Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kleineidam! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Pop das Wort.
Herr Kleineidam! Wir können uns gerne darauf einigen, dass man keine weiteren Institutionen schaffen muss, wenn die Institutionen, die wir haben, vernünftig arbeiten.
Das tun sie aber leider nicht, und das ist das Problem mit den Jobcentern, die Hunderttausende in dieser Stadt betreuen und ihre Arbeit nicht vernünftig erledigen.
Vielleicht können wir uns als ersten Schritt darauf einigen, dass die Rechtsstellen der Jobcenter weisungsbefugt sind. Das sind sie zurzeit nämlich nicht. Das ist eine sehr große Schwierigkeit, weil es das Jobcenter bislang schlicht nicht interessiert, wenn die Menschen Widerspruch einlegen. Das nur am Rande.
Frau Knake-Werner! Da mich Ihre Haltung inzwischen im dritten Jahr ärgert, muss ich dies hier sagen und werde versuchen, es ruhig zu tun: Ich finde, es ist eine sehr infame politische Strategie, die Sie verfolgen, aus der Not arbeitsloser Menschen politisch Kapital ziehen zu wollen. Das tun Sie seit Jahren. Denn das eigentlich Drama – das wissen wir alle – ist die Arbeitslosigkeit in diesem Land und nicht das Hartz-IV-Gesetz. Weil Sie aber darauf keine Antwort haben, nehmen Sie dieses Hartz-IV-Gesetz als Chiffre für das Drama der Arbeitslosigkeit und kochen Ihr parteipolitisches Süppchen auf dem Rücken dieser Menschen. Das finde ich widerlich!
Wissen Sie, die Menschen durchschauen das langsam auch. Anders kann man sich Ihr letztes Wahlergebnis nicht erklären.
Herr Albers! Regen Sie sich nicht so auf! – Suchen Sie Ihre verloren gegangenen Wähler wieder, und stehen Sie endlich zu Ihrer Regierungsverantwortung im Land Berlin, denn Sie müssen als Landesregierung, ob es Ihnen passt oder nicht, Gesetze umsetzen, die der Bund beschlossen hat! Das ist nun einmal so, und wenn Ihnen das nicht passt, dann hören Sie auf zu regieren! So einfach ist das!
Noch einmal zu den Zahlen, da Frau Breitenbach bat, sie aufzuklären: 600 Millionen € standen Berlin zur Verfügung. Weil aber absehbar war, dass wir das Geld nicht ausschöpfen, ist es auf 508 Millionen € abgesenkt worden. Davon haben wir 440 Millionen € ausgegeben. 67 Millionen € von der Summe, die bereits abgesenkt war, sind damit verfallen. Das stelle ich für das Protokoll fest.
Zum Zweiten: Sie haben mit all dem schon etwas zu tun, weil der Eingliederungstitel II unter tatkräftiger Mitarbeit Ihrer Senatsverwaltung auf die Jobcenter verteilt wird. Da haben Sie Ihre Finger durchaus mit im Spiel, zusammen mit der Regionaldirektion.
Zu der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt – weil Frau Knake-Werner dies noch einmal lobte –: So schön es sich anhört, und ich kann auch Zeitung lesen, ich glaube, dass zu der Wahrheit der Berliner Arbeitsmarktzahlen noch einige andere Punkte gehören. Zum Ersten liegt die Zunahme sozialversicherungspflichtiger Jobs – das hat Herr Dr. Steffel schon gesagt – fast ausschließlich an dem Zuwachs bei der Zeitarbeit und bei den Minijobs, die inzwischen als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen gelten. Es befinden sich knapp 55 000 Personen in
öffentlich geförderter Beschäftigung und fallen damit auch aus der Arbeitslosenstatistik heraus, und es gibt in Berlin immer mehr Menschen, die trotz Arbeit Arbeitslosengeld II beantragen, nämlich 60 000 Menschen.
