Deswegen liegen die Ausführungen in Ihren Anträgen, meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU und FDP neben der Sache. Ich finde es unverantwortlich, die Sorgen der Lichtenrader Bürgerinnen und Bürger noch zu schüren,
statt sie über die tatsächlichen Gegebenheiten aufzuklären. Natürlich wird das Sicherheitskonzept für Kieferngrund an die künftig veränderte Klientel angepasst werden. Es werden Vorsorgemaßnahmen getroffen, um zu verhindern, dass etwaige Drogenüberwürfe in die Hände von Inhaftierten gelangen. Damit wird der Bereich im Übrigen auch für potenzielle Überwerfer uninteressant. Auch muss den Anwohnern erklärt werden, dass dort geschlossener Jugendvollzug stattfindet und Gefangene mit einer Drogenproblematik nur unter sehr strengen Bedingungen überhaupt Lockerungen erhalten. Im Übrigen ist es gesicherte Erfahrung, dass Straftaten von gelockerten Gefangenen so gut wie nie in der Nähe von Justizvollzugsanstalten begangen werden. Aber selbstverständlich werden wir auch das Gespräch mit den besorgten Anwohnerinnen und Anwohnern führen und ihre Fragen beantworten. Das haben wir im Übrigen auch bei der vorübergehenden Unterbringung von Gefangenen des offenen Vollzuges in Lichtenberg so gemacht, und zwar mit dem Erfolg, dass die Anwohner nicht nur ihre Ängste verloren haben, sondern inzwischen sogar bedauern, dass der Rückumzug nach Düppel vollzogen wird.
Es wäre sehr schön, wenn Sie mich unterstützten. Gesellschaftliche Probleme dürfen nicht nach dem Sankt-Florian-Prinzip immer nur den anderen überlassen werden. Ich werbe hier für die Übernahme eines Teils gesamtgesellschaftlicher Verantwortung auch für den Strafvollzug.
Vernünftige Alternativen zu dem Konzept, den Jugendstrafvollzug für Inhaftierte mit Drogenproblematik nach Kieferngrund zu verlegen, gibt es nicht.
Keine gute Idee ist es auch, meine Damen und Herren Abgeordnete von der Fraktion der CDU, die moderne Haftanstalt Kieferngrund für den Vollzug des Jugendar
restes vorzuschlagen, um auf diese Weise die notwendigen Kosten für die Erweiterung der Jugendarrestanstalt zu vermeiden. Die Ausstattung der Haftanstalt Kieferngrund ist für den Vollzug des Jugendarrestes mit 80 Plätzen überdimensioniert und mit ihren auf den Strafvollzug ausgerichteten Sicherheitsstandards für den Vollzug von Jugendarrest ungeeignet, zu teuer und damit unwirtschaftlich.
Lassen Sie mich abschließend auch noch deutlich machen, dass die Erweiterung der Jugendarrestanstalt Berlin dringend erforderlich ist. Die Jugendarrestanstalt Berlin, die unmittelbar an den Bereich Kieferngrund angrenzt, weist gegenwärtig 33 Arrestplätze auf. Das ist zu wenig Kapazität. Deshalb mussten wir in den letzten Jahren immer wieder Jugendarrestanten, die sich zum Vollzug stellten, abweisen. Im Jahr 2008 mussten wir insgesamt 208 Arrestanten, im Jahr 2009 197 und im Jahr 2010 265 Arrestanten abweisen. In diesem Jahr ist es bis zum 14. Februar bereits zu 51 Abweisungen gekommen. Das ist ein unhaltbarer Zustand, weil wir damit den gesetzlichen Vorgaben, den gerichtlich angeordneten Jugendarrest zeitnah zu vollziehen, nicht nachkommen. Darüber haben wir im Übrigen auch mehrfach im Rechtsausschuss debattiert. Deshalb strebe ich seit Längerem an, die Kapazität der Jugendarrestanstalt auf 61 Plätze aufzustocken. Die Pläne dafür liegen inzwischen vor. Die Planungen sehen im Übrigen auch eine Lösung vor, die eine geringere Lärmbelästigung der Anwohner durch Anordnung der Unterbringungsräume und der Freizeitflächen Richtung Kieferngrund gewährleistet. Eine Projektgruppe ist mit der Umsetzung beauftragt. Wenn wir zügig voranschreiten, können wir im Herbst mit dem Bau beginnen. Die damit verbundenen Kosten kann Berlin nicht sparen, wenn wir dauerhaft einen rechtmäßigen Jugendarrest in der Stadt haben wollen. Wir können nicht die schnelle Konsequenz auf Straftaten fordern, an verschiedenen Stellen das Verfahren beschleunigen, wie zum Beispiel beim Neuköllner Modell, und am Ende des Verfahrens alle Beschleunigungserfolge durch Abweisung wieder zunichte machen.
