Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Wir fordern heute wie bereits in unserer Großen Anfrage von 2008: „Klarheit über notwendige Schulsanierungen – Sanierungsstau an den einzelnen Berliner Schulen beziffern.“ Der nächste Schritt wäre dann, den Finanzierungsplan vorzulegen, um den Beteiligten eine Perspektive zu geben. Damit gehen wir wesentlich weiter als der CDUAntrag, der sich merkwürdigerweise lediglich für die noch notwendigen Schulstrukturmaßnahmen interessiert.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitberatend an den Ausschuss für Bauen und Wohnen und an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 19:

Antrag

Berliner Modeförderung ohne magere Models – Gesundheitsstandards für Models in der Berliner Modebranche einführen

Antrag der Grünen Drs 16/3759

Endlich einmal ein niveauvolles Thema und nun wird es hier nicht diskutiert, was ich sehr bedaure. Das hätte uns doch alle interessiert, nicht wahr? – Die vorgesehenen Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. Dazu haben Sie jetzt die Möglichkeit.

Berlin ist spannend, kreativ und aufregend. Dazu trägt die Modebranche nicht unwesentlich bei. Berlin und ganz besonders der Regierende Bürgermeister schmücken sich damit. Was sich hinter den Laufstegen abspielt, bleibt den Modefreundinnen und -freunden jedoch verborgen. Models hungern sich an den Rand ihrer Existenz, um dem Schönheitsideal dünn, dünner, Knochengestell zu entsprechen. Eigentlich wären an dieser Stelle Fotos von abgemagerten Models wesentlich aussagekräftiger als alle Worte, aber ich überlasse es Ihrer Vorstellungskraft, wie junge Menschen aussehen, die nichts essen oder sich bestenfalls von in Orangensaft getränkten Wattebäuschchen ernähren und bei einer Körpergröße von 1,75 m nicht mal mehr 45 kg wiegen.

Auch in Berlin gibt es das. So berichten Beratungsstellen, dass die jungen Menschen, die bei ihnen wegen Magersucht oder Bulimie in Beratung sind, von Agenten auf der Straße angesprochen werden, ob sie nicht Model werden wollen. Viele Studien zeigen, dass ein ungesundes Schönheitsideal gesellschaftliche Auswirkungen hat. Jeder fünfte Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren weist heute Symptome von Essstörungen auf. Magersucht und Bulimie gehören zu den häufigsten chronischen Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. 8 Prozent der 6- bis 17jährigen Jungen und Mädchen wiegen zu wenig. 50 Prozent aller Mädchen unter 15 Jahren halten sich für zu dick – bei Normal- oder Untergewicht. 90 Prozent der weiblichen Teenager wollen abnehmen. Und der Magerwahn nimmt immer krassere Ausprägungen an. Im Internet gibt es Foren, in denen sich Menschen gegenseitig anstacheln, immer weniger zu essen. Fast jede/r Fünfte stirbt an seiner Magersucht. Dafür mitverantwortlich ist auch das in den allermeisten Fällen ungesunde Schönheitsideal, das über die Mode- und Werbebranche vermittelt wird.

In anderen Modemetropolen wurde bereits auf die zunehmende Gesundheitsgefahr, die von einem solchen Schönheitsideal ausgeht, mit Auflagen für die Veranstalter von Modemessen reagiert. In Spanien hat die „Pasarela Cibeles“ als erste Modenschau der Welt bereits 2006 ein Auftrittsverbot für zu dünne Models durchgesetzt. Die von der Madrider Regionalregierung mitfinanzierte Modenschau folgte damit einer Empfehlung des spanischen Parlaments, das einem ungesund mageren Schönheitsideal ein Ende bereiten will. Minimum für Models in Madrid ist ein Body-Mass-Index von 18. Das entspricht einem Gewicht von mindestens 56 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,75 Metern. Auch das würde wohl niemand hier als übergewichtig oder gar dick bezeichnen. Die Models in Mailand müssen ein ärztliches Attest vorlegen, das bestätigt, dass sie bei guter Gesundheit sind und an keiner Essstörung leiden. Außerdem dürften nur Models über 16 Jahren teilnehmen. Was den internationalen Modemetropolen Mailand und Madrid nicht schadet, kann auch für Berlin kein Fehler sein.

