Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der FDP! Komisch, als ich Ihren Antrag gelesen hatte, dachte ich: Oh, das kenne ich gerade aus jüngster Vergangenheit. Und siehe da, na klar, vor zwei Wochen hat die IHK uns Thesen mit einem sogenannten Fahrplan für mehr Wettbewerb vorgelegt.
[Uwe Doering (Linksfraktion): Interessant! – Martina Michels (Linksfraktion): Dann haben die abgeschrieben!]
Diese Thesen hat die FDP dann gestückelt, geteilt, „Antrag“ darüber geschrieben und das Ganze heute als Priorität ins Parlament eingebracht.
Das Papier setzt sich mit der Idee des Senats auseinander, Unternehmen, die der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen, zu stärken und auszubauen und zum Teil zu rekommunalisieren. Die Autoren kommen leider, das war aber nicht anders zu erwarten, zu dem Schluss, das Gegenteil von dem zu fordern.
Voraussetzung für die Debatte über das Thema ist aber dann, dass man auf die Ausgangsthese der Überlegungen der IHK zurückkommt und damit auf die Ausgangsthese der FDP. Man muss in dem IHK-Papier ein wenig blättern, wird dann auf Seite 7 fündig und findet die schönen zwei Sätze:
Private Unternehmen tragen die Konsequenzen bei unternehmerischen Fehlentscheidungen selbst und müssen für eventuelle Verluste selbst aufkommen. Dagegen werden in öffentlichen Unternehmen verursachte Verluste vom Staat und damit vom Steuerzahler ausgeglichen.
Bei so viel Weisheit staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich. Wie kann man mitten in der größten Krise der Nachkriegszeit, in der ein europäisches Land nach dem anderen vorm Staatsbankrott steht, weil es für die Finanzspekulationen seiner Pleitebanken aufkommen muss, so einen Quatsch behaupten? Massenhaft kommen derzeit Bürgerinnen und Bürger in Europa, den USA und auch hier in Deutschland für unternehmerische Fehlentscheidungen auf. Ganze Volkswirtschaften werden dadurch in den Ruin und Millionen Menschen in die Armut getrieben. Und an diesen Entwicklungen hat übrigens ganz besonders auch der Mittelstand zu leiden gehabt, das sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, nicht vergessen. Der Ausgangspunkt von allem war – auch das sollten wir nicht vergessen – die Deregulierung und der Rückzug der Staaten aus der sogenannten Finanzwirtschaft. Das kommt uns alle noch lange sehr teuer zu stehen.
Was im Großen schon nicht funktioniert, funktioniert im Kleinen oft noch viel weniger. RWE und Veolia haben sich doch vor gut zehn Jahren nicht in die Wasserbetriebe eingekauft, weil sie sich damit für mehr Wettbewerb und für niedrigere Verbraucherpreise einsetzen wollten. Attraktiv waren die garantierten Gewinne, was man den Unternehmen übrigens nicht zum Vorwurf machen kann, sondern dem Senat, der damals verhandelt hat. Das S-Bahnchaos hatte seine Ursache darin, dass das Unternehmen auf Kosten notwendiger Investitionen für den Markt und den Börsengang hübsch gemacht werden sollte. In Bezug auf den Strommarkt wird man in Anbetracht der jüngsten Preiserhöhung von Vattenfall, die fast allen Bürgerinnen und Bürgern in den letzten Tagen in den Briefkasten gekommen ist, kaum erklären können, dass sich Privatisierung von Unternehmen, auch noch Milliardengeschenke an die Atomlobby irgendwie bürgerfreundlich ausgewirkt haben.
Deshalb ist es so wichtig, dass die Vorschläge des Wirtschaftssenators zur Schaffung eines kommunalen Energieversorgers vorangetrieben werden. Deshalb ist es wichtig, dass der Senat auf die Kommunalisierung der S-Bahn setzt statt auf die Zerstückelung z. B. der BVG. Deshalb ist es vernünftig, dass der Senat so schnell wie möglich die privaten Anteile der Wasserbetriebe zurückerwirbt.
Und, Herr Melzer, zu Ihnen noch mal die Feststellung: Rot-Rot hat 2002 eine Unzahl kommunaler Unternehmen mit Milliardenverlusten übernehmen müssen. Wir haben sie nicht verscherbelt, wie es damals überall in Mode war, wir haben sie stattdessen umgebaut, saniert. Und sie schreiben seit Jahren in Summe schwarze Zahlen, 306 Millionen Euro im Jahr 2009, zugunsten der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und im Übrigen auch zugunsten zahlreicher Unternehmen in dieser Stadt, die, natürlich im Wettbewerb, mit Beteiligungen, Aufträgen und Kooperationen genau von soliden Staatsbetrieben profitieren können.
