Uwe Lehmann-Brauns

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Gutzeit! Auch von mir vielen Dank für diese Fleißarbeit – 37 Seiten lang. Aus Berlin hört oder sieht man zurzeit Gott sei Dank nichts Spektakuläres. Ich kann mich auf das beziehen, was Kollege Hilse eben gesagt hat. Ich bin damit einverstanden und werte insoweit Ihre Fleißarbeit nicht weiter. Aber ich möchte Sie auf eines hinweisen: Sie sind meiner Ansicht nach nicht nur Leiter einer Behörde, sondern auch – wie der Name sagt – Beauftragter. Darauf will ich nachher noch kurz zu sprechen kommen.
Zunächst zum Thema Täterbiografie: Meine Fraktion weiß, nicht jede Anwerbung als Stasi-Mitarbeiter glich der anderen. Es gab Nötigungen, es gab Einschüchterungen und Erpressungen, um Menschen für diesen schmutzigen Auftrag gefügig zu machen. Deshalb sind bei den Täterbiografien tatsächlich Unterschiede zu machen. Ich nenne zwei Beispiele. Die Abgeordnete Kaiser-Nicht im Brandenburger Landtag – so liest und hört man jedenfalls – hatte sich nicht nur freiwillig verpflichtet, sondern auch den Wunsch nach Verlängerung dieser ehrenwerten Tätigkeit geäußert. Ich lasse das hier unkommentiert. Anders der Fall des Berliner Schriftstellers Günter de Bruyn. Er hatte seine kurze Stasi-Verpflichtung bekannt und seine Scham öffentlich artikuliert. De Bruyn ist die Ausnahme. Die Regel sieht anders aus!
Werfen wir einen Blick auf unsere Nachbarn in Brandenburg. Elf Abgeordnete des dortigen Landtags sind enttarnte Spitzel. Machen wir uns nichts vor: Diese Fälle schaden nicht nur der dortigen Landesregierung, sie schaden auch den Menschen dort und vor allem ängstigen sie die Opfer. Hoffen wir, dass Ulrike Poppe die nötige Freiheit hat, unabhängig ihres Amtes zu walten.
Manche Zeitgenossen fordern eine zweite Chance für die Stasi-Verstrickten ein, die sie verdienten. Über das Wort „verdienen“ möchte ich hier nicht richten. Wir Juristen fragen immer nach der Anspruchsgrundlage. Aber die zweite Chance setzt mindestens eine aufrichtige Trennung von der ersten Chance voraus. Sich in die zweite Chance hineinzuschummeln – ohne Aufklärung, ohne Distanzierung, ohne Kontakt zu den Opfern –, halten wir für nicht vertretbar.
Natürlich können wir bei dieser Debatte nicht von dem Streit um die Führung der Jahn-Behörde absehen. Roland Jahn hat sich etwas vorgenommen, was zu realisieren
sicher nicht einfach ist. Aber die Absicht, die Behörde von jenen zu befreien, die gerade Gegenstand der Aufklärung sind, ist nicht nur logisch, sondern entspricht den Bedürfnissen der zahllosen Opfer.
Diese Absicht zu diskreditieren, wie jetzt durch Herrn Wiefelspütz geschehen, halte ich für einen bisher nicht da gewesenen Angriff auf die Integrität der Behörde und für einen Schlag ins Gesicht der Opfer.
Nicht einmal die Linkspartei ist so weit gegangen! Die Gleichsetzung von Aufklärung und Menschenjagd durch Herrn W. erscheint uns unfassbar. Man wusste zwar, dass Herr W. ein bekennender Weichspüler war, ein täterfreundlicher Begleiter der Aufarbeitungsdiskussion, die von ihm aber jetzt gefundene Wortwahl diskreditiert ihn meiner Ansicht nach für die weitere Beteiligung an dieser Aufarbeitungsdebatte.
Verehrte Sozialdemokraten! Sie können nichts für diese Äußerung des Herrn Wiefelspütz. Deshalb möchte ich Sie auffordern, sich inhaltlich auf Abstand zu ihm zu halten. Schicken Sie ihn zum Beispiel besuchsweise in die Haftanstalt nach Hohenschönhausen, Bautzen oder Erfurt! Verschaffen Sie ihm Termine bei Opfereinrichtungen! Folgen Sie dem Beispiel der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, die sich auch von ihm distanziert hat!
Verehrter Herr Gutzeit! Noch kurz zu Ihnen: Herr W. fällt sicher nicht unmittelbar in Ihren Aufgabenbereich. Aber es diskreditiert auch Sie, und ich hätte mir von Ihnen eine distanzierende, eine öffentliche Stellungnahme zu diesem Rundumschlag des Herrn W. nicht nur gewünscht, sondern hätte sie auch erwartet. Nutzen Sie doch endlich Ihr Amt einmal öffentlich! Die dem Amt zugrunde liegenden Werte sind nicht an die Stadtgrenzen gebunden, und Sie sind mehr als ein Behördenleiter. Ihrem Auftrag liegen die Empfindungen unzähliger in der DDR Gequälter zugrunde. Lassen Sie Herrn W. seine beschämenden Ansichten nicht durchgehen! Wegschauen und Verschweigen würde auch Ihr Amt diskreditieren! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aufenthaltsqualifizierende Maßnahmen – das Kulturforum hat eine bunte Nachkriegsgeschichte. Die Architektur hat sich durchaus mit namhaften Vertretern dort verewigt. Die kleine Kirche von Stüler, die beiden Musiktempel von Scharoun und die Nationalgalerie von Mies van der Rohe, das sind alles Ausrufezeichen, in der Sprache von Frau Lüscher „Diven“. Alt sind die Versuche, aus den Diven ein Ensemble zu machen, aus dem Platz ein Forum, aber sie sind bisher alle gescheitert, Berlin hat das nicht fertigbekommen. Gescheitert ist auch der Versuch Wisniewskis, durch ein Gästehaus im Sinn Scharouns einen Platz zu schaffen.
Unerledigt, das heißt ebenfalls gescheitert, der stimmannsche sogenannte Masterplan. Das war übrigens kein Masterplan, das war ein Horrorplan! Danach sollten die besten Grundstücke der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an private Entwickler verhökert werden. Deren kommerzielle Bedürfnisse hätten dem Kulturforum den Rest gegeben.
Strafverschärfend kommt hinzu, dass dieser Masterplan von Stimmann gleichzeitig auch noch das Gästehaus Wisniewskis erledigt hatte, das dem Platz im Sinn Scharouns immerhin eine Geschlossenheit gegeben hätte – übrigens ohne Kosten für das Land Berlin.
Ein Blick heute auf das Kulturforum zeigt eine willkürlich zernutzte Brache in der Mitte der Stadt, die den Leuten die Lust nimmt, die Museen zu besuchen. In Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, ist lediglich die Absicht zustimmungsfähig, nämlich: Weiterentwicklung des Kulturforums. Aber die Anträge und auch Ihre Rede, liebe Kollegin, zeigen, dass es sich um heiße Luft handelt, alles bleibt, wie es ist.
Ich zitiere aus diesen Anträgen. Ein Satz lautet: „Das Forum ist als öffentlicher Raum zu qualifizieren.“ – Ja, ich meine, will ihn denn jemand privatisieren? Der zweite Antrag: „Den vier architektonischen Monumenten ist der gebührende Respekt zu erweisen.“ – Also, okay, Hand an die Mütze! – Drittens: “Die freie Sichtbeziehung über den Stadtlandschaftsraum von der Nationalgalerie zur Philharmonie ist zu erhalten.“ – Ja, wer wollte denn das nicht, meine Damen und Herren?
So weit Ihr Antrag. Das ist alles! Das ist alles nichts. Vor zwei Wochen – ich komme noch einmal darauf zurück – haben wir hier über die Bauakademie und die Brache auf dem Schinkelplatz debattiert. Beim Kulturforum haben wir es mit der nächsten Brache in der Mitte Berlins zu tun. Ginge es nach der Linkspartei, vermutlich auch nach den Grünen, würde sich auch der Wiederaufbau des Stadtschlosses verflüchtigen, und wir hätten eine weitere große Brache in der Mitte der Stadt.
