Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

die aus Studiengebühren finanziert werden. Uns geht es hier in Berlin um Drittmittel und Stiftungsprofessuren. Dazu haben Sie noch nicht viel gesagt. Wir bleiben dabei: Wer über die Verbesserung der Betreuungsrelation spricht, redet notwendigerweise auch darüber, dass es sicher auch weniger Studienplätze gibt, denn ansonsten gibt es keine bessere Betreuung. Das ist logisch von der Gleichung her. Wir gehen davon aus, dass durch solch eine Möglichkeit der Kapazitätsneutralität Anreize entstehen, mehr Mittel in die Universitäten einzuwerben. Der Kollege Zimmer hat es vor einigen Wochen im Zusammenhang mit einem Antrag der CDU-Fraktion angesprochen und gesagt, er wolle auch die Unternehmen in die Verantwortung nehmen, sich weiter in die Berliner Hochschulen einzubringen – auch bei der Finanzierung der Lehre. Das sehen wir auch so. Auch hier bestehen Chancen. Insoweit, Herr Kollege Oberg, lassen Sie Fetisch Fetisch sein, und stimmen Sie unseren Anträgen zu!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Herr Oberg möchte erwidern und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte sehr!

Über meine Fetische werde ich Sie nicht weiter informieren, Herr Kollege Dragowski.

[Kai Gersch (FDP): Danke, danke!]

Aber eine Information möchte ich dann doch noch nachreichen. Sie sagen, wir sollten nicht auf den Bund schielen. Das tun wir nicht. Meist tun wir das mit Sorge, weil das, was wir dort sehen, uns nur mit Sorge erfüllen kann. Diese Information nachgereicht: BAföG, Herr Kollege Dragowski, heißt: Bundesausbildungsförderungsgesetz. Das kann nicht dieses Parlament beschließen, das kann nur der Bundestag. Es tut mir leid, dass ich Sie heute mit dieser Information konfrontieren muss, dass nicht wir die Höhe der Bundesausbildungsförderung festlegen, sondern der Bund.

Wenn der Bund versagt und es versäumt, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass jeder junge Mensch in diesem Land unabhängig vom Geldbeutel der Eltern studieren kann, dann muss man das klar sagen. Ich will eine Studienberatung oder eine Studienfinanzierungsberatung, die den Leuten nicht die Hucke voll lügt. Sie sagen, ich solle die Leute nicht mit der unangenehmen Wahrheit konfrontieren, das schrecke sie davon ab zu studieren. Nein, wir müssen den Leuten schon genau sagen, wie es ist. Es ist eben nicht einfach, sein Studium zu finanzieren. Es könnte so viel einfacher sein, wenn das BAföG höher wäre. Es ist eben nicht einfach für jemand mit bildungsfernem Hintergrund und sozial schwachen Eltern, Studiengebühren zu finanzieren. Das ist ein großes Problem. Wenn ich das wegrede, dann möchte ich entweder die Segregation weiter fördern, dass nämlich nur diejenigen, die aus Aka

demikerelternhäusern kommen und aus sozial starken, studieren können – oder ich bin völlig verantwortungslos.

Das Beispiel andere Bundesländer: Wie gut, dass Sie hier in der Opposition sitzen. Was machen Sie dort, wo Sie Verantwortung tragen – in Niedersachsen, in Hessen und in anderen Bundesländern? Da führen Sie erst Studiengebühren ein, und dann kürzen Sie die Hochschulen kurz und klein. Hier schwadronieren sie irgendetwas von der Verbesserung von Studienbedingungen und dass wir unsere Hochschulen unverantwortlich voll pumpen. Wir in Berlin investieren in die Hochschulen. Bei uns gibt es mehr Geld und nicht weniger. Bei uns gibt es mehr Studienplätze und nicht weniger. Bei uns gibt es keine Studiengebühren! Und das Ganze führt zu vernünftigen Ergebnissen. Bundesweite Vergleiche haben gezeigt, dass Berliner Studierende sehr gut ausgebildet sind, dass Berliner Studierende in der Regel in der Regelstudienzeit fertig werden und dass die Abbrecherquote hier sehr niedrig ist. Alles das nennt man eine Erfolgsquote. Die ist in Berlin hoch. Das bedeutet: Sie können uns nicht vorwerfen, dass wir durch mehr Chancen für Studierende schlechtere Ergebnisse produzieren. Wir bekommen tatsächlich beides. Wir würden noch mehr hinbekommen, wenn die Studierenden endlich eine vernünftige finanzielle Grundlage in Form eines vernünftigen BAföGs hätten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Jetzt hat Herr Abgeordneter Zimmer für die CDU-Fraktion das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Oberg! Es ist eine ganz schön schwache Leistung, mit einer allgemeinen und völlig unsachlichen Kritik am BAföGSystem zu antworten, wenn es um die Frage geht, Defizite in Berlin aufzuarbeiten.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von Lars Oberg (SPD) und Christian Gaebler (SPD)]