Der Senat zeigt sich bisher zurückhaltend und sieht anscheinend keinen Handlungsbedarf. Was geht es uns als Land Berlin an? – fragen sich einige. Deshalb möchte ich Sie daran erinnern, dass, wer zahlt, auch die Musik bestimmen darf: In Berlin fließen öffentliche Gelder in zahlreiche Projekte der Modebranche, darunter in die Kofinanzierung der Mercedes-Benz Fashion Week im letzten Jahr die nicht unbeträchtliche Summe von 200 000 Euro. Wir meinen, wenn sich Berlin mit seiner Modebranche schmückt, dann mit Verantwortungsbewusstsein. Daher fordern wir zum einen den Senat auf, für die Förderung von Präsentationen der Berliner Modebranche mit den Akteuren ein Anreizsystem zu entwickeln, welches zum Ziel hat, dass Gesundheitsstandards für die Models eingeführt werden. Zum anderen brauchen wir mehr Akteure, die sich selbst verpflichten, keine Werbeverträge mit untergewichtigen Models abzuschließen bzw. diese nicht in ihre Karteien aufzunehmen. Dabei sollen sie sich an den Kriterien der Nationalen Charta der deutschen Textil- und Modebranche orientieren. Diese wurden 2008 gemeinsam im Rahmen der Initiative „Leben hat Gewicht“ entwickelt. Die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen bekennen sich zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, setzen sich für die Vermittlung eines gesunden Körperbildes ein und dafür, keine Magermodels auf Laufstegen oder bei Fotoshootings einzusetzen. Die Vorbildfunktion für junge Männer und Frauen ist nicht zu unterschätzen, und wir haben mit über diese Vorbildfunktion zu entscheiden. Andere Standorte großer Modemessen haben vorgelegt, und es wäre ein Armutszeugnis, wenn Berlin dahinter zurückbliebe. Der Senat darf sich dieser Verantwortung nicht entziehen. Noch einmal: Es geht nicht um Zwang oder Überregulierung. Wir setzen auf Anreize und Selbstverpflichtung. Dass Armut nicht sexy ist, haben wir in zehn Jahren RotRot deutlich gesehen. Und auch Magersucht und Essstörungen sind alles andere als attraktiv oder gar sexy. Ich würde mir im Interesse der Kinder und Jugendlichen

wünschen, dass Sie sich unserem Antrag anschließen. Schönheit und Gesundheit dürfen kein Widerspruch sein.

Auf Antrag der Grünen reden wir heute zum Thema „Berliner Modeförderung ohne magere Models". Zunächst einmal einige Worte zu der prinzipiell verständlichen Zielsetzung des Antrages: In der Tat gibt es in unserer Gesellschaft Formen von regelrechtem Schlankheitswahn, der für die Betroffenen nicht gesund ist und insbesondere bei jungen Frauen zu Magersucht und ernsthaften gesundheitlichen Folgen führt. Dies gilt natürlich für die Models selbst, aber auch weit darüber hinaus, denn die Modebranche mit ihren zugehörigen Modezeitschriften sowie Werbung in allen Medien zeitigen eine enorme Vorbildwirkung auf junge Menschen.