So ist Berlin, mit Rot-Rot-Grün! Das reimt sich, aber die Stadtpolitik bleibt ungereimt. Der Antrag von Ihnen bestätigt das. Wir werden ihn deshalb ablehnen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Thema Bauakademie: 1962 wurde sie von der DDR abgerissen. Seit fast 50 Jahren gibt es die Brache in der historischen Mitte Berlins. Seit ein paar Jahren flattert eine Fassade über dem Schinkelplatz. Kein Zweifel: Neben dem Stadtschloss handelt es sich dabei um das wichtigste Bauwerk in der mutwillig zerstörten Mitte. Wer hindert uns daran? – Anders als beim Thema Stadtschloss ist hier ein parteipolitischer Konsens festzustellen. Stattdessen gibt es allerdings überraschenderweise, verortet beim Senat, Desinteresse und Maßstabslosigkeit.
Das Grundstück gehört Berlin. Neckisch erklärte der Liegenschaftsfonds im September 2009 – Zitat –: „Jetzt wird sich zeigen, ob der Bewerber ein ernsthaftes Angebot abgibt.“ – Und es zeigte sich. Hans Wall, dem die Stadt eine erstklassige Möblierung mit Werbetafeln und Wartehäuschen verdankt, bot die private Finanzierung an, immerhin 15 Millionen Euro. Sie wurde nicht abgerufen. Es gab keine präzise Verhandlung, kein Gegenangebot, keine Risikoabschätzung. Das Angebot wurde vom Liegenschaftsfonds geprüft und verworfen. Das ist nichts Neues für Berlin, wo Investoren im Allgemeinen herablassend und desinteressiert behandelt werden.
Jetzt wollten wir es vom Senat etwas genauer wissen, genauer zunächst von Frau Lüscher. Dieses Mal ist sie nicht da. Vor zwei Wochen war sie noch da, aber wir müssen damit umgehen. Im „Tagesspiegel“ vom 26. Februar 2011, wir haben es Gott sei Dank schriftlich vor uns, wurde sie noch zur Bausenatorin promoviert, und ihr Statement zur Bauakademie lautete wie folgt – ich darf das zitieren –:
Es ist zu teuer. … Wir müssen also noch einmal anfangen, mit einer Wirtschaftlichkeitsstudie.
Was ist denn nun eigentlich zu teuer? Wer erstellt wann welche Wirtschaftlichkeitsstudie? Gibt es weitere Angebote von Investoren? Eines ging doch sogar durch die Medien. Man spürt förmlich hinter solchen Leersätzen den „unbändigen Willen“ und den „heißen Atem“, etwas zu verändern. 50 Jahre Brache und drei Jahre Lüscher, das ist zu viel.
Frau Junge-Reyer will ich jetzt gar nicht mit einbeziehen. Die zappelt noch im S-Bahnnetz und stolpert vorerst durch die Schlaglöcher, die der Winter in die Straßen gerissen hat.
Aber der Regierende Bürgermeister.
Ab und zu eine launige und kritische Bemerkung zu Neubauten in Berlin! Beim Thema Bauakademie allerdings wird er eindeutig: Es bleibt bei der Brache. Die Bauakademie wird Investoren ab jetzt nicht mehr angeboten. Mit Recht sagt deshalb auch der Liegenschaftsfonds, angesichts der Senatsvorgabe wäre die Ausschreibung sinnlos. Ein potenzieller Investor darf danach nämlich nur ein Viertel privat nutzen. Welcher Investor nimmt bei einer solchen Perspektive Geld in die Hand?
Und weiter Wowereit, im Haushalt gäbe es kein Geld für die Akademie. – Aber Herr Regierender, dann bleibt es doch bei der Brache, dann bleibt es doch bei der leeren historischen Mitte. Darauf Wowereits Antwort, übrigens noch ohne Bundesverdienstkreuz – Zitat –: Dann muss die eben so liegen bleiben, wie sie ist. – So kennen wir ihn, nassforsch, ergebnislos, jetzt allerdings mit Bundesverdienstkreuz am Hosenband. Investoren beißt man weg oder schreckt sie ab. Der Haushalt stellt nur für eine neue Kunsthalle oder nur für das Projekt einer Landesbibliothek 250 Millionen Euro zur Verfügung. Der Schinkelplatz muss auf die berühmte Bauakademie warten, die alle wollen.
Resigniert stellt Stimmann, Lüschers Vorgänger, fest, der Senat habe sich von den Brachen in der Mitte verabschiedet. Recht hat er.
Da bin ich noch bei den Maßstäben, ob Bauakademie oder Randbebauung des Hauptbahnhofs. Die für Stadtpolitik zuständige Frau Lüscher outet sich mit dem Satz: Wir brauchen in Berlin ruhige und rechteckige Gebäude und Blöcke. Eine Diva wie der Hauptbahnhof oder auch die Bauakademie sei genug. – Bei solchen Einschätzungen schwankt der Leser zwischen Hilflosigkeit und Mitleid.
Die Stadt ist voller ruhiger, rechteckiger, verwechselbarer Investitionsarchitektur, und es gibt immer mehr davon, vor allem in Berlin-Mitte. Meiner Fraktion ist es wichtig festzustellen, dass die Architektur nicht gegen die wenigen historischen Restbestände ausgespielt werden darf.
Dann komme ich zum letzten Satz, der lautet: Wenn wir so weitermachen wie Frau Lüscher und Herr Wowereit, dann spielt das den Grünen in Kreuzberg in die Hände.
Dann werden wir noch die Touristen vergraulen. Die Ureinwohner von Berlin wollen das ohnehin nicht, und die CDU erst recht nicht. – Vielen Dank!
Herr Flierl! Ich hätte gern einiges klargestellt bekommen. Zunächst hatte ich Sie so verstanden, als ob Sie wirklich für den Wiederaufbau der Akademie seien. Danach haben Sie es wieder relativiert, das sei nur ein Nachbau. Diese Argumente kenne ich aus der Stadtschlossdiskussion. Bleiben Sie bei Ihrer ersten Linie!
Meine Damen und Herren! Wie ist die Situation, auch nach dieser Debatte? Investoren wollen Sie nicht, und ein Investor funktioniert bei diesen Vorgaben auch nicht, dazu bekommen wir niemanden. Dann müsste man sagen,
der Haushalt springt ein. Von 15 Millionen Euro, vielleicht ein bisschen mehr, war früher die Rede. Da sagt der Regierende Bürgermeister, das könne er nicht. Jetzt kommt Frau Eichstädt-Bohlig mit einem wunderbaren Placebo: Wir sammeln Spenden – allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode.
Wenn Sie die Summe dieser drei Vorschläge ziehen, dann heißt das: Die Brache bleibt. Und das ist meiner Ansicht nach ein Zustand, der nicht hinnehmbar ist. Man müsste da sehr viel mehr Anstrengungen unternehmen, zum Beispiel, indem man den öffentlichen Haushalt vielleicht doch beteiligt oder indem man den Investoren eine Chance zu bauen und in Verhandlungen all die guten Zwecke, die Sie hier genannt haben, zu integrieren gibt. Das müsste möglich sein. Aber es gibt eben keinen integrierten Vorschlag und kein Konzept dafür. Das bedauert meine Fraktion, und deshalb haben wir den Antrag gestellt. Ich bitte Sie, nochmals zu überlegen, ob Sie ihm nicht zustimmen wollen! – Danke schön!
Herr Regierender Bürgermeister! Es geht doch in der aktuellen Situation zunächst einmal darum, den Bezirk daran zu hindern, in 14 Tagen Tabula rasa zu machen.
Aus diesem Grunde stelle ich Ihnen die Frage: Warum unterlässt es der Senat, die Chance einer Projektfinanzierung über das Gedenkstättenkonzept in Anspruch zunehmen, um mindestens erst mal zeitweise eine Verlängerung zu erreichen?
Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister. – Was hat den Regierenden Bürgermeister veranlasst, noch vor drei Jahren, Herr Wowereit, die Rente mit 70 als „Schwerpunkt seiner Politik“ vorzuschlagen? Ist er heute der Auffassung, dass sein damaliger Vorschlag Unsinn und einen „Schlag ins Gesicht der Menschen“ bedeutet hätte, wie er das heute im Hinblick auf die Rente mit 67 formuliert?
