Protokoll der Sitzung vom 25.11.2010

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Was für ein Quatsch!]

Das machen wir nicht mit. Wir stehen weiter an der Seite derjenigen, die für Demokratie kämpfen, die gegen Intoleranz kämpfen und die sich auch gegen Rechtsextremismus stellen. Wir lassen es nicht zu, dass Sie diejenigen unter Extremismusverdacht stellen, die gegen die Extremisten vorgehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege Oberg! – Herr Jotzo hat nun das Wort für eine Kurzintervention. – Bitte schön, Herr Jotzo!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Oberg! Das ist wirklich abgeschmackt, was Sie hier betreiben.

[Beifall bei der FDP – Christian Gaebler (SPD): Das sagt ja der Richtige!]

Anders kann man es nicht sagen. Wir stehen an der Seite derer, die gegen Rechtsextremisten, Nationalisten auf die Straße gehen und Gegendemos machen. Das ist überhaupt keine Frage. Das machen wir auch, ob in TreptowKöpenick oder sonst wo in dieser Stadt. Selbstverständlich sind wir auf der Seite der Menschen, die friedlich und im Einklang mit unserem Gesetzen gegen Rechtsextremisten demonstrieren. Das stellt auch niemand infrage, und es würde nie ein Liberaler infrage stellen. Was wir aber infrage stellen, ist, wenn man bei solchen Handlungen unsere Verfassung, unsere Gesetze verletzt.

Herr Oberg! Das ist ein ganz klarer Dissens, den es offensichtlich zwischen unseren Fraktionen gibt: Sie meinen, man kann sich über das geltende Recht hinwegsetzen, um bestimmten politischen Meinungen Nachdruck zu verleihen. Wir sagen: Nein, man muss es im Einklang mit unsere Verfassung, mit unseren Gesetzen, mit unserem Versammlungsrecht machen! Und wenn man das tut, dann kann man das auch im Rahmen unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung tun und muss sich nicht aufspulen und über das hinwegsetzen, was man eigentlich schützen will. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Der Kollege Oberg möchte replizieren und hat dazu das Wort.

Herr Kollege Jotzo! Wenn Sie mir sagen, dass etwas abgeschmackt sei, so nehme ich das ernst, denn der Experte für Abgeschmacktes in diesem Haus sind schließlich Sie.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie sind aber nicht nur der Experte für Abgeschmacktes, sondern offensichtlich sind Sie auch in völliger Unkenntnis der Zuwendungspraxis des Landes Berlin.

[Björn Jotzo (FDP): Was ist das denn jetzt?]

Denn man könnte, wenn man Ihren Antrag liest, meinen, dass die Zuwendungspraxis darin besteht, dass das Land Berlin einfach Geld an einen Dritten ausgibt, ohne das zu prüfen. Sie sagen, Sie wollen überprüfen, ob diejenigen überhaupt auf dem Boden der Verfassung stehen. Das habe Sie gerade noch einmal erklärt.

[Björn Jotzo (FDP): Ich habe kurzinterveniert auf Ihren Schwachsinn!]

Und ich repliziere auf Ihren Schwachsinn! Deshalb: Gönnen Sie mir die zwei Minuten, die ich noch habe, auch wenn es Ihnen schwerfallen mag, dass man Sie mit Ihrer eigenen Position konfrontiert. Das heißt, die Zuwendungspraxis des Landes Berlin mit der Prüfung sowohl des Projekts als auch der Zuwendungsempfänger stellt sicher, dass das, was Sie hier einfordern, bereits Realität ist.

Selbstverständlich müssen Sie sich auch in eine gesamtgesellschaftliche Diskussion einordnen. Sie können nicht von der Hand weisen, dass gerade in Sachsen ein Träger, der für seine hervorragende politische Bildungsarbeit ausgezeichnet wurde, diesen Preis nicht angenommen hat, weil er es als Zumutung empfunden hat, dass man von ihm, der für Demokratie und Toleranz eintritt, verlangt, dass er das zur Annahme des Preises noch einmal explizit unterschreibt, und ferner von ihm verlangt, dass er sicherstellt, dass alle, die mit ihm zusammenarbeiten, dies auch tun.

