Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

Kursphase zu spät ist. Die Informationen aus einer Beratung sollten bereits bei der Kurswahl für die Kursphase beziehungsweise vor Erreichen des Mittleren Schulabschlusses berücksichtigt werden können.

Wir wollen erstens mehr Teilhabemöglichkeiten durch ein Studium für Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern, denn noch immer nehmen oft gerade diese Schüler kein Studium auf. Eine wichtige Frage für diese Schüler ist die Studienfinanzierung. Wer weder BAföG noch die Begabtenförderung durch Stipendien kennt, der meidet ein Studium eher aus finanziellen Gründen. Hier ist eine Studienfinanzierungsberatung wichtig.

Wir wollen zweitens eine stärkere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung, denn an den Berliner Universitäten studieren bislang kaum Studierende ohne Abitur und mit Berufserfahrung. Viele Schüler, die eine Ausbildung anstreben, wissen nicht, dass sie später möglicherweise auch ohne Abitur studieren können und dann gegebenenfalls einen BAföG-Anspruch haben. Daher sollen auch diese Schüler vor ihrem Schulabschluss von einer Beratung profitieren.

[Beifall bei der FDP]

Wir Liberale wollen gerade bei der heutigen Vielfalt der Bildungsbiographien alle über die Möglichkeiten informieren, sich auch ohne Abitur an den Berliner Hochschulen weiterzubilden und sich weiterzuqualifizieren.

Wir wollen drittens weniger Studienabbrecher, auch in den sogenannten MINT-Fächern, durch eine bessere Studierfähigkeit der Berliner Abiturienten. Wenn Schüler auch inhaltlich besser auf das Studium vorbereitet sind, sinkt die Zahl der Studienabbrecher. Studienfächer wie zum Beispiel Politik oder Psychologie oder auch die sogenannten MINT-Fächer benötigen den Erwerb bestimmter Kenntnisse in der Schule wie zum Beispiel Mathematik. Diese Informationen müssen die Schüler vor der Kursphase haben, um sie bei der Kurswahl berücksichtigen zu können.

Wir wollen viertens bessere Chancen für Berliner Abiturienten in hochschuleigenen Auswahlverfahren, denn bei diesen sind teilweise Noten in Schulfächern relevante Auswahlkriterien. Wer rechtzeitig weiß, welche Fächer für das Wunschstudium auch von der Schulnote her besonders relevant sind, kann sich in der Kursphase entsprechend verhalten.

Der zweite Antrag beschäftigt sich mit unserer fünften Forderung. Wir wollen eine bessere Betreuung der Studierenden durch die Lehrenden und somit bessere Studienbedingungen an den Berliner Hochschulen. Angemessene Betreuungsrelationen sind die entscheidende Grundlage für eine Qualitätsverbesserung in der Lehre. Wir wollen, dass Lehrleistungen aus Drittmitteln – wie zum Beispiel Stiftungsprofessuren – von den Berliner Hochschulen nicht mehr bei der Berechnung der Studienplatzkapazitäten berücksichtigt werden müssen.

Bislang herrscht der Grundsatz: Mehr Lehrende führen auch zu mehr Studierenden. So erreichen wir nie eine bessere Betreuungsrelation zwischen Studierenden und Lehrenden.

[Beifall bei der FDP]

Mit unserem Antrag stärken wir auch die Autonomie der Berliner Hochschulen. Wir wollen durch eine Kapazitätsneutralität dieser Drittmittel auch höhere Anreize setzen, dass mehr private Mittel in die Hochschulen fließen.

Unterstützen Sie unsere konkreten Vorschläge für bessere Studienbedingungen und Bildungschancen für Berliner Schüler und Studierende! Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Oberg das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Senftleben! Ich freue mich, dass Sie mir freudig zuhören. – Herr Kollege Dragowski! Es gibt Forderungen, denen sich eigentlich jeder anschließen kann und die wir in diesem Raum sicherlich in der übergroßen Mehrheit teilen werden. Das sind auch Forderungen, die man gut in Sonntagsreden verwenden kann, aber nicht nur da. Sie machen sich auch bei Podiumsdiskussionen gut. Unter Ihren Forderungen gibt es zwei, die immer wieder da auftauchen und die ich wiederholen möchte. Das eine ist die Betreuungsrelation an den Hochschulen, dass also die Studienbedingungen besser werden müssen. Das andere ist die Forderung, dass die Aufnahme und der Abschluss eines Studiums nicht am Geldbeutel scheitern sollen. Das sind Forderungen, die wir ausdrücklich teilen, die Sie in Ihren Anträgen auch zum Ausdruck bringen. Es ist gut, dass Sie diese Anträge stellen, weil diese Forderungen für sich genommen lediglich hohle Phrasen und nichts mehr sind.

