Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

Sie haben unterschiedliche Vorschläge auf den Tisch bekommen. Die IHK hat beispielsweise vorgeschlagen,

Vivantes und die Charité in einer Holding zusammenzuführen. Sie haben diesen Vorschlag gerade eben noch einmal aufgegriffen und gesagt, er sei sinnvoll. Wir sind der Auffassung, dass es nicht sinnvoll ist. Wenn man zwei Arme unter ein Dach steckt, werden sie sicherlich nicht reicher werden. Der Vorschlag der IHK basiert auf der Grundlage, dass die Eigentümer sich einig sind. Wenn Herr Zöllner, Frau Lompscher und Herr Nußbaum aber keine gemeinsame Auffassung zum Thema Charité und Vivantes haben, was soll dann besser werden, wenn die beiden Unternehmen fusioniert sind? Die drei werden sich trotzdem weiter streiten.

Sie haben die Frage gestellt, was aus unserer Sicht passieren solle. Zunächst, Herr Oberg, liebe Kollegen, sollte darüber nachgedacht werden, ob die Fusion der beiden medizinischen Fakultäten zu einer Fakultät ein Erfolg gewesen ist. Wir sind der Auffassung, dass man sich mit dieser Frage kritisch auseinandersetzen und ernsthaft darüber nachdenken muss, ob es nicht sinnvoller wäre, beiden Universitäten eine medizinische Fakultät zu geben.

[Christian Gaebler (SPD): Was würde denn dadurch besser werden?]

Das Zweite: Sowohl die Charité wie Vivantes benötigen Budgetsicherheit. Sie kennen vielleicht die Krankenhausfinanzierung in anderen Bundesländern nicht. Aber natürlich ist es möglich, fallschwerebezogen Planungssicherheit für Krankenhäuser und auch die Hochschulmedizin zu geben. Das wäre wichtig, damit Charité und Vivantes richtige Partnerschaften eingehen könnten. Das haben Sie aber nicht vor. Es müssen auch Kooperationen möglich sein. Nichts anderes war der Vorschlag des Kollegen Zimmer und mir, als wir auf die Idee von Professor Lenzen eingegangen sind, im Südwesten Partnerschaften einzugehen.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Es war doch der Hilferuf von Professor Lenzen, weil Sie den Standort Südwesten ausbluten lassen, weshalb er darum gerungen hat, mit anderen Trägern zusammenzuarbeiten. Es war nicht sein größter Wunsch, sondern die Reaktion auf Ihre Politik im Hinblick auf die Charité.

[Beifall bei der CDU – Lars Oberg (SPD): Sommertheater!]

Herr Kollege Oberg! Natürlich sind Kooperationen zwischen der Charité und Vivantes sinnvoll. Das, was Sie mit den Laboren machen, dazu schreibt Ihnen jeder Fachmann in das Stammbuch,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Unser Fachmann sagt: Das ist gut!]

dass das nicht sinnvoll ist, sondern Placebopolitik, dass Sie damit Kooperation vortäuschen wollen, wo gar keine vorhanden ist. Sie erreichen keine Zusammenarbeit zwischen Charité und Vivantes, und zwar nicht deshalb, weil die handelnden Akteure sich nicht einig sind, sondern der Senat. Das ist die wahre Ursache für dieses Problem.

[Beifall bei der CDU]

Aus unserer Sicht brauchen wir eine langfristige Strategie für den Gesundheitsstandort Berlin, für exzellente Forschung und für eine gute Gesundheitsversorgung. Sie sollten den Masterplan Health Capital fortschreiben, was Sie bislang nicht getan haben. Sie sollten die Personen unterstützen, die sich stark dafür engagieren – Professor Stock bei Bayer-Schering sei nur als einer genannt. Bei der Charité gibt es viele andere, deren Meinung Sie aber nicht hören wollen.