Zum Allerletzten – und dies ist ein großer Skandal, zu dem ich heute nicht ein Wort von Ihnen gehört habe: Der größte Skandal ist die hohe Arbeitslosigkeit von Jugendlichen. 28 000 Jugendliche sind in Berlin arbeitslos, und zwar dauerhaft. Dazu kommen noch Tausende, die in Warteschleifen, in Maßnahmen hängen – ohne eine ernsthafte Perspektive. Das finde ich dramatisch, und dazu haben Sie heute nichts gesagt, Frau Knake-Werner.
Als Erwiderung auf Herrn Steffel: Wenn es mit dem wirtschaftlichen Aufschwung weiter wunderbar nach oben geht, glaube ich dennoch, dass es in diesem Land keine Vollbeschäftigung mehr geben wird. Deswegen finde ich es richtig, dass für schwierig zu vermittelnde Langzeitarbeitslose, die den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen, Möglichkeiten und Perspektiven geschaffen werden sollen, in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu arbeiten. Das kann man über Integrationsbetriebe – ähnlich wie bei den Behinderten – und über die Möglichkeit der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung machen. Diese Idee findet inzwischen breite Unterstützung bis hin zu Herrn Weise, der CDU-Mitglied und Chef der Bundesagentur für Arbeit ist. Alle wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren. Da sollten wir uns doch einig sein.
In Berlin setzt das aber eine gesamtstädtische Steuerung der Arbeitsmarktpolitik voraus. Jetzt muss ich Sie doch einmal loben, Frau Knake-Werner: Ich finde es gut, dass sich der Senat nach drei Jahren des schlichten Nichtstuns endlich ein Modellprojekt vorgenommen hat. Denn alles, was Frau Knake-Werner in der letzten Woche vollmundig angekündigt hat, hätten Sie bereits im Jahr 2004, im Jahr 2005 oder auch 2006 umsetzen können. Doch Sie haben auf die Wahl 2006 geschielt, fürchte ich. Da wollten Sie noch einmal ordentlich mit dem Thema Hartz-IV Wahlkampf machen. Dass Ihnen das nicht besonders gut geglückt ist, kann man am Wahlergebnis ablesen. Dadurch aufgeschreckt, wollen Sie nun ganz schnell ein groß angekündigtes Modellprojekt auf den Weg bringen.
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das als echte Mogelpackung, denn bereits heute gibt es in Berlin neben den rund 30 000 Ein-Euro-Jobs, die Sie, Frau Knake-Werner, gemeinsam mit der Regionaldirektion schriftlich vereinbart haben, 8 000 ABM und 4 500 sozialversicherungspflichtig öffentlich geförderte Jobs. Ihre Aufstockung um 2 500 Plätze finde ich absolut okay, keine Frage, doch das richtig Neue daran hat sich mir noch nicht erschlossen. Auf wackeligen Füßen steht es ohnehin, denn Sie wollen dafür richtig viel Geld von den Jobcentern haben. Ist Ihnen das bereits zugesichert worden? Dazu haben Sie heute auch nichts gesagt. Die Jobcenter haben, so weit ich weiß, ihre Planungen für das Jahr 2007 abgeschlossen und Ihre Finanzierung ist da sicher nicht enthalten.
Ihre heutigen Ausführungen klingen alle – und sind es möglicherweise auch – nach viel heißer Luft und ganz viel Symbolpolitik, aber angesichts der Lage in den Jobcentern und auf dem Berliner Arbeitsmarkt ist das zu wenig. Angesichts dessen, dass 300 000 Menschen in den Jobcentern chaotischen Zuständen ausgesetzt sind, ein Modellprojekt für 2 500 Menschen zu machen, ist nicht einmal der Tropfen auf dem heißen Stein. Das ist zu wenig, was Sie hier im Angebot haben!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pop! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Breitenbach!
Ich schlucke ganz viel herunter und hätte noch ganz viel sagen können, aber ich habe nur noch eine kurze Redezeit. Ich beschränke mich deshalb auf den Antrag der Grünen: Frau Grosse und ich – wir denken aber auch die Mehrheiten beider Fraktionen – finden das Anliegen Ihres Antrages richtig. Wir finden aber auch, dass eine Landesombudsstelle diesem Anliegen nicht gerecht wird. Da muss man schauen, was eine solche Stelle, auf Landesebene angesiedelt, bewirken kann. Sie kann verwalten, aber nicht handeln.