Das Abgeordnetenhaus stellt fest, dass bei Fragen um den langfristigen Umgang mit der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge an erster Stelle die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden müssen.
Übrigens, ein bisschen verschwiemelt ist er trotzdem. Alles Folgende in Ihrem Antrag bewirkt genau das Gegenteil. Wir brauchen nicht Ihren Antrag, wir brauchen ein Konzept, wie die Stadt Stück für Stück Gestaltungsspielraum für die Daseinsvorsorge hinzugewinnt. Daran arbeitet dieser Senat, insbesondere der Wirtschaftssenator Harald Wolf. Das sollten sie auch weiter tun, ich hoffe bis weit über das Jahr 2011 hinaus. – Danke!
Ich muss Ihnen allerdings recht geben in der Bewertung dieses Antrags der FDP. Das ist wirklich eine wüste Zusammenstellung aus Versatzstücken eines Konzepts, das die IHK aufgeschrieben hat. Herr Thiel! Ich muss Ihnen ein Kompliment machen: Sie haben ein Kunststück vollbracht. Sie haben anderthalb Seiten mit nichts gefüllt, mit absolut nichts. Ihre Anträge und das, was Sie da sagen, diese Allgemeinheiten, die Sie, Herr Klemm, auch eben zitiert haben, sind so platt wie wahr, wenn man sie einzeln nebeneinander stellt, helfen uns aber in der jetzigen Situation nun wirklich überhaupt nicht weiter. Ich möchte hier einmal an beide Seiten appellieren, an diejenigen, die das Hohelied der Rekommunalisierung singen, und diejenigen, die immer noch in ihren neoliberalen Wahnvorstellungen verhaftet sind, einfach mal ein Stückchen weit abzurüsten und die Debatte so zu führen, wie wir sie in dieser Stadt führen müssen: Wo und an welcher Stelle macht es Sinn, mit wie viel Geld in bestehende Un
ternehmen einzusteigen, um das zu ermöglichen, was Sie in Ihrem ersten Satz geschrieben haben, nämlich die Interessen und das Wohl der Berlinerinnen und Berliner wirklich an den Anfang und in den Mittelpunkt politischer Betrachtung zu stellen. Darauf kommt es an und auf nichts anderes.
Lieber Herr Ratzmann! Da Sie an beide Seiten appellieren, wollte ich mal die Frage stellen: Wie ist das eigentlich bei Ihnen in der Fraktion? Die Frau Kosche geht überall durch die Welt und sagt, man müsse die Wasserbetriebe rekommunalisieren; und die Frau Kubala rennt überall durch die Welt und erklärt, Eigentum ist gar nicht wichtig, weil man das alles super steuern kann. An wen appellieren Sie denn eigentlich in Ihrer Fraktion, und welche Position vertreten Sie dazu, anstatt sich abwatschend mit allen Beteiligten auseinanderzusetzen, ohne eigene Inhalte zu bringen?
Sehen Sie, Herr Lederer, bei uns bewegt sich wenigstens noch etwas, und Sie sitzen einfach nur irgendwie auf Ihrem Sessel und kommen weder nach vorn noch nach hinten, nach links oder nach rechts. Es ist doch auch bezeichnend, Herr Lederer, dass Sie sich in dieser Debatte hinstellen und einfach nicht über das reden, was Sie in Ihrer Regierungszeit verkauft haben. Ich meine, das ist doch wohlfeil, was Sie hier irgendwie – – 8 Milliarden haben Sie aus Verkäufen eingenommen. Sie haben die Stadtgüter verkauft, die GSW, die Sparkasse, die Feuersozietät, die GSG, die KPM und noch vieles, vieles mehr an Immobilien.
[Gernot Klemm (Linksfraktion): Wir haben die Königlich-Preußische Porzellanmanufaktur verkauft. Das war richtig!]