Herr Jotzo! Sie legen die Axt an das gesellschaftliche Engagement vieler. Sie zerstören die gesellschaftlichen Strukturen, die unsere Gesellschaft verteidigen, und tun das auch noch im Gewande des Schützers unserer Verfassung. Das ist abgeschmackt! – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege Oberg! – Für die CDUFraktion hat nunmehr Frau Kollegin Thamm das Wort. – Bitte schön, Frau Thamm!

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Landesmittel und Unterstützung des Landes Berlin sollen Zuwendungsempfänger, die im Rahmen politischer Bildungsarbeit tätig werden, nur dann erhalten, wenn sie verfassungstreu sind. Der Antrag der FDP wirft bei näherem Hinsehen mehr Fragen auf, als er klare, eindeutige Formulierungen und Forderungen enthält. Ziel dieses

Antrags ist es, Organisationen der politischen Bildungsarbeit, die nicht verfassungstreu sind, keine öffentlichen Zuwendungen zu gewähren. So weit, so gut! Gibt es aber überhaupt eine Übersicht aller Organisationen, die bundes- oder wenigstens berlinweit politische Bildung betreiben? Und was heißt in diesem Zusammenhang verfassungstreu? Ist es überhaupt möglich, dass verfassungsfeindliche Organisationen als solche bestehen? Ist es nicht das Ziel des wehrhaft demokratisch verfassten Rechtsstaates, verfassungsfeindliche Organisationen gesellschaftlich zu ächten und zu verbieten? Gibt es Fälle, in denen verfassungsfeindliche Organisationen Zuwendungen beantragt und erhalten haben? Unterstellen wir einmal, die Gefahr bestünde. Woran erkennt man, wer verfassungstreu, verfassungsfeindlich oder gar verfassungswidrig ist? Nach welchen Kriterien soll die Verfassungstreue beurteilt werden? – Die FDP hat hierauf eine einfache Antwort: Alle, die in ihrem Antrag auf die Gewährung von Zuwendungen erklären, sie würden die freiheitliche demokratische Grundordnung anerkennen, sind als verfassungstreu erkannt. – Leider stehen Verfassungsfeindlichkeit und Dummheit nicht in unauflösbarem Zusammenhang. Die FDP unterschätzt wohl nicht nur die Intelligenz von – wie sie sie bezeichnet – nicht verfassungstreuen Organisationen, sondern auch die der Mitglieder dieses Hauses, wenn sie meint, sie könne uns weismachen, man könne solche Organisationen mit einem formalen Bekenntnis zum Grundgesetz bannen – etwa so, wie im Film Vampire mit einem Kruzifix ferngehalten werden.

[Beifall und Heiterkeit bei der CDU, der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Keine verfassungsfeindliche Organisation – sollte sie überhaupt öffentliche Mittel beantragen wollen – wird gegebenenfalls Probleme damit haben, die von der FDP geforderte Erklärung abzugeben.

Wie ist dieser Antrag zu bewerten? – Gerade jetzt, in Zeiten, in denen der internationale Terrorismus die Schlagzeilen beherrscht, sollte dieses Haus nicht mit undurchdachten Anträge belastet werden. Zu dem, was jetzt vonnöten ist – Diskussion und Ausbau von Sicherheitskonzepten, Stärkung der Polizei und der Verfassungsschutzorgane, effektive und angemessene Kontrolle von öffentlichen Räumen –, hat die FDP leider keine Vorschläge gemacht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Thamm! – Die Kollegin Breitenbach erhält nun für die Linksfraktion das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, der Antrag der FDP dokumentiert einmal mehr, wie sich die

