Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 16/0264 Antrag der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der Grünen und der FDP Drs 16/0177
Ich eröffne die II. Lesung, schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also die Einleitung, die Überschrift und die Artikel 1 und 2 gemäß Drucksache 16/0177 auf. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Ausschüsse empfehlen jeweils einstimmig die Annahme des Antrags. Wer also der Drucksache 16/0177 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalition, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und wieder die wenigen vorhandenen CDU-Abgeordneten. Die Gegenprobe! – Eine Stimme von Bündnis 90/Die Grünen. Stimmenthaltungen? – Eine. Damit ist die Gesetzesänderung zum Landesabgeordnetengesetz angenommen.
Zur Beratung steht den Fraktionen nach unserer Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Ich eröffne die I. Lesung.
Werte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir eine besondere Freude – nachdem schon die geballte innenpolitische Kompetenz des Hauses zur Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität Stellung nehmen konnte –, nun einen weiteren Punkt zu setzen, der in der innenpolitischen Debatte früher wie auch heute richtungsweisend sein kann. Es geht um die individuelle Kennzeichnung der Polizistinnen und Polizisten auch und gerade in geschlossenen Einsätzen. Die Idee ist zugestandenermaßen nichts Neues und auch keine Erfindung von grünen Bürgerrechtlerinnen und grünen Bürgerrechtlern. Im Gegenteil – aufgepasst, liebe CDU! –, denn das gab es bereits 1848. Damals wurde in Berlin die erste polizeiliche Schutzmannschaft gegründet – als Zugeständnis des Königs an das Bürgertum. Sicherheit und Ordnung sollten in Preußen nicht länger dem Militär überlassen werden, und eben diese Polizisten waren individuell gekennzeichnet. Zunächst trugen sie einen Zylinder, und den schmückte neben einer schwarz-rotgoldenen Kokarde auch eine individuelle Nummer. Ihre Kollegen Schäuble, Schönbohm und Beckstein wollen heute die Trennung zwischen Militär und Polizei am liebsten wieder aufheben, aber doch bitte nicht diese erneuerte, weltoffene Hauptstadt-CDU, die auf so wundersame Weise grüner werden will!
Die Preußen haben erkannt, dass Ordnungskräfte das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger brauchen. Lasst uns also gemeinsam überlegen, wie wir das bereits große Vertrauen in die Polizei noch erhöhen können! Die neu anzuschaffenden Tonfas – kleines, nachträgliches Weihnachtsgeschenk – oder der polizeiliche Digitalfunk – das ist alles geeignet, um die Arbeit der Polizisten zu verbessern und die Sicherheit der Beamten und aller Menschen in der Stadt zu gewährleisten. Aber Vertrauen schafft man, indem man zeigt: Wir als Staatsmacht haben nichts zu verbergen.
Die individuelle Kennzeichnung – kodiert – ist kein Ausdruck von Misstrauen gegenüber der Polizei. Im Gegenteil: Sie schafft noch mehr Vertrauen. Sie löst den Uniformierten aus der Anonymität. – Die Kennzeichnung kostet kaum Geld, bringt keine Einbußen an innerer Sicherheit, und sie stärkt eine Ressource, die die Polizei für eine effektive Arbeit unbedingt braucht: Vertrauen durch rechtsstaatliche Verantwortung! – Die Polizei ist eben kein Schlägertrupp, auch wenn sie Gewalt anwenden sollte. Sie ist notfalls dazu befugt, weil und insofern sie sich an Recht und Gesetz hält. Darum genießt sie ein hohes Ansehen in der Bevölkerung, und das soll auch so bleiben.
Es hat sich in den vergangenen Jahren zugestandenermaßen etwas getan. Immer mehr Polizisten tragen freiwillig ein Namensschild. Dienstkarten müssen auf Anfrage herausgegeben werden. Aber bei geschlossenen Einsätzen – bei Demos – ist es nicht praktikabel, und Namensschilder werden dort garantiert nicht getragen. Rot-Rot hat für diesen Fall bisher nur eine Nummernkennzeichnung zustande gebracht, die Rückschlüsse auf eine Gruppe von acht Personen zulässt. Aber warum sind wir so kurz vor dem Ziel stehengeblieben? Warum sind wir nicht einen Schritt weitergegangen, wie es bereits im Preußen des 18. Jahrhunderts möglich war? – Auch im britischen und im amerikanischen Sektor galt in den 50er Jahren, was heute nur auf freiwilliger Basis gilt.
Der Polizeivollzugsbeamte mit Berufsethos ist individuell gekennzeichnet, und gegen eine kodierte, aber individuell zuzuordnende Nummer kann man doch gar nichts haben. Etwaige Querulanten, die den Cops eins auswischen wollen, können nicht im Telefonbuch nachschlagen, den Beamten und dessen Familie ausfindig machen und ihn möglicherweise bedrohen. Der individualisierbare Polizist ist gerade ein Beitrag zu weniger Unzufriedenheit mit der Polizei.
Ich möchte jetzt gar nicht auf Statistiken eingehen, denn die kann man immer in mehrere Richtungen deuten. Die hohe Anzahl der Einstellungen der zur Anzeige gebrachten Körperverletzungen im Amt wird für und gegen die individuelle Kennzeichnung herangezogen. Aber anders als die Statistik lässt sich eines nicht in beide Richtungen deuten: Nach dem jüngsten Einsatz bei der Stürmung der
Diskothek „Jeton“ durch das SEK kam es durch die Bank zur Einstellung von Verfahren, weil der Verdacht auf Körperverletzung im Amt überhaupt nicht zuzuordnen war. Das ist ein Schlag in das Gesicht der Betroffenen und der Opfer. Es hätte die ach so weltoffene Stadt Berlin nichts gekostet, wenn Rot-Rot das Versprechen wahrgemacht und die individuelle Kennzeichnung eingeführt hätte.