Und vieles davon war auch richtig. Es war richtig, sich davon zu trennen. Aber bezeichnenderweise reden Sie heute nicht mehr darüber. Wohnungsbaugesellschaften ist ja eines Ihrer großen Themen. Die GSW nach ihrem misslungenen Börsengang zurückzukaufen, die Sie ja irgendwie verkauft haben, die Blöße wollen Sie sich nicht geben. Und auch Herr Jahnke, der sich hierhin gestellt hat und in Inbrunst der Überzeugung gesagt hat: Man muss alles, was auch nur den Hauch von Daseinsvorsorge hat, wieder zurückholen. Was haben Sie als SPD denn alles
mit der CDU zusammen verkauft? – 4,6 Milliarden! Sie haben die Bewag, die GASAG verkauft. Sie haben die Berliner Wasserbetriebe privatisiert, und jetzt sagen Sie: Wir müssen alles wieder für teures Geld zurückkaufen.
Ich sage Ihnen: Lassen Sie uns darüber reden, wie wir es wirklich machen und zu welchem Preis! Ja, es gibt jetzt eine Diskussion über den Rückkauf der RWE-Anteile, und das haben wir in der Tat dem „Wassertisch“ zu verdanken, weil er mit seiner Kampagne dafür gesorgt hat, dass diese Privatisierung und die danach folgende Politik des Hochtreibens der Wasserpreise, an denen Sie beteiligt waren und was Sie wissend gemacht haben, weil Sie dafür Geld für das Land Berlin einnehmen wollen – –
Ich will darüber reden, zu welchen Bedingungen, zu welchem Preis es sich lohnt, in diese Debatte einzusteigen und vor allen Dingen, ob wir in dieser Vertragsgestaltung – – Sie wissen das doch selbst. Sie haben sich doch damit auseinandergesetzt. Einfach nur einsteigen bringt uns doch gar nichts. Wir müssen doch dafür sorgen, dass wir Spielraum bekommen, selbst wenn wir unsere Anteile erhöhen. Was wollen Sie denn? – Noch mehr Geld aus den Berlinerinnen und Berlinern herausholen und das Staatssäckel füllen? Das Ganze macht doch nur Sinn, wenn wir das Ganze zu einem Preis erwerben können, bei dem wir Spielraum haben, um die Wasserpreise tatsächlich zu senken, bei dem wir das Ganze nicht in die Zinslasten stecken müssen für die Kredite, die wir aufnehmen. Glauben Sie denn wirklich, dass wir im Moment noch darüber reden, das zur Hälfte des Einstandspreises erwerben zu können? – Das ist doch illusorisch. Herr Müller hat es dankenswerterweise das letzte Mal auch gesagt. Es wird kaum einen Spielraum geben. Ich sage Ihnen: Dafür Geld aufzunehmen, um so weiterzumachen, wie wir bisher gewirtschaftet haben, lohnt sich nicht, denn dann können wir das Geld besser in andere Projekte investieren, die in dieser Stadt viel dringender sind!
Deswegen sage ich Ihnen noch mal: Kommen Sie zurück, und lassen Sie uns darüber reden, wie wir sachlich und im Interesse – –
Michael Müller! Sie sind doch der Erste, der sagt: Mir ist es scheißegal, was passiert – Entschuldigung! –, Hauptsache, ich habe das Ding wieder unter meiner Kuratel und kann es SPD-mäßig wie früher staatlich gelenkt führen. Das ist nicht unsere Politik.
Schauen Sie sich das Unternehmen an, bevor es privatisiert worden ist: unter SPD-Führung Steigerung der Wasserpreise um 130 Prozent. Das war Ihre Politik, als es öffentlich war, und das dürfen wir in dieser Stadt nie wieder zulassen.
Wie sah denn die Bewag aus? – Die Alten erinnern sich noch daran, als Sie von der SPD das Sagen hatten. Da sind vierzehneinhalb Monatsgehälter geflossen, und die Berlinerinnen und Berliner haben es bezahlt. Schauen Sie sich die GASAG an, wie sie unter Ihrer Führung aussah! Ein Skandal nach dem anderen. Sie können es nicht, und das ist das große Problem in dieser Stadt, und deswegen dürfen Sie es auch nicht machen.
Wir müssen alles tun, dass, selbst wenn wir zur Rekommunalisierung zurückkommen, die SPD auf jeden Fall nicht so weiter machen kann, wie sie es vorher gemacht hat, denn dann reiten Sie die Stadt in die Grütze, und das lassen wir nicht zu.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Ich darf Sie, Herr Müller, im Namen des Präsidiums darauf hinweisen, dass Sie Ihre Worte anders wählen sollten.