Die Annahme der Grünen allerdings, dieses Schönheitsideal sei quasi ausschließlich durch dunkle Mächte der Modewirtschaft verordnet und müsse daher bekämpft werden, geht völlig an der Realität vorbei. Geschmack und Schönheitsempfinden sind Kategorien, die starken gesellschaftlichen und zeitbedingten Einflüssen unterliegen. Mitunter ist ein Blick in populäre Kunstergüsse hilfreich. Beispielsweise enthält der „Babysitter-Boogie" von Ralf Bendix aus den 50er-Jahren eine sehr aufschlussreiche Zeile. Es heißt dort über die Babys und über „das Girl, das täglich sie spazieren führt" gleichermaßen: „Beide sind so mollig und so wohlgenährt". Das war durchaus als Lob gemeint in einer Zeit, als der Krieg noch nicht so lange zurücklag und magere Leute überall zu sehen waren. Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte enorm gewandelt, und man würde einer Frau heutzutage wohl kein Kompliment machen, wenn man sie als „mollig und wohlgenährt" bezeichnete. Es entspricht der Denkweise der Grünen, den Leuten ständig Vorschriften machen zu wollen, was sie denken und tun sollen, was aus grüner Sicht politisch korrekt ist und was nicht. Selbstverständlich gibt es für all diese Bevormundungen immer hehre Ziele – sei es die Umwelt, sei es die Gesundheit, sei es das Klima oder sonst was.

Am liebsten bedienen sich die Grünen in diesen Fällen des Ordnungsrechts. Alles, was aus ihrer Sicht unerwünscht ist – seien es Heizpilze oder sonst was –, muss durch staatliche Stellen unterbunden werden. Dass dies beim Konfektionsmaß und Körpergewicht von Models wohl nicht ernsthaft gefordert werden kann, leuchtete offenbar selbst den Grünen ein. Also versuchen sie es nun über die Wirtschaftsförderung für Modemessen. Dass dies schon von den Zahlen her kein sehr geeignetes Mittel zur Zielerreichung wäre, zeigt ein simpler Blick in den Landeshaushalt – mit so großen Mitteln fördert das Land Berlin die Modebranche gar nicht. Aber den grünen Geschmacksdiktatoren kommt es ja auch nicht darauf an, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, sondern auf die Botschaft kommt es ihnen an, nur darauf also, irgendeine Form der Sanktionierung unerwünschten Verhaltens zu demonstrieren. Wir werden diesen Antrag im Ausschuss beraten, aber es ist wohl kaum damit zu rechnen, dass sich

in diesem Haus eine Mehrheit für diese Form der Besserwisserei und Bevormundung findet.

Laut Statistik sind 90 Prozent der deutschen Frauen mit ihrem Körper unzufrieden – auch immer mehr Männer. Der Blick in den Spiegel wird eine Qual, wenn er zwanghaft nur noch auf die Makel fällt. Körper sind aber unvollkommen und vergänglich – auch das Nichtperfekte braucht seinen Platz.

In unserer Gesellschaft prägen Modeschöpfer, Werbefachleute, Pillendreher, Kosmetikfirmen und Showstars die Schönheitsideale und verdienen damit prächtig. Da viele den Schönheitsnormen nicht entsprechen, fühlen sie sich als hässliche Entlein, minderwertig, drittklassig. Die Folgen können Minderwertigkeitsgedanken oder Depression sein. Wenn Scham, Hemmungen und Ängste so weit führen, dass sich sexuelle Blockaden aufbauen, können weitere ernsthafte psychische Probleme entstehen, bei denen oft Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie die Folgen sind. Rettung naht dann durch tolle Kosmetikprodukte, Diätpillen oder Schönheits-OPs.

Doch alle vergessen: Die Schönheitsideale der Werbung sind Kunstprodukte – zwei Stunden geschminkt, die eigentlichen Fotos am Computer mit Photoshop korrigiert, dabei die Lippen verbreitert, kleine Nasenhöcker entfernt, die Augen vergrößert usw. Dabei wissen wir doch alle: Das Fernsehen und die Modewelt haben großen Einfluss auf junge Mädchen, und schlank gilt als schick und modern. Magermodels als Vorbilder sind verheerend. Dabei ist das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts modisch gewordene Ideal der Schlankheit historisch und interkulturell ohne Vergleich, denn weibliche Attraktivität wurde und wird in den meisten Gesellschaften mit einem gerundeten Körper und vollen Hüften verbunden. Im historischen Rückblick schwanken die Modeideale der weiblichen Attraktivität zwischen „Fraulichkeit“ und „Jugendlichkeit“ hin und her.

