Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Vor allem denke ich, dass wir es geschafft haben, die Kita als Bildungseinrichtung nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Wirklichkeit umzustrukturieren. Ich glaube, dass dies ein ganz bedeutsamer Schritt ist, auch wenn wir noch nicht zufrieden sind und wenn die Qualitätsevaluation, die noch einsetzt, vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch einigen Veränderungsbedarf aufzeigt. Ich finde, das ist ein ganz normaler Prozess.

Ich will auch deutlich sagen, dass wir die Reformen nicht nur durchgeführt haben, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Das war auch ein Grund, aber wir befinden uns mit all denjenigen im Einklang, die – wenn man sich die UNICEF-Studie genau anguckt – betonen, dass es darauf ankommt, der kindlichen Entwicklung und der Förderung der kindlichen Persönlichkeit stärker Rechnung zu tragen.

Wir wissen, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass das Tagesbetreuungsausbaugesetz auf Bundesebene beschlossen wurde. Es wurden Veränderungen im KJHG vorgenommen, mit denen Bildung und Erziehung in den Vordergrund gerückt sind. Damit erfolgte ein Paradigmenwechsel. Insofern ist bundesweit Bewegung in die Debatte gekommen, und ich kann auch da nur noch einmal der CDU viel Kraft und viel Glück wünschen, wenn sie als Partei genau diese Richtung mit unterstützt. Wir werden sehen, wie sich dies entwickelt.

Im Grunde hat Berlin – das haben alle Vorredner bereits gesagt – eine ganze Menge erreicht. Wir werden diesen Prozess weiter fortsetzen, bis hin zur Betragsfreiheit, die wir in diesem Jahr für das letzte Kitajahr eingeführt haben und dann für die weiteren Jahre einführen werden. Wir werden jedoch auch inhaltlich weiterarbeiten. Insofern bleibt noch eine Menge Arbeit.

Frau Jantzen! Natürlich sehen wir auch die Probleme im Personalbereich. Für uns ist es nach wie vor ein Problem, wenn die Erzieherinnen zu hundert Prozent am Kind arbeiten. Wir müssen ihnen für die Vorbereitung, für die Fortbildung und auch für die Dokumentation und Beobachtung Zeit geben.

Ich will auf Ihre Anträge reagieren – wir werden im Ausschuss auch noch darüber reden: Die Tagespflege ist kein neues Thema in diesem Haus. Wir haben uns mit der Tagespflege schon sehr oft beschäftigt. Für uns ist die Tagespflege ein gleichrangiges Angebot in der Förderung, aber ich will auch deutlich sagen, dass für uns das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern ein Schwerpunkt ist. Wenn man kritisiert, dass die Tagespflege in den Bezirken nicht ausreichend ausgebaut ist, dann muss man fragen: Ist der Bedarf gegeben? Woran liegt es, dass wir nicht in allen Bezirken gleichermaßen Plätze in der Tagespflege haben?

Auch hier darf man historisch ein Stück zurückgehen, denn wir haben im Ostteil der Stadt eine Infrastruktur gehabt, wo in den Einrichtungen genügend Plätze vorhanden waren. Wenn jetzt der Bedarf der Eltern nicht gegeben ist, dann muss man nicht unbedingt Plätze vorhalten. Aber mir ist kein Bezirk bekannt, wo man, wenn Eltern einen Antrag stellen, diesem nicht gerecht werden kann.

[Zuruf von Elfi Jantzen (Grüne)]

Dieser Antrag wird bestätigt, und es wird dann eine Tagespflegemutter zur Verfügung gestellt. Wir haben in Berlin im Rahmen der flexiblen Betreuung auch noch die ergänzende Tagespflege. Ich sehe da also kein Problem.

Ein Problem sehe ich eher woanders: Wir müssen uns qualitativ mit der Tagespflege befassen, denn die Tagespflege sollte zumindest aus unserer Sicht auch Bildungsaspekten stärker Rechnung tragen. Insofern haben wir hier noch die Möglichkeit, uns einander zu nähern.

Ich möchte noch zum letzten Antrag etwas sagen, alles andere kann ich mir sparen. Es geht um den Antrag zur Schulreifeuntersuchung. Mich wundert bereits der Begriff „Schulreifeuntersuchung“. Aber, meine Damen und Herren von der CDU, wir werden hier das Rad nicht zurückdrehen. Es wird eine Schuleingangsuntersuchung geben – wie gehabt –, aber keine Schulreifeuntersuchung. Wir wollen, dass die Kinder möglichst gut auf die Schule vorbereitet werden und dass sich die Institution Schule auf die Schüler einstellt und sie nach Maßgabe ihrer individuellen Fähigkeiten fördert. Genau diesem Zweck dient auch das Projekt, das wir gemeinsam auf den Weg bringen – die Gemeinschaftsschule. Wir werden demnächst entgegen Ihrer Unkenrufe damit beginnen, um für die Kinder bessere Bedingungen zu schaffen.