Auch die für die Zeit der Bauarbeiten vorgesehene und von Ihnen kritisierte vorübergehende Vollziehung des Jugendarrestes im Haus 8 der Jugendstrafanstalt ist auf jeden Fall weiteren Abweisungen vorzuziehen. Das Haus 8 der Jugendstrafanstalt kann mit nur geringem finanziellen Aufwand nutzbar gemacht werden. Eine strikte Trennung sowohl von Strafgefangenen als auch der männlichen von den wenigen weiblichen Arrestanten kann problemlos realisiert werden. Selbst die Zuführung zum Haus 8 kann so organisiert werden, dass es keinerlei Berührung, nicht einmal Blickkontakt zu den Strafgefangenen geben wird. Wegen der kurzen Verbleibezeiten von maximal vier Wochen halte ich einen vorübergehenden Vollzug des Arrestes in dem sanierungsbedürftigen Haus 8 für die Arrestanten eher zumutbar als die weitere deutlich längere Unterbringung von Strafgefangenen. Über eine konstruktive Diskussion dieser Sachlage würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank, Frau Senatorin von der Aue! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Kohlmeier – bitte sehr!
Sehr gehrte Frau Präsidentin! Sehr gehrte Damen und Herren! Zunächst: Ich freue mich, dass sich der Kollege Zimmer mittlerweile auch für den Strafvollzug interessiert. Er sitzt da vorn neben dem richtigen Fachpolitiker. – Ich freue mich schon darauf, dass Sie künftig möglicherweise des öfteren im Rechtsausschuss vorbeischauen, vielleicht mehr als in der letzten Zeit.
Worüber reden wir heute eigentlich? – Wir reden über eine Umstrukturierung im Berliner Jungendstrafvollzug, der, mit Verlaub, – hier muss ich die zwei Fraktionen ansprechen, die die Anträge eingereicht haben – nicht ernsthaft diskutiert werden soll, sondern populistisch ausgeschlachtet wird. „Kein Drogenvollzug in Lichtenrade!“ steht in der Überschrift zu dem CDU-Antrag. Was ist denn bitte ein Drogenvollzug? – Es gibt in der Jugendstrafanstalt eine Drogenfachabteilung, die durch die Arbeit der Mitarbeiter einen hervorragenden Ruf hat und die Sie diskreditieren. „Kein Drogenvollzug in Lichtenrade!“ – das suggeriert, dass in Lichtenrade bisher überhaupt noch kein Vollzug war. Das ist falsch. Bereits heute gibt es in Lichtenrade die Haftanstalt Kieferngrund, das hat die Senatorin eben ausgeführt. Es handelt sich um eine Untersuchungshaftanstalt für 14- bis 17-jährige männliche Untersuchungsgefangene, die 1997 eröffnet wurde. Es ist also nicht so, dass die Anwohner dort bisher nicht auch schon mit einer Vollzugseinrichtung gelebt haben.
Nun gibt es in der Justizverwaltung Überlegungen zu Umstrukturierungen. Die Untersuchungshäftlinge werden vom Kieferngrund in das renovierte Haus 9 der Jugendstrafanstalt verlegt. Das macht Sinn, weil es derzeit in der Jugendstrafanstalt schon Untersuchungshäftlinge gibt und außerdem ein Mobilfunkblockersystem errichtet wird. Das Haus 8 der Jugendstrafanstalt mit 88 Haftplätzen ist der sanierungsbedürftigste Bereich. Dort ist derzeit die Drogenfachabteilung untergebracht. Diese soll in den Kieferngrund umziehen. Nicht mehr und nicht weniger steht hinter den Umstrukturierungsplänen.
Ich will gar nicht darüber reden, dass die Umstrukturierung eigentlich eine reine Verwaltungssache ist und bisher – zumindest während meiner parlamentarischen Zugehörigkeit – hier noch nie über die Verlegung eines Teilbereichs abgestimmt wurde, aber der Vorwurf der
CDU und der FDP, der da mitschwingt, es sei nicht genügend kommuniziert worden, ist unredlich. Der Rechtsausschuss wollte das Thema am 19. Januar beraten. Für diesen Tag ist eine Besprechung angemeldet worden, aber der Tagesordnungspunkt wurde vertagt und wurde auch von den Fraktionen vertagt, die heute Anträge eingereicht haben, nämlich von der CDU und der FDP. Da müssen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, sich vorwerfen lassen, dass Sie diese Behandlung am 19. Januar möglicherweise bewusst nicht wollten, weil Sie sich im Hinblick auf den Wahlkampf ein Wahlkampfthema gesucht haben.
Wir haben auch keinen Antrag eingereicht, lieber Kollege Goetze! Sie haben die Anträge eingereicht und sagen: „Kein Drogenvollzug in Lichtenrade!“. Sie haben das Thema zwischenzeitlich nicht wieder aufgerufen! Seit dem 19. Januar hat der Rechtsausschuss schon mehrfach getagt. Still ruht der See, sage ich da, auch von Ihrem Kollegen!
Ich kann den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versprechen, dass wir das Konzept der Umstrukturierung im Rechtsausschuss ordentlich beraten wollen und beraten werden.
