Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Die gute Arbeit von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei einer Vielzahl von Trägern, Organisationen und Verbänden darf nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Jede Umsteuerung in diesem Sektor bedarf einer gründlichen Prüfung und muss in Absprache mit den wichtigen Akteuren erfolgen. Voreiliges Handeln ist hier nicht angebracht.

Der Fall Treberhilfe zeigt, dass im Bereich der entgeltfinanzierten Leistungen die Kontrollen zwingend verbessert werden müssen, etwa bei den Kostensätzen oder Entgelten für soziale Dienstleistungen, auf die Menschen nach den Sozialgesetzbüchern I bis XII einen individuellen Rechtsanspruch haben, zum Beispiel in den Bereichen Pflege, Hilfen zur Erziehung oder Betreuungsleistung – um nur einmal diese Dimensionen darzustellen.

Ich frage mich an dieser Stelle: Wo waren denn die Stadträte der verschiedenen Oppositionsparteien, die auch bei der Kontrolle ihren Beitrag leisten müssen? Wo war beispielsweise die Sozialstadträtin in TempelhofSchöneberg, wo ja auch die Treberhilfe sehr aktiv war? Wo hat Frau Klotz von den Grünen dort „Halt, hier schau’ ich nach, hier schau’ ich auf die Rechnung!“ gesagt? Wo hat zum Beispiel der CDU-Stadtrat für Soziales aus Steglitz-Zehlendorf „Halt!“ geschrieen? Da zeigt der Fall der Treberhilfe, dass viele miteinander aufpassen und sich oft konsultieren müssen.

Aus dem Fall der Treberhilfe e. V. und der gGmbH müssen wir alle einige Dinge lernen und verändern. In aller Vorsicht: Bei der Konstruktion einer gemeinnützigen GmbH, die nicht klar zwischen Entscheidung und Kontrolle trennt, bei der Aufsichtsorgane fehlen oder ihnen Rechte und faktische Möglichkeiten der Intervention fehlen, bestehen leicht Risiken für zweifelhaftes Geschäftsgebaren. Das muss unterbunden werden. Die Forderung nach mehr Kontrolle muss nicht nur präziser in dem Sinne gemacht werden, wer, wen oder was kontrolliert werden soll, sondern die Dichte der lange vorhandenen Kontrollmöglichkeiten muss einbezogen werden. Hier zum Beispiel bei:

Erstens: Bei Zuwendungen wird nach gegenwärtigem Zuwendungsrecht im Rahmen der Verwendungsnachweise und darüber hinaus äußerst intensiv geprüft. Der deutsche Verein für öffentlich-private Fürsorge hat beispielsweise vor kurzem Vorschläge zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts gemacht. Hier sollte sich Berlin nicht abkoppeln, sondern einbringen.

Zweitens: Im gesamten Entgeltbereich werden vom Land Berlin mit den Leistungserbringern Leistungs-, Ver

gütungs- und Prüfungsvereinbarungen geschlossen. Diese müssen ordentlich geprüft werden.

Drittens: Im Bereich der Leistungserbringung werden für jeden leistungsberechtigten Klienten mehrseitige Entwicklungsberichte geschrieben, die von den Fallmanagern der Bezirksämter geprüft werden können. Wurden sie geprüft?

Viertens: Zwischen der Senatsverwaltung für Soziales, den Bezirken und Leistungserbringern gibt es im Entgeltbereich eine bemerkenswerte Begegnungsdichte. Allein die „Kommission nach Paragraph 75“, in der für den Entgeltsektor Leistungen und Entgelte mit allem Drumherum erörtert werden, kommt jährlich sechs- bis zehnmal zusammen.

Fünftens: Kein Leistungserbringer kann in dem System der Entgelte beim sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis auch nur einen einzigen Kunden gewinnen, ohne dass ein Vertreter des Landes Berlin, zum Beispiel über die MDK, zustimmend mitwirkt, beispielsweise die Fallmanager in den Bezirken, beim sozialpsychiatrischen Dienst, beim Arzt, in der MDK und so weiter.

