Das ist die Priorität von Bündnis 90/Die Grünen mit der lfd. Nr. 24. Für die Beratung stehen den Fraktion wieder jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die Fraktion der Grünen hat Frau Eichstädt-Bohlig.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere bei der SPD habe ich Sorge, dass bei Ihnen der Klimaschutz schon ganz in der Kantine verloren gegangen ist – und auf der Regierungsbank sieht es ähnlich aus. Aber das passt genau zu meinem Anfang.
Es ist genau zwei Jahre her, da hat der Regierende Bürgermeister mal eine Stunde lang mutig den Klimaschutz zur Chefsache erklärt.
Seither warten wir. Wo ist der Chef? Wo ist die Sache? Wir warten und warten. Die Sache selbst ist von Monat zu Monat konfuser geworden. Das Bild heute entspricht dem voll. Als Erstes haben Sie unsere Forderungen und Vorschläge zu mutigen Klimaschutzinvestitionen strikt abgelehnt. Das ist immer die bequemste Form, Politik zu machen. Als Zweites: Die Umweltsenatorin bekommt ihren Scherbenhaufen von Klimaschutzgesetz immer noch nicht wieder gekittet. Auch da warten und warten wir. Als Drittes: Der Wirtschaftssenator hält irgendwo ein großes Energiekonzept 2020 unter der Decke, ohne dass daraus etwas Praktisches folgt. Und – wir haben es ja vorhin gehört – unser Regierender Bürgermeister kennt sich überhaupt nicht aus, was unter seiner Richtlinienkompetenz im Wirtschaftsressort erarbeitet wird. Nun macht sich Frau Senatorin Junge-Reyer auf den Weg und will einen Stadtentwicklungsplan Klima für ein bisschen Anpassung an den Klimawandel machen, aber ohne Klimaschutz. Da sagen wir Ihnen ganz schlicht: All dieses geschieht völlig unkoordiniert und ohne Zusammenhang. Wir fordern stattdessen eine integrierte Gesamtstrategie für den Klimaschutz und für die Klimaanpassung. Beides gehört zusammen und muss ressortübergreifend erarbeitet werden. Bitte fangen Sie endlich damit an!
Das können wir auch ganz praktisch sagen: Gebäudewärmedämmung spart nicht nur Energie, sondern schützt im Sommer vor überhitzten Räumen. Kleinteiliges oder auch großflächiges Grün, Bäume, Bodenentsiegelung dienen sowohl dem Klimaschutz als auch der Klimaanpassung. Wer meint, diese Synergieeffekte nicht auch mitdenken und miterarbeiten zu müssen, der liegt von vornherein falsch.
Unser Hauptproblem im Stadtentwicklungsressort ist, dass insbesondere wieder mal die Verkehrspolitik elegant danebengestellt und ausgeklammert wird. Was trägt der Stadtentwicklungsplan Verkehr zum Klimaschutz bei? Und dann kommt vor allem die Frage: Was trägt Ihre praktische Verkehrspolitik zum Klimaschutz bei? Die nicht vorhandene Frau Senatorin würde ich gern fragen, ob es mal wieder darum geht, ein schönes Buch mit vielen schönen Versprechungen zu machen, während die A-100Planung vorangetrieben wird, während Kleingärten und zahllose Straßenbäume abgeholzt werden. In Tegel werden für Klima und Natur wichtige Freiflächen in Industrieflächen umgewandelt, obwohl Berlin ein riesiges Überangebot an Gewerbeflächen hat. Mit dem Umland ist im Landesentwicklungsplan großzügige Zersiedelung vereinbart worden. Das Auseinanderklaffen von Worten und Taten ist bei dieser Regierung besonders unerträglich. Das müssen wir Ihnen ankreiden. Das darf so nicht weitergehen, und wir werden dafür sorgen, dass das nicht so weitergeht.
Nicht nur bei dem Stadtentwicklungsplan Klima, sondern auch beim Klimaschutzgesetz sehen wir jetzt schon: Das wird nicht anders werden. Der Senat hat sich schon seit Jahren überhaupt nicht darum gekümmert, den in der EnEV vorgeschriebenen Ausbau von Heizkesseln, die vor 1978 eingebaut worden sind, überhaupt nur zu kontrollieren. Wer glaubt, dass dieses neue Heizkesselgesetz, das von Frau Lompscher auf den Weg gebracht wird, auch wirklich durchgesetzt und kontrolliert wird? Daran glauben wir jedenfalls bei Ihnen nicht.
