Herr Kollege Esser! Ich würde vorschlagen, dass wir die Details eines Businessplans, bei dem wir uns im Augenblick mit anderen Städten im Wettbewerb befinden, an den Orten diskutieren, an denen wir das üblicherweise erörtern und nicht in der Fragestunde. Wir sollten das entweder im Beteiligungs- oder im Vermögensausschuss tun. Dort können wir das in aller Tiefe debattieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gemeint ist natürlich nicht verfassungswidrig, sondern gesetzeswidrig, damit wir uns diese kleine Zwischenbemerkung gleich sparen können. – Ich frage den Senat:
1. Welche Maßnahmen wird die Senatsverwaltung für Inneres im Rahmen der Rechtsaufsicht über die Bezirke unternehmen, um die von der Schulstadträtin des Bezirks Mitte – Frau Schrader, Die Linke – angekündigte Neugründung einer Sonderschule im Bezirksamt, die klar Artikel 19 des vom Bundestag am 21. Dezember 2008 beschlossenen Gesetzes „Zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ widerspricht, zu stoppen?
2. Teilt der Senat die Auffassung der linken Bezirksstadträtin, dass es „nicht beschulbare“ Kinder gibt, für die Sondereinrichtungen vorgehalten werden müssen?
Vielen Dank! – Das beantwortet Herr Senator Körting. – Bitte, Herr Senator Körting, Sie haben das Wort!
Auch für mich überraschend! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schruoffeneger! Wir haben im Schulgesetz für Berlin in § 109 Abs. 3 die Gründung von Schulen als Bezirksaufgabe. Dies steht unter einem Genehmigungsvorbehalt der Schulaufsichtsbehörde. Ein entsprechendes Genehmigungsverfahren ist für die Schule am Standort Berolinastraße im Bezirk Mitte von Berlin noch nicht eingeleitet.
Derzeit befindet sich dort die Filiale einer Schule des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Es ist richtig, dass das Bezirksamt Mitte Planungsvorstellungen hat. Die befinden sich aber noch in der Planungsphase. In der Planungsphase besteht für die Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die übrigens dann im Regelfall auf Anregung der Senatverwaltung für Bildung tätig wird, keine Veranlassung einzuschreiten. Lasst die doch erst einmal planen!
[Özcan Mutlu (Grüne): Sollen sie etwas planen, das gesetzeswidrig ist? – Zuruf von Steffen Zillich (Linksfraktion)]
Das Zweite ist: Das Recht auf Bildung und Erziehung ist für alle Berliner Kinder und Jugendliche in § 2 Schulgesetz für Berlin verankert. „Nicht beschulbare“ Kinder gibt es nach unserer Auffassung nicht, sondern alle Kinder sind „beschulbar“. Selbst für kranke werden in bestimmten Berliner Kliniken Schülerplätze vorgehalten, bis hin zur Unterrichtung am Krankenbett oder in der häuslichen Wohnung. Für Kinder mit Schwerst- und Schwerstmehrfachbehinderungen ist dies gegebenenfalls durch Konzentration bestimmter Plätze an bestimmten Schulen allerdings unabdingbar, weil sie nicht parallel Therapieplätze für alle Bereiche vorhalten können.
Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung bereitet gegenwärtig einen Bericht an das Abgeordnetenhaus vor, in dem die Perspektiven für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf für das Land Berlin aufgezeigt werden. Ich empfehle, dann die Debatte im Schulausschuss abzuwarten.
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Körting! – Eine Nachfrage von Herrn Schruoffeneger. – Bitte sehr, Sie haben die Gelegenheit!
Nun ist das Bundesgesetz, auf das sich das bezieht, fast anderthalb Jahre alt. Deshalb können wir die Debatte oder die Vorlage noch abwarten. Ich frage Sie aber, ob Sie es denn in der Interpretation des Gesetzes, das das Land auffordert, aktiv zu werden und nicht nur eine theoretische Integrationsmöglichkeit zu schaffen, sondern auch
dafür die aktiven Maßnahmen zu ergreifen, in diesem Sinn für sinnvoll halten, dass wir in Berlin eine Debatte über eine neue formelle Gründung von Sonderschulen haben, positives Signal, und gleichzeitig jedes Jahr von Neuem Debatten haben, dass Integration immer schwerer wird, weil die notwendigen Schulhelferstunden jedes Jahr von Neuem umstritten sind und nicht ausreichend zur Verfügung stehen, negatives Signal?