Herr Regierender Bürgermeister! Ich hätte mir gewünscht, dass Sie meine Frage beantworten und nicht ein Referat über das Thema halten. Ich frage Sie deshalb noch einmal: Sind Sie der Auffassung, dass angesichts unveränderter demoskopischer Fakten und einer unveränderten Realität ein derart brutaler Paradigmenwechsel Ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit nützt oder als Beweis für Ihre inhaltliche Beliebigkeit verstanden wird?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kürzlich sprach mich der verflossene SPD-Vorsitzende Strieder an. Das war nett von ihm. Aber gar nicht nett waren damals seine Versuche, als er noch Bausenator war, den Wiederaufbau des Stadtschlosses zu verhindern. Seine damalige Methode und Hoffnung: die Berufung einer internationalen Kommission mit Schlossgegnern. Sein Pech, unser Glück: Mit einer Stimme Mehrheit – ich erinnere daran, mit der Stimme des Vorsitzenden der Österreichischen Arbeiterpartei – votierte die Kommission für den Wiederaufbau.
Es folgte, um bei den Sozialdemokraten zu bleiben, die an Wilhelm II erinnernde Geste des damaligen Kanzlers Schröder, der vom Staatsratgebäude aus sagte: Ich will das Schloss wiederhaben. – Damit kippte die Bundestagsfraktion der SPD auf die richtige Seite, und das hörte man auch in Berlin. Herr Wowereit, auch der jahrzehntelangen Diskussion müde, entschied: Jetzt wird gebaut. Dabei ist es geblieben, und das freut mich, denn es liegt im Stadtinteresse.
Lange war die Diskussion um die Nutzung des Schlosses gekreist. Diese Nutzungsdebatte war im Grunde genommen das raffinierteste Argument der Schlossgegner. Solange man sich nämlich nicht auf einen Nutzungszweck geeinigt hatte, konnte man darauf verweisen, dass ein
Schloss ohne Nutzer nicht vorstellbar wäre. Schließlich und endlich kam es aber zur Idee des Humboldt-Forums, der Einbeziehung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und der Widerstand erlahmte.
Erlahmen ist aber etwas anderes als verschwinden. Kaum hatte nämlich die bürgerliche Regierung den Wiederaufbau der nächsten Regierung in die Schuhe schieben wollen, meldeten sich die alten ideologischen Neinsager wieder zu Wort. Herr Flierl, der regelmäßig bei Fuß geht, wenn es um die Rettung von DDR-Spezifika geht, im Fall übrigens der Staatsoper hat er sich uns angeschlossen, Herr Flierl und die Seinen witterten Morgenluft. Dahinter steht eine Revanchehaltung, nämlich etwa so: Ihr habt uns den Palast weggenommen, also verhindern wir das Schloss, das wir 1950 schon einmal verhindert hatten, damals durch Abriss.
Unsere Oppositionspartner von den Grünen hatte in der Debatte ein kräftiges und vorbehaltloses Jein kommuniziert, vielleicht mehr Nein als Ja. Auch sie sehen jetzt die Chance, ihr Änderungsantrag beweist es, über alles noch einmal zehn bis zwanzig Jahre nachzudenken und dann vielleicht gemeinsam mit der Piratenpartei ein interkulturelles Zentrum auf die grüne Wiese zu setzen.
Schade! Ich hätte gedacht, dass Sie, die so heftig die A 100 bekämpfen, statt ein kultur- und städtebauliches Ereignis zu opfern, die Einsparung von ein paar Autobahnkilometern vorgeschlagen hätten. Auch hier grinst die Ideologie wieder durch die Ökologie.
Es ist das Ziel meiner Fraktion, und ich freue mich über dieselbe Haltung der Sozialdemokraten, eine Idee umzusetzen, die der Stadt ähnlich wie in Warschau, in Moskau, Dresden oder Potsdam ihre historische Mitte zurückgibt und sie zusätzlich zum Schaufenster der außereuropäischen Kultur macht. Dies ist ein sanfter, historisch eingefasster Kosmopolitismus. Er würde die interessanteste Baustelle der Republik schaffen, würde Kunsthandwerker beschäftigen, Arbeitsplätze schaffen und eine manifeste Aktivität der Stadt bedeuten. Das alles mit Mitteln des Bundes, wenn es denn so kommt, der für seine künftige Handhabung natürlich genau aufpasst, wie dieses Abgeordnetenhaus entscheidet.
Die neue Architektur hatte und hat in dieser Stadt die Möglichkeit, sich im Stadtgebiet nach wie vor zu verwirklichen. Die Alternative der Neinsager und der Jeinsager, eine quadratkilometergroße Freifläche in der Mitte von Mitte, verbunden mit der Möglichkeit, im Sommer dort zu grillen und im Winter dort zu knödeln – verehrte Bundesregierung, meine Damen und Herren, bewahren Sie die Hauptstadt vor diesem banalen Schicksal! Berlin, noch immer ohne volle Regierungsfunktion, hat diese Zahnlücke nicht verdient. Berlin steht für das Ansehen und das Aussehen der Republik. Herr Ramsauer! Geben Sie sich einen Ruck! Veranlassen Sie deshalb den ersten Spatenstich so bald wie möglich! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 8. Mai ist nicht nur ein naheliegendes, sondern auch ein kompliziertes Datum. Die Antragsteller haben zu Recht, aus
welchen Gründen auch immer, einen wichtigen Satz Richard von Weizsäckers in ihre Antragsbegründung geschrieben, einen Satz, der die Ambivalenz der Geschichte deutlich macht.
Mir liegt zunächst daran, namens meiner Fraktion und – ich nehme an – in Ihrer aller Namen festzustellen: Ja, der 8. Mai 1945 hat unser Volk von einer teuflischen, brutalen Herrschaft befreit, und nicht nur dieses Volk, sondern fast das ganze Europa, das riesige Russland eingeschlossen. Und er hat uns in Europa – welch großes, unschätzbares Glück – das Ende des Krieges gebracht. Deshalb wird seiner an vielen Orten des Kontinents zu Recht gedacht.
Der Antrag nimmt Bezug auf die weizsäckersche Rede. Wer sie vollständig liest, der stößt auf viele Formulierungen, die es rechtfertigen, von einem komplizierten Datum zu sprechen. Ich zitiere aus einer der zehn eng bedruckten Seiten:
Wir haben
sagt Weizsäcker –
wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tage an Siegesfeiern zu beteiligen.
Eine erstaunliche Distanzierung! Im Lauf seiner Rede breitet Weizsäcker ein ganzes Kaleidoskop von Tatsachen und Empfindungen aus, auf denen jenes Datum beruht. Er spart nicht die Folgen aus, die der 8. Mai für Millionen Menschen auf diesem Kontinent bedeutete. Sie haben das ja auch nicht getan, Herr Brauer! Er benennt die später auch durch Günter Grass z. B. enttabuisierten Vertreibungen der Deutschen, die massenhaften Vergewaltigungen, die aktuell zunehmend in Büchern behandelt werden, Zwangsarbeit, Folter, Hunger und Not – Folgen übrigens, die die russische Bevölkerung ihrerseits, ihre tapferen Soldaten, die Stalin den Vaterländischen Krieg gewonnen hatten, ertragen mussten. Diesen Stalin dürfen wir in der Diskussion nicht außen vor lassen, war er es doch, der 1939 das Bündnis mit Hitler geschlossen hatte, das zur gewaltsamen Teilung Polens führte. Aber auch dieser Teufelspakt der schlimmsten Diktatoren des vergangenen Jahrhunderts beseitigt nicht die Schuld Nazideutschlands an dem Überfall auf Polen, Frankreich und Russland. Er ist für immer in unsere nationale Biografie eingebrannt.
Aber auch das erwähnt Weizsäcker in seiner Rede: Die Rote Armee unter der Knute Stalins befreite nicht nur halb Europa, sondern besetzte es dann auch. Ihr zum Opfer fielen z. B. die tapferen Polen, die Ungarn, Tschechoslowaken, die baltischen Staaten, deren Freiheitswunsch im Nachhinein immer wieder brutal unterdrückt wurde. Für sie dauerte die Befreiung am 8. Mai 1945 nur eine historische Sekunde, bevor sie nach der braunen Herrschaft Opfer der roten Diktatur wurden. Eine nachhaltige Befreiung gab es nur für die Menschen und Länder westlich der Elbe – immerhin! Aber bleiben wir bei Russland: Können wir wirklich davon ausgehen, dass die Millionen Gulagopfer den 8. Mai als Befreiung empfanden? – Erst das Jahr 1989/90 führte zu einer wirklich
dauerhaften Entspannung auch der Menschen östlich der Elbe.