Und das wird nicht nur im Rechtsausschuss so sein. Am Freitag dieser Woche findet eine öffentliche Informationsveranstaltung für die Anwohner statt. Und die Justizverwaltung wird es so machen, wie es auch bei dem offenen Vollzug in Lichtenberg war, in dessen Prozess ich involviert war: Die Justizsenatorin Gisela von der Aue wird, wie in Lichtenberg, einen Runden Anwohnertisch veranstalten, wo die Anwohner informiert werden. Hier wird die Justizverwaltung den Anwohnern die Gründe für die Umstrukturierung darlegen und, ich denke, auch viele Befürchtungen zerstreuen können.
Die Opposition muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie mit den Ängsten der Bevölkerung spielt, dass sie populistisch ist und das – möglicherweise vor dem Hintergrund des Wahlkampfs – als rechtmäßiges Mittel ansieht. Es gab bisher trotz aller unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der Fraktionen Einigkeit bei den Rechtspolitikern darüber, dass es auch weiterhin Haftanstalten in Berlin geben soll und wird. Nun habe ich vorgestern im Unterausschuss „Datenschutz und Informationsfreiheit“ lernen müssen, dass die FDP – der Kollege Jotzo hat es dort geäußert – keine Großveranstaltungen in der Stadt möchte.
Vielleicht sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, mit der Dagegen-Partei fusionieren, dann hätten Sie gute Chancen, das hier in der nächsten Legislaturperiode wieder mitzuteilen.
Von der CDU-Auffassung bin ich einfach nur enttäuscht. Ich schätze Sie sehr, lieber Kollege Rissmann! Ich weiß, Sie wissen es besser! Es funktioniert einfach nicht zu sagen: „Kein Drogenvollzug in Lichtenrade!“.
Nein, aufgrund der kurzen Zeit, die mir noch verbleibt, liebe Frau Präsidentin, lasse ich keine Zwischenfrage zu. –
Sie müssten dann, lieber Kollege Zimmer, lieber Kollege Rissmann, der Ehrlichkeit halber auch sagen, wo der Vollzug sonst hin soll. Möglicherweise nach Mahlsdorf oder so, aber da sehe ich schon den nächsten Antrag, der von Ihren Kollegen eingereicht wird, dass er nicht in Mahlsdorf sein kann.
Es kann also nicht das Prinzip sein zu sagen, er muss irgendwohin, aber bei mir soll es, bitte, nicht sein. Sie können nicht ernsthaft der Ansicht sein, dass wir Haftanstalten in Berlin brauchen, aber, bitte, nicht in der Nähe von Anwohnern. Dieses Kunststück wird nicht gelingen. – Herzlichen Dank!
Danke, Frau Präsidentin! – Herr Kohlmeier! Was Sie sich eben geleistet haben, ist wieder mal eine absolute Frechheit.
Ich darf und ich muss nach Ihrer Bemerkung klarstellen, was vorgestern Beratungsgegenstand im Datenschutzausschuss war. Es ging um die Frage, was wir uns als Land Berlin an mangelnden Datenschutzvorschriften von internationalen Organisationen, die in Berlin Großveranstaltungen durchführen, diktieren lassen oder eben nicht. Da habe ich ganz klar gesagt: Für uns als FDP stehen die Bürgerrechte unserer Bürgerinnen und Bürger immer an erster Stelle.
Wir lassen uns nicht und von niemandem, nicht von der FIFA und nicht von irgendjemand anders diktieren, wie wir in Deutschland Bürgerrechte handhaben sollen. Wenn jemand damit nicht einverstanden ist, dann muss das gelöst werden, aber mit Sicherheit nicht zum Nachteil unserer Bürgerinnen und Bürger, Herr Kohlmeier! Dazu stehen wir, und das werden wir auch immer wieder vertreten – in diesem Haus und auch in den Ausschüssen. Das lasse ich mir von Ihnen nicht vorhalten, Herr Kohlmeier! – Vielen Dank!
Lieber Kollege Jotzo! Sie sind so niedlich, wenn Sie versuchen, sich aufzuplustern und mir vorzuwerfen: „wieder mal eine Frechheit“! Erstens ist es nicht „wieder mal“, weil „wieder mal“ intendiert, dass es eine wiederholte Frechheit wäre, und die ist bisher von mir nicht vorgekommen.
Zweitens wundert mich, dass Sie sich allen Ernstes hier vorn hinstellen und anderen Abgeordneten im Zusammenhang mit Äußerungen, die hier vorn getätigt wurden, Frechheit vorwerfen. Dann müssten Sie andauernd am Pult stehen und sich selbst vorwerfen, wie frech Sie sind.
Herr Kohlmeier hatte recht im Hinblick auf die Sitzung des Unterausschusses „Datenschutz und Informationsfreiheit“. Sie haben dort gesagt, Sie wollen lieber keine Großveranstaltungen, wenn von der FIFA vorgeschrieben wird, wie der Datenschutz sein soll. – Nicht mehr und nicht weniger habe ich hier gesagt.