Sechstens: Die Forderung nach Kontrolle und Transparenz zieht also auch Felder, in denen die mit Überwachung befugten Behörden und Institutionen mit einem Vollzugsdefizit zu kämpfen haben oder aus anderen Gründen die gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Überwachungsmöglichkeiten nicht nutzen.

Siebtens: Eine Stadt wie Berlin muss nachhaltig auf die Entwicklung ihrer Sozialausgaben achten, sich und andere zu Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichten. Nicht so sehr Kontrolle, sondern aktive Steuerung ist hier gefragt, und Umstrukturierungen sind dabei das Gebot der Stunde, gerade aus fiskalischer Sicht. Umfangreichste Teile der rund 2,2 Milliarden Euro starken Ausgaben, die Berlin hier macht, sind Ausdruck einer Mischung aus Unter- und Überversorgung.

Die öffentliche Diskussion um die Vorgänge zeigt, wie ein herkömmliches fürsorgestaatliches Denken noch stärker ausgeprägt ist als das Verständnis für moderne Sozialwirtschaft mit ihren Zielen der Problemlösung für viele Menschen und zum Nutzen unserer Gesellschaft.

Welche Konsequenzen müssen wir daraus ziehen? Zum einen: gemeinsam mit der Liga der Wohlfahrtsverbände vereinbaren, wo mehr Transparenz sinnvoll ist, auch in Ansehung der privaten gewerblichen Anbieter. Wir begrüßen den Transparenzkodex, die Vereinbarung darüber muss noch stärker verpflichtend eingesetzt werden.

Zweitens: Die Stärkung der Binnenkontrolle bei den Trägern, Trennung von Entscheidungs- und Kontrollorganen, Qualifizierung der Mitglieder in Aufsichtsräten, Stärkung des Finanzamts für Körperschaften zur Überprüfung der

Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen, zeitnahe Verwendung der Überschüsse.

Drittens: Effektivierung der Prüfungsvereinbarungen im Entgeltbereich: Hier ist noch viel zu tun.

Viertens: Steuerung der Ausgaben- und Angebotsstruktur in Jugendhilfe, Pflege und Behindertenhilfe.

Ratsam ist auch, mehr Transparenz beim Leistungsgeschehen in Berlin durch Einführung eines echten Benchmarkings zwischen den Bezirken zu schaffen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Radziwill! – Ich darf die Fotografen dort oben noch einmal darauf hinweisen, dass Sie mit Ihren Kameras bitte etwas nach hinten treten und nicht die Tische der Abgeordneten fotografieren. Mir ist das aus den Reihen der Abgeordneten so mitgeteilt worden, und ich bitte Sie, das zu beachten! – Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Hoffmann das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Radziwill! Als Sie versucht haben, uns zu erklären, dass es ein normaler Vorgang sei, wenn der ehemalige SPDAbgeordnete Ehlert um die 35 000 Euro im Monat verdient, war ich schockiert von Ihrer Aussage.

[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie wieder nicht zugehört, Herr Hoffmann?]

Es geht schon lange nicht mehr nur um den einsamen Maserati, sondern um die Verschwendung von Steuergeldern, um Selbstbedienung unter dem Mantel der Gemeinnützigkeit und auch um Filz, wie es der „Berliner Kurier“ titelt. Welch ungeheurer Flurschaden durch den ehemaligen SPD-Abgeordneten und Geschäftsführer der Treberhilfe hinsichtlich der sozialen Arbeit in Berlin angerichtet worden ist, ist noch gar nicht abzusehen.

