Protokoll der Sitzung vom 23.09.2010

mission ins Leben gerufen wird, die sich dann auch anders zusammensetzt. Da müssen selbstverständlich Lufthansa und Air Berlin auch rein, das sind die größten Carrier, die dort eine Rolle spielen. Selbstverständlich müssen auch die Berliner Bezirke beteiligt werden. – Im Übrigen ist der Senat nur beratend tätig. Der hat aus eigenem Recht gar keine Stimme. Die Verkehrsverwaltung ist dort beratend dabei und die Gesundheitsverwaltung.

Wir wollen also eine neue Fluglärmkommission haben, bei der auch die IHK Berlin und andere dabei sein müssen. Sie muss neu zusammengesetzt werden. Das ist unsere Forderung, die wir artikuliert haben. Wir hoffen, dass das brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft dem auch nachkommen wird. Das war bislang nicht deren Planung. Sie wollten bis zur Inbetriebnahme die alten Kommission weiterlaufen lassen und erst dann die Kommission neu zusammensetzen, soweit ich das weiß.

Jetzt zum zeitlichen Ablauf der Flugroutenfestlegung: Nach den Planungen der Deutschen Flugsicherung sollen bis Mai 2011 alle relevanten Daten gesammelt werden, das heißt, auch wenn immer gefragt wird, wie Herr von Lüdeke, wie denn die Flughöhen und das alles sei, ist das, glaube ich, so in einer Darstellung gar nicht möglich. Die Flugsicherung muss die Daten erst noch weiter erheben, nehme ich an. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen die einzelnen Daten zu sagen. Es gibt diese wunderbaren Pläne, die man überall sehen kann, auch über die Flughöhen und die unterschiedlichen Annahmen.

Der Abwägungsprozess soll dann im September 2011 stattfinden. Die endgültigen Flugrouten sollen nach diesem Zeitplan erst Mitte März 2012 veröffentlicht werden und Ende Mai 2012 in Kraft treten. Das ist das normale Verfahren, wie sie das sehen. Sie sehen darin auch gar kein Problem, sondern sagen, das ist ein Konsultationsverfahren, ein Abwägungsverfahren, wir bringen den Vorschlag ein, und dann, bitte sehr, muss der diskutiert werden, und zum Schluss kommt eine Entscheidung heraus. Die Entscheidung ist heute – wie gesagt – noch gar nicht gefallen. Das wird dann eine Rechtsverordnung sein, die endgültig diese Flugrouten festlegt.

[Benedikt Lux (Grüne): Wie ist Ihre Haltung?]

Dieser zeitliche Ablauf ist uns zu lang. Eine gründliche Debatte ist gut. Das Problem ist, dass sich zurzeit höchstwahrscheinlich viele Menschen betroffen fühlen, die – egal, welche Route festgelegt wird – gar keinen Unterschied erfahren werden. Dementsprechend glaube ich, dass viele Menschen, die da gerade in Zehlendorf besonders verunsichert sind, zu Unrecht verunsichert sind, weil sich für sie sowohl bei der bisherigen Route wie auch bei der jetzt vorgeschlagenen nicht wesentlich etwas verändert. Ich habe das vorhin schon einmal gesagt, dass die eklatanteste Veränderung das Heranrücken der Routen an Lichtenrade ist. Das sieht man auf den Karten ganz deutlich, plus – wie gesagt – die Mahlower Gebiete im Norden.

Es gibt bei den neuen Vorschlägen auch Gebiete, die entlastet werden, und zwar nicht unerheblich. Die Bilanz, ob das mehr oder weniger sind, habe ich noch nicht. Auch das muss man sehen. Es gibt da einige Verschiebungen.

Wir sind der Auffassung, dass es erst einmal keinen ersichtlichen Grund gibt, bei Parallelstarts zweimal diesen 15-Grad-Radius zu nehmen. Dafür gibt es aus unserer Sicht überhaupt keinen Grund. Wir müssen auch sehen, dass sich bei Flügen, die in die andere Richtung gehen, nicht nach Westen, sondern nach Osten, nach meinem jetzt laienhaften Verständnis – da muss man noch einmal im Detail hineingucken – in der Konfiguration keine großen Veränderungen der Flugrouten ergeben. Das heißt, da verändert sich überhaupt relativ wenig, weil die Veränderung dort keine bewohnten Gebiete betrifft.

