Protokoll der Sitzung vom 03.06.2010

[Beifall bei der CDU]

Zwar wünschen sich die Berlinerinnen und Berliner eine andere Regierung, aber mit der Aufschiebestrategie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot, dürfen Sie nicht durchkommen, und das sieht auch der Rechnungshof so.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Nun zu den heftigsten Versäumnissen, die im Jahresbericht des Rechnungshofs auftauchen: Eine besondere Situation finden wir im Sozialbereich vor. Das schamlose Verhalten eines Herrn Ehlert ist sicherlich ein extremer Fall. Aber auch in einem anderen Fall werden mittels überhöhter und nicht gerechtfertigter Umlagen auf Verwaltungskosten und Parkgärtnereien einfach so 4 Millionen Euro aus der öffentlichen Kasse gegriffen. Insgesamt werden rund 2 Milliarden Euro ohne ausreichende Kontrolle der Senatsverwaltung vergeben. Vordergründig geht es um die gute soziale Sache für den Obdachlosen oder für die Pflegebedürftige, aber dazwischen stehen Leistungserbringer, die eben auch Eigeninteressen verfolgen. Es muss endlich sichergestellt werden, dass die Gelder auch bei denen ankommen, für die sie gedacht sind, und nicht in Maserati-Autohäusern landen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Dr. Michael Wegner (CDU)]

Die Sozialverwaltung schaut jahrelang wissentlich zu, vergibt 2009 einrichtungsindividuelle festgesetzte Vergütungen, deren Kalkulation aus dem Jahr 1996 und einer stichtagsbezogenen zufälligen Belegung vom 1. Juni 2000 beruhen. Sie verhandelt unvorbereitete Entgelte. So werden z. B. die öffentlichen Bilanzen nicht einbezogen. Da muss man sich über gar nichts mehr wundern.

[Beifall bei den Grünen]

Aber auch die Bildungsverwaltung steht dem in nichts nach. Das DIW erhält jährlich Zuwendungen von mehr als 13 Millionen Euro, und dieser Mitteleinsatz wurde jahrelang nicht geprüft. Begründet wird das mit Personalknappheit, aber das Personal ist da, wenn es um den Nachweis kleinerer Zuwendungsempfänger, um geringere Summen geht, nach dem Motto: Kleinvieh macht Mist, aber die Großen können schalten und walten, wie sie wollen. – Der Rechnungshof hat u. a. beanstandet, dass das DIW Büroräume in Washington angemeldet, ausgestattet und diese anschließend kostenlos der rechtlich selbstständigen Organisation DIW D. C. überlassen hat. Es häufen sich Vorfälle von In-sich-Geschäften und Vergabeverstößen, aber die Senatsverwaltung heißt dieses Verhalten weiterhin gut. Zu diesen Sachverhalten werden wir sicherlich im Unterausschuss eine interessante Debatte führen.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Nußbaum, der leider nicht da ist, sollte sich einmal kurz vorstellen, wie es in seiner Firma aussehen würde, wenn dort gewirtschaftet werden würde wie in der Sozialverwaltung und in der Bildungsverwaltung.

[Björn Jotzo (FDP): Oh! – Andreas Gram (CDU): Lauter faule Fische! – Zuruf von Stefan Ziller (Grüne)]

Da hätte er spätestens nach zwei Jahren den Insolvenzverwalter vor der Tür stehen und den Betriebsprüfer schon lange auf dem Schoß hocken.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Skandale von HOWOGE über Treberhilfe bis hin zum DIW zeigen, wie unkontrolliert und intransparent in Berlin Geld am Parlament vorbeifließen kann. Fehlende Kontrolle, Intransparenz und Schattenhaushalte zeichnen die Haushaltspraxis dieses Senats aus. Der Rechnungshof ist die unabhängige Kontrollinstanz des Landes Berlin. Gemeinsam sollten wir dafür Sorge tragen, dass die Prüfungsrechte des Rechnungshofs ausgeweitet werden. – Danke!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Herrmann! – Jetzt hat Frau Matuschek für die Linksfraktion das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch aus meinem Mund ein herzliches Dankeschön, Frau ClaßenBeblo, für Ihre Arbeit, für die Arbeit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es ist der erste von Ihnen verantwortete Rechnungshofbericht. Ich denke, das ist immer schwer. Insofern werden wir auch im gemeinsamen Arbeiten daran einige Positionen klarstellen, uns in unserem Denken konzentrieren und hoffentlich auch die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.