Der vorliegende Antrag wird dieser verschlungenen Dialektik der historischen Entwicklung jedenfalls nicht gerecht. Wir glauben nicht, dass die Einführung eines Gedenktages die adäquate Antwort auf die differenten Empfindungen innerhalb der europäischen Länder wäre. Für meine Fraktion und für mich persönlich hat der 8. Mai 65 Jahre nach Kriegsende und 20 Jahre nach der Befreiung des ganzen Kontinents vor allem eine menschliche Bedeutung. Sie liegt in der kriegsfreien Möglichkeit für die Völker Europas, endlich frei zu sein, zueinanderzufinden, Freundschaft zu schließen. Ich habe persönlich diese Freundschaft von vielen russischen Menschen erfahren – ob in dem ehemaligen Stalingrad, heute Wolgograd, oder in Moskau oder in Berlin. Ich nehme gern diese Gelegenheit wahr, mich bei ihnen für Toleranz und Freundschaft gegenüber den Kriegsgegnern von einst öffentlich zu bedanken.
Die Gesellschaft ist sich über die teuflische Rolle Hitlers und des von ihm beherrschten Deutschlands einig. Jahr für Jahr gedenken wir – ob im Bezirk, ob im Land, ob in ganz Deutschland – des Datums. Ich habe mich von den Vorbereitungen in diesem Jahr persönlich überzeugen können. Offensichtlich ist den Antragstellern dieses Gedenken nicht ausreichend. Es soll irgendwie getoppt werden. Diesen Zusatzbedarf vermag meine Fraktion nicht zu erkennen. Den vorliegenden Antrag halten wir deshalb für gut gemeint, aber weder für erforderlich noch für geeignet, der komplizierten und in sich verschlungenen Weltgeschichte gerecht zu werden. – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren! – Ich habe hier nichts gleichzusetzen, meine Rede können Sie ja nachlesen.
Die CDU-Fraktion wird sich der Anregung der Grünen, sich mit Rücksicht auf die Gedrängtheit dieser Sache heute an der Abstimmung nicht zu beteiligen, anschließen. Herr von Lüdeke! Sie haben mich angesprochen, und deshalb möchte ich dies der FDP hiermit zur Kenntnis geben.
Der Historiker Golo Mann schreibt in der „Deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ über die Monate kurz nach dem Ende des I. Weltkriegs:
Die extreme Linke glaubte, dass die Revolution weitergetrieben werden müsste und, wie das russische Beispiel lehrte, auch weitergetrieben werden könnte. So wie Lenin auf Kerenski folgte, so müsste auf Friedrich Ebert Karl Liebknecht folgen.
Damit sind wir mitten in einer historischen Situation, die über das Schicksal der Nation entschied: über ihr demokratisches Sein oder über ihr totalitäres Nichtsein. Sie wissen, weshalb wir gerade darüber in diesem Haus reden: Weil die Entscheidung für die parlamentarische Demokratie gegen eine Diktatur nach sowjetischem Vorbild vor 92 Jahren in diesem Haus, in diesem Preußischen Landtag fiel. Es waren die Arbeiter- und Soldatenräte, die die Entscheidung trafen gegen Luxemburg und Liebknecht, die ihre Anhänger auf dem Vorplatz versammelt hatten. Die Entscheidung fiel mit überwältigender Mehrheit zugunsten der parlamentarischen Demokratie.
Lassen Sie uns bei dieser Gelegenheit kurz der deutschen Sozialdemokraten Ebert, Scheidemann, Noske und Braun gedenken, die das Menschenmögliche taten, um die Revolution zu verhindern und Deutschland zu retten.
Es gibt in der Geschichte dieses Landes nicht allzu viele Augenblicke, in denen sich die Demokratie gegen die Diktatur durchsetzte. Jener Dezember 1918 ist so einer, und ich stehe dafür, und dieses Haus sollte es insgesamt tun, jenen Demokraten der ersten Stunde Dank auch heute auszusprechen.
Übrigens nicht nur in dieser Debatte. Es ist der Wunsch meiner Fraktion, jenen Augenblick aus dem geschichtlichen Auf und Ab hervorzuheben und durch eine Plakette – in diesem Haus –, eine Inschrift oder sonstige Aufschrift, ob nun innen oder außen, zu würdigen. Die Einzelheiten könnten, so hieß es auch im Kulturausschuss,
durch das Präsidium festgelegt werden. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu diesem Antrag.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir kennen das alles: Die Stadt ist jahrzehntelang von ästhetischen Banausen heimgesucht worden.
Im Osten haben sie die Stadt nach ihren pauvren Maßstäben zugerichtet. Dort fiel 1950 das Stadtschloss, 1962 die Bauakademie. Drumherum entstand eine großflächige verkehrs- und aufmarschgerechte Stadtwüste zuzüglich Fernsehturm.
Aber auch im Westteil trieben sie Ihr Unwesen. Es fielen ihnen der Anhalter Bahnhof, der Potsdamer Bahnhof, der Sportpalast unter anderem zum Opfer. Kilometerweise wurden die Stuckornamente von den verschonten Häusern abgeschlagen. Es entstand das, was Wolf Jobst Siedler in seinem berühmten Buch „Die gemordete Stadt“ nennt. Seien wir nicht selbstgerecht; auch, was das wiedervereinte Berlin an Neubauten fertigbekommen hat, ist zum Teil nicht der Rede wert und nur zum Teil gelungen. So weit die Rahmenbedingungen.
Ich muss nicht umständlich erklären, dass die Bauakademie nach dem Stadtschloss das wichtigste Gebäude ist, um die verloren gegangene historische Mitte wiederherzustellen. Ich muss auch nicht feststellen, dass es anders als beim Thema Stadtschloss, das 20 Jahre lang gegen die Linke erkämpft werden musste, beim Thema Bauakade
mie keine politischen Gegner gibt. Wir alle sind – so hoffe ich – einig, dass sie wiedererstehen muss, möglichst original und 48 Jahre nach ihrem Abriss auch möglichst schnell.
An dieser Stelle kommt der Senat ins Spiel, genauer, der Liegenschaftsfonds, dem die Umsetzung des Teilnahmewettbewerbs zur Grundstücksvergabe übertragen wurde. Neckisch ließ er noch im September in einer Pressemitteilung verlauten: „Jetzt wird sich zeigen, ob der Bewerber ein ernsthaftes Angebot abgibt.“ Das zeigte sich allerdings. Konkret bedeutete das, der Investor muss die gesamten Baukosten tragen – das sind 15 Millionen Euro – und darf nur eines der vier Stockwerke nutzen. Dass sich unter diesen Voraussetzungen überhaupt ein Bieter fand, grenzt an ein kleines Wunder. Sein Name ist bekannt, und er hat den nicht unbekannten Architekten Kolhoff an seiner Seite.
Obwohl er die Ausschreibungsbedingungen erfüllte, lehnte der Liegenschaftsfonds ab. Offenbar war das mit der Senatorin rückgekoppelt – die unserer Debatte scheinbar nicht folgt. Man wolle nicht – so hieß es –, das Risiko von Mehrkosten übernehmen. Nach Auffassung des bauleitenden Architekten allerdings entstehen gar keine Mehrkosten – wie dem auch sei.
Deshalb fragen wir den Senat: Hat man sich vor der Ablehnung oder nachher einmal zusammengesetzt? Hat man noch einmal gerechnet? Versucht, eine Lösung zu finden? In den Medien wird es ganz anders berichtet. Danach habe der Liegenschaftsfonds auf Anfrage auf Frau Lüscher verwiesen. Frau Lüscher habe auf die Senatorin Junge-Reyer verwiesen, diese auf den Finanzsenator und dieser wiederum auf den Liegenschaftsfonds. Auf deutsch: Der Senat ist abgetaucht, war und ist nicht zu sprechen und zieht sämtliche Gardinen vor seinen Amtsstuben zu. Die Folge ist, dass auf Jahre eine quadratkilometerweite Brache in der Stadt zu erwarten ist, wenn er sich nicht bewegt.
