Protokoll der Sitzung vom 03.06.2010

Bericht

Jahresbericht 2010 des Rechnungshofs von Berlin

Bericht gemäß Artikel 95 VvB und § 97 LHO Drs 16/3200

Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU in Person von Frau Thamm. – Bitte schön!

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofs! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst, Frau Präsidentin, für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Dank der CDU-Fraktion für Ihren ersten Bericht in Ihrem Amt!

[Allgemeiner Beifall]

Gestattet sei mir aber eine kleine Kritik. Ich habe in Ihrer Presseerklärung zum Jahresbericht Aussagen zu den Ausführungen zum Missmanagement rund um die Investitionsbank Berlin und in der Steuerverwaltung vermisst, die sowohl finanz- als auch wirtschaftspolitisch von großer Bedeutung sind. Dagegen wurde der relativ unbedeuten

den Kantine der Klassenlotteriestiftung breiter Raum in der Presse eingeräumt.

Zum Bericht selbst: Der Rechnungshof beziffert den Schaden, den die nachlässige Politik des Senats verursacht, mit 37 Millionen Euro. Er sagt aber auch, dass es Bereiche gibt, bei denen er den Schaden nicht einmal schätzen kann, z. B. im Sozialbereich. Insofern sind die 37 Millionen auch diesmal nur die Spitze des Eisbergs. Natürlich kann dieser Bericht nicht das gesamte Spektrum vergeudeter Steuergelder abbilden. Aber er gibt eine ausreichende Vorstellung über die Kraftlosigkeit des Senats und über das Maß an fehlendem politischem Willen, diese Stadt aus ihrer Milliardenschuldenfalle zu führen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Und hier ist zunächst der Abschnitt 2 des Berichts von Interesse, in dem auf die Finanzlage Berlins eingegangen wird. Allein die Tabelle über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben zeigt, dass die Ausgaben unter der Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters Wowereit kontinuierlich stiegen. Eine ausreichende Gegenfinanzierung konnte nur für die Jahre 2007 und 2008 dargestellt werden, und das auch nur durch Verkaufserlöse der Bankgesellschaft und anderer Vermögensbestände. Das heißt, die Politik von SPD und Linken lebt nach wie vor von der Substanz und vom Schuldenmachen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der Schuldenberg Berlins wird auf 70 Milliarden Euro wachsen, und die jährlichen Zinszahlungen an die Banken betragen mittlerweile 2,5 Milliarden Euro. Dieser Zustand ist nicht der Politik der Bundesregierung geschuldet. Er ist vielmehr symptomatisch für die jahrelange Schluderei in den Haushalten von Berlin,

[Beifall bei der CDU und der FDP]

wie in etlichen Ressorts das Geld mit vollen Händen ausgegeben wurde und jeder ernsthafte Wille für eine Kontrolle fehlte.

Es dämmert Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, dass die fetten Grundstückshappen, die man verkaufen konnte, nun weniger werden. Vornehm wird das umschrieben, das Geschäft sei kleinteiliger geworden.

Und was den Bereich Soziales angeht: Der Skandal mit der Treberhilfe ist kein Einzelfall. Treberhilfe ist überall.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

In Berlin ist eine regelrechte Sozialindustrie entstanden. Seit Jahren, seit 2002, soll eine berlinweit einheitliche Kalkulation der Kostensätze für jede Hilfebedürftigengruppe auf dem Tisch liegen. Nichts liegt vor. Auch dieser Finanzsenator – wo ist er überhaupt? – ergeht sich wie sein Vorgänger in Ankündigungen und nicht in Taten. Seit einem Jahr sollen die Arbeit und das Finanzgebaren der freien Träger überprüft werden. Passiert ist bislang gar nichts.

Zwei weitere Baustellen: Eine Arbeitsgruppe mit Bezirksvertretern soll die völlig unzureichende, undurchsichtige Finanzierung der Bezirkshaushalte durchleuchten und Wege aus der Finanzmisere der Bezirke aufzeigen. Ergebnis bislang: nichts.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass Berlins Schulden in erster Linie ein strukturelles Problem sind, ist der zentrale Stellenpool. Einst eingerichtet als Personalsteuerungsinstrument für die Verwaltung, ist er mittlerweile selbst zu einer Behörde geworden, die in den Pool abgegebenes Personal verwaltet, betreut, weiterbildet, aber kaum auf freie Stellen vermittelt. Dieser Geldschluder ist politisch gewollt. Nicht nur vereinzeltes Fehlverhalten, Schlampereien, leichtfertiger Umgang mit anvertrauten Geldern bei einzelnen Einrichtungen oder Institutionen sind die Ursachen. Nein, es geht hier um Strukturfehler, die aus verfehlter Senatspolitik entstanden sind.