Die Bilder einer abgemagerten, nackten jungen Frau hingen in den Straßen der Modemetropolen Mailand, Rom und Paris und erregten großes Aufsehen. In der Modeindustrie, die als Leitbild prägend für die Jugend wirkt, ist der Wahn der Schlankheit nach wie vor weit verbreitet. Die Bundesregierung hat deshalb eine Vereinbarung mit der Modeindustrie gegen den Schlankheitswahn in der Branche angeregt. Die Initiative „Leben hat Gewicht“ wurde im Dezember 2007 gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und Bundesbildungsministerin Annette Schavan, beide CDU, in Berlin vorgestellt. Ziel ist ein Schulterschluss gesellschaftlicher Gruppen, um das durch Modeindustrie, Werbung und Medien vermittelte Schönheitsideal zu hinterfragen. Das Ziel ist es, falsche Vorbilder zu verbannen. Aber auch in der Modebranche darf die Kreativität nicht leiden. Ein Kodex mit klar definierten Richtlinien darf einerseits nicht die Kreativität der deutschen Modeindustrie beschneiden und muss gleichzeitig der sozialen Verantwortung der Bran

che gerecht werden. Prominente Unterstützer sind die Sängerin Jeanette Biedermann und „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer.

Es bleibt die Frage: Ist fett wirklich das Schlimmste, was ein Mensch sein kann? Ist fett schlimmer als rachsüchtig, neidisch, oberflächlich, eitel, langweilig oder boshaft?

Nach Schätzungen leiden in Deutschland rund 6 Prozent aller Frauen zwischen 15 und 35 an Magersucht oder einer anderen Essstörung wie etwa Bulimie – EssBrechsucht. Bei Männern sind Essstörungen seltener: Auf zehn Frauen kommt durchschnittlich ein Mann.

Aber nach den Magermodels kommen jetzt die Magerpuppen: In Großbritannien gibt es Streit um dürre männliche Schaufensterpuppen. Verleiten sie junge Männer, sich totzuhungern? Männer sind genauso unsicher wie Frauen. Immer mehr Männer kommen mit Essstörungen, die sie entwickeln, weil sie versuchen, ein bestimmtes Körpermaß und eine bestimmte Figur zu erlangen. Männer haben heute mit den gleichen Unsicherheiten in Bezug auf ihre Körper zu kämpfen wie Frauen. Unrealistische Bilder – wie eben diese Puppen – kommen in der Modewelt und den Medien immer noch sehr häufig vor, und der Druck, der durch sie erzeugt wird, kann bei jungen und verletzlichen Menschen zu einem niedrigen Selbstvertrauen führen. Aber auch die Zeit für muskulösere und runde Typen wird wieder kommen.

Darum unterstützen wir als CDU-Fraktion den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, wenn er auch ohne wichtige Lösungsansätze ist. Andere Modemetropolen verdammen bereits ihre Magermodels aus der Modebranche bzw. vom Laufsteg. Und wir sollten uns der Initiative „Leben hat Gewicht“ anschließen. Bei der Vergabe von Fördergeldern muss Berlin Einfluss auf die Gesundheit der Models nehmen. Ich denke, genug ist genug mit Magermodels! Denn eine Parade von Skeletten auf dem Laufsteg ist nicht nur gesundheitsschädigend, sondern auch unästhetisch. Konkrete Maßnahmen sind wichtig und nicht nur ein Bericht.

Unter- und Mangelernährung … ist ein häufiges und zunehmendes Problem mit wissenschaftlich gut belegten signifikanten medizinischen und ökonomischen Folgen, die für unser Gesundheits- und Sozialsystem ein mindestens gleichwertig relevantes Problem wie die bekannten Folgen von Übergewicht und Adipositas darstellen.

