Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

[Beifall bei der FDP]

Wir stellen eben nicht nur das System der Verwendung, sondern auch das System der Vergabe von Mitteln auf den Prüfstand.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie schlagen nur Schaum!]

Verehrte Frau Radziwill! Es gilt, endlich die Spreu vom Weizen zu trennen, was diese Sozialindustrie angeht. Es gibt viele freie Träger und Projekte, die gute, teilweise ehrenamtliche Arbeit leisten. Es gibt viele freie Träger und Projekte, die darauf achten, mit den Mitteln sparsam umzugehen. Diese Träger wollen wir schützen. Die Schwarzen Schafe allerdings müssen wir identifizieren. Dazu ist Transparenz wichtig und Kontrolle notwendig. Im Gegensatz zum Senat haben wir entsprechende Vorschläge entwickelt, für die wir um Ihre Zustimmung bitten. – Danke!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Abgeordnete Lederer.

Frau Präsidentin! Kollegin Senftleben! Wir hätten das natürlich auch im Rahmen von Frage und Antwort machen können, aber das funktionierte ja nicht. Also die liberale Theorie will genau das: Streben nach Gewinn. Markt führt dazu, dass Innovationen freigesetzt werden, Leute kreativ werden und Ähnliches. – Das sagt die FDP.

[Beifall bei der FDP]

Und genau das ist hier passiert.

[Zurufe von der FDP und der CDU]

Hier sind Leute kreativ geworden. Das soll in solchen Sektoren öfter passieren. An der einen oder anderen Stelle schießt man auch mal über das Ziel hinaus.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Wäre eigentlich irgendetwas anders gewesen, wenn es sich nicht um eine gemeinnützige GmbH, sondern beispielsweise um eine Sozialkonzernaktiengesellschaft gehandelt hätte? – Da hätten Sie die Leute gelobt, wenn drei Maseratis gefahren werden, und als erfolgreiche Unternehmer gepriesen. So ist Ihre Theorie.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Und wenn es dann schiefläuft, dann stellen Sie sich hin und schreien nach dem Staat. Das ist FDP-Politik.

[Christoph Meyer (FDP): Sie haben nichts gelernt!]

Im Krankenhausbereich läuft das nicht anders. Da haben Sie der Deregulierung der Märkte das Wort geredet. Sie haben genau das, Angebot und Nachfrage, gefordert. Genau das ist dort eingeführt worden. Und die Renditen, die in dem Bereich auf Kosten von Krankenkassen, Steuerzahlern u. Ä. erwirtschaftet werden, stören Sie überhaupt nicht. Jetzt das Jammern hier und Krokodilstränen, das ist absolut lächerlich.

[Zurufe von der FDP]

Ihre Anträge, die Sie vorgelegt haben, sind auch lächerlich. Die bringen überhaupt nichts zur Aufhellung. Liebe Frau Kollegin Senftleben! Es hatte ja den Charakter einer Büttenrede. An der Qualität der Arbeit der Treberhilfe und vieler anderer Träger gab es überhaupt keine Beanstandung. Die Arbeit war völlig in Ordnung. Es ist nun mal aktien- und GmbH-rechtlich so, dass Sie sich nicht einfach die Bücher jedes Unternehmens vorlegen lassen können. Und wenn man das könnte, wäre die FDP die Erste, die auf den Barrikaden stehen würde. So sieht es doch aus.

[Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Sie können nicht die Rezepte predigen, und wenn es dann schiefläuft, im Nachhinein nach dem Arzt rufen. Das ist echt bigott. Das ist doppelzüngig. Ich sage Ihnen an der Stelle eines: Aufgeräumt in dem öffentlichen Unternehmenssektor in diesem Land hat Rot-Rot.

[Gelächter bei den Grünen – Zurufe von den Grünen und der FDP]

Und wir werden auch in den Sozial- und Jugendsektoren in diesem Land aufräumen. Wir und niemand anders stehen dafür. Und wir werden das machen.

[Zurufe von den Grünen und der FDP]

Ja, ich weiß, die Grünen waren es, die für alles zuständig sind. – Aber wir regieren hier, und wir haben eine ordentliche Arbeit geleistet. Wir werden das auch weiterhin tun.

[Beifall bei der Linksfraktion – Christoph Meyer (FDP): Peinlich!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Frau Senftleben möchte antworten und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrter Herr Kollege Lederer! Das zum Thema Markt: Erstens müssen wir Kreativität und Kriminalität unterscheiden. Das ist schon mal Punkt 1.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von der FDP: Das kann Rot-Rot schon lange nicht mehr!]

Punkt 2: Unternehmen, die auf dem freien Markt tätig sind, werden kontrolliert. Auch das ist wichtig.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wer im Glashaus sitzt!]