Wir haben viele Verbesserungsvorschläge gemacht bezüglich Planung und Kontrolle, aber ohne jede Resonanz. Vielmehr redet der linke Koalitionspartner einer weiteren höheren Verschuldung das Wort. Herr Nußbaum malt derweil griechische Schreckensbilder an die Wand, weist auf die Steuerausfälle in Höhe von über 190 Millionen für die kommenden Jahre hin. Er mahnt Sparvorschläge an, die vom Regierenden Bürgermeister gleich wieder kassiert werden. Dass der Finanzsenator warnend auf die Schulden hinweist, ist seine Aufgabe. Seine Aufgabe ist es aber auch, dem Senat und der Öffentlichkeit Wege aufzuzeigen, wie der Schuldenberg abgetragen werden kann.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Es bleibt abzuwarten, was aus der Ankündigung wird, bis zur Sommerpause die mittelfristige Finanzplanung 2010 bis 2014 vorzulegen.

[Christoph Meyer (FDP): Nichts!]

Auch wenn wir uns im Haushaltskontrollausschuss mit dem Fehlverhalten der Vergangenheit beschäftigen, sind wir doch sehr gespannt, was für die Finanzpolitik Berlins herauskommt, wenn die Büchse der Pandora erst einmal geöffnet wird. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der SPD hat Dr. Thärichen das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch für meine Fraktion will ich zunächst ganz herzlich der neuen Präsidentin des Landesrechnungshofs, Frau ClaßenBeblo, und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich für die geleistete Arbeit danken.

[Allgemeiner Beifall]

Ich versichere Ihnen, dass wir uns Ihre Beanstandungen, die Sie in diesem Rechnungshofbericht dargelegt haben, sehr sorgfältig ansehen und auch die erforderlichen Konsequenzen ziehen werden.

Ein solcher Rechnungshofbericht ist ja regelmäßig die Gelegenheit dazu, anhand von Beispielfällen die Kritikpunkte des Rechnungshofs aufzugreifen und zu erörtern, wo strukturelle Probleme der Haushalts- und Wirtschaftsführung im Land Berlin liegen. Ich will jedoch zunächst die Gelegenheit nutzen, auch die grundsätzlichen Ausführungen des Rechnungshofsberichts aufzugreifen und darauf eingehen.

In der Tat ist es so, dass der Rechnungshof die dramatische Verschuldungssituation in Berlin schonungslos aufzeigt. Völlig zu Recht stellt der Rechnungshof fest, dass sich das Land Berlin in einem besorgniserregenden Verschuldungskreislauf befindet. Bis zum Jahr 2013 wird die Schuldenlast auf 70 Milliarden Euro ansteigen. Die finanziellen Kennzahlen sind in der Tat dramatisch. Ich denke auch, dass der Rechnungshof recht hat, wenn er feststellt, dass ein strikter Konsolidierungskurs zwingend geboten ist. Dafür sind die Erkenntnisse des Rechnungshofs eine wichtige Hilfestellung. Sie können uns aufzeigen, wo die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns verbessert werden können und wo insoweit auch zur Haushaltskonsolidierung beigetragen werden kann.

Ich will hier aber auch ausdrücklich sagen, dass die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eine gesamtstaatliche Aufgabe ist. Damit ist auch der Bund angesprochen, der die steuerlichen Rahmenbedingungen zu setzen hat. Wir haben heute Mittag von Senator Nußbaum gehört, dass allein – Herr Meyer, hören Sie zu! –

[Björn Jotzo (FDP): Er hört doch!]

die schwarz-gelbe Mehrwertsteuerprivilegierung des Hotelgewerbes für das Land Berlin 2010 einen Steuerausfall in Höhe von 24 Millionen Euro zur Folge haben wird.

[Christoph Meyer (FDP): Die ist an den 70 Milliarden Euro schuld!]

Der Rechnungshof hat insgesamt Beanstandungen in der Größenordnung von 37 Millionen Euro angemahnt. Das ist in etwa die gleiche Größenordnung. Es zeigt sich, die Konsolidierung in Bund, Ländern und Gemeinden wird scheitern, so oder so, wenn es nicht zu eindeutigen Korrekturen der Steuerpolitik der Bundesregierung kommt.

[Beifall von Lars Oberg (SPD) und Jutta Matuschek (Linksfraktion) – Zurufe von der FDP]

Da kann man durchaus mal klatschen! – Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse der Haushaltsklausur der Bundesregierung an diesem Wochenende. Hier wird sich zeigen, ob Schwarz-Gelb die Kraft dazu hat, finanzpolitische Vernunft vor Klientelinteressen zu stellen. Allerdings sind Zweifel hieran angebracht.

