Protokoll der Sitzung vom 03.06.2010

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10:

a) Beschlussempfehlung

Menschenwürdiges Mindesteinkommen sicherstellen!

Beschlussempfehlung IntArbBSoz Drs 16/3147 Entschließungsantrag der FDP Drs 16/1450

b) Antrag

Arbeitsmarktpolitik für den ersten Arbeitsmarkt statt linker Placebo-Politik!

Antrag der FDP Drs 16/3170

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. – Bitte schön, Herr Thiel, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In den beiden Anträgen, die wir Ihnen heute vorlegen, geht es vor allen Dingen um einige Eckpunkte liberaler Arbeitsmarktpolitik bzw. das Grundverständnis. Ich stelle das heraus, weil für uns Liberale die Arbeitsmarktpolitik nur verständlich wird, wenn man sie in einer engen Beziehung zur Wirtschaftspolitik sieht und in einer weniger engen Beziehung zur Sozialpolitik.

Ziel jeder Arbeitsmarktpolitik ist es doch, Arbeitslose möglichst schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

[Beifall bei der FDP]

Zur Erreichung dieses Ziels ist es notwendig, dass die Wirtschaftspolitik dieses Vorhaben unterstützt, zum Beispiel muss man in der Ansiedlungspolitik versuchen, Betriebe nach Berlin zu holen, die gerade für An- und Ungelernte Arbeitsplätze bieten.

[Beifall bei der FDP]

Seit vielen Jahren reden wir hier immer wieder über das Monster Bürokratie oder über Bürokratieabbau. Wir haben gerade vor einiger Zeit im Wirtschaftsausschuss gehört, dass im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit der IHK Bürokratieabbaumethoden vorgeschlagen wurden. Senator Wolf sagte dann – ein Jahr, nachdem der Bericht vorlag –: Im Lauf des Jahres werden wir wahrscheinlich zu einer Umsetzung kommen. – Wir hoffen sehr darauf, denn es kann nicht sein – wir hatten es heute bereits in einer anderen Debatte –, dass Betriebe nicht ausbilden, weil sie mit der Bürokratie überfordert sind,

die mit der Schaffung von Ausbildungsplätzen verbunden ist.

Ein Bereich, der über die Wirtschaftspolitik weit hinausgeht, sind die Schulen. Wir brauchen dort mehr wirtschaftliche Kompetenz.

[Beifall bei der FDP]

Es gibt anerkennenswerte Kooperationen gerade auch auf Bezirksebene, wo Unternehmerinnen und Unternehmer in die Schulen gehen und Hospitationsplätze anbieten. Es ist sehr gut, dass es das gibt. Wir brauchen aber noch etwas, nämlich ein positives Verständnis der Unternehmerin bzw. des Unternehmers in den Schulen.

[Beifall bei der FDP]

Ein Teil der heute in den Schulen unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer ist mit der positiven Vermittlung der Wirtschaft schlicht und einfach überfordert, weil er selbst Probleme mit der Wirtschaft hat. Gehen Sie mal in die Schulen und schauen sich das an!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Özcan Mutlu (Grüne): Gehen Sie doch mal in die Schulen!]

Herr Mutlu! Darüber reden wir nachher. Vielleicht sollten wir uns das einmal gemeinsam in einer Schule anschauen.

Im engeren Sinne fordern wir in der Arbeitsmarktpolitik, dass alle Hartz IV-Empfänger möglichst zeitnah sechs Stunden täglich ohne Mehrbezahlung einer Beschäftigung nachzugehen haben.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von den Grünen]

Diese Beschäftigung kann darin bestehen, dass sie an einer Umschulung teilnehmen. Sie kann darin bestehen, dass sie im Rahmen des kompensatorischen Programms irgendwelche schulischen Defizite im Rahmen von Ganztagsunterricht aufarbeiten. Oder sie kann darin bestehen, dass sie einer sogenannten Bürgerarbeit nachgehen, und zwar ohne Mehrbezahlung. Wir müssen endlich wieder einmal die Maßstäbe zurechtrücken.

[Beifall bei der FDP]

Derjenige, der Hartz IV bekommt, erhält das Geld von der Gemeinschaft, von allen Steuerzahlerinnen und -zahlern, und er wäre glücklicher, wenn er einen Arbeitsplatz hätte. Aber wenn er keinen Arbeitsplatz hat, dann ist es sinnvoll, dass er das an die Gemeinschaft zurückgibt, was er hat, nämlich Zeit für eine Bürgerarbeit. Das möchten wir.

[Beifall bei der FDP]

Daneben setzen wir uns dafür ein, dass diejenigen, die durch Eigeninitiative einen Job gefunden haben, höhere Zugverdienstmöglichkeiten erhalten, als es heute der Fall ist. Es ist absolut demotivierend, wenn ich ab einer bestimmten Verdiensthöhe 80 oder 90 Prozent von dem,

was ich verdiene, auf mein Hatz IV angerechnet bekomme. Das ist kein Anreiz, sondern abstoßend.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben über Mindesteinkommen, für das wir uns einsetzen, und Mindestlohn, gegen den wir sind, schon an anderer Stelle ausführlich gesprochen. Wenn Sie unsere Position verstehen wollen, empfehle ich Ihnen, die ausführliche Begründung unseres zweiten Antrags zu lesen. Man soll sich immer eines vor Augen halten: Mindestlohn ist eine Politik für Menschen in Arbeit, aber nicht für Menschen, die Arbeit suchen, die außen vor sind, und nicht für Arbeitslose.

Wir verstehen Arbeitsmarktpolitik als integralen Bestandteil der Wirtschaftspolitik und möchten deswegen auch, dass die Arbeitsmarktpolitik wieder im Ressort Wirtschaftspolitik angesiedelt wird. Deswegen bitten wir Sie um die Unterstützung unserer Anträge. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Thiel! – Frau Grosse hat nun für die SPD-Fraktion das Wort. – Bitte schön!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Burgunde! Sag denen mal, wo der Hammer hängt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Thiel! Ihre Ausführungen waren noch unsozialer, als es die beiden Anträge sind. Ich kann nur sagen: Um Gottes willen!

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Volker Thiel (FDP): Bitte konkreter!]

Jetzt kommt es konkret. – Die FDP hat mit ihrem Antrag wieder einmal ihre Haltung zum Mindestlohn bzw. ihre Ablehnung eines Mindestlohns bekräftigt.

[Beifall bei der FDP]

Sie sind gegen staatlich verordnete, arbeitsplatzvernichtende Mindestlöhne – so der Wortlaut in Ihren Antrag.

[Beifall bei der FDP]

Auf anderthalb Seiten liefern Sie uns dann eine Begründung, um Ihr unsoziales Verhalten zu rechtfertigen. Ich sage hier ganz klar: Auch mit zehn Seiten Begründung würden Sie die SPD nicht dazu bringen, dieser unsozialen Entschließung zuzustimmen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Mit dieser Entschließung sollen Menschen, die 40 Stunden und teilweise mehr gearbeitet haben, in die Jobcenter geschickt werden, um aufstockende Leistungen zu beantragen. Das ist eine menschenunwürdige Politik, die Sie damit verfolgen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Genau!]

Die SPD steht nach wie vor für einen Mindestlohn. Mindestlöhne sind ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf gute Arbeit und faire Löhne, Herr Thiel!

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Ralf Hillenberg (fraktionslos)]

Jeder Mensch muss die Möglichkeit zur Teilhabe an sozial abgesicherter und existenzsichernder Erwerbsarbeit haben. Dafür stehen die SPD und die Koalition.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]