Ich nehme an, wir werden zu hören bekommen, das Land Berlin sei so klamm und so knapp bei Kasse und könne sich eventuell überschießende Baukosten nicht leisten. Aber, Herr Finanzsenator, Ihr Herr Kollege Regierender Bürgermeister wollte doch trotz knapper Kassen eine neue Kunsthalle für 20 Millionen Euro, die jetzt wie eine Luftnummer durch die Stadt segelt. Die neue Landesbibliothek soll einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Oder Frau Lüscher, die Senatsbaudirektorin, entzieht gerade dem Berliner Architekturpreis die verdiente Förderung und will zusätzlich 80 000 Euro für einen dritten Architekturpreis ausgeben. Kein Geld? Herr Finanzsenator, das ist eine durchschaubare Notlüge.
Die Wahrheit, Herr Senator, lautet: Geld wäre vorhanden, aber was Ihnen fehlt, sind die Maßstäbe für die Notwendigkeit einer überfälligen Stadtreparatur, die Maßstäbe für die Bedeutung der historischen Mitte Berlins, die Maßstä
Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki
be für die Urbanität des Stadtgesichts. Weil der Senat diese nicht hat, fehlt ihm die Ambition, der Ehrgeiz, der Impuls, und er taucht weg. Aber täuschen Sie sich nicht. Das wird in der Stadt bemerkt, deren Menschen in höchstem Maß an dem Baugeschehen und dem Gesicht der Stadt interessiert sind.
Meine Fraktion kann Sie deshalb nur warnen, meine Damen und Herren vom Senat.
Ich bin beim letzten Satz. – Wenn Sie es trotz des gutwilligen Investors nicht hinbekommen, diese privat finanzierte Bauakademie wieder erstehen zu lassen, wird die republikweite Öffentlichkeit ein weiteres Mal über diesen Senat das Urteil fällen: geschichtslos, banausenhaft, schwächlich, lächerlich. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Kollegin! ich habe nicht ganz verstanden, wo unsere Differenzen liegen. Ich habe einmal kurz mitgeschrieben. Sie sagen, die Prämissen des Liegenschaftsfonds gingen dahin, eine öffentliche Nutzung möglich zu machen. Das ist richtig, und das ist vom Investor auch gar nicht abgelehnt worden. – Dann sagen Sie, Sie seien eigentlich auch damit einverstanden, dass die Bauakademie wieder entsteht. Vielleicht habe ich das nicht mitbekommen, aber sind Sie nicht in der Regierung? Sie tauchen einfach weg, anstatt eine für alle Beteiligten offenkundig wichtige Maßnahme zu vollziehen. Der eine schiebt es auf den anderen. Wahrscheinlich ist es ein Mangel an Finanzmitteln. Dazu habe ich Stellung genommen. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie noch einmal die Gelegenheit ergriffen, hier zu sagen: Ja, wir sind dafür, dass die Bauakademie wieder entsteht. – oder: Nein, wir sind nicht dafür. – und wenn ja, wie Sie das fördern wollen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße, dass sich eine abzeichnende Mehrheit für diesen Antrag findet, der die freiheitliche und demokratische Herkunft unseres Landes betrifft. Ich bin positiv überrascht von der Befürwortung dieses Antrags durch die Linkspartei – Respekt! Ich bin ebenso – negativ – überrascht von der Ablehnung durch die Freien Demokraten. Ich nehme an, Sie werden die Debatte nutzen, um dem Antrag doch noch zuzustimmen.
Berlin hat sich, was die Aufarbeitung der braunen Diktatur angeht, nichts vorzuwerfen. Die Stadt hat beispielgebend für die ganze Nation – gleichgültig mit welcher Parteifarbe – die Erinnerung und Aufklärung der NSDiktatur gefördert. Dass es hier keinen Schlussstrich und keinen Stillstand gibt, zeigt z. B. die Bemühung darum, für den Hitler-Attentäter Elser ein Denkmal zu finden.
Was die Aufarbeitung der zweiten Diktatur in Deutschland angeht, sind wir noch nicht so weit. Das hat viele Gründe, unter anderem, dass die Zeit uns noch zu nahe steht. Zwar gibt es schon Festlegungen – etwa die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße, die Haftanstalt Hohenschönhausen oder das private Museum am Checkpoint Charlie –, es fehlt aber insbesondere noch der Ort, der den Widerstand der Menschen in der DDR bezeichnet, erarbeitet und öffentlich macht.
Bitte sehr!
Ich habe den Regierenden Bürgermeister in der dritten Reihe der SPD-Fraktion entdeckt, das muss uns reichen, Herr Kollege!
Bevor ich zu Einzelheiten komme, will ich noch auf den Begriff Diktatur eingehen, den Herr Brauer im Kulturausschuss in Bezug auf die DDR zurückwies. Ich erinnere daran, verehrter Herr Brauer, auch Unrechtsstaat dürfen wir bezüglich der DDR nicht sagen, wenn es nach Ihnen geht. Das sind aber die einschlägigen Begriffe für einen Polizeistaat, der die Menschen bewacht, gequält und vertrieben hat. Natürlich gibt es Unterschiede zu dem braunen Terrorstaat, das bestreitet niemand. Diese Unterschiede machen aber aus der DDR keinen Kuschelstaat, keinen Rechtsstaat, keine parlamentarische Demokratie.
Was sollen wir eigentlich von Ihren vielfältigen Beteuerungen halten, dass Sie von der Linkspartei sich von jenem Staat und seinem Spitzelsystem losgesagt hätten, wenn Sie der Öffentlichkeit übel nehmen, dass sie ihn zutreffend als Diktatur oder als Unrechtstaat bezeichnet? Wovon distanzieren Sie sich eigentlich? Deshalb: Nutzen Sie diese Debatte, um Ihre Haltung klarer zu machen!
Was könnte ein Widerstandszentrum leisten, wenn es denn entstünde? – Natürlich brauchen wir den Bund und seine auch inhaltliche Mitarbeit, denn es handelt sich um keine innerstädtische Angelegenheit. Widerstand gegen das Regime der DDR war nicht auf Berlin beschränkt. Er wurde vor allem auch, wie wir heute wissen, in der Provinz geleistet. Deshalb meine ich, dass drei Dinge in diesem Zentrum geschehen müssen: Erstens Aufarbeitung des Widerstands der vielen, vielen Menschen, die weitgehend unbekannt und unprominent den Mut hatten, nein zu sagen, Sippenhaft in Kauf nahmen und mit ihrer Gesundheit, im Einzelfall mit ihrem Leben dafür bezahlen mussten. Ob Plauen oder Leipzig, ob Erfurt oder Potsdam – ihre Biographien zu sammeln, zu sichten und öffentlich zu machen, ist das erste Anliegen dieses Zentrums.
Zweitens geht es um die Biographien der bekannt gewordenen Widerständler, der Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler. Diese Demokratie braucht Vorbilder. Worte und Werte vorgeben ist das eine, Werte vorleben das
andere, viel Schwerere, aber in seiner Wirkung Wichtigere.
Gegenstand des Zentrums sollten mindestens auch die sogenannten Friedensgruppen sein, die in Wahrheit Freiheitsbewegungen waren und teils unter dem Dach der Kirche ihre mutige Arbeit verrichteten. Die Leipziger Nikolaikirche steht dafür.
Nur so viel und nur so kurz zu diesem Antrag. Ich bin in der komfortablen Situation, dass es sich um einen Mehrfraktionenantrag handelt, und falls ich etwas Wichtiges vergessen haben sollte, dann werden Sie das ergänzen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Ströver! Ihre kleine Nebenbemerkung mit Block und so nehme ich zum Anlass, um Sie daran zu erinnern, dass nicht alle grünen Abgeordneten von Anfang an auf Seiten der Bürgerbewegung waren. Wir hatten eine Menge im Ausschuss aufzuarbeiten. Aber dabei will ich es bewenden lassen.
