Protokoll der Sitzung vom 03.03.2011

[Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Sie selbst sagen ja, dass die Refinanzierung dieser Dinge durch Netzgebühren angeblich nicht gesichert ist. Wenn es so ist, würde es ein Privater erst recht nicht machen. Wo landen wir denn dann mit unseren Klimazielen? Das ist doch Unfug!

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie kann auch entscheiden, wie weit und wo in das Netz investiert wird, und damit das öffentliche Gut Energie für alle Bürgerinnen und Bürger effizient verfügbar machen.

Um zu gewährleisten, dass Energie für die Verbraucher kostengünstig und klimaschonend produziert wird, sollte Berlin auch wieder in die Energieerzeugung einsteigen. Natürlich ist die FDP auch gegen Stadtwerke. Aber genau dieser Weg wird von immer mehr Kommunen landauf, landab gegangen, und vielerorts steht eine Rekommunalisierung am Beginn. Denn nicht alle Kommunen haben so vorausschauend wie beispielsweise Nürnberg oder München niemals ihr Netz verkauft, sondern waren den Privatisierungsideologien der Neunzigerjahre erlegen wie Berlin auch.

Aber nun ist die Zeit der Ideologien vorbei! Wir werden keine ideologisch motivierte Rekommunalisierung um jeden Preis durchführen, wie die FDP uns das unterstellt. Aber wir werden dafür Sorge tragen, dass Energie als Teil der Daseinsvorsorge nicht für Traumrenditen in fernen Konzernzentralen sorgt, sondern für die Bürgerinnen und Bürger wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig zur Verfügung steht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Jahnke! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Kollege Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jahnke! Sie haben sich eben zu dem Wort „Unfug“ verstiegen. Das, was Sie erzählt haben, war wirklich Unfug. Sie haben außer ideologischem Geschwurbel kein einziges konkretes Argument gebracht, was denn eine Rekommunalisierung der Netze bringen soll. Ich warte immer noch auf irgendeinen Hinweis, wie Sie damit Energiepolitik machen wollen.

Ich habe Ihnen dargestellt, dass Sie massive wirtschaftliche Risiken haben. Das haben Sie aber nicht verstanden. Ich habe es ja eben gesagt: Entweder hat man es nicht verstanden oder will bewusst Sand in die Augen streuen. Sie haben es offensichtlich nicht verstanden. Es geht darum, dass Sie Risiken bei Investitionen haben, die Sie nicht einfach so auf die Preise umlegen können. Sie haben keine garantierten Renditen mehr, seitdem es die Anreizregulierung gibt, und deshalb ist das, was Sie da mit den Zinsen erzählt haben, eine absolute Milchmädchenrechnung. Wenn dann auch noch die Zinsen höher werden, dann stimmt die Rechnung schon gar nicht mehr. Nebenbei nehmen Sie noch an, dass Sie Rendite auf Kosten der Bürger machen, genauso, wie Sie es beim Wasser auch tun. Auch das ist natürlich der Grund für Rekommunalisierung: Sie glauben, Sie können damit Geld verdienen.

Deshalb ist das, was Sie erzählt haben, wirklich völlig inhaltslos gewesen. Wenn Sie wirklich auf Kosten der Bürger Milliarden für das Land Berlin ausgeben wollen, dann müssen Sie schon mehr Argumente bringen als: „andere Städte machen es auch, und es wird schon irgendetwas bringen.“ Mehr habe ich von Ihnen nicht gehört. Da erwarte ich wirklich etwas, bevor Milliarden zulasten unserer Bürger auf den Tisch gelegt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Zur Erwiderung der Kollege Jahnke!

Man merkt, dass Sie gar nicht zugehört haben. Ich habe doch deutlich vor Augen geführt, wo die Vorteile für die Kommune und die Bürgerinnen und Bürger liegen, wenn man das Netz wieder selbst betreibt. Wenn wir eine Energieerzeugung in Berlin gewährleisten wollen, die dezentral ist und auch erneuerbare Energien beinhaltet und die – was Sie auch erwähnt haben – die E-Mobilität ausnutzt, dann ist dies mit einem bestimmten Netz verbunden. Ob dieses Netz tatsächlich aus den Renditen aufgebaut werden kann, bezweifeln Sie doch selber. Sie behaupten allen Ernstes, dass sei nicht durch die Renditen zu erwirtschaften.

