Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich habe sämtliche Punkte aufgezählt, die Sie in Ihrem Antrag benannt haben. Alle diese Punkte sind bereits begonnen worden oder werden begonnen. Ich weiß wirklich nicht, wo da die Neuigkeit gelegen hätte.

Was den Tränenpalast angeht, bin ich mit Ihnen einig. Ich habe da auch Tränen vergossen. Da haben die meisten Berliner Tränen vergossen. Trotzdem ist es der Ort für Privilegierte gewesen. Es waren Menschen, die in die DDR einreisen und ausreisen durften, und Dienstreisende. Der Tränenpalast ist bereits Bestandteil unseres Konzeptes und wird vom Haus der Geschichte jetzt mit übernommen. Ich weiß gar nicht, was Sie da zu bemängeln haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben kürzlich behauptet, die Bernauer Straße sei nicht zentral genug gelegen. Ich empfehle Ihnen einen Blick in das Straßenverkehrsverzeichnis der Stadt Berlin. Da sehen Sie, wie eng diese sieben, acht zentralen Gedenkstätten in der Mitte der Stadt konzentriert sind.

[Beifall bei der SPD]

Ich sage es noch einmal: Ich kann keine Innovation in Ihrem Beitrag erkennen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Alice Ströver. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lange! Hätte nicht der rot-rote Senat in einer Aktion von mir nicht nachvollziehbarer Dämlichkeit den Tränenpalast an einen Investor verkaufen müssen, müssten wir über den Tränenpalast und seine Bedeutung als Gedenkort heute vielleicht nicht so heftig streiten. Das muss man hier noch einmal sagen dürfen.

[Beifall bei den Grünen]

In der Grundaussage, Frau Lange, stimme ich Ihnen zu: In der vergangenen Legislaturperiode hat dieses Abgeordnetenhaus wie noch nie vorher über die Formen des Gedenkens an die Berliner Teilung und die Mauer und darüber, wie wir die Erinnerung an die Opfer wach halten, diskutiert. Für uns Grüne ist dies seit der Wiedervereinigung ein wichtiges Thema, und ich erinnere daran, dass es die Fraktion der Grünen mit ihrer Initiative war, der es im Jahr 2001 in der kurzen rot-grünen Phase gelang, die Reste der Berliner Mauer unter Denkmalschutz zu stellen, was die Grundlage dafür ist, dass wir heute überhaupt über ein Mauergedenkkonzept diskutieren können.

[Beifall bei den Grünen]

Frau Lange! Es muss vielleicht immer eine gewisse Zeit verstreichen, um eine bestimmte Form des Gedenkens physisch fassbar und identifizierbar zu machen. Aber es ist auch ein Versäumnis der großen Koalition in den 90er Jahren gewesen, des Diepgen-Senats unter Beteiligung der SPD, sich nicht schon viel früher Gedanken über ein Konzept gemacht zu haben, wie wir an diese innerstädtische Teilung erinnern.

[Beifall bei den Grünen]

In die jahrelange Diskussion in der letzten Legislaturperiode über das vom Senat vorgelegte Erinnerungskonzept, in das zahlreiche Experten einbezogen waren, haben wir uns als Fraktion konstruktiv eingemischt, daran mitgearbeitet und unsere Vorschläge einbringen können. Ich nenne nur die Stichworte Mauererinnerungsweg oder die Stele für Chris Gueffroy.

Natürlich ist nicht alles schlecht, Herr Dr. Pflüger und Herr Braun, was in dem CDU-Papier steht. Das, was Sie in Ihrem Antrag als Überschrift formulieren: „Berliner Mauer im Stadtbild und Bewusstsein sichtbar machen“ –, wollen wir alle. Aber das ist doch eine Selbstverständlichkeit nach der Diskussion, die wir schon hatten.

Einige Vorschläge der CDU sind Vorschläge, über die man durchaus diskutieren kann. Aber sie dienen nur als Ergänzung und nicht etwa als Ersetzung dieses Erinnerungskonzeptes. Man kann dann im Ausschuss darüber diskutieren, wie weit man sie integriert.

Unsere Fraktion hat in der letzten Legislaturperiode klar gesagt: Wir tragen das Senatskonzept mit. Wir sehen es auch als wichtig an, den Ort Bernauer Straße zum zentralen Gedenkort zu machen.

Ich kann Ihnen nicht folgen, Herr Dr. Pflüger und Herr Braun, denn die Dimension der Grenzanlage zeigt sich nur dort. Die Bernauer Straße ist der Ort der Opfer, aber auch der Ort der erfolgreichen Flucht. Es gibt in dieser Stadt keinen Ort wie die Bernauer Straße, den man besser zum zentralen Ort des Mauergedenkens machen könnte.