Ich finde auch nicht, dass sich dieser Antrag dazu eignet, dass wir uns streiten. Verzeihen Sie, dass ich so naiv bin – ich bin noch gar nicht so lange in diesem Parlament –, aber ich habe nicht verstanden, Herr Hilse und meine Damen von der SPD, weshalb Sie gegen diesen Antrag sein können. In meiner Vorbereitung habe ich mich nicht nur auf das Neue Forum kapriziert. Na, selbstverständlich meinen wir mit dem Neuen Forum alle Oppositionsbewegungen, jeden Widerstand, jeden Bürgerrechtler.
Das ist kein Ausgrenzungsantrag, den wir hier vorliegen haben. Das ist ein exemplarischer Antrag, weil es auf dieses Datum fällt. Wir sollten uns nicht gegenseitig irgendwelche schmutzige Wäsche vorhalten, sondern sollten diesem Antrag zustimmen. Ich werde ganz zum Schluss noch eine Bitte äußern, an der Sie merken, dass wir an einer gemeinsamen Würdigung interessiert sind.
Lassen Sie mich noch einmal ein wenig Wasser in den Wein gießen, denn die Politik des vereinigten Deutschlands hat für diejenigen, die sich mit so viel Mut gegen eine Diktatur gewehrt haben, gegen Aussperrung, gegen
Quälereien, gegen Gewalt, klammheimliche und rohe, doch zu wenig getan. Ich finde – Herr Hilse hat bereits zwei Namen genannt – insgesamt sind zu wenige von diesen Bürgerrechtlern, von diesen Widerständlern in der Politik angekommen und bestimmen zu wenig mit. Eher mitgekommen und mitgelaufen sind diejenigen, die die DDR und die Diktatur mitgetragen haben und dort zum Teil auch Mittäter waren. Das ist bedauerlich.
Ich möchte auch noch auf eine zweite bedauerliche Sache hinweisen. Das ist die Art und Weise mit der die deutsche Rechtsprechung mit diesem Thema umgeht. Die verbietet den Bürgerrechtlern, zum Beispiel neulich Frau Birthler über das ZDF, das zum Ausdruck zu bringen, was sie selbst erfahren oder in den Akten gefunden haben. Diese Art und Weise der Bewältigung ist unerfreulich. Das ist eine Bewältigung von Diktatur, die in Deutschland eine schlechte Tradition hat. Wir sollten alle die Gelegenheit ergreifen – und zwar übergreifend über die Fraktionen –, diese Rechtsprechung zu kritisieren.
Vielleicht noch Eines: Wir sind als CDU-Fraktion gegen jede Art von Schlussstrichmentalität. Wir wollen niemanden ächten, wir wollen niemanden ausgrenzen. Wir wissen, auch wir sind keine besseren Menschen als diejenigen, die damals mitgemacht haben. Aber wir wollen den offenen Dialog, wir wollen entsprechend der Situation in Südafrika eine wahrheitsgemäße Diskussion.
Damit bin ich bei unserem Antrag, der nichts weiter tut, als den tapferen Menschen von damals eine Ehre zu erweisen, die ihnen gebührt – nicht nur den Mitgliedern des Neuen Forums, sondern auch allen anderen.
Zum Abschluss: Wir sollten es nicht bei dieser Erklärung, wenn sie denn doch zustande kommt, belassen. In unserer Gedenkstättenlandschaft fehlt ein Zentrum für alle Widerständler – ein Zentrum für den Kampf des Neuen Forums und vieler anderer Oppositioneller, auch vieler Namenloser, Bürgerrechtler und Menschenrechtler. Wir sollten gemeinsam ein solches Zentrum in Berlin vorbereiten und irgendwann beschließen. Ich habe allen Fraktionen einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Ich hoffe auf Zustimmung und Verständnis aller Fraktionen. Es würde den Mut der Menschen, die sich in der Diktatur für unsere Werte eingesetzt haben, aufbewahren. In diesem Sinne bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein wichtiger Antrag – einhellig im Kulturausschuss abgestimmt –, und doch haben wir Diskussionsbedarf! Ich glaube, von Ihnen, den Linken, kam in der Debatte im Kulturausschuss der
Hinweis, wir im Parlament dürften keine Geschichte schreiben.
Aber, meine Damen und Herren, das tut der Antrag nicht, sondern er formuliert nur das, was eine unserer vornehmsten Aufgaben in diesem Parlament ist: Er wertet, und er wertet Geschichte – geschrieben haben diese Geschichte andere. So wie wir auch werten, was vor 60 Jahren in der braunen Diktatur passiert ist, so tun wir das auch mit jenem Wahlbetrug vor 20 Jahren – womit eine Gleichsetzung selbstverständlich nicht verbunden ist.
Wir tun das allerdings in einer Zeit, in der das aktuelle Interesse an jenen Vorgängen weitgehend verloren gegangen ist. Die junge Generation – wie von Klaus Schröder von der Freien Universität ermittelt oder von Anne Will in ihrer Sendung neulich eingespielt – weiß oft gar nicht, wovon wir reden.
Und auch die Älteren sind kaum noch mit jenen mutigen Taten der Ostdeutschen zu erreichen. Wir haben also ein Wahrnehmungsproblem. Davon profitieren Sie, meine Damen und Herren von der Linken, besonders. Sie müssen nicht einmal viel ablenken, so wie neulich Ihr Genosse Maurer bei Anne Will. Die vergessliche Zeit spielt Ihnen zurzeit jedenfalls in die Hände.
Der Tod von Jürgen Fuchs wurde immerhin – zehn Jahre danach – medial adäquat erwähnt, und die Ausstellung am Alex, gestaltet von der Havemann-Gesellschaft, mag sicher auch jüngere Interessenten finden. Aber insgesamt ist es zurzeit nicht einfach, die Vergangenheit in das politische Bewusstsein zurückzuholen.
Da liegt es doch nahe, dass Sie von der Linken möglicherweise sagen: Wir – Lederer, Liebich oder Pau – waren damals junge Pioniere oder bei der FDJ, das heißt, nicht beteiligt, und Herr Wechselberg und andere Westimplantate waren es ohnehin nicht.
Die ist, soweit ich weiß, glücklicherweise noch nicht in Ihrer Partei. – Bedauerlich ist der Umgang der SED damals – so können Sie argumentieren – mit jenen Wahlen, jenem Zwang, jener Einschüchterung, jenen Sanktionen für Nichtwähler, der Wahlfälscherei, der Bestrafung von Aufrufen und Eingaben. Sie waren in der Tat nicht dabei, aber Ihre Partei war es.
Die haben Sie zwar ein paar Mal umbenannt, aber die Verantwortlichen von damals, wie Gysi und Bisky, sind nach wie vor an Ihrer Tete. Ein prominenter Wahlfälscher von damals, Herr Modrow, ist sogar Ihr Ehrenvorsitzender. Wie verträgt sich das mit Ihrer Zustimmung zu dem Antrag im Kulturausschuss? Wie verträgt sich Ihre Zustimmung zum Beispiel mit Ihrer Weigerung, die DDR
einen Unrechtsstaat zu nennen? Hier besteht Aufklärungsbedarf. Sie haben nachher die Gelegenheit dazu.
Ich will mich nicht aufs hohe Ross setzen.
Ich hatte das Glück, in einer freien Gesellschaft aufzuwachsen, aber das entlastet Sie nicht. Ich stelle hier nur Fragen. Die politische Verantwortung bleibt bei Ihnen. Nutzen Sie deshalb die Chance, in dieser Debatte einen Unrechtsstaat auch als solchen zu bezeichnen! Entschuldigen Sie sich bei denen, die Sie jahrzehntelang zu einer Scheinwahl gepresst und um eine wirkliche Wahl betrogen haben!
Auch Sie profitieren ja seit zwanzig Jahren von diesem, von den Bürgerrechtlern erkämpften Wahlrecht.
Meiner Fraktion ist es ein tiefes Bedürfnis, den Ostdeutschen für ihren Mut und ihre Streitbarkeit zu danken. Jener 7. Mai 1989 reiht sich in der Tat in die Daten 9. Oktober und 9. November ein, die wir in diesem Jubiläumsjahr zu recht begehen. Deshalb unser Ja zu diesem Antrag! – Vielen Dank!
