Protokoll der Sitzung vom 23.09.2010

außer dass Ihnen offensichtlich erst Anfang der Woche eingefallen ist, dass Sie hierzu noch etwas sagen wollen –: Beteiligung des Bundes an den Sozialausgaben einfordern. – Auch hier wird keine konkrete Zahl genannt. Sagen Sie doch, inwieweit Sie die quotale Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft anheben wollen! Verlieren Sie doch vor allem einen Satz dazu, Herr Zackenfels, wenn Sie auf die Langzeitarbeitslosigkeit abstellen, wer dafür in den letzten 20 Jahren in Berlin verantwortlich ist und war, dass wir einen so hohen Sockel an Langzeitarbeitslosen im Vergleich zu anderen Kommunen haben! Das ist die SPD, das ist Ihre verfehlte Wirtschaftspolitik seit zehn Jahren gemeinsam mit den Linken.

[Beifall bei der FDP]

Dann die Finanztransaktionssteuer: Die FDP hat sich mit dieser Steuer im Frühjahr schwergetan. Wir haben darüber hier schon debattiert. Die Bundesregierung hat meiner Meinung nach einen ganz vernünftigen Kompromiss gefunden, indem man sich bemüht, diese auf globaler Ebene einzuführen, und wenn das nicht funktioniert – wonach es momentan nach dem letzten G8-Gipfel aussieht –, das auf europäischer Ebene zu tun. Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie mit diesem Antrag bezwecken wollen. Warten Sie doch erst einmal ab, ob es gelingt, auf europäischer Ebene eine solche Steuer einzuführen! Wir brauchen keine Bundesratsinitiative aus Berlin, noch dazu eine ohne Zahlen. Wenn das auf europäischer Ebene nicht gelingt, können Sie immer noch über ihre nationalen Alleingänge philosophieren. Wir werden sie sicherlich ablehnen. Aber Sie sind mit diesem Antrag auf jeden Fall, was die Debatte aus dem Frühjahr betrifft, ein halbes Jahr zu spät. Was Folgerungen angeht, was geschieht, wenn es auf europäischer Ebene nicht gelingt, diese Steuer zu implementieren, sind Sie deutlich zu früh. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Meyer! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der drei Anträge an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Antrag

Lehrerinnen und Lehrer in Berlin wieder verbeamten

Antrag der CDU Drs 16/3455

Das ist die Priorität der Fraktion der CDU.

Für die Beratung ist wieder eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten vorgesehen. Das Wort für die CDUFraktion hat der Kollege Steuer. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2015 scheiden in Berlin rund 1 300 Lehrer aus dem Schuldienst aus, überwiegend deshalb, weil sie pensioniert werden. Gleichzeitig werden an den Berliner Universitäten nur 1 000 Lehrer ausgebildet, also viel zu wenig, um die Lücke zu schließen. Die Senatsverwaltung für Bildung hat keine Idee, wie sie die Lücke schließen kann. Es ist reine Spekulation, dass mehr Lehrer nach Berlin kommen werden, weil die Stadt so attraktiv ist.

Schon heute fehlen zum Schuljahresbeginn Hunderte von Lehrern. Der Bildungssenator musste in der vergangenen Woche einräumen,

[Michael Schäfer (Grüne): Sprechen Sie sich mal mit Herrn Goetze zum Thema Sparen ab!]

dass an über 40 Oberschulen Klassen zusammengelegt werden mussten, weil so viele Lehrer zum Schuljahresbeginn fehlten. In dieser Woche werden Schüler einer Berliner Schule, wie wir vorhin bereits gehört haben, aufgefordert, zu Hause zu bleiben, weil so viele Lehrer fehlen und sie die Betreuung nicht organisieren kann. Der akute Lehrermangel führt wiederum zur Mehrbelastung der anderen Kollegen, die zur Schule gehen, sodass dort mittlerweile über 1 200 Lehrer dauerkrank sind und die Zahl stetig steigt.

Dass so wenig Lehrer in Berlin arbeiten wollen, liegt auch an der schlechteren Bezahlung, liegt auch an der Nichtverbeamtung und den besonderen Herausforderungen an den Berliner Schulen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Gernot Klemm (Linksfraktion)]

Gerade angesichts der Schulreformen der letzten Jahre brauchen die Schulen jedoch junge, motivierte und ausreichend viele Lehrkräfte. Andere Bundesländer zahlen mehr und die meisten anderen Bundesländer verbeamten. Tatsächlich steht Berlin fast allein mit seinem Verbeamtungsstopp. Die westlichen Bundesländer verbeamten alle und ziehen so Hunderte von Lehrern ab, die in Berlin übrigens teuer ausgebildet worden sind.