Darüber hinaus sollten Sie den handelnden Akteuren Freiheit ermöglichen. Zwischen Charité und Vivantes gibt es eine bessere Zusammenarbeit als zwischen den Senatsmitgliedern. Wenn Sie wollen, dass die Herren Einhäupl und Bovelet Verantwortung für die Gesundheitsstadt tragen, dann geben Sie ihnen auch die Instrumente in die Hand, um dies umsetzen zu können und binden Sie sie nicht laufend am Stuhl fest, sondern lassen Sie sie sich frei im Raum bewegen.

Wir haben in der Gesundheitsstadt zweifelsohne viele Möglichkeiten, aber der Senat ist ideen- und kraftlos. Er hat keine Lust, dieses Thema zu entscheiden, und ist deswegen spätestens im nächsten Jahr sein Amt los.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Vielen Dank, Herr Kollege Czaja! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Dr. Albers.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Czaja! Für mich bleibt Ihre eigene Position weiter nicht erkennbar. Sie formulieren sie zwar, aber es bleibt alles im Nebel und steckt in Worthülsen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wie sieht ganz konkret Ihre Vorstellung zur Zusammenarbeit zwischen Charité und Vivantes aus? – Herr Henkel zum Beispiel, Ihr designierter Spitzenkandidat und deshalb wohl auch Generalist, kritisiert, mit der Entscheidung des Senats sei keine belastbare Investitionsplanung in Sicht. Dann konkret: Wie hätte Ihre belastbare Investitionsplanung ausgesehen, was hätten Sie anders gemacht? Wo hätten Sie wie viel investiert, und vor allem, wo hätten Sie die Mittel hergenommen, um Ihre belastbare Investitionsplanung belastbar zu untersetzen? Mir ist nicht bekannt, dass Sie in der Haushaltsdebatte dazu alternative Vorschläge gemacht hätten. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, auch in diesem Jahr wieder – und das noch bis 2014 – zahlen wir 33 770 000 Euro für die Krankenhausinvestitionen ihres Diepgen-Senats zurück. Ich sage nicht, dass diese Gelder zum Fenster hinausgeworfen worden sind. Sie sind in den Krankenhäusern sicher gut angelegt, aber dann müssen Sie sich auch heute dazu

bekennen, dass wir das immer noch abbezahlen und anerkennen, dass uns diese Gelder für unsere heutigen Investitionen fehlen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das Thema Ihrer eigenen Aktuellen Stunde lautete „Bettenabbau in der Charité, vertagte Krankenhausinvestitionen: Die unzureichende Handlungsfähigkeit des Senats … Dieser geplante Bettenabbau der Charité, den Sie offenbar dem Senat zur Last legen, war bereits im Auftrag des sogenannten Petri-Gutachtens des Betriebs- und Flächennutzungskonzepts zur Charité 2015 vom 30. April 2007 enthalten. Er ist Bestandteil des Charité-Masterplans.

[Heidi Kosche (Grüne): Genau! Was ist daran neu?]

Dort heißt es, Frau Kosche, auf Seite 202:

Grundlage unserer Auftrages: Die Kliniken sind auf drei Standorte mit 2 700 Betten zu reduzieren.

Offensichtlich ist Ihnen das bisher überhaupt nicht aufgefallen.

Dieser Abbau geht im Übrigen auch nicht zulasten der Versorgung der Berliner Bevölkerung. Wir haben es schon dargestellt: Der Anteil universitärer Betten in dieser Stadt bleibt auch danach im Bundesvergleich noch überproportional hoch. Berlin hat für 1 099 Einwohner ein universitäres Bett zur Verfügung, im Bundesdurchschnitt beträgt dieses Verhältnis 1 zu 1 735. Wir haben es politisch dabei belassen. Im Sinne einer starken Universitätsmedizin am Gesundheitsstandort Berlin, weil die Charité sagt, sie brauche diese Betten, obwohl es dazu – das soll nicht verhehlt werden – andere Meinungen gibt. Auf Seite 194 des Masterplans wird ein Gutachten des Wissenschaftsrats erwähnt, das von 2 200 Betten für die Charité ausgeht, der ehemalige Verwaltungsdirektor der Charité Motzkus hält sogar eine Bettenanzahl von unter 2 000 für angemessen. Also: Keine Schandtat des Senats, mit der er den Gesundheitsstandort Berlin gefährdet, wie Sie kritisieren, kein Akt der Willkür, sondern eine Entscheidung der Charité auf der Grundlage einer differenzierten wissenschaftlichen Standortanalyse, die bei Ihnen bloß wieder niemand gelesen hat.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich mache durch. – Also, was wollen Sie, mehr universitäre Betten? Dann sagen Sie uns aber auch, wo und wie Sie die wirtschaftlich betreiben wollen. Weniger Betten der Grund- und Regelversorgung? – Dann sagen Sie uns heute welche Abteilungen Sie in welchen Häusern wo schließen wollen.