Das ist ein Zitat aus einem Artikel im „Deutschen Ärzteblatt“ vom 27. Dezember des letzten Jahres. Es geht dann weiter:

Für die Begriffe „Unter“- und „Mangelernährung“ gibt es nach wie vor weltweit keine einheitliche Definition und darüber hinaus leider auch keinen

etablierten Goldstandard für die standardisierte Erfassung und Quantifizierung.

Die Erscheinungsformen solcher Essstörungen sind vielfältig. Ihre Wurzeln reichen meist weit in die Kindheit zurück. Die Ursachen dafür sind bisher nicht sicher festzumachen. Auch genetische Faktoren scheinen nach wissenschaftlicher Erkenntnis eine Rolle zu spielen. Ja, auch ein möglicherweise öffentlich vermitteltes Schönheitsideal kann die Entwicklung der Erkrankung befördern, aber in der Regel hat man es mit einem multifaktoriellen Geschehen zu tun, das auch bestimmte Persönlichkeitsstrukturen voraussetzt.

Ich führe das so dezidiert aus, weil hier auch der Schlüssel für den richtigen Umgang mit diesem Problem liegt. Erst im vorletzten Satz der Begründung Ihres Antrags taucht der Begriff auf, der eigentlich im Mittelpunkt jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit dieser Problematik stehen sollte: Prävention. Was da zu tun ist, wie diese auszusehen hat und was dazu in Berlin bereits geschehen ist – der Berliner Senat fördert zum Beispiel im Rahmen des integrierten Gesundheitsvertrags mit 140 000 Euro das Projekt „Dick und Dünn“, das sich an an Bulimie erkrankte Menschen richtet –, das muss Gegenstand der Beratung Ihres Antrages im Ausschuss sein.

Um gar kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Krankhaftes Essverhalten ist mittlerweile in der Tat ein Phänomen in dieser Gesellschaft, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Die Frage ist nur, wie. Ich habe mit diesem, Ihrem Antrag erhebliche Schwierigkeiten, und das beginnt schon bei Diktion und Semantik: „... mit den Akteuren ein Anreizsystem zu entwickeln, welches zum Ziel hat, dass Gesundheitsstandards für Models eingeführt werden“, wird da formuliert. Man möchte in gleichklingender Diktion diese Groteske auf die Spitze treiben: Das Land Berlin legt in Form von zivilrechtlichen Vereinbarungen fest, dass für Veranstaltungen, die auf Liegenschaften stattfinden, die sich in öffentlichem Besitz befinden, Mindestvorgaben beim Body-Mass-Index der Akteure einzuhalten sind, Untergrenze 18,5, Obergrenze 30. – Dem Antrag wäre genüge getan, aber dem Problem sind wir nicht gerecht geworden. Wollen wir hier wirklich politisch Geschmacksstandards definieren und eine Gesundheitspolizei auf Streife schicken, um den Body-MassIndex bei weiblichen oder männlichen Models zu bestimme – und auch gleich den der möglicherweise übergewichtigen Besucher? Sie bekommen dieses Problem doch nicht über Festlegen einer Body-Mass-IndexGrenze in den Griff, oder glaubt irgendjemand von Ihnen ernsthaft, dass zwischen einem Body-Mass-Index von 18,4 und 18,6 die entscheidende Bandbreite Vernunft liegt, die die Zulassung der einen und den Ausschluss der anderen rechtfertigt?

Und wenn wir dann schon dabei sind, mit Ihnen auf dem grünen Grat zwischen Gutmenschentum und Erziehungsdiktatur zu wandeln und Ausführungsvorschriften für eine grüne Gesundheitspolizei festzulegen, warum beschränken wir uns dann willkürlich auf Magersucht und Mode

schauen? Was, glauben Sie, läuft in dieser Hinsicht im Bereich der sogenannten ästhetischen Sportarten ab? Warum sprechen wir dann nicht auch über all die anderen verquasten Schönheitsideale im tagtäglichen Angebot, die möglicherweise gesundheitliche Konsequenzen haben können, über die Sonnenbräune aus den Solarien, die die Inzidenz für Hautkrebs steigert? Schließen wir demnächst auch solargebräunte Models aus? Und schreiben wir dann auch bestimmte Körbchengrößen für Models und Filmsternchen vor, damit keine junge Frau auf die Idee kommt, sich völlig unnötig einem operativen Risiko aussetzen, weil ihr der eigene Körper im Vergleich nicht genügt und verantwortungslose approbierte Körperdesigner aus der Unzufriedenheit mit der eigenen Erscheinung mittlerweile ein florierendes Geschäft gemacht haben?