[Beifall von Andreas Statzkowski (CDU)]

2004 waren sich noch alle Parteien einig, in Berlin die Verbeamtungen zu stoppen. Aber kein anderes Bundesland ist mitgezogen, anders als wir damals gehofft haben. Deshalb müssen wir heute erkennen, dass es so nicht weitergeht, wenn wir nicht sehenden Auges in eine dauerhafte Minderausstattung abgleiten wollen.

[Mieke Senftleben (FDP): Aber hallo!]

Wir müssen gegenüber den anderen Bundesländern wieder konkurrenzfähig werden und brauchen dafür pragmatische und keine ideologischen Antworten. Deshalb führt an der Verbeamtung kein Weg mehr vorbei.

[Mieke Senftleben (FDP): Wie funktioniert das? Erzählen Sie uns das!]

Wir müssen auch gleichzeitig festhalten, dass wir den Weg zur eigenverantwortlichen Schule weitergehen wollen. Die freien Schulen machen uns vor, wie man Schulen gut organisieren und Lehrer motivieren kann. Der Beamtenstatus muss deshalb mit mehr Eigenverantwortung und Personalmanagement an der Einzelschule einhergehen. Das geht, Frau Senftleben, wenn Sie sich das genau anschauen. Das Land muss auf der einen Seite die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, die Einzelschule muss sich auf der anderen Seite die Lehrer aussuchen und einstellen können. Die Blackbox der dazwischen geschalteten Schulaufsicht in den Bezirken kann in ihrer heutigen Form nicht weiterbestehen. Letztlich ist die Schulaufsicht heute eine Blackbox und ein Puffer zwischen Senatsverwaltung und den Schulen. Die Beschwerden der Schulen werden so gegenüber der Senatsverwaltung abgefedert. Echte Möglichkeiten, etwas zu verbessern oder einer Schule kurzfristig mehr Personal zu schicken, hat die Schulaufsicht nicht. Sie wird weder auf der Bezirksebene noch auf der Landesebene kontrolliert. Deshalb müssen ihre Kompetenzen verlagert werden – zum einen auf die zentrale Ebene und zum anderen auf die Ebene der Schule. So muss garantiert werden, dass insgesamt 100 Prozent Personal zur Verfügung gestellt werden und die einzelne Schule dieses Personal abrufen bzw. einstellen kann.

Aber lassen Sie mich noch auf die Kosten eingehen, über die auch immer wieder in diesem Zusammenhang gesprochen wird.

[Mieke Senftleben (FDP): Eine gute Idee!]

Die Verbeamtung ist heute für den einzelnen Lehrer etwa 1 000 Euro günstiger für das Land. Das entspräche bei der jährlichen Einstellung zurzeit etwa 12 bis 15 Millionen Euro, die jährlich weniger für das neu einzustellende Lehrpersonal auszugeben wären.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was kostet das den Bund?]

Gleichzeitig entstehen aber in der Zukunft Pensionslasten, die zwar erst in 30 bis 40 Jahren für die heute einzustellenden Lehrer aktuell werden, die wir aber im Blick haben müssen. Deshalb sollten die Einsparungen heute verwendet werden, um einen Pensionsfonds einzurichten – übrigens nicht nur für die Lasten der Lehrerinnen und Lehrer des Landes.

[Beifall bei der CDU]

Allein die Verbeamtung wieder einzuführen wird aber nicht reichen. Deshalb fordert die CDU, auch den Einstellungstermin deutlich nach vorn zu legen, Studenten mit Bestnoten immer zu übernehmen und die Referendare an ihren Schulen zu belassen, wenn dort Bedarf entsteht.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen!

Ich komme zu meinem letzten Satz: Wir müssen endlich den Schülern, Eltern und Lehrern das Signal geben, dass wir sie nicht allein lassen und dass nicht alle Schulen durchschnittlich mit 100 Prozent Lehrern ausgestattet werden, sondern jede einzelne Schule 100 Prozent ihres Lehrerbedarfs erhält.

[Beifall bei der CDU]

Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Flesch. – Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Steuer! Sie haben sich gerade selbst entlarvt. Jemand, der im Hauptausschuss sitzt, eine Verbeamtungsdebatte eröffnet und sagt, wie viel man an jedem Lehrer sparen kann, aber völlig offen lässt, wie viel Kosten das möglicherweise pro Jahr sind und kumuliert in den Jahren 2020, 2030 und den Folgejahren ergibt, der entlarvt sich selbst. Aber als Haushälter sind Sie ja noch nie so richtig aufgefallen, sondern immer nur als Schulpolitiker.