So frage ich: Wie wird es denn dann aufgebaut? Bei einem privaten Betreiber wird dieses Netz nicht geschaffen werden, sondern der wird sagen: Die Rendite erziele ich damit nicht. Also verzichte ich auf die Klimaziele; also verzichte ich auf nachhaltige Energiepolitik. – Das ist doch völlig logisch! Insofern ist die Kommune die einzige Gewährleistung, die man haben kann, dass klima- und energiepolitisch und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gearbeitet wird und nicht die Rendite in einer fernen Konzernzentrale – manche ahnen vielleicht, welche ich meine – das Hauptargument ist. Dann geht es in der Tat um ein Stadtwerk aus und für Berlin, und dies ist meines Erachtens im Interesse der Berlinerinnen und Berliner und nicht das, was Sie hier fordern.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank für diese Interventionserwiderung! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Melzer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf ein Neues! Die Rekommunalisierung scheint ja das neue Allheilmittel von SPD, Linken und immer stärker auch von den Grünen zu sein. Nach Wasserbetrieben und S-Bahn basteln Wowereit und Wolf, flankiert von Frau Künast, an einem volkseigenen Energiebetrieb, VEB

Energie. Diesen ordnungspolitischen Unsinn lehnt die CDU-Fraktion klar und eindeutig ab.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Eine umfassende privatwirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist mit ordnungspolitischen Zielen und Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar. Nur in begründeten Ausnahmefällen – aber die liegen hier nicht vor – kann der Staat selbst als Unternehmer am Markt tätig werden.

Der Staat und Sie, Herr Wolf, als Senator haben hier die Funktion des Schiedsrichters, des Regelwächters wahrzunehmen. Sie wollen aber gleichzeitig zur Funktion des Schiedsrichters auch Stürmer sein und Tore schießen und als Vorstopper wie in der guten alten Zeit die gegnerischen Mannschaften umholzen, wenn sie angreifen. Das, Herr Wolf, ist nicht nur im Fußball unmöglich, sondern auch im wirtschaftlichen Leben unfair und nicht statthaft.

[Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Mit Ihrer Schiedsrichterfunktion fremdeln Sie, Herr Wolf, ohnehin dauerhaft. Das hat man bei der Diskussion um die Wasserbetriebe gemerkt. Hier sind Sie der Kontrollfunktion nie wirklich gerecht geworden. Sie haben Tarife fröhlich durchgewinkt und sich anschließend über die Tarifpolitik der Wasserbetriebe beschwert. Hier waren Sie nicht Regelwächter, und das lassen wir Ihnen bei den Wasserbetrieben weiterhin nicht durchgehen.

[Beifall bei der CDU]

Wir sagen: Auch hier wäre die Rekommunalisierung falsch. Denn Berlin hat weder das Geld noch – und das ist schlimmer – haben Sie ein Konzept, einen Plan, was Sie mit dem Mehr an Anteilen machen wollen. Politik also nach dem Motto: viel Anteil, aber wenig Plan, kein Konzept; Hauptsache, der Staat mischt mit, ist ordnungspolitischer und finanzieller Unfug und entlastet die Verbraucher um keinen Cent. Deswegen lehnen wir eine solche Politik auch ab.

[Beifall bei der CDU]

Bei der Energieversorgung gilt: Öffentlicher Einfluss ist nicht politischer Druck und einseitige Einflussnahme. Vielmehr muss er aus der Schaffung von sicheren Rahmenbedingungen für Kunden und Energiewirtschaft bestehen. Leitlinie muss dabei sein, dass gewährleistet sein muss, dass die Versorgung sicher, preisgünstig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltverträglich ist – nicht mehr und nicht weniger.

Genau deshalb wollen wir auch keinen landeseigenen Energieversorger. Das ist hier auch diskutiert worden. Wir haben in Berlin bereits vollständigen Wettbewerb. Es gibt ca. 200 Anbieter, die mit diversen Angeboten um 2,3 Millionen Abnehmer kämpfen. Hinzu kommen 100 Anbieter für Ökostrom und 100 Anbieter für Gas. Monatlich wechseln ca. 8 000 Kunden ihren Anbieter. Der Wettbewerb in Berlin ist so intensiv wie im Bundesdurchschnitt nicht. 77 Prozent der Haushalts- und Geschäftskunden nehmen den Strom des Grundversorgers ab. Das

ist in anderen Regionen des Bundes deutlich mehr. Der Wettbewerb funktioniert also in Berlin.