Man kann solche Anträge annehmen, aber man muss sich dann auch im Klaren sein, dass ein solch rein administratives Handeln am Ende die Verantwortung auf den eh schon mageren Schultern der eigentlich Betroffenen, die zu schützen man vorgibt, ablädt. Das mag nicht Ihre Intention sein, aber dann sollten Sie ihre Anträge besser durchdenken.

Der Antrag verfolgt zwei Ziele, die Einführung von Gesundheitsstandards für Models, und die Betreiber von Modemessen, Modeunternehmen und Modelagenturen zum Beitritt in die Nationale Charta der deutschen Textil- und Modebranche zu bewegen mit dem Ziel, keine Verträge mit untergewichtigen Models abzuschließen.

Zu 1: Zur Einführung von Gesundheitsstandards soll der Senat mit den Akteuren der Modelbranche für die Förderung von Präsentationen ein Anreizsystem entwickeln. Mir stellen sich einige Fragen: Ist es Aufgabe des Senats, für eine Branche spezifische Standards mitzuentwickeln? Und warum sollen dann die Beteiligten noch mit zusätzlichen Anreizen belohnt werden? Reichen die vorhandenen gesetzlichen Schutzvorschriften wie Jugendschutz, Arbeitsschutz etc. nicht aus? – Wenn das der Fall ist, dann müssen ggf. diese Gesetze novelliert werden, und das ist nicht Aufgabe des Senats, sondern des Bundestags. In diesem Antrag wird wieder einmal das politische und wirtschaftspolitische Verständnis der Grünen erkennbar: Ein mögliches Problem wird definiert – hier untergewichtige Models –, und dann wird eine spezifische Lösung eingefordert. Dieses Vorgehen führt zu immer mehr Einzelregelungen, Aufblähung der Bürokratie und hat mit marktwirtschaftlicher Vernunft nichts zu tun. Wir brauchen keine Einzelfallregelungen oder gar -gesetze, sondern allgemeinverbindliche Rahmenbedingungen. Es gibt keine guten und schlechten Wirtschaftsakteure oder gute und schlechte Unternehmen. Aber genau das verstehen die Grünen nicht. Sie wollen ihre Vorstellungen von dem, was korrekt ist, durchsetzen und zeigen ihren marktwirtschaftlichen Unverstand.

Zu 2: Diese Bitte klingt erst einmal unterstützenswert. Unbeantwortet bleiben aber die Fragen: Warum sind denn

bislang nur wenige Unternehmen der Modebranche dieser Charta beigetreten? Ist sie zu wenig bekannt, oder sind die Selbstverpflichtungen so groß und vielleicht auch willkürlich, dass sie in letzter Konsequenz zu Wettbewerbsnachteilen führen? Entscheidende Fragen, die unbeantwortet bleiben und eine Unterstützung unmöglich machen. Und ganz allgemein sehen wir es nicht als eine Aufgabe des Senats an, sich als Werbeträger für Initiativen zu engagieren. Dieser Antrag wird in keiner Weise seinem Anspruch gerecht. Wir lehnen ihn ab.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 20 wurde als Priorität der Fraktion Die Linke unter Nummer 4.4 behandelt. Tagesordnungspunkt 21 wurde als Priorität der Fraktion der SPD unter Nummer 4.1 behandelt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 22:

Antrag

Nachnutzung des Flughafens Tegel vorantreiben – Ansiedlungsagentur gründen!

Antrag der CDU Drs 16/3781

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 23:

Antrag