Wenn wir Ihre Anträge hier diskutieren, sollten wir uns anschauen, wie es eigentlich zu dem Problem gekommen ist, für das Sie uns hier eine Lösung anbieten. Ein Beispiel ist die Frage der Studienfinanzierung und des Studienzugangs. Sie schlagen vor, dass es eine bessere Studienfinanzierungsberatung geben soll. Ich glaube, das wirkliche Problem ist nicht die Beratung, sondern die Finanzierung selbst. Das BAföG ist nicht hinreichend, um das Leben eines Studenten auskömmlich zu finanzieren, und es weist gravierende strukturelle Mängel auf. Die Bundesregierung, die unter Ihrer Beteiligung kräftig vor sich hin taumelt und dilettiert, hätte einiges dafür tun können, um dieses Problem zu lösen.

[Zuruf von der FDP]

Frau Schavan kam dann auch mitten im Bildungsstreik mit der Ankündigung: Wir erhöhen das BAföG! – Nach

dem Bildungsstreik ist dann eine relativ lausige Erhöhung herausgekommen.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Statt die strukturelle Reform des BAföG anzugehen und eine nennenswerte Erhöhung zu machen, verfolgen Sie lieber weiter das gescheiterte Stipendienmodell eines gescheiterten Wissenschaftsministers in NRW. Ein Stipendienmodell, das nicht ausfinanziert ist und das Geld nicht denen gibt, die es brauchen, sondern nach relativer Gutsherrenart verteilt! Nicht mit uns!

Dann haben Sie noch etwas Zweites gemacht: Sie haben in der Bundesregierung Geld zur Studienfinanzierung in die Hand genommen, aber nicht etwa für die Bedürftigen. Sie erhöhen vielmehr in unglaublicher Art und Weise das Büchergeld für die Stipendiaten. In einer Art und Weise, dass selbst diejenigen, die davon profitieren, Ihnen sagen: Das ist zuviel, das ist absurd, steckt es lieber in das BAföG. Davon bleiben Sie unbeeindruckt und beharren darauf: Wir erhöhen das BAföG nicht, sondern nehmen ein merkwürdiges Stipendiensystem, das nicht funktioniert und werfen den Stipendiaten ein erhöhtes Büchergeld hinterher. Das wäre für sich genommen schon traurig genug, wären da nicht die CDU-Ministerpräsidenten, die das bisschen lausige BAföG-Erhöhung dann über den Bundesrat versuchen, zum Scheitern zu bringen. Das heißt, die Finanzierung, die Sie richtigerweise als Problem benennen, dieses Problem haben Sie zum großen Teil selbst mit verursacht beziehungsweise gerade beim Versuch, dieses zu lösen, kläglich versagt.

Ich kann mir relativ gut vorstellen, wie solche Studienfinanzierungsberatungen dann aussehen. Da sitzt so ein junger Mensch vor einem, und dann muss man dem sagen: Das mit dem BAföG, das reicht zum Leben nicht. Pass auf, wo du dich nachher immatrikulierst, es könnte teuer werden, es gibt da diese verdammten Studiengebühren. Pass bitte auf, Studienfinanzierungskredite, das ist eine mittlere Schuldenfalle, wenn du im falschen Studiengang bist und nicht sofort eine Anschlussbeschäftigung findest. – Also, Herr Dragowski, das Ziel ist ehrenwert, aber wenn Sie wirklich etwas für die Studierenden tun wollen, wenn Sie wirklich wollen, dass die Studienbeteiligung auch bei denjenigen, die nicht mit begüterten Eltern gesegnet sind, steigt, dann tun Sie etwas. Das wäre dann wahrscheinlich, ihre Bundesregierung zur Vernunft zu bringen und die Vielzahl der vergebenen Chancen der letzten Monate doch noch nachträglich zu nutzen.

Zu dem zweiten Antrag, der Frage der Verbesserung der Betreuungsrelation: Ja, die Betreuungsrelation, das ist eine wichtige Frage. Allerdings ist das für uns kein Fetisch, denn es steckt ein handfester Zielkonflikt darin.

[Mirco Dragowski (FDP): Richtig!]

Je besser die Betreuungsrelation ist, desto geringer sind die Studierendenchancen. Je besser die Betreuungsrelation ist, desto weniger Menschen können sich immatrikulieren.

[Mirco Dragowski (FDP): Richtig!]

Diese Koalition steht dazu, dass wir möglichst vielen Menschen in Berlin die Chance auf ein Studium geben wollen. Diese Koalition steht dafür, dass es uns gelingt, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen und gleichzeitig dazu vertretbare Studienbedingungen anzubieten.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Denn wenn Sie sich die Erfolgszahlen ansehen, dann steht Berlin ziemlich gut da.

[Mieke Senftleben (FDP): Entweder oder!]

Grundsätzlich finde ich es schön, andere Bundesländer zum Vergleich heranzuziehen, uns aber Bayern und Baden-Württemberg als Vergleich nahezulegen, das ist ein wenig schräg. Bayern und Baden-Württemberg bilden viel zu wenig Studierende aus, das heißt, ganz viele junge Menschen, die aus Bayern und Baden-Württemberg kommen, müssen ihre Länder verlassen, um überhaupt eine Studienchance zu haben. Das ist kein Beispiel, dem wir folgen wollen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Bayern und Baden-Württemberg sind auch die Bundesländer, die Studiengebühren eingeführt, das aber gleichzeitig damit verbunden haben, dass sie dafür keine neuen Stellen geschaffen haben und sich die Betreuungsrelation dadurch auch nicht verbessert hat.