Dann fangen Sie an, über Studiengebühren zu diskutieren. Die haben wir doch in Berlin gar nicht. Wieso kommen Sie denn nicht mit Berliner Themen, sondern mit allgemeinen, aus der Luft gegriffenen? – Ich sage es Ihnen: weil Sie sich dem Problem nicht stellen wollen! Ich verstehe nicht, wie man auf Anträge der FDP, die ich vom Grundsatz her für begrüßenswert halte, wo es um Information geht, wo es um eine bessere Vermittlung von Information geht, wo es darum geht, wie Mittel zielgerichteter eingesetzt werden können, mit solch einer pauschalen Kritik antworten kann.

[Lars Oberg (SPD): Weil es am Problem vorbeigeht!]

Nein, es geht überhaupt nicht am Problem vorbei. Denn es ist richtig: Es gibt bei der Frage des Hochschulzugangs materielle Barrieren. Und es ist auch richtig, dass das, was verfügbar ist, auch dort erst einmal hinkommen muss, wo es gebraucht wird. Da kann man doch nicht sagen, uns ist das BAföG im Allgemeinen zu niedrig, wenn wir tatsächlich den Befund haben, dass BAföG-Berechtigte es nicht beziehen, weil sie nicht in der Lage sind, wegen fehlender Informationen ordnungsgemäße Anträge zu stellen. Nein, das Problem besteht primär erst einmal darin, dass die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden.

Weiterhin ist richtig, es ist auch eine Frage des Landes: Wie stellen wir uns als Berliner dazu? – Wissen Sie, wir haben so etwas wir die Einstein-Stiftung. Da geht es darum, dafür Mittel einzusetzen – obwohl es, soweit ich weiß, ja nicht mehr dazu kommen wird, es klingt jedenfalls so, als bekomme die Einstein-Stiftung kein Geld mehr.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Aber warum nehmen Sie nicht dieses Geld und fördern damit die Lehre?

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Warum setzen wir nicht ein paar Millionen Euro dafür ein, um diese materielle Barriere, die wir offensichtlich alle zur Kenntnis nehmen und für ein Problem halten, aus der Welt zu schaffen? Das wäre ein diskussionswürdiger Punkt.

Man könnte sich die Sache im Übrigen auch noch etwas einfacher machen – neben der Frage der Beratung in den Schulen: Warum gibt es nicht ein einheitliches Beratungsportal im Land Berlin, mit einem Finanzierungsrechner, wo Studierende sich selbst ausrechnen können, worauf sie Anspruch haben, wie sie in der Lage sind, dieses Geld einzusetzen und gegebenenfalls auch zurückzuzahlen, wenn auch alternative und ergänzende Studienfinanzierungen in Anspruch genommen werden? – Das ist eine konstruktive Antwort, nicht eine pauschale Kritik.

Bei der Frage der Kompetenzhürden ist der Antrag der FDP noch geradezu an der Oberfläche geblieben: Wo das Problem eigentlich liegt, lieber Kollege Dragowski, ist doch – ich denke, da werden Sie mir auch zustimmen – die zum großen Teil mangelnde Qualität der Ausbildung an unseren Schulen. Es ist richtig, an sich wäre es naheliegend und selbstverständlich: Man sollte in der Kursphase diejenigen Kurse wählen, die man später für sein Studium braucht, aber die Ergebnisse, die man immer wieder aus dem Schulbereich hört, weisen darauf hin, dass es in den MINT-Fächern ein Defizit gibt. An den Schulen wird nicht die Qualität vermittelt, die notwendig wäre, um einen geordneten Übergang an die Hochschulen zu ermöglichen.

