JÜL umfasst die ersten drei Klassen. Manchmal auch die Klassen vier bis sechs, wie es z. B. die Peter-PetersenSchule macht. Sie erzielt damit sehr gute Erfolge. Ich habe mich durch Hospitationen davon überzeugen können. Dieses JÜL ist freiwillig. Dazu wird keine Schule in Berlin gezwungen. Was wir allerdings im Gesetz festgeschrieben haben, ist die Schulanfangsphase, die die ersten beiden Jahrgangsstufen umfasst und die je nach Kind in einem, zwei oder drei Jahren durchlaufen werden können. Das ist gerade das Flexible an dieser Schulanfangsphase. Deswegen heißt sie in Brandenburg auch FLEX. Hier besteht kein Beschlussrecht der Schulkonferenz. Das haben wir im Gesetz so festgeschrieben. Es gab aber – das konzediere ich durchaus – am Anfang durchaus noch Probleme. Deswegen wurden kulante Regelungen geschaffen.
Im Schuljahr 2007/2008 haben 176 Grundschulen die Schulanfangsphase eingeführt. Ich habe mich vor Ort an mehreren Schulen davon überzeugen lassen, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die von dem Konzept überzeugt waren, es auch hervorragend umgesetzt haben. Im Schuljahr 2008/2009 waren es dann noch ca. 100 Schulen, die Bedenken hatten. Diese Bedenken hatten vor allen Dingen drei Gründe: 1. Wir haben nicht das ausreichende Personal. 2. Wir haben nicht die räumlichen Kapazitäten oder 3. Wir wollen dieses Konzept nicht. – Für den ersten Fall wurden größere personelle Ressourcen bereitgestellt. Für den zweiten Fall wurden vor Ort Besichtigungen durchgeführt, inwieweit den räumlichen Unzulänglichkeiten begegnet werden könnte. Für den dritten Fall wurden Lehrerfortbildungsmaßnahmen angeboten. Hierbei wurden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren eingesetzt, von deren Qualifizierung ich mich auch vor Ort überzeugen konnte.
Mittlerweile nehmen im Schuljahr 2009/2010 sogar 314 Grundschulen an der Schulanfangsphase teil. Das sind 85 Prozent. Es ist nicht einzusehen, warum den verbleibenden, sich weigernden Grundschulen nach sechs Jahren jetzt das Recht eingeräumt werden sollte, sich dieser im Schulgesetz vorgesehenen Maßnahme weiterhin freiwillig zu unterziehen oder nicht.
Lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen noch einige Bemerkungen zu dem Redebeitrag von Herrn Steuer machen. Man kann, Herr Steuer, in der Schulanfangsphase nicht sitzenbleiben! Das ist auch noch so eine Sache, die Sie nicht verstanden haben.
Es ist, wie ich eingangs ausgeführt habe, eine flexible Schulanfangsphase, die darauf angelegt ist, dass ein pfiffiges Kind das in einem Jahr durchlaufen kann, das „normale“ Kind in zwei und ein Kind mit Förderbedarf eben
in drei Jahren. Es ist der Sinn der Schulanfangsphase, dass sie flexibel ist und ohne Stigmatisierung.
Was die Beschlussempfehlung angeht, so bitte ich das Haus, unserer Beschlussempfehlung zu folgen. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die eine Fraktion stellt sich hier hin und sagt: JÜL hat sich nicht bewährt, JÜL ist falsch, JÜL muss abgeschafft werden, das Rad muss zurückgedreht werden. Die andere Fraktion stellt sich hin und sagt: 2004 haben wir das eingeführt, das hat sich bewährt, alles ist richtig und versucht uns mit Statistiken zu überhäufen und das Ganze irgendwie überzeugend darzulegen.
mit betroffenen Lehrerinnen und Lehrern, mit Eltern, mit Schülerinnen und Schülern. Die Kritik von Herrn Steuer ist nicht ganz falsch, auch wenn wir das Ansinnen seines Antrags nicht richtig finden, das Rad zurückzudrehen. Was ist richtig daran? – Vor Ort funktioniert vieles nicht. Vor Ort ist die Situation so, dass Lehrerinnen und Lehrer überfordert sind, dass Schülerinnen und Schüler dem Konzept des JÜL nicht folgen können, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen, weder materiell noch personell.
Das ist genau Ihre Aufgabe als Koalition und als Regierung, hier die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit JÜL – pädagogisch sinnvoll wie es ist – auch funktionieren kann. Es reicht eben nicht aus zu sagen, alles ist in Ordnung, nur weil Sie 2004 das Gesetz geändert haben.