Dass er es noch nicht ist, darin sind wir uns wohl einig, und wir können uns sicherlich auch schnell darüber verständigen, dass die Überformung in der Vergangenheit kein glücklicher Zug war.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Herr Braun! Ich finde es ein bisschen schade, dass Sie sich erst jetzt in diese Diskussion einmischen, denn die CDU war in der letzten Legislaturperiode in dieser Diskussion nicht präsent.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Thomas Birk (Grüne) – Zurufe]

Ja, das ist so! – Ich will Ihnen Ihr nachträgliches Engagement nicht streitig machen, aber es kommt zu spät. Ich meine, Sie sollten sich gegenüber dem Bund dafür einsetzen, dass wir zu einer Beschleunigung der Realisierung

des Konzeptes kommen. Es ist symbolisch ein besseres Zeichen, so etwas zum 20. Jahrestag des Falls der Mauer als zum 50. Jahrestag des Baus der Mauer fertig zu haben. 2009 wäre also besser als 2011. Darin gebe ich Ihnen Recht. Aber – wie gesagt – insistieren Sie bei der Bundesregierung, dass die Mittel früher fließen! Ich hoffe jedenfalls, dass auch der Senat seinen Teil dazu beiträgt, dass das Mauergedenkkonzept so schnell wie möglich realisiert wird.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich stimme mit Ihnen ausdrücklich darin überein, dass der Tränenpalast bedeutend für die Erinnerung an die Berliner Teilung ist. Er muss unbedingt erhalten bleiben. Schon wegen seiner geschichtlichen Bedeutung hätte es der Senat längst als seine Pflicht ansehen müssen, den Eingangsbereich unter Denkmalschutz zu stellen. So haben wir die Gefahr, dass doch irgendwann einmal die Abrissbirne dagegen fällt, wenn der Investor sein Spreedreieck baut, und wir dann gar nichts mehr vom Tränenpalast haben.

Frau Ströver! Sie müssen jetzt bitte zum Schlusssatz kommen!

Ich komme zum Schluss. – Es ist wichtig, dass wir den Investor in die Pflicht nehmen, den Tränenpalast zu erhalten, und eine kulturelle Nutzung herbeiführen. Aber ein zentraler Gedenkort ist er nicht. Er ist in das Konzept einbezogen. Wir bleiben dabei, dass die Bernauer Straße der zentrale Gedenkort ist.

Bei allen Fragen geht es nicht nur um die äußere Gestaltung der Erinnerung an die Teilung Berlins. Was noch vor uns liegt, ist die echte Aufarbeitung und Erinnerung an ein Unrechtssystem, wie die DDR es war. Neben dem konkreten Mauergedenkkonzept sollten wir uns in Zukunft diesen Fragen widmen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Brigitte Lange (SPD)]

Das Wort hat nun der Abgeordnete Brauer. – Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass die Mauer weg ist, und es ist gut, dass sie so gründlich weg ist, wie sie weg ist. Aus denkmalpflegerischer Sicht kann man sicherlich die Abrisswut der frühen 90er Jahre beklagen, aber die rasche Beseitigung von Mauer und Todesstreifen war ein wichtiger und nicht nur psychologischer Beitrag zur Herstellung der inneren Einheit dieser Stadt. Das wird ja wohl kaum jemand

dieser Stadt. Das wird ja wohl kaum jemand ernsthaft rückgängig machen wollen.

Wenn ich die Reden der beiden CDU-Kollegen höre, so scheint mir die Sache allerdings einen Nachteil gehabt zu haben: Die Berliner CDU leidet inzwischen unter einem dreifach bedingten Phantomschmerz:

Erstens fehlt der Berliner CDU mit dem Wegfall dieses entsetzlichen Bauwerks offensichtlich auch ein Objekt, an dem man trefflich seine Doktrinen festmachen und sinnlich erfahrbar sein antikommunistisches Mütchen kühlen konnte.

Zweitens: Trotz gegenteiliger Behauptungen – wir haben heute wieder solche gehört – fiel die Mauer nicht durch den damaligen Westberliner Senat oder gar die tapfer widerständige CDU. Ronald Reagan war auch nicht der biblische Joshua vor den Mauern von Jericho. Das wäre doch etwas übertrieben. Es war das Volk der DDR, das diese Mauer und ein völlig erstarrtes System zum Einsturz brachte. Das Volk der DDR und niemand anders!

[Dr. Friedbert Pflüger (CDU): So ist es!]