FDP von ihren Wurzeln des politischen Liberalismus’ verabschiedet.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sie möchte, dass in Zukunft die Zusammenarbeit mit den Zuwendungsempfängern im Bereich der politischen Bildung auf der Grundlage des staatlich verordneten Misstrauens stattfindet. Ihrem Antrag entsprechend, sollen alle Projekte unterschreiben, dass sie auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Damit sind Sie tatsächlich noch konsequenter als Ihre Bundesregierung, denn die beschränkt diesen Verdacht ausschließlich auf Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Alle anderen müssen das nicht unterzeichnen. Wir lehnen dieses Vorgehen der Bundesregierung ab. Daraus ergibt sich, dass wir auch Ihren Antrag ablehnen werden. Ein solcher Generalverdacht gegen zivilgesellschaftliche Projekte, Initiativen und Organisationen ist antidemokratisch. Die Einführung einer solchen Gesinnungserklärung wäre fatal. Sie würde jegliche Grundlage für eine gesellschaftliches Engagement zerstören, denn jeder wäre sofort verdächtig.

Liebe FDP! Von den Projekten, an deren Seite Sie stehen – ich kann bestätigen, dass es die gibt, denn wir haben schon gemeinsam an Demonstrationen gegen Rechts teilgenommen –, wollen Sie eine solche Unterschrift. Ich finde, diese Projekte haben nicht unser Misstrauen verdient, sondern unseren Dank. Sie verdienen die Unterstützung und Anerkennung ihrer Arbeit,

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

denn zum Beispiel die mobilen Beratungsteams oder die Opferberatungsstellen sind zentrale Bestandteile des gesellschaftlichen Widerstands der Berlinerinnen und Berliner gegen die demokratiefeindlichen Bestrebungen von Rechtsextremen und Rechtspopulisten. All diese Projekte leben davon, dass sie staatsfern sind und sich in der Zivilgesellschaft engagieren. Selbstverständlich, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP, müssen sie sich an die Gesetze halten, wie alle anderen auch. Aber bisher musste das niemand durch seien Unterschrift im Vorfeld dokumentieren.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sie wollen diese Gruppierungen an ein staatliches Gängelbang legen, und vermutlich wollen Sie die Politik Ihrer Bundesregierung stützen. Damit machen Sie sich zum Schoßhündchen der Bundesfamilienministerin, die diese Erklärklärung verlangt. Sie geht noch weiter: Sie verlangt von den Projekten, diese Erklärung auch für alle Partnerinnen und Partner abzugeben, mit denen sie zusammenarbeiten. Niemand weiß, wie das funktionieren soll, aber das ist egal, denn letztlich ist das ein Ausdruck von autoritärem Denken. Deshalb fordere ich Sie auf, Ihren Antrag zur Gesinnungsschnüffelei zurückzuziehen!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Die Bundesregierung fordern wir ebenfalls auf, ihre Gängelungserklärung unmittelbar und sofort aus dem Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus herauszunehmen. Wir wollen einen lebendige, streitbare Demokratie und keinen Obrigkeitsstaat.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Breitenbach! – Der Kollege Behrendt hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme es gleich vorweg: Wir sind von diesem Antrag noch nicht überzeugt. Umso bedauerlicher finden wir es, Herr Kollege Kluckert, dass Sie sich noch nicht einmal die Mühe gemacht haben, den Antrag ordnungsgemäß zu begründen. Sie haben nur ein, zwei allgemeine Bemerkungen dazu gemacht. In der Ausschussberatung sollten Sie deutlich draufsatteln, damit wir über diese Idee überhaupt einmal ins Gespräch kommen.

Wir Grünen wollen für die Demokratie und für Meinungspluralität werben. Wir wollen keinen – in diese Richtung geht Ihr Antrag ein wenig – Generalverdacht aussprechen und auch kein Klima der Verunsicherung bei den Organisationen schaffen, die eine wichtige und richtige Arbeit gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus machen. Wir sind grundsätzlich dagegen, dass man Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen schürt.