Herr Oberg! Ihre Redezeit ist beendet!

Danke für den Hinweis!

Bitte auch Aufhören!

Diese beiden Bundesländer uns als Beispiel an die Hand zu geben, das ist pervers. Wir teilen Ihre Ziele, über die Instrumente müssen wir allerdings noch sehr genau diskutieren. Vielleicht schaffen Sie es in der Zwischenzeit – man muss die Hoffnung fast schon aufgeben, aber vielleicht gelingt es Ihnen ja doch –, bis dahin Ihre Bundesregierung ein wenig auf Kurs zu bringen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Für die CDUFraktion hat jetzt der Abgeordnete Zimmer das Wort. – Entschuldigung! Herrn Dragowski stehen noch drei Minuten für eine Kurzintervention zur Verfügung. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege Oberg! Ich werde die drei Minuten nicht nutzen können, um Ihnen noch einmal die gesamte bildungspolitische Konzeption der FDP nahezulegen.

[Christian Gaebler (SPD): Mehr gibt es nicht!]

Ja, Herr Gaebler! – Aber ich denke, es ist für ihre Fraktion vielleicht etwas Neues, wenn Sie wissen,

[Christian Gaebler (SPD): Bildung muss wieder etwas kosten!]

dass für die Bildung grundsätzlich die Länder zuständig sind. Wenn Sie immer auf den Bund zeigen, ist das ein ziemliches Armutszeugnis.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Stehlen Sie sich nicht aus ihrer Verantwortung! Die Kollegin Schillhaneck hat es vorhin bei der Debatte über die Charité bereits gesagt, ich sage es hier: Rot-Rot ist verantwortlich für die Wissenschaftspolitik. Zeigen Sie nicht auf die Bundesregierung!

Zwei Punkte will ich noch ansprechen, zum einen das Thema Studienfinanzierung: Das Schwierige daran ist, Herr Oberg, gerade in Berlin haben wir ein erhebliches Missverhältnis von BAföG-Berechtigten und BAföGEmpfängern. Das liegt an der fehlenden Information. Wir als Liberale sagen: Wir wollen, dass die Leute, die bisher kein Bafög empfangen, über ihre Rechte informiert werden, denn dadurch entsteht die Möglichkeit, dass sie studieren können. Wenn Sie solche Horrorszenarien zeichnen mit Studiengebühren und Ähnlichem, dann sorgen Sie mit dieser Rhetorik dafür, dass Menschen aus bildungsfernen Schichten kein Studium aufnehmen. Das ist unverantwortlich. Sorgen Sie lieber dafür, dass Sie eine vernünftige Studienfinanzierungsberatung an den Schulen einführen. Wir als Liberale haben das auch schon im Ausschuss thematisiert. Von Ihnen habe ich bislang nichts dazu gehört.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie über das Thema Betreuungsrelation reden und dass es kein Fetisch für Sie sei, dann ist das eine nachvollziehbare Formulierung. Man könnte aber auch sagen: Es ist Ihnen einfach nicht wichtig. Wie ich eben schon gesagt habe: Masse statt Klasse. Wir haben es bereits in der Kitadebatte gehabt, wir können es hier auch noch einmal aufgreifen. Sie wollen die Hochschulen mit Studierenden voll pumpen, bieten ihnen aber nicht entsprechend der Bologna-Reform die Möglichkeit der Perspektive in der Wissenschaft.

Nordrhein-Westfalen ist einen anderen Weg gegangen. Das wissen Sie vielleicht nicht. In Nordrhein-Westfalen ist das Hochschulzulassungsgesetz geändert worden, sodass dort Mittel aus Studienbeiträgen – über die wir hier nicht sprechen – kapazitätsneutral zu behandeln sind. Die Uni Köln hat aufgrund dessen Lehrende eingestellt,

die aus Studiengebühren finanziert werden. Uns geht es hier in Berlin um Drittmittel und Stiftungsprofessuren. Dazu haben Sie noch nicht viel gesagt. Wir bleiben dabei: Wer über die Verbesserung der Betreuungsrelation spricht, redet notwendigerweise auch darüber, dass es sicher auch weniger Studienplätze gibt, denn ansonsten gibt es keine bessere Betreuung. Das ist logisch von der Gleichung her. Wir gehen davon aus, dass durch solch eine Möglichkeit der Kapazitätsneutralität Anreize entstehen, mehr Mittel in die Universitäten einzuwerben. Der Kollege Zimmer hat es vor einigen Wochen im Zusammenhang mit einem Antrag der CDU-Fraktion angesprochen und gesagt, er wolle auch die Unternehmen in die Verantwortung nehmen, sich weiter in die Berliner Hochschulen einzubringen – auch bei der Finanzierung der Lehre. Das sehen wir auch so. Auch hier bestehen Chancen. Insoweit, Herr Kollege Oberg, lassen Sie Fetisch Fetisch sein, und stimmen Sie unseren Anträgen zu!