Kommen wir zu Ihrer zweiten Behauptung: vertagte Krankenhausinvestitionen. Was wird hier vertagt? Es war

eine schwierige Entscheidung, und es gab eine längere kontroverse Diskussion. So etwas muss Ihren schwarzgelben Bundesverein zur Pflege der Harmonie natürlich befremden.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Es gab eine wissenschaftspolitische Sicht auf die Dinge, es gab eine krankenhausplanerische und gesundheitspolitische. Es gab natürlich auch eine haushälterische und finanzpolitische. Es musste in Einklang gebracht werden – tragfähig und nachhaltig. Das einzige, was es nicht gab, waren diskutable Vorschläge der Opposition in der ganzen langen Debatte. Sie haben wieder einmal im Parkett gesessen, die Beine hochgelegt und mit ihren Gummibärchentüten geknistert.

Die Charité erhält jetzt 330 Millionen Euro, das entspricht genau der Summe, die ursprünglich im Masterplan genannt, gefordert und mit 18 Einzelmaßnahmen unterlegt wurde. Die Summe von 636 Millionen Euro, die immer wieder in der Debatte auftaucht, entspricht der Fortschreibungsvariante des Masterplans von 2009 und bildet den Investitionsbedarf der Charité bis zum Jahr 2020 ab. Darin enthalten sind sowohl die Kosten für die Sanierung des Hochhauses wie auch die 270 Millionen Euro für den Neubau des Bettenhauses und dessen Ersteinrichtung. Sie können das detailliert in der roten Nummer 1282 E nachlesen. Im Übrigen: 626 Millionen Euro über zehn Jahre macht 62,6 Millionen Euro im Jahr. Die Charité bekommt jetzt über die nächsten Jahre circa 50 Millionen Euro im Jahr. Was heißt hier also „vertagte Krankenhausinvestitionen“?

Der Charité-Vorstand reklamiert nun, bedauerlich sei, dass der Senat alternative Finanzierungskonzepte nicht zulasse. Es wäre interessant zu erfahren, welche alternativen Finanzierungskonzepte dem Vorstand vorschweben. Die Verantwortlichen in der Charité sind gut beraten, die Kirche im Dorf zu lassen und mit der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen zu beginnen. Wir haben der Charité jetzt genau die Gelder gegeben, die sie im eigenen Masterplan vom Land Berlin haben wollte. Wir werden – das ist genauso wichtig und dringend – auch dem kommunalen Krankenhausunternehmen Vivantes die notwendigen Investitionsmittel zur Verfügung stellen, das mit seinen Standorten unverzichtbar ist und eine zentrale Rolle für die zeit- und wohnortnahe Versorgung der Berliner Bevölkerung einnimmt, das, wie die Charité, einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor in der Stadt darstellt und mit weit über 700 Ausbildungsplätzen auch ein wichtiger Ausbildungsbetrieb ist.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Für den Zeitraum bis 2014 ist ein Investbedarf von 286 Millionen Euro angesetzt, 190 Millionen Euro davon will das Unternehmen aus Eigenmitteln nehmen. Es ist dem Unternehmen und seinen Beschäftigten nicht auf Dauer zuzumuten, die notwendigen Investitionen im Interesse Berlins im Wesentlichen aus eigenen Mitteln leisten zu müssen, die sie im Folgejahr dann auch noch in der Bilanz abzuschreiben haben. Vivantes schreibt seit Jahren

schwarze Zahlen. Das Land ist gut beraten, diesen Konsolidierungsprozess nicht dadurch zu gefährden, dass es sich seinen eigenen Investitionsverpflichtungen, zu denen wir uns im Koalitionsvertrag ausdrücklich bekannt haben, entzieht.