[Beifall bei den Grünen und der Linksfraktion]

Eines der zentralen Probleme der gesellschaftspolitischen Debatte in diesem Land war in den letzten Jahren mitnichten der Extremismus von den Rändern, sondern der Extremismus aus der Mitte der Gesellschaft. Dabei muss an den unerträglichen Antisemitismus von Herrn Möllemann erinnert werden und auch an Herrn Sarrazin, der vor Kurzem noch hier saß und mittlerweile rassistische Bücher schreibt. Da gerät unsere Gesellschaft tatsächlich in eine Schieflage. Da haben wir eine sehr unangenehme Debatte. Wir sollten uns darüber verständigen, wie man diesen Radikalismus der Mitte eindämmt. Daher kommen Gefahren. Die Ränder muss man auch im Blick haben, aber meiner Einschätzung nach ist das momentan nicht das zentrale Problem.

Jetzt aber zur Praktikabilität. Dazu ist einiges gesagt worden. Sie wollen ja nicht etwa, dass in Zukunft nicht mehr an die Organisationen, die nicht auf dem Boden der FDGO stehen, Gelder ausgekehrt werden, sondern Sie wollen ja nur, dass die eine entsprechende Erklärung abgeben. Ja, was ist denn damit eigentlich gewonnen? Wir wollen doch die Leute mit Herz erreichen, dass sie für unsere Meinungspluralität in diesem Land einstehen! Wir wollen aber nicht, dass sie einfach nur eine Unter

schrift leisten: Wir finden die FDGO toll. – Und wie sie wirklich denken, verbergen sie womöglich. Da müssen Sie doch deutlich machen, was das eigentlich bringen soll, wenn man einfach nur in irgendwelchen Antragsformularen entsprechende Unterschriften leistet. Oder aber Sie haben schon Ideen, wie das überprüft werden soll. Das würde mich natürlich interessieren. Da wären wir dann wieder beim Verfassungsschutz. Soll denn eigentlich eine Überprüfung in irgendeiner Form stattfinden? Das müssten Sie uns in der Antragsberatung sagen.

Nächste Frage: Sie sagen, die Organisationen, die Gelder bekommen, sollen entsprechende Erklärungen abgeben. Ja, wer ist denn die Organisation? – Der Vorstand der Organisation, sämtliche Mitglieder einer Organisation? – Da wären wir dann gleich wieder bei der Frage: Wie soll eigentlich eine Organisation das alles überprüfen, was ihre Mitglieder angeht? – Das ist praktisch kaum möglich. Wenn es größere Träger sind, die Gelder erhalten, die Hunderte von Mitgliedern haben, reicht es, wenn ein einziger vielleicht verfassungskritisch oder -feindlich ist, um keine Gelder mehr zu bekommen. Das ist doch alles völlig unpraktikabel, deswegen finden wir diese Idee abwegig.

Eines muss noch erwähnt werden. Sie tun in dem Antrag ein bisschen so, als wenn Sie Berührungsängste in diese Richtung hätten. Die Kollegin hat darauf hingewiesen: Auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus haben Sie offenbar wenig Schwierigkeiten, auch mit Leuten, die gemeinhin dem Linksextremismus zugehörig gezählt werden, als Veranstalter aufzutreten. Das war auch so bei der Demonstration „Freiheit statt Angst“. Da werden Sie ja wissen, dass neben der FDP auch viele andere zivilgesellschaftliche Organisationen aufgerufen haben. Da haben Sie offensichtlich kein Problem damit gehabt, jetzt haben Sie da offenbar Berührungsängste.

Ein allerletzter Aspekt: In der Begründung sprechen Sie von extremistischen Organisationen. Da werden wir in der Ausschussberatung sicher noch einmal genau nachfassen, denn meiner Einschätzung nach ist das eine völlig unwissenschaftliche Ideologie, die Sie mit dem Extremismusbegriff verbreiten. Sie müssten mir erklären, was das eigentlich sein soll. Das ist auch das Problem, das Frau Schröder bisher nicht lösen konnte. Deswegen haben wir – das wird Sie nicht wundern – die gleiche Position wie unsere Bundestagsfraktion. Wir brauchen das nicht, wir wollen Freiheit für die Zivilgesellschaft. Wir wollen die Leute mit Herz und Verstand für die freiheitlichdemokratische Grundordnung gewinnen. Wir wollen sie nicht diesem Generalverdacht aussetzen. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]