Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Herr Regierender Bürgermeister, Herr Wowereit – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Braun! Es ist eine Entscheidung dieses Hauses, bei den Privattheatern die Zuschüsse zu geben oder nicht. Insofern ist der Bereich Ku’damm-Bühnen auch in der großen Koalition, auch unter Herrn Diepgen, nie mit einem festen Zuschuss versehen gewesen. Dass kann man für falsch oder richtig halten. Ich glaube aber nicht, dass das die jetzige Situation der Bühnen wesentlich beeinträchtigen würde, wenn wir das zahlen würden, damit sie die Mieten zahlen können. Das ist für die Häuser eine Nullrechnung. Damit sind die Probleme nicht beseitigt. Aber insgesamt können Sie natürlich sagen, wenn jemand einen Zuschuss aus Steuergeldern bekommt, dann kann er damit besser umgehen, als wenn er nichts erhält. Das ist allerdings auch nichts, was neu wäre.

Wir haben hier aber eine Lösung gefunden, bei der eine Konzentration stattfindet, wo eine Perspektive für das schwierige Unterfangen geboten wird. Jeder weiß, dass es nicht einfach ist. Für mich ist die Horrorvision, dass durch diese Diskussionen und diese Verzögerungen gar nichts passiert. Nun stellen Sie sich mal vor, es entsteht eine Situation, da ist der Investor weg, und die Bühnen sind auch weg, weil sie nicht mehr lebensfähig sind! Das ist allerdings die Horrorvision, und die sollten wir zu verhindern suchen.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Die sind sowieso weg!]

Deshalb ist es an der Zeit, jetzt die Entscheidungen über die Frage, wie es dort weitergeht, zu treffen. Dass der Investor dann investiert, würde ich auch nicht unterschreiben können. Aber ich habe auch keinen Anlass, an seinen Angaben zu zweifeln,

[Zuruf von Thomas Birk (Grüne)]

denn wenn wir so rangehen würden, dass wir den Investoren per se nach dem Motto entgegentreten, es wird sowieso nichts draus, dann wäre es für den Wirtschaftsstandort ganz schädlich. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass er das, was er bislang investiert hat – das war sehr viel –, auch in der Weise wiederhaben will, dass er tatsächlich baut. Aber wir sollten jetzt wirklich zu einer Entscheidung kommen.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Jetzt geht es weiter mit der Frage Nr. 7 des Kollegen Sascha Steuer von der CDU-Fraktion zu dem Thema

Schulen in freier Trägerschaft am Gängelband?

Bitte schön, Herr Steuer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Warum haben die Schulen in freier Trägerschaft noch immer keine Zuschussbescheide für das laufende Jahr erhalten?

2. Trifft es zu, dass der Senat plant, die Verordnung dahingehend zu ändern, dass der feste Termin, bis zu dem die Bescheide zu erfolgen haben, entfallen soll?

[Mieke Senftleben (FDP): Nicht nur die!]

Herr Prof. Zöllner – bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Steuer! Zur Frage 1: Lassen Sie mich vorab etwas feststellen, weil die Fragestellung einen falschen Eindruck vermitteln kann: Meine Verwaltung und die Vertreterinnen und Vertreter der Privatschulträger arbeiten seit Jahren vertrauensvoll und offensichtlich konstruktiv zusammen. Seit März 2009 ist zusätzlich eine gemeinsame Arbeitsgruppe ins Leben gerufen worden, die sich mit allen die Privatschulen betreffenden Angelegenheiten befasst und in der bei Problemen nach Lösungswegen gesucht wird.

Nun zur Sache: Die Privatschulen erhalten die Zuschussbescheide unverzüglich nach Abschluss der Berechnungen der Personalkostendurchschnittssätze und der ent

sprechenden Schüler-Lehrer-Relation. Das ist im Allgemeinen im April, Mai des laufenden Jahres. Bis zur Bescheidserteilung werden Abschlagszahlungen in Höhe einer durchschnittlichen Jahresrate des Vorjahres gezahlt. Im Jahr 2010 sind zu unterschiedlichen Terminen eine Reihe von tarifrechtlichen Änderungen bei Lehrkräften in Kraft getreten, die bei der Zuschussberechnung logischerweise berücksichtigt werden mussten. Die letzte Tarifänderung ist erst im September dieses Jahres wirksam geworden. Die bisherige Verfahrensbeschreibung hat diesen Sachverhalt nicht abgebildet und musste deswegen geändert werden. Es waren daher umfangreiche Berechnungen erforderlich.

Diese Änderungen wurden mit dem Privatschulträger in mehreren Sitzungen erörtert. Und auf Nachfrage ist mir ausdrücklich versichert worden, dass dieses völlig einvernehmlich erfolgt ist. Dies führt dazu, das in diesem Jahr die endgültigen Bescheide mit allen Erhöhungen tatsächlich erst im Lauf des Monats November erlassen werden können. Ab 2011 werden die für die Zuschussberechnungen erforderlichen Daten wieder zum Ende des ersten Quartals zur Verfügung stehen. Das war also eine Sondersituation wegen der tariflichen Situation dieses Jahr.