Ich will zum Bericht selbst auch ein paar Anmerkungen machen. Es zieht sich ein Thema so ein bisschen wie ein roter Faden durch den Bericht und auch durch jüngere andere Stellungnahmen des Rechnungshofes, und das ist die unzureichende Kontrolle im Zuwendungsbereich, im Bereich von öffentlicher Förderung. Das Thema DIW haben wir intensiv erörtert. Auch der Skandal um die Treberhilfe hat gezeigt, dass bei der Finanzierung und Abrechnung sozialer Dienstleistungen in der Tat ein Kontrolldefizit besteht. Hier müssen wir ran an dieses Thema. Wir müssen Überlegungen anstellen, wie wir die Kontrolldefizite beheben und missbräuchliche Verwendung ausschließen. Das kann auch dazu führen und das kann auch bedeuten, dass wir Kontroll- und Prüfungsaufgaben, die z. B. bislang Dritte wahrgenommen haben, wieder in die öffentliche Verwaltung zurückholen. Und es kann auch bedeuten, dass wir in der öffentlichen Verwaltung selbst stärker im personellen Bereich nacharbeiten müssen, um auch zeitnah sorgfältige Prüfungsleistungen zu erbringen, an denen es in der Vergangenheit gefehlt hat. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Bereich, hier nachzuarbeiten. Insofern werden wir uns den Bereich ganz genau anschauen.

Es gibt andere Themen, da kann man sicher die eine oder andere Einschätzung haben. Wie man die Umsetzung des Tarifvertrags bei der Charité sieht, ist ein Bereich. Ob man sagt, die Wasserbetriebe dürften generell keine Öffentlichkeitskampagnen durchführen, habe ich auch so meine Zweifel, weil es auch um die Frage geht, wie man das öffentliche Gut Wasser an der Stelle schützt. Damit müssen wir uns befassen. Jetzt ist der Senat gefordert, anschließend wir im Haushaltskontrollausschuss.

Eine letzte Bemerkung dazu: Nicht nur inhaltlich kümmern wir uns im Haushaltskontrollausschuss um den sparsamen Umgang mit den öffentlichen Finanzen. Andere mag es nach San Francisco oder Schanghai treiben, wir fahren nächste Woche mit dem Regionalzug nach Polen. Ich denke, da freut sich nicht nur der Haushalt, da freut sich auch das Klima. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Thärichen! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Herrmann das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin Claßen-Beblo! Zunächst möchte auch ich mich für meine Fraktion ganz herzlich bei Ihnen und dem Team des Rechnungshofs für die geleistete Arbeit bedanken. Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Mit dem Jahresbericht 2010 beanstanden Sie nicht nur die Verschwendung von insgesamt ca. 37 Millionen Euro durch den Senat, sondern viel mehr. Spree-Athen befindet sich in einer dramatischen Haushaltslage. Nach aktueller Finanzplanung wächst der Schuldenberg rasant bis 2013 auf 70 Milliarden Euro an. Die Situation ist nicht nur krisenbedingt, sondern auch hausgemacht. Seit Jahren mahnt der Rechnungshof Rot-Rot, eine strikte Haushaltskonsolidierung zu betreiben. Erhört wird er nicht. Auch wenn Sie von Rot-Rot das nicht gerne hören, meine Kollegin Ramona Pop zeigte in der letzten Sitzung eindeutig mit ihrem Schaubild, dass die Ausgaben in der zweiten Legislaturperiode des rot-roten Senats nach oben schießen. Auch der Ergebnisbericht des Rechnungshofs 2009 macht eines deutlich – ich zitiere Seite 6 –: Überdurchschnittlich hohe Eigenanstrengungen sind erforderlich, um die finanzpolitische Handlungsfähigkeit wiedererlangen zu können. – Rot-Rot schimpft auf alle anderen. Herr Thärichen! Es ist ja richtig, dass auch die Bundesebene Verantwortung hat und dass da insbesondere die schwarzgelbe Bundesregierung gefragt ist, aber gestern im Hauptausschuss hat auch der Finanzsenator deutlich gemacht, dass die aktuellen Einbrüche der Steuereinnahmen vor allem von Entscheidungen der großen Koalition geprägt sind.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Das darf man bei der Wahrheit nicht vergessen. Aber jenseits davon, dass immer die anderen schuld sind, ist von konkreten Vorschlägen nichts zu hören. Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Sie handeln doch nach dem Prinzip: Nach mir die Sintflut! – Ab 2011 dürfen sich dann andere mit der finanzpolitischen Handlungsunfähigkeit herumschlagen.

[Beifall bei der CDU]