[Oliver Scholz (CDU): Da sind keine bewohnten Gebiete?]

Das muss man noch einmal feinjustieren. Aber wenn Sie sich das so anschauen, ist eben die nicht unerhebliche Zahl von Flügen, die in die andere Richtung geht, relativ gleich geblieben. Die größeren Veränderungen ergeben sich wegen der Parallelstarts in Richtung Westen.

Zu den Parallelstarts muss man auch noch sagen, dass nicht alle Flugbewegungen Parallelstarts sind. Wir haben zurzeit eine Situation, wo es vielleicht fünf Prozent gibt. Ich habe die genaue Zahl auch nicht, aber das wurde mir einmal gesagt: ca. fünf Prozent. Ich sage aber dazu, es bleibt nicht bei fünf Prozent, weil es ja mehr werden soll. Da wir nur zwei Start- und Landebahnen haben, ist unter der Perspektive eines wachsenden Flugverkehrs – immer unter der Voraussetzung, dass sich die grüne Politik da nicht durchsetzt, dass da weiter mehr Leute fliegen werden – auch mit mehr Parallelstarts zu rechnen. Deshalb ist diese Zahl nicht zu vernachlässigen, deshalb muss man sie selbstverständlich berücksichtigen. Wir können auch – das sage ich jetzt aus Sicht des Flughafens – nicht auf Parallelstarts verzichten. Das geht überhaupt gar nicht, weil diese hauptsächlich in den Spitzenzeiten stattfinden, nämlich dann, wenn die meisten Abflüge sind und der größte Andrang ist, nämlich morgens zwischen 7 und 8 Uhr und abends nochmals. Deswegen kann man da gar nicht auf die parallelen Flüge verzichten.

[Benedikt Lux (Grüne): Jetzt wissen wir, wer die Rede geschrieben hat!]

Wieso, wer die Rede geschrieben hat?

[Benedikt Lux (Grüne): Kann man auf Parallelstarts nicht verzichten? – Christian Gaebler (SPD): Hat er doch gerade eben gesagt!]

Das kann ich Ihnen genau sagen: Weil Sie dann die Kapazitäten dieses Flughafens mit den zwei Start- und Landebahnen so reduzieren, dass das Resultat wäre, dass wir Flugverkehr abweisen müssten.

[Beifall bei der FDP]

Da sage ich Ihnen nur ganz kurz, auch Herrn Lux noch einmal: Das ist nicht unsere Politik. Unsere Politik ist, dass wir einen leistungsfähigen Flughafen haben wollen.

[Beifall bei der SPD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Deshalb brauchen wir diese Parallelstarts.

Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben die Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lux schon beantwortet. Es hatte sich aber der Herr Scholz für eine Zwischenfrage gemeldet.

Bitte sehr!

Das Präsidium möchte Sie auch noch darauf hinweisen, dass Sie bereits 22 Minuten reden.

[Heiterkeit]

Aber es ist ja ein sehr wichtiges Thema. – Herr Scholz, Sie haben das Wort!

Danke, Frau Präsidentin! – Da ich etwas ungeduldig bin und nicht auf das Protokoll und den Wortlaut warten möchte, frage ich Sie: Haben Sie, Herr Regierender Bürgermeister, wirklich eben gesagt, dass es in Richtung Osten keine nennenswert bewohnten Gebiete im Stadtgebiet Berlins gebe?

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ein typischer Scholz!]

Habe ich nicht gesagt! Es gibt die veränderten Flugrouten durch die neuen Korridore, die sich nicht nur im Westen verändert haben, sondern auch im Osten. Aber wie Sie sehen, wie ich es hier sehe, ist hier Wald.