Ein Wort noch zu der Posse des Kollegen Esser vorhin! Diese Mischung aus haushälterischen Binsen, Rabulistik und gesundheitspolitischer Inkompetenz – dementsprechend auch die Qualität des Antrags, den die Grünen neulich eingebracht haben: Zukunftsfähige Krankenhauspolitik statt Stillstand! Sie reden da von einer infrastrukturellen Überversorgung und fordern eine höhere Auslastung der Häuser. Allein in den Jahren 2001 bis 2008 wurden in Berlin 3 233 Betten in allen Fachgebieten außer in der Psychosomatik und der Kinder- und Jugendpsychiatrie abgebaut. Gleichzeitig sind die vollstationären Krankenhausfälle in Berlin um 2,6 Prozent angestiegen. Die Verweildauer ist auf unter sieben Tage gesunken. Die Auslastung in der Charité liegt im Schnitt über 85 Prozent. Die Auslastung bei Vivantes liegt über 89 Prozent. Die Auslastung des Auguste-Viktoria-Krankenhauses liegt teilweise über 90 Prozent und nicht, wie Herr Ratzmann fälschlicherweise auf seiner Pressekonferenz behauptet hat, bei 72 Prozent. An vier von fünf Tagen sind die Berliner Krankenhäuser voll belegt. Eine Pflegekraft versorgt 19 Patienten. Im Jahr 1998 waren es noch 13 Patienten. Das heißt, eine Pflegekraft hat für den einzelnen Patienten heute rund 46 Prozent weniger Zeit als vor 12 Jahren. Das alles dokumentiert bereits eine enorme Arbeitsverdichtung. Und Sie fordern in Ihrem grotesken Antrag, diese Auslastung der Krankenhäuser noch weiter zu steigern. Zukunftsfähige Krankenhauspolitik ist das ganz sicher nicht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Sie formulieren es zwar wieder typisch kryptisch-grün, aber Sie meinen: Macht Krankenhäuser zu, schließt Betten, verdichtet die Arbeit, und entlasst das Personal! Das ist Ihre gesundheitspolitische Botschaft für die Menschen in dieser Stadt und für die Beschäftigten in den Krankenhäusern. Auch eine Möglichkeit, mit den Investitionsproblemen des Landes fertig zu werden! Ihr Weg, nicht unser Weg!

Uns werfen Sie vor, die Krankenhäuser nicht ausreichend zu finanzieren, und Sie kürzen dann in Ihrem eigenen Antrag den Häusern die Investitionen noch unter den Betrag, den sie heute bekommen, indem Sie die Krankenhausinvestitionen auf 50 Millionen Euro jährlich deckeln wollen, mit der akrobatischen Begründung, dass dieses nur eine Kürzung der Gelder um 0,3 Prozent bedeute. Machen Sie in Ihrer von der Springer-Presse gesponserten Hype als „Regierungspartei auf Augenhöhe“ ruhig noch eine Weile so weiter, und tragen Sie dazu Ihre mottigen Bundesikonen noch eine Weile als Monstranz! Wenn schon keine Alternativen, dann wenigstens eine schöne Prozession! Das täuscht auf Dauer nicht über Ihre stadtpolitische Substanzlosigkeit hinweg. Wir gestalten derweil die rot-rote zukünftige Stadtpolitik. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Schillhaneck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Na, Herr Albers? Getroffene Hunde bellen, nicht wahr? Da haben Sie ja das große Kunststück vollbracht, zu Ihrem eigenen Antrag, den Sie hinzugezogen haben, kein Wort zu verlieren, wohl aber sich zu einem Antrag auszulassen, der gerade gar nicht zur Debatte steht.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Aber lassen wir das!

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]