Doch neben den materiellen Schäden gibt es jetzt schon weitreichende ideelle Kollateralschäden, die meiner Meinung nach von großer Bedeutung und Langzeitwirkung sind. Dazu gehört, dass in kürzester Zeit der Ruf der vielen seriösen sozialen Dienstleister gleich mit ruiniert wurde, das Vertrauen vieler Menschen in die Träger sozialer Arbeit in den letzen Wochen rapide geschwunden ist und das Zutrauen vieler Berlinerinnen und Berliner in den Staat, Selbstbedienung und Verschwendung von öffentlichen Geldern Einhalt gebieten zu können, zurzeit gegen Null tendiert.

[Beifall bei der CDU]

Diese Vertrauenskrise hat der Senat durch sein kritikwürdiges Verhalten selbst verschuldet, denn es mangelt an Transparenz bei der Mittelvergabe Verwaltung, und es mangelt seit Jahren am notwendigen Finanzcontrolling. Routinekontrollen hinsichtlich der Vertragserfüllung und der vereinbarten Dienstleistungen sind weitgehend unbekannt, und selbst auf wiederholte Verdachtsmomente wegen Unwirtschaftlichkeit oder sonstiger Mängel wird nicht reagiert, auch wenn – wie bei der Treberhilfe oder jetzt, bei Independent Living – diese seit langem presseöffentlich sind. Dieser unhaltbare und skandalöse Zustand muss umgehend geändert werden, denn Experten vermuten, dass die Treberhilfe nur die Spitze des Eisbergs sei. Neueste Meldungen scheinen dies zu bestätigen.

Während sich die sozialen Träger bzw. Dachverbände bereits öffentlich dazu bekannt haben, ihrer Verantwortung zu mehr Transparenz verstärkt nachkommen zu wollen, sieht der rot-rote Senat in seinem eigenen Verhalten immer noch keine Fehler. Er verdrängt, dass er durch mangelnde Kontrolltätigkeit und durch Untätigsein erst ein System ermöglicht hat, in dem persönliches Fehlverhalten wie das des benannten SPD-Abgeordneten Ehlert jahrelang ungehindert blühen und gedeihen konnte.

[Beifall bei der CDU]

Aus diesem Grund ist dieser Senat mit verantwortlich für die Misswirtschaft in diesem Bereich, und das seit mehreren Jahren. Es ist ja nicht so, dass wir gestern einen Regierungswechsel hatten, sondern Sie haben zehn Jahre Regierungszeit auf dem Buckel, und dafür tragen Sie die Verantwortung.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Und wenn dann noch – wie schon so oft – geradezu in dreister Weise versucht wird, die Verantwortung für die Berliner Fehlentwicklungen dem Bund zuzuschieben, dieser habe die Blackbox gemeinnütziger Dienstleister gewollt, Kontrollrechte des Senats gebe es nicht, sie würden geradezu durch Bundesrecht verhindert – diese Unverfrorenheit und bewusste Irreführung der Öffentlichkeit ist reine Ablenkung und zeigt nur das deutliche Versagen dieses Senats.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Nach SGB VIII, XI und XII sind Rahmenverträge mit den Verbänden für den Abschluss von Verträgen mit sozialen Dienstleistern vorgeschrieben. Dort können sehr wohl Überprüfungsgrundsätze sowie Inhalte und Verfahren zur Wirtschaftlichkeit wie auch eine angemessene Vergütung des Personals hineingeschrieben werden. Es ist sogar möglich, die einzelnen Kostenpauschalen aufzugliedern, um mehr Transparenz in die Verwendung der Finanzmittel zu bringen. Es gibt also aus dieser Hinsicht keine Verbote, wie hier suggeriert wird. Hätte der Senat diese Grundsätze beherzigt und wäre er manchen Hinweisen gefolgt, die durch Presse, Gewerkschaften und Beschwerden von Einzelpersonen vorgebracht wurden, sowie den Mitteln und Möglichkeiten gefolgt, die selbst der geltende Rahmenvertrag bereits enthält, so wäre es nicht zu diesen

empörenden Entwicklungen bei der Treberhilfe gekommen.