Lassen Sie mich abschließend zum Thema Markt eines sagen: Ja, wir stehen zum Markt, denn wir wissen aus der langen und vor allem erfolgreichen Geschichte der sozialen Marktwirtschaft, sie bringt wirklich Kreativität, Wettbewerb, Qualität und Transparenz.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Jetzt noch mal was zu dem Thema Qualität und Treberhilfe: Ich weiß nicht, ob Sie es irgendwie gehört haben. Sicher, die Treberhilfe hat zum größten Teil gute Arbeit gemacht,

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

aber zum Thema Qualität: Heißt es in dem Bereich: Stopp, Projekt stopp! –, scheint auch dieses fraglich zu sein. Dies zum Punkt 2.

Lassen Sie mich zum Schluss eines sagen: Dieser Markt ist schlicht von rot-roten Projekten geprägt. Punkt 1!

[Christoph Meyer (FDP): Rot-Rot-Grünen!]

Punkt 2: Die Treberhilfe ist Lehman Brothers im Sozialbereich und diskreditiert eine gesamte Branche. Mehr will ich dazu nicht sagen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Oliver Schruoffeneger (Grüne) und Jasenka Villbrandt (Grüne)]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Für den Senat hat jetzt die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales das Wort. – Bitte sehr, Frau Senatorin Bluhm!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten ist die soziale Arbeit in Berlin mit so viel Öffentlichkeit beschert worden, und das ist gut, denn hier leisten über 100 000

Beschäftigte gute und wertvolle Arbeit, ob in der Kita, in Pflegeeinrichtungen, in der Wohnungslosenhilfe, bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung und vielem anderen mehr. Bei all den gravierenden Problemen, die jetzt ans Licht gekommen sind, dürfen wir uns den Blick auf diese für die betroffenen Menschen und den sozialen Zusammenhalt der Stadt so notwendige Arbeit nicht verstellen lassen. Viele der Träger und ihre Beschäftigten leisten hochprofessionelle Arbeit.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Der Treberhilfeskandal und die breite öffentliche Debatte haben aber gleichzeitig dazu geführt, dass sich immer mehr Beschäftigte sowie Klientinnen und Klienten und Angehörige bei mir und anderen melden, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Auch das ist gut. Wir gehen diesen Hinweisen nach und versuchen zu helfen. Doch das alles zeigt, es läuft etwas schief im System der sozialen Wohlfahrtspflege. Dieses System, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, haben Sie, hat Ihre Bundesregierung unter Kanzler Kohl Mitte der Neunzigerjahre geschaffen, niemand anders.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

„Konkurrenz statt Transparenz“ ist das Leitmotiv dieses Systems der Entgeltfinanzierung, und die unterscheidet sich grundlegend von der Zuwendungsfinanzierung. Das hat die Kollegin Breitenbach gerade ausführlich dargestellt. Die soziale Arbeit ist seitdem endgültig marktwirtschaftlich organisiert. Die Vereine, Träger der gemeinnützigen GmbHs, aber auch privatwirtschaftliche Unternehmen konkurrieren um den großen Kuchen öffentlicher Mittel im entgeltfinanzierten Bereich. Allein in Berlin geht es dabei um knapp 2,3 Milliarden Euro. Grundidee ist, dass die Träger Kostensätze für die jeweiligen Leistungen bekommen, die mit ihnen vertraglich vereinbart sind. Diese Sätze decken dann die gesamten Kosten, z. B. die Löhne für die Beschäftigten, die Geschäftsführergehälter, die Sachkosten, die Unterhaltung von Immobilien. Reicht das Geld, dürfen die Unternehmen und Träger die Überschüsse behalten. Reicht es nicht, müssen sie selbst sehen, wie sie klarkommen. In dieses System sind Fehlanreize eingebaut. Soziale Arbeit ist eben keine Ware. Wollen die Unternehmen höhere Überschüsse erwirtschaften, müssen sie die Kosten niedrig halten. Das geht fast immer auf Kosten der Beschäftigten, nämlich über Lohndrückerei, über arbeitsvertragliche Tricks und sicher im Einzelfall auch mal über Leistungseinschränkungen.

Für die öffentlichen Haushalte hat das entgeltfinanzierte System den Vorteil, dass die Gesamtkosten fest kalkulierbar sind. Aber der Preis dafür ist hoch. Der Bundesgesetzgeber hat nämlich nicht vorgesehen, dass die öffentliche Hand die Verwendung dieser Entgelte auch tatsächlich kontrolliert. Nur wenn sich Kundinnen oder Kunden beschweren, sogenannte Schlechtleistungen vorliegen, können wir als Staat eingreifen. Ansonsten gibt es als Prüfungsinstanzen die Finanzämter, die kontrollieren, ob die gemeinnützigen Unternehmen und Vereine ihre Ü

berschüsse auch tatsächlich reinvestieren. Als Ultima ratio bleibt uns noch die Staatsanwaltschaft, aber die können wir nur einschalten, wenn konkrete Verdachtsmomente in Bezug auf Straftaten vorliegen.

[Andreas Gram (CDU): Die sind ja wohl da!]

Im Fall der Treberhilfe war das so. Deshalb habe ich Anzeige erstattet, und die Ermittlungen laufen.