollzug Daseinsvorsorge?]

Vielen Dank! – Wird von der SPD das Wort zur Begründung gewünscht? – Herr Kollege Kugler, Sie haben das Wort.

Herr Lux! Sie haben gesagt, es könnte ein Schaden entstehen. Nun, es können eine Menge Schäden entstehen. Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass wir nicht nur diese eine Frage, die sich im Übrigen auf Rückwirkung bezieht, regeln, sondern auch für die Zukunft. Wir wissen doch gar nicht, welche Verträge noch geschlossen werden. Deshalb können Schäden entstehen. Und im Übrigen glaube ich auch, dass wir nicht einfach nur rechtswidrig handeln können.

Zu der Frage der Daseinsvorsorge: Sie haben das wunderbar gemacht. Ihre Aufzählung, die wahrscheinlich noch drei Minuten länger gewesen wäre, wenn Sie die Zeit gehabt hätten, zeigt, dass es notwendig ist, die Daseinsvorsorge zu definieren. Wir sprechen hier von Kernaufgaben. Ich muss zugeben, dass ich soeben das erste Mal gehört habe, dass Bildung ein Teil der Daseinsvorsorge ist. Deshalb muss man es aus unserer Sicht abschließend definieren.

[Beifall bei der SPD]

Zum Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit: In der Tat darf er Bußgelder verhängen. Das ist keine Frage. Er darf aber dem Senat keine Weisung erteilen. Das würde er dann tun, wenn er kontrolliert und anschließend zu einem anderen Ergebnis kommt. Ich glaube – dazu sollten wir ihn befragen –, das wird er auch gar nicht wollen. Das heißt, wir müssen für das, was uns im Prinzip eint, eine andere Lösung finden als die Weisung durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Und ich glaube, das wird uns auch gelingen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat nunmehr der Kollege Melzer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDUFraktion ist der klaren Auffassung, dass die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf einen umfangreichen und sachgerechten Zugang zu Informationen haben. Mehr Informationsfreiheit und ein Mehr an Transparenz sind die richtigen Stichworte in dieser Debatte. Dem möchte ich mich ausdrücklich anschließen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne) und Benedikt Lux (Grüne)]

Eine offene und transparente Informationspolitik wird auch die Akzeptanz zukünftiger Entscheidungen im Regelfall erhöhen können. Deshalb kann und sollte man darüber diskutieren, wie die Beteiligung der Öffentlichkeit bei möglichen zukünftigen Privatisierungen gesichert werden kann. Richtig ist aber auch: Ein schrankenloser Zugang ist vor dem Hintergrund des Datenschutzes und der Datensicherheit eben nicht in jedem Fall bedingungslos möglich.

[Burgunde Grosse (SPD): Na was denn nun?]

Es ist ein verfassungsrechtliches Gebot, dass Datenfreigabe an bestimmte Zwecke gebunden sein muss. Es gibt auch Fälle, da gilt es, den berechtigten Schutz geistigen Eigentums oder auch den Schutz vor Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu wahren. Wir sollten auch alle ein Interesse daran haben, dass das Land Berlin weiterhin als verlässlicher Vertragspartner angesehen wird.

[Beifall bei der CDU]

Das Spannungsfeld zwischen dem Informationsbedürfnis auf der einen Seite und der Wahrung möglicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auf der anderen Seite ist in dem Antrag der Koalitionsfraktionen richtig dargestellt und problematisiert worden. Aber es macht eben auch deutlich: Eine klare Regelung, eine saubere Definition – wir hatten die Diskussion bereits –, eine Lösung dieses Spannungsfeldes, das leistet auch der vorliegende Antrag bisher noch nicht. Es ist eine Absichtserklärung und momentan noch nicht mehr.

Deswegen ist es wichtig, dass wir in den Ausschüssen mit dem Datenschutzbeauftragten, mit weiteren Beteiligten sehr dezidiert über verschiedene Fragen sprechen: Wird mit dem vorliegenden Änderungsvorschlag das gewünschte Mehr an Transparenz überhaupt erreicht? Ist der vorgeschlagene Verfahrensweg – auch was Altverträge betrifft – hinreichend genau beschrieben, und vor allem ist er so transparent, fair und umsetzbar, dass er das eigentliche Ziel auch erfüllt? Ist die vorgeschlagene Regelung tatsächlich bürger- und investorenfreundlich? Die CDU-Fraktion möchte nämlich beides erreichen: Bürgerfreundlichkeit, Transparenz und Investorenfreundlichkeit.

[Beifall bei der CDU]

Und diese Regelung muss rechtssicher sein. Es dürfen keine Schadensersatzansprüche Dritter entsehen. Das heißt auch, dass wir nicht sehenden Auges in eine nicht

rechtssichere Situation hineinfallen dürfen. Diese Punkte wollen wir in den Ausschussberatungen klären.

Und warum ist hier große Sorgfalt angebracht? – Schauen wir uns die Vorgeschichte – im Kern geht es um die Wasserbetriebe – an. Hier wurde monatelang, jahrelang insbesondere von Vertretern der Koalition mit populistischen Schlagwörtern Politik betrieben. Mal hat Senator Wolf, mal der Fraktionsvorsitzende Müller die Offenlegung der Wasserverträge gefordert. Dann haben sich beide miteinander gestritten. Dann gab es einen Parteitagsbeschluss der SPD, dann mal wieder einen der Linken. Bis dahin gab es noch keine Umsetzung. Schlimmer noch: Das Wasservolksbegehren wurde sogar verboten. Die Initiatoren mussten sich ihr Recht auf das Volksbegehren erst vor dem Verfassungsgericht zurückholen. Rot-Rot wollte dieses Volksbegehren verhindern. Deswegen war es bis dato von Ihnen immer nur viel Getöse, aber wenig Substanzielles und kein Ergebnis.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne) und Benedikt Lux (Grüne)]

Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie mit Ihrer Resolution einen neuen Weg einschlagen wollen. Dem stehen wir im Rahmen der Transparenz positiv gegenüber. Lassen Sie mich aber noch zwei Sachen zum Stichwort Transparenz sagen. Wenn Sie schon Transparenz herstellen wollen, dann sagen Sie den Berlinerinnen und Berlinern aber auch, dass das Land Berlin von den Wasserbetrieben ganz besonders stark profitiert: Neben dem Kaufpreis 270 Millionen Euro Stammkapital entzogen, mehr als eine halbe Milliarde Euro Gewinnabführungen. Ich kann die Liste weiterführen – für die nächsten beiden Jahre über 110 Millionen Euro pro Jahr, die Sie den Wasserbetrieben entziehen. Das gehört auch zur Transparenz und Wahrheit und nicht nur die Schelte auf private Investoren.

[Beifall bei der CDU – Björn Jotzo (FDP): Dem Bürger aus der Tasche!]

Ich darf abschließend aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir, die heute eingegangen ist, zitieren:

Der technisch-operative Teil der Partnerschaft bei den Wasserbetrieben ist durchaus erfolgreich. Es gibt viele positive Ansätze. Die vertraglich vereinbarten Leistungen, Mindestinvestitionen, Ansiedlung von Arbeitsplätzen etc. sind von den privaten Investoren eingehalten worden.

Und der letzte Satz, zur Zukunft der Wasserbetriebe, da sagt der Senat:

Es geht darum, die Teilprivatisierungsverträge wirtschaftlich zum Vorteil des Landes und vor allem der Wasserkunden auszurichten.

Kein Wort mehr von Rekommunalisierung! Deswegen sagen wir: Mehr Transparenz, Offenlegung bei den Wasserverträgen und bei zukünftigen Verträgen – ja gern! Rechtssicher muss es sein, aber das heißt noch nicht, dass wir mit nicht vorhandenem Geld, ohne einen Verkäufer zu haben, die Wasserbetriebe wieder kaufen werden. Das

können wir uns nicht leisten. Und davon hat sich der Senat laut Antwort auf die Kleine Anfrage auch verabschiedet. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank!– Nunmehr hat von der Linksfraktion der Kollege Dr. Lederer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gegenstand des Tagesordnungspunktes, den wir gerade verhandeln, hat für mich eine sehr persönliche Dimension, weil mich die Frage des Umgangs mit den Teilprivatisierungsverträgen schon seit sehr langer Zeit bewegt und beschäftigt.

Irgendwo in den Hallen der Senatsfinanzverwaltung liegt sicher noch mein Antrag auf Akteneinsicht zu wissenschaftlichen Zwecken in die Berliner Teilprivatisierungsverträge auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes, ergänzt durch einen Ablehnungsbescheid und einen Widerspruch von mir, der seinerzeit auch vom Datenschutzbeauftragten Prof. Garstka unterstützt worden ist. Ich habe das Verwaltungsgerichtsverfahren seinerzeit angesichts der Dauer derartiger Verfahren im Land Berlin nicht angestrengt,

[Benedikt Lux (Grüne): Schade!]

denn ich hatte, lieber Kollege Lux, nur ein Stipendium für drei Jahre, und irgendwann wollte ich meine Arbeit auch noch schreiben. Insofern ist die wissenschaftliche und politische Reflexion von Vertragsinhalten, die sich auf eine für eine sehr lange Zeit vereinbarte Teilausschreibung eines natürlichen Monopols der Berliner Wasserbetriebe bezog, für mich damals gescheitert. Als ich dann als Abgeordneter Akteneinsicht erhielt, wurden meine Befürchtungen nicht ausgeräumt, sondern eher bestätigt. Insofern ist mir die Offenlegung dieser Verträge persönlich schon lange ein Anliegen.

Die vorliegenden Anträge der Grünen und der Koalition freuen mich daher beide – ich sage das ausdrücklich –, und ich bin der Ansicht, dass sie eine gute Grundlage sind, sich der Frage von Transparenz und Publizität in den wichtigen Bereichen existenzieller städtischer Infrastrukturen zu verschreiben.

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir eine ernsthafte Diskussion mit einem gemeinsamen Ziel und hoffentlich auch einem gemeinsamen Ergebnis führen, denn der Kern beider Anträge ist letztlich identisch. Er besteht darin, wie man den Konflikt zwischen einerseits den grundgesetzlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Artikel 2 Abs. 1 – des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung –, Artikel 12 – Berufsfreiheit – und 14 Grundgesetz – Eigentumsfreiheit – und andererseits den für mich persönlich wesentlich schwerer wiegenden Transpa

renzinteressen der Öffentlichkeit in ein neues Verhältnis bringt, damit eine demokratische Diskussion und Reflektion solcher Verträge möglich wird, und zwar vor allem da, wo es sich um natürliche Monopole handelt oder um vergleichbare Netzinfrastrukturen. Das ist der Kern der Angelegenheit. Da bewegen sich beide Anträge auf der selben Linie. Sie versuchen nämlich, die Abwägung im Sinne der öffentlichen Interessen und der Transparenzinteressen vorzustrukturieren. Das ist ein Schritt, der überfällig ist und den wir dringend gehen sollten. Diese Gemeinsamkeit will ich zunächst einmal betonen, damit wir wissen, dass es einen Sinn hat, gemeinsam darüber zu reden, wo möglicherweise Stärken und Schwächen des einen und des anderen Antrags sind.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Volker Thiel (FDP)]