[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Bei einer Durchsicht der Unterlagen ist mir noch einmal das Protokoll unserer Anhörung mit Prof. Rost von der Universität Marburg in die Hände gefallen. Er sagte dort, dass es keinen Test gebe, der bei Vierjährigen mit akzep

tabler Verlässlichkeit und Gültigkeit den intellektuellen Status im 2. Schuljahr voraussehen könne.

[Mieke Senftleben (FDP): Hochbegabte!]

Ja, auch in diesem Zusammenhang – so, wie das in dem Antrag drinsteht! Im Zusammenhang mit Hochbegabung! Da haben Sie Recht. Aber wir haben schon das letzte Mal im Ausschuss darüber diskutiert, und Sie wollten das nicht wahrhaben. Schauen Sie noch einmal in dieses Protokoll! – Insofern lehnen wir es ab, die Kinder schon vor Schulbeginn zu sortieren, sie irgendwie in Fächer zu packen und im Rahmen der Schulreifeuntersuchung zu sagen: So, du kommst nicht in die Schule. Du musst noch ein Jahr irgendwo anders bleiben.

Individuelle Förderung findet im Kindergarten statt. Wir haben allen Grund, uns weiter damit zu befassen, wie wir die Kinder gut auf die Schule vorbereiten können. Alle Anträge, die heute vorliegen, sollten und werden wir im Ausschuss beraten. Dort können wir unsere unterschiedlichen Positionen sicherlich noch einmal darlegen. Aber viel Neues ist für mich in diesen Anträgen nicht drin. Ich habe das schon oft gehört, und insofern würde ich mir wünschen, dass wir von Ihrer Seite vielleicht mal einen kleinen inhaltlichen Schub bekommen. – Das war’s.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Nun hat Herr Dragowski von der FDP-Fraktion das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Jugend- und Familienpolitik bewegt nicht nur uns auf Landesebene – das zeigen die zahlreichen Anträgen zur Tagespflege und zur Tagesbetreuung –, sondern führt auch auf der Bundesebene zu großen Irritationen und Auseinandersetzungen zwischen den großen Koalitionsparteien und teilweise auch bis in das christdemokratische und christlichsoziale Lager hinein. Auch wenn sich Frau von der Leyen und Konsorten immer wieder unnötige Scharmützel und Grabenkämpfe liefern, darf man nicht vergessen, dass wir es hierbei mit überaus wichtigen Weichenstellungen zu tun haben.

Unsere entscheidende Aufgabenstellung lautet: Wir organisieren wir die vorschulische Bildung und Betreuung so, dass diese unseren Kindern die bestmöglichen Chancen auf dem Weg in die Zukunft bietet? – Hierbei hat es in der Vergangenheit einschneidende Entwicklungen gegeben, die wir zumindest in Teilen sehr begrüßt und unterstützt haben. So war die konsequente Übertragung von öffentlichen Kindertagesstätten in die freie Trägerschaft und somit eine Entstaatlichung von vorschulischen Bildungseinrichtungen eine echte Leistung des damaligen Bildungssenators Böger. Allerdings sehen wir Liberale bislang nur einen Teilschritt als erreicht an. Wir sind der

gung, dass auch das letzte Drittel der öffentlichen Tagesstätten an freie Träger übertragen werden muss.

[Beifall bei der FDP]

Nichts spricht dafür, dass es einer öffentlichen Leistungserbringung in diesem Bereich bedarf. Das Land muss Finanzierung und Kontrolle der Kitas sicherstellen, aber rein gar nichts rechtfertigt die Existenz staatseigener Kitas.

[Beifall bei der FDP]

Das können Private sehr viel effektiver und zu besseren Konditionen.

Wir werden uns wohl bald mit den Kita-Eigenbetrieben auseinandersetzen müssen. Ich bin mir sicher, dass diese genauso elend zugrunde gehen werden wie das Jugendaufbauwerk Berlin, und dann will wieder keiner schuld am Millionenfiasko gewesen sein. Dieses Geld hätte weitaus besser investiert werden können, hätte die Bildung oder die Qualität im vorschulischen Bildungsbereich stärken und Kinder fördern können.

[Beifall bei der FDP]

Stattdessen versenken Sie Millionen in maroden Strukturen. Das ist blanker Unsinn.

Ähnlich verhält es sich hinsichtlich Ihres Umspringens mit der Tagespflege. Die Förderung der Tagespflege ist der FDP ein großes und wichtiges Anliegen. Wir haben schon in der letzten Legislaturperiode mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass Berlin im Hinblick auf Tageseltern chronisch unterversorgt ist.

[Beifall bei der FDP]

Stattdessen wird zumindest in den Berliner Ostbezirken viel Geld in die großen Krippen gesteckt. Es ist uns selbstverständlich bekannt, dass diese Einrichtungen eine verhältnismäßig gute Arbeit leisten. Allerdings wäre dieses Geld bei Tagesmüttern effektiver angelegt. Diese sind nicht nur im Hinblick auf die Betreuungszeiten flexibler, sondern sie sind oft auch viel günstiger.

[Mieke Senftleben (FDP): O-Ton Senator Zöllner!]