Sie wissen es ganz genau: Die Bürger merken es inzwischen längst. Sie wollen klare grüne Politik. Sie wollen, dass auch Grün drin ist, wo Grün draufsteht. Die nächsten Wahlen werden es Ihnen zeigen. Danach werden wir die Probleme aktiv angreifen, die Sie in den ganzen Jahren verschlampt haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch Berlin wird sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen müssen. Selbst wenn es gelingen sollte, das berühmte 2-Grad-Ziel bei der Erwärmung des Erdklimas zu erreichen, werden auch in Berlin die Folgen des Klimawandels zu spüren sein: Hitzewellen und Dürre im Sommer, Starkregenereignisse im Winter. Insgesamt werden die Extremwetterlagen in Berlin zunehmen. Hierfür hat eine verantwortungsbewusste Stadtentwicklungspolitik Vorsorge zu treffen.
Wir müssen unser Stadtgrün schützen. Wir müssen auch berücksichtigen, welche klimatologischen Auswirkungen unterschiedliche Bepflanzungen haben. Wir müssen sorgfältig analysieren, welche Bepflanzung, welche Straßenbäume besonders gut geeignet sind, um etwa den Wasserhaushalt zu regulieren.
Wir müssen unter Klimagesichtspunkten auch definieren, wo Verdichtungen der Bebauung zugelassen werden können und welche Flächen in jedem Fall von Versiegelung freigehalten werden müssen. Wir müssen Frischluftschneisen und Kaltluftentstehungsgebiete in ihrer Funktion sichern und vernetzen, und wir müssen untersuchen, wo neue Schneisen erforderlich sind und wie wir die Entstehung von Hitzeinseln verhindern können. Wir brauchen eine Infrastruktur in der Stadt, die sich auch auf Starkregenereignisse vorbereitet. Wir brauchen eine Kanalisation, die damit umgehen kann. Natürlich ist ein Stadtentwicklungsplan Klima ein wichtiges Instrument, um im Rahmen einer integrierten Betrachtung der Gesamtstadt Leitlinien, Zielsetzungen und Handlungsvorschläge für die Anpassung der Stadt an den Klimawandel zu erarbeiten.
Genau aus diesem Grund, Frau Eichstädt-Bohlig, hat die Koalition bereits im Mai dieses Jahres einen Antrag eingebracht, der den Senat auffordert, einen Stadtentwicklungsplan Klima unter breiter Beteiligung zu erarbeiten. Es ist insofern das Geheimnis der Grünen, was der heutige Antrag eigentlich soll. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir haben die Diskussion längst auch im parlamentarischen Raum begonnen. Der Senat handelt auch bereits. Es gibt ein klimapolitisches Arbeitsprogramm des Senats, das vier Ziele definiert. Erstens: Berlin will einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zweitens: Berlin will die Wirtschaftskraft der Stadt auch durch den Ausbau seiner Position in den globalen Zukunftsmärkten stärken. Drittens: Berlin will grüne Metropole sein. Viertens: Berlin will sich frühzeitig auf die Folgen des Klimawandels einstellen.
Herr Kollege! Meinen Sie wirklich, dass dieser niedliche, kleine Antrag, den Sie vor der Sommerpause eingebracht haben, das Projekt Stadtentwicklungsplan Klima wirklich vorantreibt, wo sogar der Beirat, der selbst von Frau Junge-Reyer eingesetzt worden ist, vorwirft, dass es sich nicht um ein integriertes Konzept handelt? Wo sind Ihre konkreten Bausteine, die wirklich gebraucht werden, um einen Stadtentwicklungsplan Klima aktiv zu machen? Das fehlt von vorn bis hinten.
Dazu komme ich auch noch. Es gibt schon eine konkrete Diskussion. Der Stadtentwicklungsplan Klima wird bereits durch die Verwaltung erarbeitet. Er setzt sich intensiv gerade auch mit den räumlichen Auswirkungen, mit den räumlichen Folgen des Klimawandels auseinander unter Bezugnahme auf ein gesundes Wohnen, die Entwicklung des Grüns und der Lebensqualität in der Stadt. Frau Eichstädt-Bohlig! Die Diskussion hat doch bereits intensiv begonnen. Wir befinden uns hier doch nicht am Anfang einer Diskussion des STEP Klima, sondern sind mittendrin. Wir haben bereits Informationen der Grünflächen- und Stadtplanungsämter. Es sind bereits konkrete Ergebnisse auch in öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt worden. Erinnern Sie sich beispielsweise an das Stadtforum am 7. Januar zu Beginn dieses Jahres! Es war eine hochinteressante Veranstaltung, bei der intensiv schon Ergebnisse vorgestellt und öffentlich diskutiert worden sind. Es gab am 3. Mai eine weitere Expertenrunde. Weitere Veranstaltungen und Fachforen sind in der Planung. Insoweit kann ich den Vorwurf, hier würde nichts passieren, nur zurückweisen. Es ist ein intensiver Diskussions- und Erarbeitungsprozess, an dem zahlreiche Experten mitwirken. Gerade weil es ein integrativer Prozess ist, der verschiedene Belange von Stadtentwicklung einbeziehen muss, ist es eine komplexe Aufgabe, die im Senat längst ernsthaft angegangen und bearbeitet wird.
