Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Schade dabei ist, dass die CDU und die Grünen bei der Placebopolitik mitmachen und aus Sorge um ihre Außendarstellung einer entsprechenden Regelung zustimmen

[Ramona Pop (Grüne): Das war unser Antrag!]

und eine Verfassungsänderung ganz nach dem Motto voranbringen, dass der Wunschzettel die Tagespolitik bestimmt. Das ist mit uns nicht zu machen!

[Beifall bei der FDP]

Ich sage Ihnen, dass sich mittlerweile alle Experten darüber einig sind, dass die Aufnahme von Kinderrechten faktisch zu keiner verbesserten Rechtsposition von Kindern führt, sondern lediglich die bereits erwähnte Symbolpolitik ist und zu keinem Erfolg führt. Wir als FDPFraktion haben den Mut, das auch deutlich zu sagen und hier Farbe zu bekennen.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Es wird keinem einzigen vernachlässigten und misshandelten Kind helfen, wenn wir als Alibi für familiäre oder gesellschaftliche Missstände Kinderrechte in der Verfassung verankern und danach einfach so zur Tagesordnung zurückkehren. Das ist mit uns nicht zu machen!

[Beifall bei der FDP]

Es darf uns nicht darum gehen, neue Regelungen zu erlassen. Vielmehr müssen die bestehenden Gesetze konsequent angewendet und die bestehenden Möglichkeiten der Hilfen für Kinder ausgeschöpft werden. Wir erinnern Sie an Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes. Darin ist eindeutig geregelt, dass Eltern Pflichten haben:

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.

[Andreas Gram (CDU): Und so soll es auch bleiben!]

Lassen Sie uns doch die Eltern in die Pflicht nehmen! Lassen Sie uns die Eltern in die Verantwortung nehmen! Kein Kind verwahrlost, weil es verwahrlosen möchte,

sondern weil die Eltern ihren Pflichten und Aufgaben nicht nachkommen!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Deswegen müssen wir uns bei der täglichen Arbeit hier im Parlament und in den Ausschüssen mehr mit den Kindern beschäftigen. Dann können Sie auch viel in die Verfassung schreiben. Ich habe Ihnen gesagt, dass das nichts bringt. Machen Sie vielmehr tatsächlich erste Schritte. Wenn Sie die Kinderkommission so vehement verhindern, lassen Sie uns darüber sprechen, die Beratungszeit, die Ausschusssitzungen des Bildungs- und Jugendausschusses in unserem Haus wieder von zwei auf drei Stunden zu erhöhen,

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Das bringt es!]

damit wir tatsächlich über die Kinderprobleme sprechen können und nicht einfach einmal unisono zehn Anträge in einem großen Konsens abhandeln, sondern die Details in den Mittelpunkt stellen.

[Beifall bei der FDP]

Genau dieses Beispiel soll Ihnen einfach einmal deutlich machen, dass Ihr Anspruch und die Wirklichkeit weit auseinander liegen. Insoweit fordere ich Sie dazu auf, unserem Antrag der Kinderkommission entweder zuzustimmen oder aber den Beratungsraum für die Kinder in diesem Parlament zu erhöhen. Letztlich würde allerdings eine Einrichtung der Kinderkommission hier in Berlin dazu führen, dass wir die Kinder mehr in den Mittelpunkt rücken. Seien Sie gewiss: Das würde diesem Berliner Landesparlament gut zu Gesicht stehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Czaja! – Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, Platz zu nehmen, damit es für uns hier oben übersichtlicher wird. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Rechtsausschuss empfiehlt zu dem Vier-Fraktionen-Antrag mehrheitlich gegen die FDP die Annahme des Antrags Drucksache 16/2805-Neu. Gemäß Artikel 100 der Verfassung von Berlin erfordert eine Verfassungsänderung eine Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Wer dem Antrag von SPD, CDU, Grüne und Linksfraktion zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und die Fraktion der Grünen. Ich stelle fest, dass das die geforderte Zweidrittelmehrheit erreicht ist und somit die Änderung „Kinderrechte in die Verfassung“ beschlossen ist.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Natürlich muss ich noch nach den Gegenstimmen fragen. Ich gehe davon aus, dass es die FDP-Fraktion ist. Das

ändert nichts am Abstimmungsergebnis. Das Gesetz ist mit der Zweidrittelmehrheit beschlossen. Vielen Dank! – Entschuldigung, ich habe die Frage nach Enthaltungen vergessen. Ich war so von der Zweidrittelmehrheit beeindruckt. – Gibt es Enthaltungen? – Es gibt eine Enthaltung. Diese ändert am Ergebnis auch nichts. Vielen Dank!

Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/0573 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen CDU und FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der Grünen. Enthaltungen sehe ich nicht. Die Ablehnung war die Mehrheit, damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 4 b:

Endlich Tatsachen zum Wiederaufbau der schinkelschen Bauakademie schaffen!

Antrag der CDU Drs 16/3009

Für die Beratung steht den Fraktion jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Lehmann-Brauns das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir kennen das alles: Die Stadt ist jahrzehntelang von ästhetischen Banausen heimgesucht worden.

[Beifall bei der CDU]

Im Osten haben sie die Stadt nach ihren pauvren Maßstäben zugerichtet. Dort fiel 1950 das Stadtschloss, 1962 die Bauakademie. Drumherum entstand eine großflächige verkehrs- und aufmarschgerechte Stadtwüste zuzüglich Fernsehturm.