Natürlich weiß auch die SPD – und Sie wissen es aus dem Bildungsausschuss – um die Problemlage, und deshalb begrüßen wir, dass die Einstellungen, wie es der Senat jetzt beschlossen hat, deutlich vorgezogen werden, um das lange Verfahren rechtzeitig zu Ende zu bringen. Und wir begrüßen ganz besonders – wie Ihnen auch schon Kollegin Tesch gesagt hat –, dass nach den Zahlen der Bildungsverwaltung eingestellt wird – und nicht nach den Zahlen der Finanzverwaltung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Mieke Senftleben (FDP): Das macht es nicht unbedingt besser! – Oliver Schruoffeneger (Grüne): Ist das eine Misstrauenserklärung an die Finanzverwaltung?]

Nein, nein! Das löst nur einen jährlich auftauchenden Streit mal für die andere Seite. Herr Kollege Schruoffeneger! So etwas nennt sich Gerechtigkeit.

Wir sind sicher, dass es den jungen Leuten, über die wir hier reden, in erster Linie um das Geld geht, nämlich darum, mehr in der Tasche zu haben. Es mag einen Teil geben, die sich freuen, mit 25 Jahren lebenslänglich verbeamtet zu sein. Ich glaube nicht, dass das die Mehrheit ist. Die Mehrheit möchte mehr Geld. So attraktiv ist der Beamtenstatus heute auch nicht. Wenn Sie wieder mal an Ihre Aktionen denken, wo man hört, wie schlimm das für die armen Beamten mit der Beihilfe ist, dann passt das alles nicht zusammen, genauso wie Ihre gesamte Politik nicht mehr zusammenpasst.

Wir müssen die Attraktivität steigern, aber nicht verbeamten.

[Beifall bei der SPD – Mieke Senftleben (FDP): Gilt aber auch nur bedingt!]

Eine erste Lesung gibt auch die Möglichkeit, grundsätzliche Gedanken zu dem Anliegen der Antragsteller zu äußern.

Frau Flesch! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke! – Das, was die CDU heute beantragt, ist die Fortsetzung einer Art kurzsichtiger Politik, von der wir 2003 bewusst Abstand genommen haben, und zwar entgegen Ihrer Behauptung, Herr Steuer, völlig unideologisch. Hier geht es nicht um Beamte oder Nicht-Beamte, sondern hier geht es völlig unideologisch um das Geld. Unsere Überlegungen waren damals, dass wir keine ungedeckten Wechsel auf die Zukunft ausstellen. Wir sind die Generation, die jetzt darunter leidet, ungedeckte Wechsel aus der Zeit von vor 30, 40 oder 50 Jahren zahlen zu müssen. Sie kennen die Zahlen. Bis 2024 erwarten wir Versorgungsausgaben zwischen 1,6 und 2 Milliarden Euro. Schon jetzt haben wir Versorgungsausgaben von 1,2 Milliarden Euro jährlich. Das müssen wir in irgendeiner Form stemmen. Ihr Vorschlag, die Zahl der Beamten wieder zu erhöhen – neben denen, die wir notwendigerweise aufgrund von Artikel 33 des Grundgesetzes verbeamten müssen –, ist ungeeignet. Nachhaltige Politik ist das, was Sie machen, nicht. Sie schieben die Probleme in die Zukunft.

[Mieke Senftleben (FDP): Stimmt!]

Es wird nicht nur bei Lehrern zukünftig einen starken Wettbewerb geben – aller möglichen Arbeitgeber, sowohl der Privatwirtschaft als auch der öffentlichen Hand. Es fehlen schon Lehrer, Erzieher, Ärzte, Ingenieure, und der von den Fachverbänden beklagte Facharbeitermangel ist auch bekannt. Es locken nicht nur die anderen Bundesländer die Ausgebildeten mit dem Beamtenstatus, sondern es herrscht auch noch ein kleinerer Wettbewerb. Da nimmt der Senat die frisch ausgebildeten Regierungsassistenten der Bezirke – natürlich nur die besten –, oder ein Bezirk nimmt den anderen Bezirken gute Mitarbeiter weg, indem er –ganz am Rande der Legalität – einfach die Stellen anhebt. Das ist die Realität, und das ändern Sie nicht mit Verbeamtung. Da sehe ich so ein bisschen den Geist von Klaus-Rüdiger Landowsky durch Ihren Antrag wabern.

[Mieke Senftleben (FDP): Genau!]

Zur Frage des Pensionsfonds: Grundsätzlich ist ein Pensionsfonds überlegenswert, wenn man Geld dafür hat. Aber wir müssen diskutieren, ob es Sinn macht, mit der einen Hand Kommunalkredite aufzunehmen, um sie mit der anderen Hand in einen Fonds zu stecken. Dann geht es noch um die richtige Anlagestrategie. Wir wissen doch

alle, was in der Finanzkrise aus den Pensionsfonds in den USA oder Großbritannien geworden ist. Das sind spannende Themen, die wir gern grundsätzlich diskutieren. Im Fall der reinen Lehrer- und Lehrerinnenverbeamtung lehnen wir das ab.