Ich habe neulich eine Anfrage an den Senat gestellt, die Prof. Zöllner beantwortet hat. Ich kann Ihnen sagen, dass die Sitzenbleiberzahlen in der dritten Klasse seit der Einführung des neuen Schulgesetzes permanent gestiegen sind. Das heißt, anscheinend läuft irgendetwas in der Schulanfangsphase nicht so gut, wie wir es uns wünschen. Anders ist nicht zu erklären, warum die Zahl der Sitzenbleiber, insbesondere der Kinder mit Migrationshintergrund und Arbeiterkinder in der dritten Klassen seit vier Jahren permanent steigt. Das ist ein Problem. Das müssen wir angehen und ernsthaft dagegen arbeiten. Das heißt, wir müssen uns auch fragen, ob JÜL als Konzept für Dahlem gleichermaßen wie für Nord-Neukölln funktionieren kann.
Nein, das kann es nicht. Deshalb sage ich noch einmal, dass Sie die Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit JÜL als pädagogisch sinnvolle Maßnahme – von der wir auch ausgehen – funktionieren kann. Das bedeutet mehr Personal für die Schulanfangsphase.
Nein, danke! – Das bedeutet auch Unterstützung der Schulen. Es ist bei jeder Reform dasselbe. Es reicht nicht, dass wir im Parlament Gesetze beschließen und sagen: Schule mach mal. Kita mach mal. – Ohne dass wir ihnen die personellen und materiellen Ressourcen dafür geben. Das ist das, was Sie in den letzten Jahren als Rot-Rot immer wieder praktiziert haben. Sie haben hier Reformen beschlossen, aber nicht die richtigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass es funktionieren kann.
Ich kann Ihnen noch einmal sagen, das wir am JÜL festhalten. Wir finden es richtig. Wir sagen aber auch, dass JÜL weiter entwickelt werden muss. Es müssen vor allem die Schulen in die Lage versetzt werden, auch die an sie gestellten Anforderungen erfüllen zu können. Es ist ein Unterschied, ob ich in einer Klasse mit einem Anteil von 60, 70, 80 oder 90 Prozent an Kindern mit Migrationshintergrund, die des Deutschen leider nicht so richtig mächtig sind, JÜL praktiziere oder in Charlottenburg oder Dahlem. Deshalb muss ich in sozialen Brennpunkten dafür Sorge tragen, dass JÜL in den Schulen funktionieren kann. Das haben Sie als Rot-Rot in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Da helfen auch Statistiken nicht weiter. Lassen Sie uns gemeinsam die Schulen unterstützen, damit sie diese Aufgabe auch erfüllen können. Gesetze allein auf dem Papier reichen nicht. Es müssen auch die Rahmenbedingungen und materiellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Kollege Zillich. – Entschuldigung, ich hatte Sie zunächst übersehen. Sie haben nun das Wort. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe es jetzt nicht gezählt, aber gefühlt stellt die CDU diesen oder einen ähnlichen Antrag in den vergangen Jahren zum fünften Mal.
Ähnlich ritualisiert ist auch die Debatte darum. Deswegen hält sich meine Lust darauf in Grenzen. Das gebe ich ehrlich zu. Wir hatten dazu auch eine ausführliche Ausschussdebatte. Dort ist der Antrag mit den Stimmen von drei Fraktionen abgelehnt worden.
Zur Relevanz muss man sich fragen, wo wir eigentlich stehen. Wir stehen hier nicht vor einer neuen Entscheidung, sondern sind in einer Situation, dass von den 367 Grundschulen, die wir in Berlin haben, 314 das jahrgangsübergreifende Lernen in der Schulanfangsphase praktizieren. Es gibt also noch 53 Schulen, in den das nicht stattfindet. Von diesen 53 Schulen gibt es in 28 Schulen –
Nein! – Projekte, in denen zumindest teilweise jahrgangsübergreifende Lernmethoden praktiziert werden. Über den zeitlichen Vorlauf ist hier gesprochen worden.
Ein wichtiger Punkt, über den wir sprechen müssen, ist, dass wir spätestens seit dem vorvergangenen Schuljahr die Möglichkeit haben, dass in Schulen, die für sich einschätzen, dass sie die Voraussetzungen noch nicht erfüllen, um tatsächlich in altersgemischten Gruppen in der Schuleingangsphase unterrichten zu können, Vereinbarungen mit der Schulaufsicht getroffen werden können, für die räumlichen, die fachlichen, die fortbildungsmäßigen und inhaltlichen Voraussetzungen zu sorgen, dass JÜL tatsächlich stattfinden kann. Das ist der richtige Weg. Diesen Weg müssen wir gehen.