Das Entscheidende ist jedoch, dass Tagesmütter für eine günstige Sozialisation von Kleinkindern und Kindern sehr viel bessere Rahmenbedingungen bieten. Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir endlich mit dem Umsteuern beginnen. Derzeit sträuben sich noch viele Bezirke dagegen. Denen liegt mehr daran, die Kapazitäten der Eigenbetriebe in diesem Segment auszulasten. Zudem befürchten sie, dass sie auf den Kosten der Tagespflege sitzenbleiben. Gerade deshalb ist hier noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir müssen die Finanzierung der Tagesspflege absichern, und wir müssen neue Tageseltern gewinnen und qualifizieren.

[Beifall bei der FDP]

Die Qualifizierung und Zertifizierung der Tageseltern ist nicht nur ein Anliegen der Eltern, die auf die Dienste der

Überzeugung, dass auch das letzte Drittel der öffentlichen

Tagespflege zurückgreifen möchten. Insbesondere die Verbände der Tagespflege fordern Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen, um das Berufsbild der Tageseltern aufzuwerten. Diese Möglichkeiten gilt es zu schaffen.

Nun möchte ich kurz auf den CDU-Antrag zu den Tagesgroßpflegestellen eingehen: Dieser Antrag ist von besonderer Natur. Er ist nämlich mit dem Grünen Punkt versehen und fast komplett recycelt worden. Sogar die Begründung findet sich eins zu eins im Antrag wieder. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion! Ich hätte mir etwas mehr Einfallsreichtum gewünscht. Da jeder die Geschichte des vorliegenden Antrags per Ausschussprotokoll nachvollziehen kann, fällt es nicht schwer zu prognostizieren, wie das Abstimmungsergebnis aussehen wird. Die FDP wird sich jedenfalls enthalten.

Weswegen? – Ganz einfach! Die Tagesgroßpflegestellen mit einem Betreuungsumfang von bis zu acht Kindern sind eine typische Berliner Pflanze, eine Besonderheit. Diese Tagesgroßpflegestellen funktionieren und kommen gut an. Doch mit der Novellierung der Bundesgesetzgebung unter Rot-Grün wurde die Zahl der zu betreuenden Kinder auf fünf begrenzt. Das war eine unsinnige Entscheidung aus dem Hause Renate Schmidt – aber ein Bundesgesetz, an das sich die Länder zu halten haben. Mit der Bundestagswahl erfolgte ein Wechsel an der Spitze des Bundesministeriums. Nun sitzt Frau von der Leyen in dieser Position. Das Bundesgesetz ist allerdings geblieben. Wenn sich die CDU für den Erhalt der Tagesgroßpflegestellen einsetzen möchte, findet das unsere Unterstützung. Allerdings sollten Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, sich nicht an den Senat wenden und diesen zum offenen Gesetzesbruch auffordern, sondern sich vielmehr an Ihre Bundesministerin bzw. an die satte Mehrheit im Bundestag wenden.

[Beifall bei der FDP]

Ändern Sie das Bundesgesetz! Setzten Sie sich ernsthaft für die Tagesgroßpflegestellen ein!

Zuletzt möchte ich auf den Antrag zur Wiedereinführung der Schulreifeuntersuchung für Schulanfänger eingehen: Die CDU hat das hessische Modell entdeckt, um Kinder mit Entwicklungsdefiziten fördern zu können. Uns bewegt das gleiche Anliegen. Wie können Kinder für den Schulstart fitgemacht werden, sodass sie dem Unterricht ohne Probleme folgen können? – Das Modell aus Hessen wäre tatsächlich eine Lösung, aber nicht unsere. Wir fordern die Einrichtung einer Startklasse.

[Beifall bei der FDP]

Ein Jahr vor Beginn der 1. Klasse sollen alle Kinder, auch diejenigen ohne besonderen Förderbedarf, in die Startklasse eintreten, wo sie im Verbund von Tagesbetreuung und Schule auf spielerische Weise auf den Schulanfang vorbereitet werden. So erhalten alle Kinder ausnahmslos die Chance, dem Unterricht schon zu Beginn der 1. Klasse folgen zu können. Neben dem Abbau von sprachlichen und kulturellen Barrieren können erste Ge

meinschaftserlebnisse erfahren, soziale Kompetenzen im Miteinander gesammelt und grundlegende Verhaltensregeln angewendet werden. Wir werden sicher in den nächsten Monaten über die Stärkung der vorschulischen Bildung sprechen – so auch im Zusammenhang mit dem Berliner Bildungsprogramm für die Kitas. Auch dann werden wir unser Plädoyer für die Startklasse erneuern und für dieses Modell werben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir zu Abstimmungen beziehungsweise Entscheidungen über Überweisungen kommen.

Zu den Anträgen mit der Drucksachennummern 16/0239 und 16/0240 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. – Dazu höre ich keinen Widerspruch und wir verfahren so.

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachennummer 16/0086 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der Grünen und der FDP und einer Nichtbeteiligung seitens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Annahme in neuer Fassung. Wer so gemäß Beschlussempfehlung 16/0227 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist diesem Antrag entsprochen.