Es war richtig, dass der Schwerpunkt bei den Zuwendungsprüfungen gesetzt wurde. Ich glaube, es ist auch deutlich geworden, dass dies inzwischen ein gemeinsames Anliegen geworden ist. Es ist richtig nachzuschauen: Wie funktionieren Controllingsysteme? Wo muss nachgebessert werden, und wo ist tatsächlich Aufsicht und wo Strukturveränderungen nötig?

Ich möchte auch noch hervorheben, dass der Rechnungshof außerhalb des Rechnungshofberichts ganz wesentliche Beiträge zur Aufarbeitung von drei in Berlin heiß diskutierten Sachverhalten geleistet hat – das Spreedreieck, die Wirtschaftlichkeit des BVG-Umzugs und das Hausnotrufsystem von städtischen Wohnungsgesellschaften. Die Berichte, die dort gefertigt wurden, sind auch ein ganz wichtiger Beitrag für die Bewertung dessen, was dort stattgefunden hat, aber auch für Schlussfolgerungen im Zusammenhang mit der politischen Steuerung.

Ich möchte allerdings auch noch betonen: Frau Thamm! Der Rechnungshof hat sehr wohl auch lobend bemerkt, dass das Jahr 2008 von der Koalition ohne Nettoneuverschuldung bewältigt wurde.

[Christoph Meyer (FDP): Bankverkauf!]

Das ist natürlich auch bei der Finanzbetrachtung zur allgemeinen Lage zu würdigen.

[Beifall bei der SPD]

Aber – und das möchte ich auch sagen – es ist richtig, Sachverhalte zu beschreiben. Es ist richtig, den Finger darauf zu legen, dass sich das Land wieder in einer sehr schwierigen Verschuldenssituation befindet. Aber es ist auch richtig, zur Kenntnis zu nehmen, dass bestimmte Ausgabeentscheidungen mit der politischen Mehrheit dieses Hauses getroffen wurden, um des sozialen Friedens in der Stadt willen. Das betrifft insbesondere die Ausgabesteigerungen wegen des Auslaufens des Anwendungstarifvertrags, wegen der Verbesserungen im Kitabereich und wegen der notwendigen Anpassungen der Transferausgaben. Das darf man nicht einfach vergessen. Es gibt bestimmte politische Entscheidungen, die finanzielle Konsequenzen haben. Die Folgen aufzuzeigen, ist die Aufgabe des Rechnungshofs. Die politische Verantwortung für dieses Entscheidungen zu tragen, ist unsere Verantwortung.

Bei einzelnen Themen hat der Rechnungshof aus meiner Sicht ganz wichtige Punkte gesetzt, unter anderem bei der

Stiftung Oper. – Ja, es ist richtig, sie existiert seit fünf Jahren, und die erhofften Synergieeffekte, die der Rechnungshof anmahnt, sind auch zu unserer Zufriedenheit noch nicht erfüllt worden. Daran werden wir gemeinsam weiterarbeiten, und das wird sich bei der gemeinsamen Debatte sicher auch beweisen.

Zum DIW ist schon Einiges gesagt worden. Wir fanden es auch sehr bemerkenswert, dass es uns erst vom Rechnungshof gesagt werden musste, dass dort offensichtlich seit Jahren die Zuwendungen nicht ordentlich geprüft wurden. Auch dass die Stellen und Leitungsfunktionen nicht immer besetzt waren und deswegen eine interne Kontrolle schwer möglich war, das sind Hinweise, die wir für die weitere Diskussion in den entsprechenden Ausschüssen dankbar aufnehmen.