Ich will abschließend noch einmal hervorheben, dass eine Stadtentwicklungspolitik unter Beachtung des Klimawandels ein zentrales, sozialdemokratisches Anliegen ist. Wenn wir hier nicht handeln, wird künftig der soziale Status eines Bewohners auch daran erkennbar sein, wer sich kraft eigener Mittel vor den Folgen des Klimawandels schützen kann, beispielsweise durch das Häuschen im Grünen, und wer diesem Klimawandel schutzlos ausgeliefert ist, wenn man beispielsweise in einer schlecht isolierten Stadtwohnung lebt. Wir brauchen Konzepte, um auch im Hochsommer die Lebensqualität in der verdichteten Innenstadt zu erhalten. Wir brauchen eine Strategie für die Anpassung an Extremwetterlagen. Es sind gerade die älteren Menschen, die Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden, die am stärksten unter Hitzewellen zu leiden haben. Wenn es hier nicht gelingt, entsprechende Konzepte im Rahmen des Stadtentwicklungsplans Klima zu entwickeln, werden diese Menschen am ehesten zu leiden haben. Deswegen wollen wir, dass alle Berlinerinnen und Berliner künftig weder steigenden Energiekosten noch den Folgen des Klimawandels schutzlos ausgeliefert sind. Berlin muss auch in den Zeiten des Klimawandels eine lebenswerte Metropole bleiben. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema dieses Antrags wurde bereits im Mai dieses Jahres im Plenum behandelt. Damals diskutierten wir über eine Initiative der Regierungskoalition. Doch bevor dieses Thema in den Fachausschüssen beraten werden konnte, sind es heute die Grünen, die den Stadtentwicklungsplan Klima thematisieren. Leider ist dieser zur Debatte stehende Antrag für eine pauschale Behandlung im Plenum nicht geeignet.
Selbstverständlich sind all die geforderten Maßnahmen zum Klimaschutz grundsätzlich zu begrüßen und können im Einzelfall auch positiv gewürdigt werden. Vieles von dem, was Sie von den Grünen fordern, ist bereits heute allgemeingültiger Konsens in der Gesellschaft. Es bedarf nicht unbedingt dieses Antrags, um das ökologische Bewusstsein bzw. Handeln zu fördern. Das Abgeordnetenhaus hat sich bereits vor mehr als zehn Jahren durch die Einrichtung einer Enquetekommission mit dem Namen zukunftsfähiges Berlin ausführlich mit diesem Themenkomplex beschäftigt. Diese Dokumentationen sind für alle zugänglich. Auch Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, müssten sie kennen.
Es ist also nichts Neues, was Sie in diesem Antrag zum wiederholten Mal aufgeschrieben haben. Wir werden uns damit sicherlich ausführlich in den Fachausschüssen befassen. So sehr wir einige dieser Forderungen auch als unterstützenswert erachten, müssen wir leider in der Realität feststellen, dass allein durch die finanziellen Defizite häufig nicht einmal die minimalst erforderlichen Investitionen getätigt werden können. Mir wäre es viel lieber, wir würden bereits im kleinteiligen Bereich erfolgreich sein. Ich meine ganz konkret, dass es schon ein Erfolg wäre, wenn jeder gefällte Straßenbaum auch ersetzt werden würde.