Herr Kollege Schruoffeneger! Wir haben seit vielen Jahren – das Schulgesetz seinerzeit ist fast schon Jahrzehnte her – einen Riesenschritt zur Integration von behinderten Kindern in die Berliner Schulen getan. Sie haben im Schulgesetz – drauf hat mich Frau Zinke freundlicherweise hingewiesen, aber ich hätte das selbstverständlich auswendig gewusst – ausdrücklich den Vorrang der Integration vor anderen Schulformen. Seien Sie versichert, dass es letztlich nicht auf die Formfrage ankommt, sondern darauf, was für das betroffene Kind die beste Fördermöglichkeit ist.
Das ist der entscheidende Gesichtspunkt, mit dem man arbeiten muss. Ich gehe davon aus, dass sowohl das Bezirksamt Mitte von Berlin wie auch die Senatsschulverwaltung dieses immer im Auge haben und entsprechend entscheiden werden.
Herr Senator! Sie haben Grund, überrascht zu sein, schließlich gibt es eine UN-Konvention, die vom Bundesgesetzgeber ratifiziert wurde und, wie Sie gerade gesagt haben, im Schulgesetz den Vorrang der gemeinsamen Beschulung festlegt. Deshalb noch einmal: Da Sie jetzt überrascht sind und von dieser Planung als mit der Rechtsaufsicht zuständiger Senator Kenntnis bekommen haben: Was werden Sie unternehmen, diese Planungen, die auch Geld kosten, die zusätzliche Plätze für Kinder mit Behinderungen in einer Förderschule vorsehen, die im Grund gegen die UN-Konvention sind, die auch dem Berliner Schulgesetz widersprechen, zu stoppen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Berlin derzeit ein Gutachten und einen Bericht erarbeitet, indem die Inklusion als vorrangiges Ziel der Berliner Schule in ganz Berlin etabliert werden soll?
Herr Kollege Mutlu! Die Debatte um Integration und um Sonderschulen gibt es in dieser Stadt seit ungefähr 40 Jahren.
Nein! Wir haben in dieser Debatte Riesenfortschritte getan. Allerdings verkennen Sie eines völlig: Die UN-Konvention schafft nicht die Sonderschulen in allen Ländern der Erde automatisch ab, sondern betont den Vorrang der Integration.
[Mieke Senftleben (FDP): Sehr richtig! – Özcan Mutlu (Grüne): Lesen Sie mal das Gesetz! Sie irren sich, Herr Senator! – Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]
Herr Mutlu! Sie können ganz sicher sein, dass die UNKonvention nicht für alle Kinder dieser Erde automatisch eine sonderpädagogische Betreuung abschafft, weil sie manchmal notwendig sein kann. Wir haben auch nach der UN-Konvention nicht alle Sonderschulen im Land Berlin abgeschafft.
Nicht einmal Sie haben das beantragt. Ihnen geht es darum zu sagen, es dürfe keine Sonderschulen mehr geben, wenn ich Sie richtig verstehe.
Warum sollen wir nicht, wenn eine Schule alt ist, eine neue bauen? Irgendwie verstehe ich die Welt langsam nicht mehr.
[Heidi Kosche (Grüne): Das ist das Problem! Da haben wir’s! – Zurufe von Özcan Mutlu (Grüne) und Benedikt Lux (Grüne)]
Es gibt also den Vorrang der Integration. Und dort, wo sich der Bedarf für das Kind – mir geht es um die Kinder, Ihnen geht es um irgendwelche anderen Dinge! –
[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne) Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wer schreit, hat nicht immer recht, Herr Mutlu! – Christoph Meyer (FDP): Das gilt aber auch für Dr. Albers!]
Wir kommen jetzt zur Frage Nr. 9 von der Frau Abgeordneten Jutta Matuschek von der Linksfraktion über
1. Welche Vorgaben zur Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping werden bei den Ausschreibungen für den Regionalverkehr RE 3 und RE 5 – „Ostseelinien“ – enthalten sein?
2. Wie wird der Senat das gegenwärtige Tarifniveau vorgeben, wenn es keinen Branchentarifvertrag gibt?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Es antwortet die Senatorin für Stadtentwicklung. – Frau JungeReyer, Sie haben das Wort, bitte sehr!