Frau Kollegin! Ich stimme Ihnen in Bezug auf die Bedeutung des Ortes vollkommen zu, aber wie lange glauben Sie, kann sich der Senat und das Land Berlin aus dieser Sache heraushalten?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Regierende Bürgermeister hat vor ein paar Wochen auf einer Kaffeefahrt mit Gefolge seinen Unmut über die Architekturqualität eines Kaufhauses am Alex ausgedrückt – für mich das erste Mal, dass er sich überhaupt, seit er amtiert, zum Thema Stadtgesicht geäußert hat. Immerhin!
Die Kaffeefahrt hat ihn auch zum Spreeufer, dem Gegenstand dieser Aktuellen Stunde, gebracht. Hierzu hat sich Wowereit leider nicht geäußert, jedenfalls nicht inhaltlich. Berlin verfügt – lassen Sie mich das kurz erwähnen – über eine Anzahl wunderbarer Stadtquartiere in Ost, in der Mitte, in West, trotz Krieg und Nachkriegszerstörung.
Aber Berlin hat auch ein anderes Gesicht, ein zerstörtes, ein lebloses. Die Aufgabe, die sich an einem so zentralen Ort wie dem Spreeufer stellt, lautet deshalb: Wie kann man erreichen, dass das Ufer, vor allem auf Friedrichshainer Seite, nicht mit leblosen Klötzen zugepflastert wird? Wie kann man gleichzeitig erreichen, dass die für Berlin am Spreeufer so wichtigen Investoren angesiedelt werden? Beide Interessen miteinander zu verbinden, die qualitativen mit den ökonomischen, statt zuzusehen, wie sie aufeinanderprallen – eben darin besteht die politische Aufgabe.
Wie lautet nun die Antwort des Senats, vor allem des Regierenden Bürgermeisters? – Sie lautet: nicht zuständig, soll doch der Bezirk zusehen, wie er mit dem Spreeufer, dem Bürgerentscheid, den Investoren fertig wird! – Verantwortungs- und hilfloser kann man auf dieses Problem nicht reagieren!
Wir befinden uns in der Mitte der Stadt – der Kollege Jahnke hat es eben schon gesagt –, da, wo die Spree eine repräsentative Breite zeigt, viel mehr ist als ein linker Nebenfluss der Havel. Im Rücken die neue O2-Halle, links die Oberbaumbrücke, rechts die Jannowitzbrücke – „Spiegel“ und „FAZ“ haben dem Thema mehrere Seiten gewidmet: Berlin – Spree-Athen – macht sich einfach lächerlich, wenn es den Fluss zum Kiezgewässer, die Stadtzuständigkeit an den Bezirk verschiebt.
Das Gleiche ist auch dieser ehrenwerten Bürgerinitiative mit dem martialischen Namen „Mediaspree versenken!“ entgegenzuhalten. Die Versenker sind offenbar überall in dieser Stadt. Es kann nicht angehen, dass knapp 30 000 von 185 000 Bezirksbewohnern verbindlich über das Schicksal dieses für die Gesamtstadt so wichtigen Pro
jekts entscheiden. Immerhin verdanken wir der Initiative – wie damals auch den Hausbesetzern –, dass sie auf das Problem der Urbanität aufmerksam gemacht hat. Es geht allerdings – anders, als diese Initiative vorgibt – dort nicht um die Erhaltung eines Kiezes auf Friedrichshainer Seite, denn dort gibt es weit und breit keinen Kiez. Es ist im Gegenteil ein Glück für diese Gegend, die aus Tristesse und Eastside-Gallery besteht, dass sich dort neues Leben entwickeln wird.
Schließlich sind wir bei den berechtigten Ansprüchen der Investoren, für die Stadt wichtige Namen darunter. Nur wer es schlecht mit der Stadt meint, kann versuchen, sie vom Spreeufer zu vertreiben. Die Investoren gilt es aber zu überzeugen, dass die Architekturqualität ihrer Bauvorhaben der Bedeutung des Ortes entsprechen muss. Auch das ist die Verantwortung dieses Senats.
Da bin ich bei dem zentralen Stichwort Architekturqualität. – Frau Senatorin! Was Ihre Senatsbaudirektorin Lüscher als Erweiterungsbau von Labels abgesegnet hat, spottet jeder Beschreibung!
Bestellen Sie ihr einen verständnislosen Gruß! Diese Parkhausarchitektur, wie sie in einigen Zeitungen auch veröffentlicht wurde, würde das Spreeufer steril und leblos machen. Eine solche Stadtverfremdung muss verhindert werden! Das betrifft übrigens ein Ufer, das schon heute von der jungen Szene Berlins entdeckt wurde und mit Namen wie „Maria am Ufer“, „Oststrand“ oder „Yaam-Club“ als erste oder zweite Stadtadresse gilt. Auch diese Szene hat ein Recht zu erwarten, dass an dem Ufer, von dem aus zu DDR-Zeiten auf Flüchtlinge geschossen wurde, ein Stück Freizeitromantik nicht gänzlich verschwindet.
Resümee: Meine Fraktion fordert erstens, dass der Senat endlich seine Zuständigkeit für dieses Spreeufer anerkennt und wahrnimmt.
Zweitens soll gleichwohl die Bürgerinitiative angehört werden – wobei ich davon ausgehe, dass sie ihr Heil nicht in Gewaltaktionen wie gestern bei O2 – falls sie dahintersteckt – sucht.
Sehr gerne!
Lieber Herr Kollege Braun! Das darf mich als viel geprüfter Abgeordneter in diesem Hause nicht stören. Ich habe eine Korrespondenz mit ihr begonnen, die sie allerdings noch nicht beantwortet hat.
Ich komme zu meiner dritten Forderung: Die Investoren dürfen nicht durch ein jahrelanges Hin und Her zwischen Bezirk und Senat abgestoßen, sondern müssen angeregt werden, ihre Bauabsichten stadtverträglich zu machen.
Viertens: Frau Senatorin! Der Senat soll in Sachen Architekturqualität endlich tätig werden. Es geht nämlich nicht nur um die Stadtoberfläche, sondern um das Stadtgesicht Berlins. Launige Bemerkungen des Regierenden Bürgermeisters auf Kaffeefahrten helfen da nicht weiter! – Vielen Dank!
Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig! Glauben Sie wirklich, dass dieses Spreeufer zu einer attraktiven Stadtgegend wird, ohne Rücksicht auf die Architekturqualität der dort geplanten Bauten? Sehen Sie sich den Plan von Labels, den Sie auch erwähnt haben, diese Parkhausarchitektur,
an! Meinen Sie wirklich, dass man mit dem Spreeufer so umgehen kann?
Ich möchte noch einmal auf das Thema Architekturqualität und die Parkhausarchitektur zurückkommen. – Frau Senatorin, ich hatte Ihnen ja geschrieben und habe leider bisher noch keine Antwort. Ich möchte Sie nur zu Folgendem ermuntern. – Frau Eichstädt-Bohlig, Ihr Vortrag war zu legalistisch, wie der des Kollegen Lindner zu ökonomisch war. –
Die politische Aufgabe des Senats besteht doch darin, jenseits der Gesetze und jenseits der ökonomischen Vernunft auch zu versuchen, dass das Thema Stadtqualität in diese Planungen Eingang findet. Da sind Sie doch gar nicht so auf verlorenem Posten. Wir lesen in der Zeitung, dass die Leute, die O2 gemacht haben, ihrerseits offenbar Problembewusstsein haben und ihre Planungen überdenken. Meine Frage und meine Bitte an Sie ist: Gehen Sie zu den Investoren, notfalls persönlich oder mit Frau Lüscher mit gewandeltem Bewusstsein, und versuchen Sie, Stück für Stück, Grundstück für Grundstück darauf zu – –
Das habe ich schon getan. Ich habe Frau Eichstädt-Bohlig zu legalistische Argumentation vorgehalten
und bitte deshalb den Senat, sich im Hinblick darauf davon nicht beirren zu lassen, sondern Stück für Stück, Grundstück für Grundstück nachzuprüfen, was mit der Architekturqualität dieser Bebauung ist. Nur dann kann aus diesem Spreeufer kein zweiter Alex werden, sondern ein wirklich attraktiver Ort für die Stadt Berlin. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Medien erfahren wir, dass der Regierende Bürgermeister und Staatssekretär Härtel zu den Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in Peking reisen werden.