Wir müssen endlich über ganz konkrete umweltpolitische Ziele reden, die nicht an den Menschen vorbei festgelegt werden und die vor allem finanziell untersetzt sind. Der Erhalt und die Pflege von Bestandsflächen, die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, aber auch die Sanierung der öffentlichen Verkehrinfrastruktur, beispielsweise, um Lärmminderung zu erreichen, gehören für mich ebenfalls dazu. Wir werden in den Fachausschüssen noch genügend Zeit haben, uns mit jeder einzelnen Forderung in diesem Antrag auseinanderzusetzen. Es wird darauf ankommen, dass wir in den Fachausschüssen im Zusammenhang mit dem Stadtentwicklungsplan Klima die Zielkonflikte zwischen den Maßnahmen, den betroffenen Menschen, der Finanzierung einerseits und den Anforderungen der Wirtschaft andererseits herausarbeiten
und Lösungsansätze einer integrierten Klimapolitik erarbeiten. Alles in allem werden wir den Antrag in den Ausschüssen konstruktiv begleiten, was wir bekanntlich immer tun, wenn es Anlass dazu gibt. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir auch als Land Berlin ein qualifiziertes, koordiniertes und umfassend wirkendes Gesamtkonzept für Klimaschutz und Klimaanpassung brauchen. Der Senat hat daher 2008 sein klimapolitisches Arbeitsprogramm verfasst und beschlossen. An der Umsetzung wird nach wie vor gearbeitet. Wir haben es immer wieder hier im Plenum diskutiert. Teilergebnisse sind hier und anderswo in der Öffentlichkeit diskutiert worden.
Die Aufgabe, integrierte Konzepte zu erstellen, steht international schon länger. Auch Rio de Janeiro 1992 hatte sich, als der Begriff Agenda 21 aufkam, dieser Aufgabe verschrieben. Heute wissen wir nicht zuletzt auch aus den Berliner Erfahrungen zum Prozess der lokalen Agenda, dass uns gerade die konzertierte Arbeit nun also für den Klimaschutz vor scheinbar unüberwindbare Hindernisse stellt. Die vorhandenen Strukturen in den Verwaltungen – auf allen Ebenen, auch auf dem Bund – zeigen sich dafür zu schwerfällig und schotten sich oftmals gegenseitig voneinander ab. Ich möchte jetzt nicht auf subjektive Verhaltensweisen und objektive Bedingungen eingehen.
Über die Ziele beim Klimaschutz sind wir uns weitestgehend einig – auch hier im Haus. Jeder will zur Rettung der Lebensgrundlagen beitragen. Gestritten wird um zulässige und wirksame Instrumente wie Konzeptionen, Gesetze, Verordnungen, Entwicklungspläne, Kampagnen und Selbstverpflichtungen, die selbstverständlich zueinander passen und sich ergänzen sollen. Hinzu kommt die Diskussion über eine Durchsetzungsfähigkeit von notwendigen und unabweisbaren Maßnahmen. Alles zusammen – und dazu steht die Linke – muss bei Entstehung und Wirkung den breiten demokratischen Grundsätzen gerecht werden.
Der Stadtentwicklungsplan Klima ist ein Planungsinstrument, das in Berlin bisher nicht besteht. Wir haben hier an dieser Stelle – das ist schon erwähnt worden – im Mai dieses Jahres über dieses Thema debattiert und den Antrag der Koalition zum Stadtentwicklungsplan Klima Drucksache 16/3201 – damit Sie es nachschlagen können – in die Ausschüsse Stadtentwicklung und Verkehr sowie Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz zur Beratung übergeben.
Danke, Frau Platta! – Frau Platta! Halten Sie es für förderlich, dass im Senat der Wirtschaftssenator an einem Energiekonzept 2020 arbeitet, die Umweltsenatorin an einem Landesenergieprogramm 2011 bis 2015 und die Stadtentwicklungssenatorin an einem STEP Klima, ohne dass das koordiniert wird?
Ich denke, dass wir als Parlament auch dahinterstehen und dafür sorgen müssen, dass es sich, wenn es letztendlich alle Häuser verlässt, auch koordiniert darstellt.
Nun zu Ihrem Antrag, der aus meiner Sicht die Dringlichkeit der Behandlung des Koalitionsantrags bekräftigt und die Frage aufwirft, warum wir seit Mai nicht dazu gekommen sind, uns mit diesem Antrag zu beschäftigen.
Wir haben uns in den letzten Beratungen mit ebenso wichtigen Themen beschäftigt wie Verbraucherschutz, Ladenöffnungsgesetz, Vergabegesetz, Schuleingangsuntersuchungen und Tierschutz. Welches dieser Themen hätten Sie gerne gegen den STEP Klima eintauschen wollen? Ihr Neun-Punkte-Programm, das die Ziele für den STEP Klima aus Ihrer Sicht umreißen soll, werte Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, schneidet wichtige Aspekte für eine integrierte Klimaschutzpolitik an. Und doch geht es in Ihrem Antrag zu wie bei Kraut und Rüben.