Bei der Frage der frühzeitigen Orientierung muss man natürlich auch eines zur Kenntnis nehmen: Häufig wählen

Schülerinnen und Schüler ihre Kurse nicht unbedingt nach dem, was sie danach machen wollen,

[Lars Oberg (SPD): Weil Sie’s noch gar nicht wissen!]

sondern sie versuchen, ihre Note zu optimieren. Sie machen das, was sie am besten können, was ihnen am leichtesten fällt und haben dann am Ende eine für sie optimale Durchschnittsnote. Dass diese sie dann trotz der nominellen Qualifikation durch das Abiturzeugnis möglicherweise nicht dazu befähigt, das erfolgreich zu studieren, was sie sich danach aussuchen, ist primär nicht ein Problem der Beratung, welche Kurse sie wo brauchen, sondern eine Frage des Selbstverständnisses von vielen Schülerinnen und Schülern und Studierenden. Daran muss man auch arbeiten. Um diese Verschiebungen und Verzerrungen im Vorfeld auszuräumen, sollte man – auch im Sinne der Studierenden – darüber nachdenken, inwieweit man durch weiter vorgeschaltete Tests für den Hochschulzugang vor Eintritt in die Hochschule eine Profilierung der Schülerinnen und Schüler sicherstellt. Nach dem Absolvieren von standardisierten Tests wie etwa SAT oder ACT in den USA weiß der Schüler wenigstens, wo seine Qualifikationen liegen und wo gegebenenfalls noch eine Nacharbeit notwendig ist, um dann im Nachgang einen Studienerfolg zu gewährleisten. Das ist ein Ansatzpunkt, der grundsätzlich die Frage stellt, ob die Art und Weise, wie wir unser Abitur in Deutschland ableisten, mit Blick auf die Bologna-Reform noch zeitgemäß ist. – Auch darüber wird man sprechen müssen.

In den letzten Sekunden noch ein Satz zu der Frage Drittmittel/Betreuungsrelationen. Man muss natürlich sagen, die Zahlen, die im FDP-Antrag genannt worden sind, sind eher die positiven. Es gibt Betreuungsrelationen, die sind deutlich ungünstiger. Nehmen Sie Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften oder Sozialwissenschaften, da kommen über hundert Studierende auf einen Professor.

Herr Abgeordneter Zimmer! Ihre Redezeit ist schon beendet! Wenn Sie bitte zum Schluss kommen würden!

Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin! – Mein letzter Satz: Es ist allerdings so, dass Drittmittel nicht immer in den gleichen Fächern verfügbar sind. Deswegen muss dort nachgesteuert werden. Auch das ist Aufgabe des Senats. – Insofern freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss, aber ich kann an dieser Stelle schon sagen: Die Anträge gehen in die richtige Richtung, wir werden sie unterstützen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zimmer! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Albers das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Zimmer! Nicht wir lenken von dem Problem ab. Beratungsdefizite – zugestanden, das mag auch niemand leugnen, da gibt es mit Sicherheit Verbesserungsbedarf, aber das eigentliche Problem, wenn wir über Zugangsschranken reden, sind sicherlich nicht die mangelnden Beratungsangebote.

Zum ersten Antrag, Berliner Schülerinnen und Schülern Wege ins Studium und Möglichkeiten der Studienfinanzierung rechtzeitig eröffnen: Unsere Berliner Bildungs- und Schulpolitik zielt darauf ab – wir haben es in der laufenden Schulstrukturdebatte immer wieder deutlich gemacht –, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu einem erfolgreichen Schulabschluss zu bringen, unser Schulsystem durchlässiger zu machen, soziale Ausgrenzung und Benachteiligung auf dem Bildungsweg abzubauen und möglichst viele Jugendliche zur Hochschulreife zu führen.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Nicht durch die Einheitsschule, Frau Senftleben, sondern durch eine Schulstruktur, die jedes Kind in seiner individuellen Lernfähigkeit abholt und fördert!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Dazu gehört in den höheren Klassen sicher auch eine entsprechende angepasste Berufs- und studienorientierte Beratung.

[Mieke Senftleben (FDP): Sehen Sie!]