Frau Pop! Deshalb müssen wir noch einmal innehalten und überlegen, was es für Möglichkeiten gibt, um eine solche Ombudsstelle vor Ort anzusiedeln – sprich: in den Bezirken. Hier überlegen die Koalitionspartner gerade und werden Sie auch auf dem Laufenden halten, wie weit wir sind. Wir hoffen, dass, wenn Sie Ideen haben, Sie diese kundtun.
Langfristig brauchen wir allerdings auch hier eine Änderung im SGB II. Wir brauchen nämlich bundeseinheitlich Stellen, an die sich die Betroffenen wenden können. Da brauchen wir Widerspruchsbeiräte, wie sie auch im SGB XII stehen. Diese gab es früher, und ich denke, sie sind beim Hartz-Gesetz – weil es holterdiepolter durchgezogen wurde – schlicht vergessen worden. Langfristig brauchen wir jedoch diese Stellen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Breitenbach! – Abschließend hat für die FDP-Fraktion Herr Lehmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat von mir – man kann sich durchaus auch einmal selbst zitieren:
So ist es nach wie vor. Der Kollege Steffel hat es vorhin schon gesagt. Er hat die Zahlen richtiggestellt und dargestellt, dass es tatsächlich zu der Aussage kam, die ich vorhin getroffen habe, dass Berlin nun einmal das Schlusslicht ist. Das kann man nicht einfach so dahinsagen und auch nicht unter den Tisch kehren.
Es ist eine ideologische Frage. Ich habe immer schon gesagt, dass es ein Fehler ist, Arbeit und Soziales zusammenzulegen. Arbeit gehört zu Wirtschaft. Nur durch die Wirtschaft entsteht Arbeit und nicht durch Soziales!
Ich kann mich sehr gut an die letzte Legislaturperiode erinnern, in der ich Mitglied beider Ausschüsse war, sowohl im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Frauen als auch in dem für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz. Das war schon interessant. Beide Senatsverwaltungen haben die Kompetenzen immer hin- und hergeschoben und haben gesagt: Nein, wir sitzen da nicht mit am Tisch. Das sind die Bezirke und die Bundesagentur oder zuweilen auch die Regionalagentur. Wir haben damit überhaupt nichts zu tun.
Jetzt haben wir eine neue Wahlperiode. Jetzt gibt es nur noch eine zuständige Senatsverwaltung, und Sie können sich nun nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Denn hier ist es so – und das ist das grundlegende Problem –, dass die Linkspartei etwas umsetzen soll, das sie von Anfang an bekämpft hat und gar nicht will.
Ich erinnere mich auch noch sehr gut daran, dass es eine Stadträtin gab – und die gibt es immer noch; ich grüße sie von dieser Stelle aus sehr herzlich –, die in einer Anhörung gesagt hat: Was sollen wir denn machen? Bei allen Entscheidungen sitzt Nürnberg mit am Tisch. – Es wurde zwar gesagt, das werde alles geändert, aber wenn man in die Strukturen hineingeht, stellt man fest, dass es nach wie vor so ist. Bei vielen Dingen wird immer noch hineingeredet und hineinregiert. Da hat sich überhaupt nichts verändert.
Sie sagen jetzt einfach – das war heute auch schon wieder zu hören: Na ja, wir haben damit weiter gar nichts zu tun. – Aber Sie haben doch diese Rahmenvereinbarungen
Ich komme zum Schluss: Haben Sie doch endlich den politischen Mut, hauen Sie auf den Tisch – gerade auch in punkto Bundesagentur für Arbeit und Regionalagentur –, und sagen Sie: So geht das nicht! – Dazu haben Sie weder den politischen Mut noch den politischen Willen. Ich glaube nicht, dass ich das unter Rot-Rot noch erleben werde. Ich rufe Ihnen zu: „Tun Sie das!“, aber ich glaube nicht, dass Sie das politisch überhaupt noch können. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden. Die Große Anfrage ist damit auch behandelt worden.
Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/0196 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.