Ich weiß nicht, ob es mir zusteht, jetzt in einen etwas vortragenden Ton zu verfallen, aber es ist gerade rechtsstaatlich geboten, dass man einen Ausgleich schafft, wenn auf der anderen Seite neue Maßnahmen und Befugnisse zur Bekämpfung von Kriminalität eingeführt werden. Dieser Ausgleich besteht in unseren Augen – in den Augen der bürgerrechtlich verantwortlichen Grünen – darin, dass man die Polizisten dieser Stadt individuell kennzeichnet.
Ein Satz noch: 120 Jahre bevor der werte Vorsitzende unseres Innenausschusses, Peter Trapp, Polizist geworden ist, waren die Polizisten individuell gekennzeichnet. Herr Trapp! 40 Jahre nachdem Sie es geworden sind, wollen wir das wieder auf den Weg bringen. Spätestens zu Ihrer Pensionierung wollen wir das Ding dann auch wirklich haben. Es gibt dann auch nichts mehr zu befürchten, nehme ich an.
Selbst das letzte und einzige demokratische Polizeigesetz der DDR sah vor, dass die Polizisten individuell gekennzeichnet werden. Auch wenn man mit jungen Absolventen der Hochschulen redet, die Polizeibeamte werden, stellt man fest, dass die überhaupt nichts gegen die Kennzeichnung haben. Für sie ist es selbstverständlich, individuell gekennzeichnet zu sein. Deswegen sollten wir diesen Schritt nun tun und das Ding auf den Weg bringen. – Danke!
Es ist in diesem Haus auch völlig unstrittig, dass dort, wo Polizisten straffällig werden, eine Verfolgung stattfinden muss. Diese Polizisten müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Darin sind wir uns sicherlich fraktionsübergreifend völlig einig. Wir müssen aber auch die Sorgen und Ängste von Polizisten ernstnehmen und wahrnehmen. Leider haben wir in den letzten Monaten immer wieder Fälle zur Kenntnis nehmen müssen, wo organisierte Gruppen versucht haben, Polizisten auch im Privatbereich anzugreifen. Diese Ängste, die in der Polizei vorhanden sind, haben einen realen Hintergrund. Das will ich damit zum Ausdruck bringen.
Die SPD-Fraktion hat es sich deshalb zur Linie gemacht, dass wir gemeinsam mit der Polizei an diesem Thema weiterarbeiten wollen. Das haben wir in den letzten fünf Jahren gemacht. Sie kennen sicherlich den Koalitionsvertrag. Wir haben uns vorgenommen, bis Anfang nächsten Jahres die Erprobungsphase zu Ende zu bringen und dann zu bewerten, ob die bisherigen Maßnahmen erfolgreich waren oder ob man weitergehen muss. Für uns ist aber das Entscheidende, dass wir das im Dialog mit den Polizistinnen und Polizisten machen.
Herr Kleineidam! Ich teile die Sorgen und Befürchtungen, die die Polizistinnen und Polizisten um die Eigensicherung haben. Aber können Sie mir sagen, welche Auswirkung eine kodierte Kennzeichnung dieser Beamten hat? Sie lässt doch keine Rückschlüsse auf die Person der Polizisten zu. Oder sehe ich das falsch?
Sie haben recht, dass das eine Schutzmaßnahme ist – im Vergleich zu Namensschildern oder Ähnlichem. Gleichwohl haben wir die Ängste bei den Polizistinnen und Polizisten, und, wie gesagt, diese Ängste sind leider nicht unbegründet. Deshalb wollen wir gemeinsam mit der Polizei daran weiterarbeiten,
und deshalb werden wir auf keinen Fall über ein Gesetz eine Verpflichtung schaffen und damit die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Polizei umgehen. Diesen Weg gehen wir auf keinen Fall mit.
[Christian Gaebler (SPD): Herr Henkel! Sagen Sie zwei Sätze und geben Sie den Rest Ihrer Rede zu Protokoll]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lux! Welch ein Antrag von den Grünen! Sie sind bei diesem Thema ein hartnäckiger Fall. Nachdem wir das Thema Dutzende Male im Innenausschuss behandelt, nachdem wir nunmehr vor zwei Jahren endlich im Einvernehmen zu einem – wie ich finde – akzeptablen Kompromiss gekommen sind, nach alldem halten Sie hier geradezu starrköpfig an Ihrem Ursprungsantrag aus dem Jahr 2003 fest. Zuletzt haben wir den im Wortlaut deckungsgleichen Gesetzentwurf im Jahr 2005 behandelt. Viel Neues gibt es deshalb nicht zu sagen. Das erklärt vielleicht auch die kurze Äußerung des Kollegen Kleineidam. Die Standpunkte sind hinreichend bekannt, die Argumente sind ausgetauscht. Ich wiederhole sie aber gern noch einmal.
Erstens sind schon jetzt die Beamten der Berliner Polizei verpflichtet, sich auf Verlangen bei Diensthandlungen auszuweisen und die Dienstnummer auszuhändigen. Das ist nicht neu, das gibt es bereits seit langem.
Zweitens: Besonderheiten bestehen allenfalls im Bereich der geschlossenen Einsätze. Aber hierfür wurde der vor mehreren Wochen im Innenausschuss vorgestellte Weg entwickelt. Das wissen Sie. Die Regelung ist das Ergebnis der Arbeit einer Projektgruppe unter Beteiligung der Polizeiführung und von Vertretern der Gewerkschaften und Personalräte. Auch das ist bekannt. Ich will den Weg nicht ausführlich darstellen, das kann, wenn er will, der Senator machen. Meine Fraktion zumindest kann mit diesem Weg leidlich gut leben.