[Heiterkeit bei der SPD]

Deshalb habe ich einschränkend dazugesagt, dass das noch feinjustiert werden muss. Sie dürfen das nicht mit der Situation verwechseln, die Herr von Lüdeke angesprochen hat. Die Bürgerinnen und Bürger da hinten aus Treptow-Köpenick, aus Biesdorf und andere protestieren auch schon bei den alten Routen, aus ihrer Sicht vielleicht zu Recht. Das will ich ihnen gar nicht abstreiten. Aber durch die erneute Veränderung ist aus meiner Sicht mit der Feinjustierung, die da kommen muss, dort relativ egal, ob es die neue oder die alte Festlegung ist.

[Zuruf von Ralf Hillenberg (fraktionslos)]

Die Probleme ergeben sich durch die Neufestlegung Richtung Westen. Deshalb haben Sie mich missverstanden, wenn Sie denken, ich hätte gesagt, da wohne keiner und

es sei kein Gebiet, das betroffen sei. Selbstverständlich wohnen da viele Menschen, und das sind die von Anfang an Betroffenen, genauso wie die in Blankenfelde-Mahlow betroffen sind. Die haben ihre Betroffenheit sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Deshalb ist unsere Vorgehensweise die, dass wir versuchen, deutlich zu machen, dass die alten Routen – auch bei einem Widerstand, den es dagegen gibt, wegen der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger – aus unserer Sicht die besseren Routen sind. Selbstverständlich muss man den Argumenten der Flugsicherheit, wenn sie bessere Argumente hat und sagt, wir haben hier Vorschläge, die mehr Menschen entlasten, fair miteinander diskutieren. Diesen Prozess muss man steuern.

Ich glaube aber, dass es gut wäre, wenn der Prozess kurz wäre, damit die Verunsicherung wegkommt und hier nicht unnütze Debatten geführt werden

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

und dann sicher nicht der Protest gegen den Flughafen wächst, das glaube ich nicht, weil immer Menschen betroffen sein werden, das ist so gegeben, bei den alten wie bei den neuen Routen –, damit Klarheit herrscht. Wir haben ein Interesse daran, auch als Flughafen, und zwar deshalb, weil wir hier jetzt angefangen haben, mit den Bürgerinnen und Bürgern Vereinbarungen über die notwendigen Lärmschutzmaßnahmen zu schließen, das heißt, über den Einbau von Lärmschutzfenstern. Da ist es wichtig zu wissen, welche Zonen davon betroffen sind. Bei jeder Veränderung ergeben sich Veränderungen, nämlich dass einige herausfallen und einige hineinkommen. Sie können sich vorstellen, wer eine Vereinbarung abgeschlossen hat, möchte diese nicht einfach wieder aufgeben. Auch da ist eine Unsicherheit. In dem Sinne werden wir verfahren. Ich hoffe, dass wir gemeinsam die Kraft aufbringen, die Interessen der Berlinerinnen und Berliner, aber auch insgesamt der Menschen in der Region in der Weise zu vertreten, dass wir eine möglichst schonende Flugroutengestaltung haben werden, bei der die Sicherheitsfragen im Vordergrund stehen, bei der aber auch die Minimierung von Lärmbelästigung für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger der Maßstab sein muss. Die wirtschaftlichen Interessen der Fluggesellschaft sind wichtig, aber in dem Punkt nachrangig.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! – Für die CDU-Fraktion hat in der zweiten Rederunde Herr Zimmer das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Regierende Bürgermeister hat uns jetzt in sehr langatmigen 30 Minuten mehr oder weniger erhellende Ausführungen über das Verwaltungsverfahren dargeboten. Aber ich

glaube, dass die interessierten Berlinerinnen und Berliner wenig mitnehmen konnten, inwieweit Sie sich tatsächlich für ihre Bedürfnisse einsetzen. Und das ist der Kern des Problems der Politik des Senats. Wollen wir doch mal zu den Fakten zurückkommen, jenseits der Frage: Wie sieht es aus mit den Förmlichkeiten des Verfahrens? – Wir reden hier über die schon angesprochenen Vorgaben der International Civil Aviation Organization, der Internationalen Zivilen Luftfahrtbehörde. Und diese Vorschriften sind immer dann einschlägig, wenn man unabhängigen Parallelbetrieb auf zwei Start- und Landebahnen fahren möchte. Wer hat diesen unabhängigen Parallelbetrieb beantragt? – Die Flughafengesellschaft. Das heißt, wir haben hier einen Besteller. Dieser Besteller ist meines Erachtens verantwortlich dafür, sich darüber Gedanken zu machen, welche Auswirkungen das Bestellte eigentlich auf die Berlinerinnen und Berliner im Umfeld des Flughafens hat.