[Mieke Senftleben (FDP): Aber letztes Jahr war auch eine Sondersituation!]

Zu Frage 2: Die Zuschussberechnung für das jeweilige Haushaltsjahr erfolgt auf der Grundlage der im November des Vorjahres ermittelten Gehaltszahlungen und der Schüler-Lehrer-Relation. Die Auswertung der Daten erfolgt in einem aufwändigen Verfahren, sodass die endgültigen Werte in der Regel erst am Ende des ersten Quartals des Bewilligungsjahres feststehen. Die Berechnungen der Zuschüsse und Bescheiderteilung können logischerweise erst anschließend erfolgen. Bis dahin erhalten die Schulen Abschlagszahlungen. Die im Jahr 2005 in Kraft getretene Verordnung über die Zuschüsse sieht Abschlagszahlungen nur für den Monat Januar vor. Das ist dann aber nicht möglich, bis dahin die Berechnungen zu machen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dieser Termin tatsächlich – auch einvernehmlich – nicht einzuhalten ist, deshalb soll die Ersatzschulverordnung bei der anstehenden Änderung den Gegebenheiten angepasst wird, die eben realistisch von allen Betroffenen gesehen wird.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Steuer? – Herr Steuer, bitte!

Herr Senator! Ich hoffe, dass ich Sie nicht so verstehen muss, dass „den Gegebenheiten anpassen“, wie Sie gerade formulierten, bedeutet, dass es keinen Termin mehr gibt und dass die freien Schulen jetzt befürchten müssen, in den nächsten Jahren, immer wenn Ihre Verwaltung von Tarifänderungen nachträglich überrascht wird, keine Zuschussbescheide zu erhalten und sie sozusagen als

Weihnachtsgeschenk erst mit zwölfmonatiger Verspätung in den Händen halten.

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte!

Sie haben mich richtig verstanden, wenn Sie mich so verstanden haben, dass ich natürlich einen festen Termin haben will. Und Überraschungen – sonst wären es keine Überraschungen – kann man nie ausschließen. Die müssen dann nachträgliche Korrekturen bewirken. Sie können nicht für das gesamte Jahr im Voraus, wenn sich erst im Herbst etwas ändert, die korrekten Zahlen liefern.

Danke! – Dann gibt es eine Nachfrage von Frau Kollegin Senftleben. – Bitte schön!

Herr Senator! Ich weiß auch nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Ist es richtig jetzt, dass Sie bis zum Ende des Quartals diese Zuschüsse begleichen wollen? Das wäre meine erste Frage, denn natürlich muss auch nach der Verlässlichkeit des Senats gefragt werden. Denn wir erinnern uns alle, dass wir im letzten Jahr das gleiche Theater hatten.

Bitte schön, Herr Senator Prof. Zöllner!

Der Senat ist verlässlich.

[Mieke Senftleben (FDP): Ah, ja!]

Er zahlt Abschlagszahlungen in Höhe der tatsächlichen durchschnittlichen Ist-Aufwendungen des Vorjahres. In dem Moment – zum frühestmöglichen Zeitpunkt –, wenn die Zahlen für das laufende Jahr korrekt errechnet werden können, werden die korrekt ausgerechneten Beträge gezahlt, vorher auch völlig korrekt eine Abschlagszahlung. Diese korrekte Berechnung ist wegen der Kompliziertheit des Verfahrens nicht schon im Januar möglich, wie bisher von der Verordnung unterstellt, sondern nach dem ersten Quartal,

[Mieke Senftleben (FDP): Ende des ersten Quartals ist Ende März!]

sodass die Verlässlichkeit da ist. In den ersten drei Monaten bekommt man die Abschlagszahlung in Höhe der IstBerechnung des Vorjahres, danach selbstverständlich verrechnet, wenn es mehr oder weniger ist, dann die echte Zahlung des laufenden.

[Mieke Senftleben (FDP): Schauen wir mal!]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit der Frage von Frau Jantzen von Bündnis 90/Die Grünen über das Thema

Vorbereitungen zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets in Berlin

Bitte schön, Frau Jantzen!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Auf welcher Grundlage führt die Bundesagentur für Arbeit eine Markterkundung zur „Erbringung der Leistungen für Bildung und Teilhabe – Schulausflüge, Lernförderung, Mittagsverpflegung, soziale und kulturelle Teilhabe – in den Bereichen Markt und Integration der künftigen gemeinsamen Einrichtungen“ durch – siehe Geschäftsanweisung SGB II Nr. 38 vom 29. Oktober 2010 –, und wie beurteilt der Senat diese Aktivitäten?

2. Wie nimmt der Senat Einfluss auf die Verwendung des Bildungs- und Teilhabepakets, und welche Vorstellungen hat er zur Abwicklung der neuen Leistungen in Berlin?