Wir haben mit der Grundentscheidung der flexiblen Schuleingangsphase und mit der Grundentscheidung, dass sie genau die Möglichkeit bieten soll, sie in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu durchlaufen, eine Entscheidung getroffen, die ein jahrgangsübergreifendes, ein altergemischtes Lernen zwangsläufig nach sich zieht. Die Idee dieser Schuleingangsphase bedeutet gerade, dass Kinder unterschiedliche Voraussetzungen haben. Kinder können Unterschiedliches. Kinder benötigen unterschiedlich viel Zeit. Es ist selbstverständlich kein Ausweis des Scheiterns der Schuleingangsphase, wenn diese ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, auch länger für die Phase des Schuleingangs zu brauchen, von Kindern auch in Anspruch genommen wird. Darum genau geht es. Wenn man dies gewährleisten will, und zwar nicht in einer Art und Weise, dass Kinder von den Gruppen entweder auf- oder abgestuft werden, ist das nur in Altersmischungen vernünftig zu machen. Deswegen ist sie dort integraler Bestandteil einer Idee von Schule, die von der Unterschiedlichkeit von Kindern ausgeht und die individuelles Lernen tatsächlich in den Mittelpunkt stellt.
Richtig ist, dass das kein triviales Ding ist und wir dort noch eine ganze Reihe von Voraussetzungen zu klären
haben und wir uns auch sehr genau weiterhin anschauen müssen, wie es funktioniert. Das ist Gegenstand dieser Vereinbarungen, die geschlossen werden. Das werden wir uns weiterhin sehr genau ansehen müssen. Natürlich geht es weiterhin darum, dass wir die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern verbessern müssen. Natürlich geht es darum – wie es jetzt passiert –, dass die Lerngruppen in der Schuleingangsphase verkleinert werden, was mit der Grundschulverordnung an dieser Stelle passiert. Es geht um die räumlichen Voraussetzungen, die weiter zu verbessern sind. Es geht auch darum, den Stellenwert in der Lehrerbildung eines solches Schulverständnisses solcher pädagogischer Konzepte zu verbessern. Daran müssen und werden wir auch weiter arbeiten. Aber das lösen wir nicht dadurch, indem wir eine Grundsatzdebatte aus den vergangenen fünf Jahren noch einmal anders entscheiden. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag wie im Ausschuss ab.
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Zunächst hat mich der Kollege Steuer gebeten, noch mal eines zu klären, Frau Dr. Tesch, dieses kleinkarierte Differenzieren von SAPh und JÜL. Lesen Sie einfach die Kleine Anfrage und das, was darin steht. Es ist letztendlich identisch. Wir wollen hier nicht päpstlicher sein als der Papst.
Nun, meine Herren, meine Damen, JÜL zum Ersten, JÜL zum Zweiten, zum Dritten und zum Vierten heute. Ich glaube, auch jeder bildungsferne Abgeordnete hier im Hohen Haus hat begriffen, worum es geht. Die Koalition will die Methode JÜL für alle anwenden, egal, ob es passt oder nicht.
Da frage ich, ob uns das wirklich wundert oder nicht. Ich möchte aus dem Protokoll der Ausschusssitzung zitieren. Frau Dr. Tesch:
Der Antrag der CDU, das Konzept freiwillig zu machen, sei nicht zielführend. Dadurch würden Schulen, die eine Beharrungspolitik betrieben hätten, belohnt. Dies sehe sie nicht ein.
Hört, hört! Liebe Frau Kollegin Tesch! Diejenigen, die Probleme mit der Umsetzung haben, diejenigen, denen das Personal fehlt, diejenigen, denen die Räume fehlen, haben also eine Beharrungspolitik betrieben? Das zeigt einmal wieder Arroganz und Ignoranz bezüglich der Probleme, die die einzelne Schule hat.
Nein, verehrte Frau Dr. Tesch, die haben keine Beharrungspolitik betrieben und wollen jetzt belohnt werden.
Sie können die Einführung von JÜL nicht verantworten, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Es gibt auch Schulen, die schlicht sagen, dass sie eine Schülerklientel haben, bei der die Methode einfach nicht klappt. Auch das müssen wir akzeptieren. Da reden Sie von Beharrungspolitik, die belohnt würde. Ich persönlich bin sehr froh, dass es einige Schulen gibt, die nach wie vor fordern, es selbst eigenverantwortlich entscheiden zu wollen, ob JÜL eingeführt wird oder nicht.
Wer kann eigentlich die Situation vor Ort beurteilen? Sie? Wir, die Politiker, oder der Senator, die Verwaltung – wohl kaum. Wir alle sitzen hier im Warmen, lieber Herr Oberg. Hören Sie einfach einmal zu. Wir sitzen im Warmen, machen Gesetze, und Sie machen Gesetze und scheren sich relativ wenig um die Realität. Das haben wir gerade eben auch wieder gehört.