[Beifall bei der CDU]

Und nun ist es nicht so, dass es sich dabei um irgendwelche geheimen und nicht wirklich bekannten Vorgaben handeln würde. Es gibt einmal den sogenannten Annex 14 zum Internationalen Luftfahrtübereinkommen, in dem ist geregelt, wie bei parallelen Starts und Landungen zu verfahren ist – neben anderen Dingen, 400 Seiten ungefähr. Dann gibt es die Procedures for Air Navigation Services – Air Traffic Management, ein blaues Büchlein. In dem finden Sie die 15 Grad-Regelung, die häufig missverstanden wird. Diese 15 Grad-Regelung sagt nämlich: Wenn Sie zwei parallele Start- und Landebahnen haben, muss in der Abflugroute bei einem bestimmten Abstand der Start- und Landebahnen zwischen den Routen 15 Grad Abstand gehalten werden. Das heißt also: entweder auf der einen Seite 15 Grad oder auf der anderen Seite 15 Grad oder auf beiden Seiten 7,5 Grad. Da ist vieles möglich. Aber das erklärt noch lange nicht, warum die Deutsche Flugsicherung nun auf beiden Seiten mit 15 Grad Betriebsrichtung West abfliegen möchte. Diese Frage muss in der Tat beantwortet werden, das ist korrekt.

Was mich aber sehr wundert in dem Zusammenhang ist, wenn ich aus dem Plenarprotokoll der letzten Sitzung zitieren darf: Da fragt der Kollege Felgentreu ganz besorgt die nicht anwesende Bürgermeisterin und zuständige Senatorin, Frau Junge-Reyer nach der Diskussion um die Flugrouten. Und dort sagt Frau Junge-Reyer:

Überrascht worden ist die Fluglärmkommission durch die Darstellung der Deutschen Flugsicherung, dass nunmehr nach dem Verlassen der Landebahn verhältnismäßig kurzfristig ein 15 GradWinkel geflogen werden müsste.

Seit 2004 ist dies verbindlich. Das Land Berlin sitzt in der Betreibergesellschaft des Flughafens. Das Land Berlin sitzt in der gemeinsamen Planungsbehörde. – Was macht diese Planungsbehörde eigentlich? Lesen denn die Mitarbeiter die einschlägigen Vorschriften? Ich weiß es nicht, aber der Regierende Bürgermeister antwortet auf eine Kleine Anfrage der Kollegin Görsch zum Thema Lärmschutz BBI im Mai 2010:

Der Berliner Senat geht davon aus, dass die Berliner Ämter über die rechtlichen Rahmenbedingungen im Rahmen ihrer Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Lärmschutz informiert sind.

Da muss ich sagen: Das scheint mir ja nicht so. Das kann ja gar nicht so sein, wenn Sie jetzt plötzlich davon überrascht sind, dass die von Ihnen bestellte Leistung dazu führt, dass die Routen nicht wie im Planfeststellungsbeschluss skizziert über das Berliner Stadtgebiet geführt werden.

[Senator Dr. Ulrich Nußbaum: Das habe ich nicht verstanden!]

Das ist aber gar nicht so schwer zu verstehen, Herr Nußbaum, wenn Sie gerade dazwischenfragen. Es gibt klare Vorgaben. Diese Vorgaben lauten: 15 Grad abgeknickte Flugrouten.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Die sind nach den alten Vorgaben möglich!]

Sie rechnen sich das Ganze schön, indem Sie sagen, bislang sind es parallele Abflugrouten gewesen, Berlin wäre nicht betroffen gewesen. Sie hätten doch einkalkulieren müssen, dass diese Routen anderweitig verschwenkt werden. Warum haben Sie das eigentlich nicht getan? Ich will es Ihnen sagen: weil Sie es nicht im Blick hatten. Das ist doch aus den Aussagen von Frau Junge-Reyer klar und deutlich, sie ist überrascht worden davon.