Die Sozialsenatorin nimmt zu dem Paket Stellung!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Jantzen! Sie wissen, Sie haben es auch angesprochen, die Bundesregierung plant ein Gesetzesvorhaben zur Änderung der Regelbedarfe und zu einer umfassenden Änderung des SGB II und des SGB XII. In diesem Gesetzentwurf soll es auch ein Bildungspaket geben, das für Kinder und Jugendliche, die von staatlichen Transferleistungen leben oder auf sie angewiesen sind, durch Sachleistungen gefördert werden. Es sollen also Bildung und Teilhabe durch Sachleistungen gefördert werden. Die Bundesregierung strebt an – das ist auch eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts –, das Gesetz zum 1. Januar 2011 in Kraft zu setzen. Heute beispielsweise ist es im zuständigen Fachausschuss des Bundesrats vertagt worden. Ich gehe auch davon aus, dass der Vermittlungsausschuss auf der Bundesratsebene angerufen wird. Noch weiß niemand genau, wie der Gesetzentwurf am Ende aussehen wird. Insbesondere beim SGB II haben wir schon Erfahrungen mit Abstimmungen in letzter Sekunde auf der Bundesebene gemacht.

Über die Gründe der Bundesagentur kann ich nur spekulieren. Der Berliner Senat wurde weder vom Bundesministerium noch durch die Bundesagentur über Schritte der Agenturen für Arbeit in Kenntnis gesetzt. Aus Sicht des Berliner Senats bleibt der Gesetzentwurf weit hinter den verfassungsrechtlichen, sozialen, bildungspolitischen Erfordernissen zurück.

Die Bundesregierung hat wertvolle Zeit verstreichen lassen, statt die Chance zu nutzen, gemeinsam mit den Ländern und Kommunen an einem Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Armut und für mehr Teilhabe von Kindern zu arbeiten, und hat jetzt im Alleingang einen völlig unzureichenden Gesetzentwurf vorgelegt.

Das Bundesverfassungsgericht hat klare Vorgaben zur Ermittlung der Regelsätze gemacht, insbesondere zur Begründung der Eigenständigkeit des Anspruches von Kindern und Jugendlichen. Ich finde, dass die im Gesetzentwurf nicht annähernd berücksichtigt sind, insbesondere nicht in dem Paradigmenwechsel von Geld zu Sachleistungen. Schauen wir uns das für die Berliner Verhältnisse an, die sehr vielen Alleinerziehenden, die auf diese Leistungen angewiesen sind, oder die, die arbeiten und trotzdem Aufstocker sind, weil ihre Arbeit nicht ausreicht! Denen wird pauschal unterstellt, dass eine Geldleistung nicht bei den Kindern und Jugendlichen ankommen würde, und deshalb soll auf Sachleistungen umgestellt werden. Das finde ich nicht akzeptabel. Das verkennt doch die soziale Wirklichkeit.

Außerdem greift der Gesetzentwurf insbesondere beim Bildungspaket in die Kompetenzen der Länder und Kommunen ein, und das Angebot von Frau von der Leyen, die Kommunen könnten die Leistungen ja selbst erbringen, kann nur als vergiftetes Angebot bezeichnet werden, denn Frau von der Leyen steht für die Bundesregierung selbst in der Verantwortung und kann sie auch nicht abwälzen. Sie muss einen sachgerechten, umsetzbaren, aber vor allen Dingen auch verfassungskonformen Gesetzentwurf vorlegen und nicht die Länder. Das Land Berlin wird sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Bundesregierung den Gesetzentwurf grundlegend überarbeitet.

Zur Frage 2: Da der Berliner Senat aber verantwortungsvoll Politik in dieser Stadt umsetzt und trotz unserer grundsätzlichen Kritik und der großen Ungewissheit, wie das Gesetz konkret ausgestaltet sein wird, haben wir bereits Gespräche geführt. Die ersten liegen zurück. Es gab einen intensiven Austausch mit der Regionaldirektion unter Einbeziehung der Senatsverwaltung für Bildung, mehrerer Vertreter aus den Bezirken und den Jobcentern. Wir werden diese Gespräche von nun an fortsetzen. In einem ersten Schritt haben wir die Bezirke gebeten, ihren Jobcentern die kommunalen Strukturen bei der Mittagsverpflegung transparent zu machen. Die Senatsverwaltung für Bildung informiert über die schulrechtlichen Bestimmungen zur Lernförderung im Land Berlin. Sie wird auch das Verfahren zur Beantragung von Leistungen für Ausflüge mit den Kitas und Schulen klären. Grundsätzlich

aber gilt: Solange offen ist, wie die gesetzliche Neuregelung am Ende aussehen wird, können wir noch nichts Konkretes festlegen. Deshalb können wir in Berlin gegenwärtig auch nicht entscheiden, ob das Bildungs- und Teilhabepaket durch die Berliner Jobcenter oder durch die Berliner Bezirke umgesetzt wird.