Allerdings haben wir von den politischen Voraussetzungen und den Bedingungen bisher nichts erfahren. Herr Momper hatte ein „anständiges Programm“ in Peking zur Voraussetzung seiner Reise gemacht.
Aber was spielt sich denn seit Monaten zwischen Chinesen und Tibetern ab? – China, eines der ältesten Kulturvölker der Welt und eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, hat sich noch immer nicht befreit von den Fesseln einer kommunistischen Diktatur. Was das heißt, das haben wir zum Teil in Deutschland selbst erfahren, nämlich eine staatstragende Partei, ein riesiger Militär-, Polizei- und Spitzelapparat und die Verfolgung und Überwachung Andersdenkender, die in Gefängnissen und Lagern verschwinden.
So weit die eine, die chinesische Seite.
Die andere, das sind die 2,4 Millionen Tibeter. Seit 1950 sind sie Teil der Volksrepublik, die ihnen 1951 eine weitgehende Autonomie und die Präsenz des Dalai-Lama garantiert hatte. Aber um diese Autonomie ist es heute, wie wir alle wissen, schlecht bestellt. Wir lesen und hören, dass weder die Tibeter, noch der Dalai-Lama ihrerseits beabsichtigen, sich aus dem Staatsverband Chinas zu lösen. Sie wollen keine Unabhängigkeit, sie sind deshalb auch keine Separatisten. Sie wollen ihre Autonomie, das Recht also, ungestört ihre Kultur und Religion ausleben zu können. An dieser Forderung scheiden sich die Geister, wie wir das täglich den Medien entnehmen können.
Wie „anständig“ kann eigentlich ein Reiseprogramm unter solchen Voraussetzungen noch sein? Wie viel chinesische Folklore, wie viele Tänze und Gesänge müssen aufgeboten werden, um die Beschießung und die Proteste Andersdenkender zu übertönen?
Dieses China ist kein Land des Lächelns. Bis heute höre ich aus dem Roten Rathaus keine politischen Voraussetzungen für eine Reise nach Peking, auch von keinen Bedingungen, selbst von Appellen höre ich nichts. Selbst Fahnen, wie unter anderem in Potsdam und Cottbus, wehen nicht vor Ihrem Rathaus, Herr Wowereit! Sie haben doch sonst nichts gegen bunte Fahnen vor Ihrem Amtssitz.
Weshalb nutzen Sie nicht die Chance, die diese Spiele bieten, weshalb nutzen Sie sie nicht politisch aus? Herr Regierender Bürgermeister! Sollten Sie dennoch fahren, werden Sie nicht viele deutsche Politiker in Peking treffen.
Ich bin der Kanzlerin und ihrem Außenminister für die unspektakuläre Distanzierung von den aktuellen Vorgängen durch Verzicht auf eine Reise nach Peking besonders dankbar. Ich bin stolz auf eine Kanzlerin, die nicht nur russische Dissidenten in der deutschen Botschaft in Moskau empfing, sondern auch kürzlich den Dalai-Lama im Bundeskanzleramt.
Diese Maßstäbe sind verhältnismäßig neu in der deutschen Außenpolitik. Maßstäbe, die Bürger- und Menschenrechte auch gegen starke Staaten wie China, Russland oder die USA reklamieren. Das zeigt moralische Stärke, ein geläutertes Selbstbewusstsein dieser Republik, die nach einer eigenen, schwierigen Geschichte Glaubwürdigkeit und Ansehen nach außen und innen gewonnen hat.
Meine Damen und Herren! Herr Wowereit! Sie und wir repräsentieren eine Stadt, die mit dem Begriff der Freiheit auf das Engste verbunden ist, eine Stadt, die auf friedliche Weise mitgewirkt hat, eine Diktatur zu überwinden. Deshalb obliegt es Ihnen und uns und anderen Repräsentanten – von welcher Parteifarbe auch immer! –, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein. Es geht in dieser historischen Stunde nicht darum, Winkelemente zu schwenken. Wir können nicht in das Weltgeschehen eingreifen, aber wir können eines deutlich machen: auf welcher Seite Berlin steht. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie einen kurzen Rückblick in ein Stück der blutigen deutschen Geschichte und einen Rückblick auf jemand, der dem widerstehen wollte! Ich spreche von Georg Elser, und Georg Elser war bis vor kurzem für die breite deutsche Öffentlichkeit ein unbekannter Mensch. Er gehörte zu den sogenannten kleinen Leuten, war Schreinergeselle, Gelegenheitsarbeiter, Mitglied eines Zitherklubs in irgendeinem Nest. Aber dieser kleine Mann hatte ein großes Ziel. Er hatte begriffen, dass Hitler den Weltkrieg wollte, und das war sein Attentatsmotiv. Er sagte: „Ich habe den Krieg verhindern wollen.“
Dieses Attentat am 8. November 1939 misslang, weil Hitler sieben Minuten früher den Bürgerbräukeller in München verließ. Elser wurde gefasst, monatelang verhört – übrigens auch hier in der Nähe in der Prinz-AlbrechtStraße – und 1945 ermordet. Es hat wenig Sinn, mit Spekulationen zu kommen, wenn man eines feststellt: Ein gelungenes Attentat hätte vermutlich den Weltkrieg verhindert, denn Hitler war der Teufel in der NS-Bewegung. Seine hochdekorierten Lakaien waren ohne seine dämonische, suggestive Energie schwach.
Welche Konsequenzen hat nun aber diese Biographie und ihr tragisches Ende für uns? – Berlin hat wie keine andere Stadt der Opfer der braunen Diktatur gedacht, und wir werden da auch keinen Schlussstrich ziehen. In Kürze werden Gedenkorte zugunsten der verfolgten Sinti und Roma und der Homosexuellen entstehen. Aber Berlin hat auch das Recht und die Pflicht der Menschen zu gedenken, die der Diktatur widerstanden haben.
Dies gilt vor allem für die Männer des 20. Juli hier in der Stauffenbergstraße. Aber auch insoweit darf es keinen Schlussstrich geben gegenüber so tapferen Menschen wie etwa Elser, die ihr Leben eingesetzt haben. Deshalb hat die CDU-Fraktion den Antrag gestellt, Elser durch ein Denkmal zu ehren, kein Denkzeichen, sondern ein Denkmal. Wir wollen dem Widerstand ein Gesicht geben.
Die Koalitionsfraktionen haben das im Kulturausschuss leider abgelehnt und durch einen einfachen Prüfantrag ersetzt. Herr Flierl hat gegenüber Rolf Hochhuth – es versteht sich, unter vier Augen – die Begründung dafür geliefert: Einem Antrag, wenn er von der CDU käme, könne man nicht zustimmen. – Das ist ein überzeugendes Beispiel für ein kleines, ideologisches Parteikaro, Herr Kultursenator a. D. Übrigens hat sich auch das rechtsradikale Lager gemeldet, wie ich annehme. Elser wird dort als Bombenleger, das Attentat als erbrecherisch bezeichnet. v Umso dankbarer bin ich dem Staatssekretär Schmitz, der den CDU-Antrag befürwortet hat, wie ich hoffe, nicht ohne Rückkoppelung mit dem Regierenden Bürgermeister. Deshalb appelliere ich an die sozialdemokratische Fraktion: Stimmen auch Sie heute zu! Georg Elser hätte diese Ehrung verdient. – Vielen Dank!
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie beurteilt der Senat die unmittelbare Umfassung der Gedächtniskirche mit 25 Verkaufsständen von Schnellimbissen – Asia-Grills, Currywurst, Crêpes und Kitsch –?
2. Wird er diesen stadtunverträglichen Zustand eines der bekanntesten Berliner Plätze weiter hinnehmen?
Frau Senatorin! Wenn wir – zu meiner großen Befriedigung – den Glauben an diese Stadtunverträglichkeit teilen – was will Ihre Senatsverwaltung tun, um zum Beispiel auch mit der Kirche in Verbindung zu treten, damit diese „Fettringe“ verschwinden?
Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass auch andere wichtige Plätze in der Stadt, zum Beispiel der Potsdamer Platz, der Gendarmenmarkt oder das Holocaust-Denkmal, von diesen Belästigungen nicht verschont sind? Sehen Sie das nicht auch als eine stadtpolitische Aufgabe gerade Ihrer Verwaltung an?
Ich nehme die Wahl an und bedanke mich!