Aber auch im Westteil trieben sie Ihr Unwesen. Es fielen ihnen der Anhalter Bahnhof, der Potsdamer Bahnhof, der Sportpalast unter anderem zum Opfer. Kilometerweise wurden die Stuckornamente von den verschonten Häusern abgeschlagen. Es entstand das, was Wolf Jobst Siedler in seinem berühmten Buch „Die gemordete Stadt“ nennt. Seien wir nicht selbstgerecht; auch, was das wiedervereinte Berlin an Neubauten fertigbekommen hat, ist zum Teil nicht der Rede wert und nur zum Teil gelungen. So weit die Rahmenbedingungen.

Ich muss nicht umständlich erklären, dass die Bauakademie nach dem Stadtschloss das wichtigste Gebäude ist, um die verloren gegangene historische Mitte wiederherzustellen. Ich muss auch nicht feststellen, dass es anders als beim Thema Stadtschloss, das 20 Jahre lang gegen die Linke erkämpft werden musste, beim Thema Bauakade

mie keine politischen Gegner gibt. Wir alle sind – so hoffe ich – einig, dass sie wiedererstehen muss, möglichst original und 48 Jahre nach ihrem Abriss auch möglichst schnell.

[Beifall bei der CDU]

An dieser Stelle kommt der Senat ins Spiel, genauer, der Liegenschaftsfonds, dem die Umsetzung des Teilnahmewettbewerbs zur Grundstücksvergabe übertragen wurde. Neckisch ließ er noch im September in einer Pressemitteilung verlauten: „Jetzt wird sich zeigen, ob der Bewerber ein ernsthaftes Angebot abgibt.“ Das zeigte sich allerdings. Konkret bedeutete das, der Investor muss die gesamten Baukosten tragen – das sind 15 Millionen Euro – und darf nur eines der vier Stockwerke nutzen. Dass sich unter diesen Voraussetzungen überhaupt ein Bieter fand, grenzt an ein kleines Wunder. Sein Name ist bekannt, und er hat den nicht unbekannten Architekten Kolhoff an seiner Seite.

Obwohl er die Ausschreibungsbedingungen erfüllte, lehnte der Liegenschaftsfonds ab. Offenbar war das mit der Senatorin rückgekoppelt – die unserer Debatte scheinbar nicht folgt. Man wolle nicht – so hieß es –, das Risiko von Mehrkosten übernehmen. Nach Auffassung des bauleitenden Architekten allerdings entstehen gar keine Mehrkosten – wie dem auch sei.

Deshalb fragen wir den Senat: Hat man sich vor der Ablehnung oder nachher einmal zusammengesetzt? Hat man noch einmal gerechnet? Versucht, eine Lösung zu finden? In den Medien wird es ganz anders berichtet. Danach habe der Liegenschaftsfonds auf Anfrage auf Frau Lüscher verwiesen. Frau Lüscher habe auf die Senatorin Junge-Reyer verwiesen, diese auf den Finanzsenator und dieser wiederum auf den Liegenschaftsfonds. Auf deutsch: Der Senat ist abgetaucht, war und ist nicht zu sprechen und zieht sämtliche Gardinen vor seinen Amtsstuben zu. Die Folge ist, dass auf Jahre eine quadratkilometerweite Brache in der Stadt zu erwarten ist, wenn er sich nicht bewegt.

Ich nehme an, wir werden zu hören bekommen, das Land Berlin sei so klamm und so knapp bei Kasse und könne sich eventuell überschießende Baukosten nicht leisten. Aber, Herr Finanzsenator, Ihr Herr Kollege Regierender Bürgermeister wollte doch trotz knapper Kassen eine neue Kunsthalle für 20 Millionen Euro, die jetzt wie eine Luftnummer durch die Stadt segelt. Die neue Landesbibliothek soll einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Oder Frau Lüscher, die Senatsbaudirektorin, entzieht gerade dem Berliner Architekturpreis die verdiente Förderung und will zusätzlich 80 000 Euro für einen dritten Architekturpreis ausgeben. Kein Geld? Herr Finanzsenator, das ist eine durchschaubare Notlüge.

[Beifall bei der CDU]

Die Wahrheit, Herr Senator, lautet: Geld wäre vorhanden, aber was Ihnen fehlt, sind die Maßstäbe für die Notwendigkeit einer überfälligen Stadtreparatur, die Maßstäbe für die Bedeutung der historischen Mitte Berlins, die Maßstä

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki

be für die Urbanität des Stadtgesichts. Weil der Senat diese nicht hat, fehlt ihm die Ambition, der Ehrgeiz, der Impuls, und er taucht weg. Aber täuschen Sie sich nicht. Das wird in der Stadt bemerkt, deren Menschen in höchstem Maß an dem Baugeschehen und dem Gesicht der Stadt interessiert sind.

Meine Fraktion kann Sie deshalb nur warnen, meine Damen und Herren vom Senat.

Herr Dr. Lehmann-Brauns, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich bin beim letzten Satz. – Wenn Sie es trotz des gutwilligen Investors nicht hinbekommen, diese privat finanzierte Bauakademie wieder erstehen zu lassen, wird die republikweite Öffentlichkeit ein weiteres Mal über diesen Senat das Urteil fällen: geschichtslos, banausenhaft, schwächlich, lächerlich. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lehmann- Brauns! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Haußdörfer das Wort.