Einen Satz darf ich noch zur IBB sagen, die im Rechnungshofbericht auch kritisiert wurde. Die entsprechende Rückstellung von 60 Millionen Euro, die dort geführt wurde und die nun vom Rechnungshof kritisiert wurde, war aber auch das Ergebnis einer politischen Entscheidung für die IBB. Ich glaube, an solchen Beispielen wird auch deutlich, dass man sich über das Ergebnis des Rechnungshofberichts streiten muss.

Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte: Ich finde es sehr verdienstvoll und richtig, wenn der Rechnungshof sagt, dass eine Werbekampagne eines Unternehmens der öffentlichen Daseinsvorsorge, zudem noch mit Anschlusszwang, zweifelhaft ist. Ich teile diese Auffassung nicht, aber ich finde es verdienstvoll, dass der Rechnungshof die Aufmerksamkeit auch auf Marketing- und Werbeaktionen der öffentlichen Unternehmen lenkt. Denn es ist schon richtig, dass man als öffentliches Unternehmen in einem Zwiespalt ist: Einerseits muss man für Kundenbindung sorgen und auch dafür, dass die Berlinerinnen und Berliner immer wissen, welchen Wert die Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge für ihre Lebensqualität haben, aber andererseits ist nicht jede Marketing-, nicht jede Werbeaktion gelungen und in der Höhe auch notwendig.

Frau Kollegin! Würden Sie bitte zum Schluss kommen!

Wir nehmen diese Anregung gern auf und werden sie in den weiteren Debatten, nicht nur im Haushaltskontrollausschuss, nicht nur im Hauptausschuss, sondern auch bei der Steuerung der öffentlichen Unternehmen gern berücksichtigen. – Vielen Dank, Frau Claßen-Beblo!

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die FDP-Fraktion hat nun deren Fraktionsvorsitzender Kollege Meyer das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Claßen-Beblo! Zunächst einmal obligatorisch auch im Namen meiner Fraktion herzlichen Dank für die von Ihnen und Ihren Mitarbeitern geleistete Arbeit! Ihr Rechnungshofbericht ist für uns immer eine wertvolle Grundlage, um das Fehlverhalten des Senats zu beurteilen, und das werden wir auch mit dem vorliegenden Rechnungshofbericht so halten.

[Beifall bei der FDP]

Der Berliner Rechnungshof hat in den letzten acht, neun Jahren in seinen Berichten insgesamt Beanstandungen von über 2 Milliarden Euro aufgezeigt. Ich glaube, das ist für sich genommen schon eine sehr beachtliche Leistung. Dementsprechend wird noch einmal deutlich, wie sehr wir im tagespolitischen Geschäft auf den Rat des Rechnungshofs hören sollten.

Genau das ist mein erster Kritikpunkt an Frau Matuschek. Es ist richtig, dass die Sonderberichte des Rechnungshofs immer wichtig sind und im Hauptausschuss immer große Bedeutung haben. Die Frage ist allerdings in der Tat, was anschließend von dem, was an Beanstandungen da ist, umgesetzt bzw. abgestellt wird. Da ist es in der Regel so, dass Rot-Rot nicht die notwendigen Konsequenzen aus den Berichten und Beanstandungen zieht.