Drittens – Herr Braun, ich muss jetzt einiges wiederholen, und das ist offensichtlich für Sie das Schlimmste: Es war ein PDS-Senator, der nach jahrelanger Untätigkeit aller anderen Parteien – wenn man denn Geschwätz und Sonntagsreden anlässlich diverser Gedenktage nicht als Tätigkeit bezeichnen will –, und zwar auch und gerade der Matadoren der seinerzeitigen Westberliner CDU, dem Abgeordnetenhaus von Berlin am 21. Juni 2006 – das war jetzt kein Versprecher, Herr Braun – das Gesamtkonzept der Dokumentation der Berliner Mauer vorlegte. Erinnerung, Gedenken und Nachdenken bedürfen immer eines konkreten Ortes, und diese konkreten Orte sind zu bewahren. Der rote Kultursenat brauchte nur ein knappes dreiviertel Jahr zur Erarbeitung dieses Papiers, und es gelang ihm, breiteste Teile der wissenschaftlichen und politischen Öffentlichkeit Berlins und der Bundesrepublik in die Erarbeitung dieses Konzepts einzubeziehen.

Die Berliner CDU hat doch etwas getan. Frau Ströver, ich muss Ihnen widersprechen! Sie saß damals am Checkpoint Charlie greinend in der Ecke und haderte mit dem selbstgewählten Schicksal. Das war nun einmal so. Sie hat sich bislang offensichtlich tapfer geweigert, das Konzept aus der Feder dieses rot-roten Beelzebubs höchstpersönlich überhaupt nur zu lesen. Ich kann Ihnen jedoch helfen: Wenn Ihnen lesen zu schwer ist, spielen wir ein bisschen Hörbuch. Das ist modern.

Der Tränenpalast spielt sehr wohl im Mauerkonzept eine wesentliche Rolle. Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich zitiere:

Es ist zu begrüßen, dass die Stiftung „Haus der Geschichte“ in Bonn und die Betreiber des Tränenpalastes eine Kooperation eingehen wollen.

Dies bezieht sich auch auf die jetzigen Eigentümer. –

Diese bezieht sich auf eine angemessene historische Kommentierung des Ortes und auf die Präsentation zeitgeschichtlicher Ausstellungen durch das „Haus der Geschichte“. Der Tränenpalast sollte als kultureller Veranstaltungsort und als Ort historischer Information erhalten bleiben und weiter profiliert werden. Das erfordert seine Einbeziehung in das Gesamtkonzept „Berliner Mauer“.

Soweit das Zitat! – Sie können das auf Seite 49 bis 50 nachlesen.

Nun gut! Lassen wir einmal völlig beiseite, weshalb ausgerechnet das rheinländische Geschichtsmuseum die Berliner Mauer kommentieren muss! Das konnte mir bislang niemand erklären. Aber sei’s drum! Wenn sie ihr museales Kölsch brauchen, dann sollen sie es kriegen. Es bedurfte jedenfalls nicht der Initiative des ansonsten sehr verehrten Kollegen Braun, dass der Tränenpalast „als authentische Stätte der Erinnerung“ wieder auf die Tagesordnung kam – so die „Berliner Morgenpost“ am 9. Februar. Allerdings ist es nach langem Streit schön – und das erfreut mich denn wirklich –, eine so enge Übereinstimmung zwischen dem Kollegen Michael Braun und dem rot-roten Senat feststellen zu können. Weiter so!

Wenn sich die CDU-Fraktion jetzt auch noch mit ebensolcher Verve gegenüber ihren Parteikollegen in Bundesregierung und Bundestag durchsetzt, dass diese wirklich die dringend benötigten Finanzmittel freigeben und vielleicht noch ein bisschen draufsatteln, dann kann vielleicht die Umsetzung des Mauergedenkkonzepts im Jahr 2009 erfolgen. Ich stimme hierbei Frau Kollegin Ströver zu: Dieses wäre wünschenswert. – Geben Sie sich Mühe, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verschwenden Sie nicht so viel Kraft auf die Diskussion, wie man Pflasterstreifen optisch stärker hervorhebt, ohne Verkehrsgefährdungen auf den endlich wieder Ost und West verbindenden Straßenzügen auszulösen!

Das Mauerkonzept befindet sich im Prozess der Umsetzung. Wer offenen Auges durch die Stadt geht, wird dieses auch sehen. Wer sich jedoch ständig Augen und Verstand mit derart qualifizierten Aussagen zukleistert, wie sie im vorliegenden Antrag zu finden sind – ich zitiere: „Bis heute fehlt für die Zeit der SED-Diktatur ein demokratisches Geschichtsbild, das in der Gesellschaft breit verankert ist.“ –, der sieht nichts, der hört nichts, und der begreift auch nichts. Ich empfehle Ihnen das Gleichnis von Sämann – Matthäus, Kapitel 13, Vers 3 bis 9. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Nun hat der Abgeordnete Braun das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!