[Beifall bei der CDU]

Wir fordern deshalb den Senat auf, aus seinem eigenen Versagen endlich vor allem die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und aktiv Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört, umgehend den noch geltenden Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII gemeinsam mit den Verbänden zu überarbeiten und wirksame Kontrollmechanismen, wie zum Beispiel anlassbezogene Prüfungen, zu verabreden. Unerlässlich für mehr Transparenz sind unserer Ansicht nach auch Pflichten der Träger zur Veröffentlichung etwa der Besetzung der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates, der Mitarbeitervertretung, der Gehälter und Löhne sowie der Darstellung des Jahresüberschusses und seiner Verwendung und eines standardisierten Jahresberichts.

Doch was für das Vertragsrecht gilt, muss dem Grunde nach auch für den Zuwendungsbereich gelten. Hier riecht es insbesondere im Bereich der vielen Sonderprogramme geradezu nach Willkür und Vergabe der Mittel nach Gesinnung. Eine echte nachvollziehbare Kontrolle gibt es bisher nur beim Liga-Vertrag. Es ist auch kein Geheimnis, dass das Parlament nicht genügend informiert, sondern in diesen Fragen in erster Linie zur Kopfnickerbrigade des Senats degradiert wird. Meine Fraktion jedenfalls will sich das nicht länger bieten lassen. Deshalb fordern wir mehr Transparenz ein.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Berlin hat viele Probleme und viel zu viele, um sich Intransparenz, mangelnde Kontrolltätigkeit und Steuergeldverschwendung des Senats noch länger leisten zu können. Deshalb brauchen wir Konsequenzen und klare Beschlüsse. Darum bringen wir auch entsprechende Anträge ein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Breitenbach das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden hier nicht über normale Vorgänge – das hat Frau Radziwill auch nicht so gesagt –, wir reden – davon können wir seit gestern ausgehen – von Untreue.

[Dr. Andreas Köhler (SPD): Vom Verdacht der Untreue!]

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Treberhilfe. Die Presse berichtet von weiteren Skandalen. Auch hier müssen die jeweils zuständigen Verwaltungen prüfen,

was an den Vorwürfen dran ist, notfalls auch hier mithilfe der Staatsanwaltschaft.

CDU und FDP unterstellen nun dem Senat – Herr Hoffmann hat es schon gemacht, ansonsten geht es auch aus den Anträgen hervor – Verschleierung, und der stellvertretende Vorsitzende der CDU, Heilmann, redet von Sumpf.

[Mieke Senftleben (FDP): Natürlich! Nur!]

Nun, meine Damen und Herren der CDU, mit Sumpf und Verschleuderung von öffentlichen Geldern kennen Sie sich gut aus, aber Ihr Vorwurf gegen Rot-Rot ist Fakt – ist falsch.

[Beifall bei der Linksfraktion, der CDU und der FDP – Gelächter bei der CDU und der FDP – Mario Czaja (CDU): Ihre Sprache verrät Sie!]

Faktisch können Sie das an den Gesetzen sehen. Herr Hoffmann, da bitte ich Sie, die Gesetze noch mal genau nachzulesen. Dort wird nämlich deutlich, dass wir zwischen Zuwendung und Entgelten unterscheiden müssen. Ich sage das hier noch einmal, weil es nach wie vor kunterbunt durcheinandergeht – nicht nur hier, aber auch hier. Staatliche Zuwendungen werden auf Antrag gewährt. Dabei muss eine Sachbegründung und ein Finanzplan vorgelegt werden. Es sind Projekte gegen Rechtsextremismus, Frauenprojekte oder auch die Projekte der LigaVerträge, die diese Zuwendungen erhalten. Diese Gelder müssen auf den Cent genau abgerechnet werden. Man kann also davon ausgehen, dass eine anderweitige Nutzung hier nicht möglich ist, es sei denn, man wählt den illegalen Weg.