Dies wird sicher in den künftigen integrierten Sekundarschulen eine wichtige Aufgabe sein, die in allen Jahrgangsstufen altersgemäß als eine Bildungswegsberatung erfolgen sollte, die für die Schülerinnen und Schüler die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten mit ihren jeweiligen Anforderungen erkennbar macht, wobei die unterschiedlichen Entwicklungswege gleichzeitig so lange wie möglich offen und durchlässig gehalten werden müssen.

Aber das eigentliche Problem ist nicht die mangelnde Beratung. Die wirklichen Barrieren, die in unserem Bildungssystem bestehen, sind anderer Natur. Es sind vor allem, es ist gesagt, die sozialen Zugangshürden, die Eltern aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien davon abhalten, ihre Kinder auf weiterführende Schulen und zum Studium zu bringen. Es sind die unzureichenden Ausbildungs- und Studienfinanzierungssysteme, die das noch fördern – Herr Dragowski, das wissen Sie auch! –, unzureichend in der Höhe und unzureichend in der Finanzierungsstruktur.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Anstelle Ihres nationalen Stipendienprogramms, das die Bundesländer in der anteiligen Finanzierung noch höher belastet – nämlich 50 : 50 – als die BAföG-Finanzierung – 65 : 35 – und das gerade nicht dazu beitragen wird, die sozialen Ungleichgewichte im Studium zu reduzieren, sollten Sie sich, wie empfohlen, auf Bundesebene stattdessen dafür einsetzen, diese Mittel für eine weitere Erhöhung der BAföG-Sätze und für strukturelle Veränderungen im BAföG zu verwenden.

Entschuldigung, Herr Dr. Albers! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Ebenso würde es dem Anliegen dienen, wenn Sie sich in Ihrer Partei – auch das ist gesagt – durchsetzen könnten, endlich bundesweit die Studiengebühren abzuschaffen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die sind nachgewiesenermaßen für die von Ihnen wie von uns beklagte ungenügende Durchlässigkeit mit verantwortlich. Wenn Sie es ernst meinen – schaffen Sie sie ab! Organisieren Sie eine vernünftige Ausbildungsförderung, und wir haben ein wesentliches Beratungsproblem weniger, wenn es darum geht: Wie finanziere ich mein Studium?

Zum Antrag „Studienbedingungen an den Berliner Hochschulen verbessern – Drittmittel zur Verbesserung der Betreuungsrelation!“: Ich teile Ihre Kritik an dem verbesserungswürdigen Betreuungsschlüssel, auch Lars Oberg hat das gesagt, glaube aber, dass uns Ihr Vorschlag nicht wesentlich helfen wird. Herr Dragowski hat ja eine Antwort auf seine Kleine Anfrage zu den Stiftungsprofessoren an den Hochschulen bekommen. Da werden Größenordnungen genannt, die kaum Auswirkungen auf diesen Betreuungsschlüssel haben werden. Außerdem würde ein solcher Einsatz nicht zu einer grundsätzlichen Verbesserung von Betreuungsrelationen führen, weil er nur dort greift, wo Drittmittel zum Einsatz kämen. Das würde neue Ungleichgewichte schaffen und das Profil von Studium und Lehre an den Hochschulen erheblich beeinflussen. Deshalb teilen wir die Auffassung des Senats, die er in seiner Antwort auf die erwähnte Kleine Anfrage noch einmal unterstrichen hat, dass er nicht beabsichtigt, die Stiftungsprofessoren vom Kapazitätsrecht zu befreien. Eine Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium muss sich auf andere Weise vollziehen. Neben hochschulrechtlichen Regelungen auf Landesebene – daran arbeiten wir – ist auch hier vor allem der Bund mit in der Verantwortung, zum Beispiel durch eine Ausweitung des Hochschulpaktes in Richtung der Verbesserung der Qualität der Lehre und eben der Betreuungsrelationen oder in Form eines entsprechenden Länderprogramms, das dann

allerdings nicht als reines Wettbewerbsprogramm daherkommen dürfte, sondern auch Länderquoten berücksichtigen müsste. Auch das haben Sie auf Bundesebene – noch! – in der Hand. Also machen Sie etwas daraus! Viel Zeit bleibt Ihnen nicht mehr. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von der FDP: Ihnen auch nicht!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Albers! – Das Wort für eine Kurzintervention hat die Frau Abgeordnete Senftleben. – Bitte sehr!