[Beifall bei der FDP]

Besonders eindringlich spricht diesmal der Rechnungshof – noch stärker als in den letzten Jahren – über die Verschuldenssituation des Landes Berlin. Es wurde eben schon von Frau Hermann gesagt: Es sind 70 Milliarden Euro Schulden im Jahr 2013 geplant und 2,8 Milliarden Euro Zinsverbindlichkeiten pro Jahr. Das ist für sich genommen schon besorgniserregend. Und es ist noch besorgniserregender, wie Rot-Rot und vor allem der Finanzsenator in den letzten Monaten mit dieser Frage der Verschuldung des Landes Berlin umgehen. Es wird angekündigt. Es wird verschoben. Letztlich soll offensichtlich eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung erst ab dem Jahr 2012 angefangen werden. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir uns immer vergegenwärtigen, was der Rechnungshof in seinem Bericht formuliert hat, nämlich dass das Land Berlin weitestgehend selbst den Konsolidierungsbedarf bewältigen muss und dass dieser umso größer wird, je später es gelingt, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt aufzustellen

Ein strikter Konsolidierungskurs ist dringend geboten. Der Rechnungshof erwartet, dass dieser umgehend eingeschlagen wird und hierfür konkrete Maßnahmen festgelegt werden. Das ist genau das, was wir seit einem Jahr, seitdem Herr Nußbaum im Amt ist, fordern. Bei Herrn

Sarrazin haben wir es davor auch gefordert. Aber Herr Nußbaum ist mit sehr viel Vorschusslorbeeren gestartet. Wir müssen feststellen, dass er im letzten Jahr nichts getan hat – keine konkreten Unterlegungen von Maßnahmen. Deswegen hat der Rechnungshof recht, dass hier umgehend ein entsprechender Maßnahmenkatalog – wahrscheinlich in der Hand der mittelfristigen Finanzplanung im Sommer – vorgelegt werden muss.

[Beifall bei der FDP]

Was die einzelnen Bereiche, die hier aufgelistet werden, angeht, so würde ich sie eher unter der Überschrift sehen: Alles kommt wieder. Wir reden in jedem Rechnungshofbericht über das Problem der Pauschalvergütungen, in diesem Fall im Bereich der Sozialdienstleistungen. – Frau Matuschek! Ich bin gespannt, ob zutreffend ist, was Sie soeben formuliert haben und in der Erwiderung zum Rechnungshofbericht steht, dass Sie und auch die zuständigen Senatsverwaltungen wirklich Einsehen haben und anerkennen, dass es hier eklatante Mängel gibt und diese auch entsprechend schnell abgestellt werden.

[Beifall bei der FDP]

Auch die anderen Bereiche, die hier erwähnt sind, beziehen sich auf die selben systemischen Fehler des rot-roten Senats. Wir haben immer wieder mit zu hohen Vergütungsgruppen zu tun, hier am Beispiel der Schulhausmeister. Zwei Drittel der Schulhausmeister sind in den höchsten Vergütungsgruppen. Stichwort „mangelhafte Sanierungsentscheidungen“: Ein Beispiel hierfür ist das Deutsche Theater. Ein weiteres Thema ist die Deutsche Klassenlotterie Berlin. Hierzu haben wir als FDP eine deutliche Position. Wir sind der Auffassung, dass die Mittel der Klassenlotterie möglichst gänzlich in den Haushalt fließen sollten, damit kein Schattenhaushalt existiert. Wenn man das umsetzen würde, würden vielleicht auch Beanstandungen wie die zur Kantine unterbleiben.

Alles in allem handelt es sich um 37 Millionen Euro, die wir uns genau anschauen werden. Sie sind jedoch nur ein Zeichen dafür, dass der rot-rote Senat keine Kraft mehr hat, eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu betreiben und die Rechnungen des Landes Berlin zu kontrollieren. Deswegen freue ich mich umso mehr auf die Debatte im Haushaltskontrollausschuss. Wir werden Rot-Rot zur Rede stellen. Vielleicht hat der Senat an der einen oder anderen Stelle ein Einsehen und gesteht ein, dass er auf dem Holzweg ist. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Meyer! – Frau Präsidentin Claßen-Beblo! Wir bedanken uns bei Ihnen, bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die zum Wohle Berlins geleistete Arbeit und die vorgelegten Berichte. Wir werden sehen, dass wir etwas daraus machen.

[Allgemeiner Beifall]

Zum Rechnungshofbericht Drucksache 16/3200 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre. Dann wird so verfahren.

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