Warum dann der 201. Anbieter der allein selig machende sein soll, nur weil Namen wie Wowereit, Wolf oder Künast auf der Verpackung stehen, erschließt sich überhaupt nicht. Auch hier gilt: viel Staat, wenig Konzept, kein Plan.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Wir haben auch festzustellen, dass die EU-Vorgaben den Markt stark regulieren. Die rechtliche, personelle und operationelle Entflechtung ist angesprochen worden. Das befördert den Wettbewerb. Derjenige, der die Netze betreibt, hat nicht nur die Möglichkeit, daraus in guten Konstellationen Erträge zu erzielen, sondern erst einmal auch die Verpflichtung zur Investition in diese Netze. Vattenfall beispielsweise investiert jährlich 290 Millionen Euro. – Herr Jahnke, ich habe von Ihnen nicht gehört, woher Sie dieses Geld nehmen wollen. Auch hierfür haben Sie kein seriöses Finanzierungskonzept.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir bekennen uns als CDU-Fraktion zur umweltfreundlichen Energieversorgung. Wir sagen, dass wir auf dezentrale Angebote setzen müssen. Wir stellen gleichzeitig aber auch fest, dass wir im Bundesländervergleich bei den erneuerbaren Energien auf dem letzten Platz sind. Auch hier gilt es, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen und sich als Land Berlin zu verbessern.

Abschließend will ich sagen: Die Berliner Kammern kommen bei diesem Thema zu der Überzeugung, dass der Wiedereinstieg Berlins in den Verteilnetzbetrieb weder risikolos noch langfristig gewinnversprechend ist. Eher seien hohe Belastungen beim ohnehin überbordenden Schuldenstand Berlins erwartbar. Daraus schließen ich und die CDU-Fraktion: Nutzen Sie die jetzige Chance der Neuverhandlung der Konzessionsverträge, klare Qualitätsverträge zu definieren und im Sinne der Verbraucher für mehr Transparenz zu sorgen! Bringen Sie Wirtschaftlichkeit, Umweltfreundlichkeit, Versorgungssicherheit und Transparenz in Einklang mit attraktiven Preisen. Ein ideologisches Rekommunalisierungsgequatsche hilft uns hierbei allerdings nicht weiter. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Melzer! – Für die Linksfraktion hat Herr Dr. Lederer das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Zukunftsfähige Energieversorgung für Berlin“ – der Antrag der FDP trägt dazu nichts, aber auch gar nichts bei. Antrag 1 wie Antrag 2 tragen dazu nichts bei,

[Björn Jotzo (FDP): Weil Sie davon nichts umsetzen!]

und die halbe FDP-Fraktion scheint es auch nicht besonders zu interessieren, wenn die FDP hier ihre Priorität abhandelt. Die scheinen in der Kantine zu sitzen oder in ihrem Büro oben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion! Ihr erster Satz:

Das Abgeordnetenhaus fordert den Senat auf, sich bei künftigen Maßnahmen der Energiepolitik auf die Bereiche zu fokussieren, in denen die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger am besten gefördert werden können, und von undurchdachten und teuren Rekommunalisierungen Abstand zu nehmen.

Das brauchen wir nicht zu beschließen, das machen wir schon. Mit der Linken und SPD wird es hier keine undurchdachten und teuren Rekommunalisierungen geben, sondern durchdachte und vernünftige Konzepte zur Entwicklung der Netze,

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

denn anders als die FDP-Fraktion haben wir den Energiekonzernen nichts zu schenken.

[Björn Jotzo (FDP): Sie haben schon alles verschenkt!]

Was reden Sie für wirres Zeug? Meinen Sie den Atomkompromiss, den Sie aufgekündigt haben, um dann noch ein paar Milliarden an die Energiewirtschaft rüberzureichen? Oder meinen Sie den Rückbau des ErneuerbareEnergien-Gesetzes? Dafür sind Sie auf Bundesebene verantwortlich. Das ist Ihre Energiepolitik. Das hat mit Energiesicherheit nichts zu tun.

[Zuruf von Björn Jotzo (FDP)]

Sie reden wirres Zeug, ordnungspolitischen Unfug, und Sie haben von Ökonomie keine Ahnung. Das werde ich Ihnen gleich nachweisen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Lars Oberg (SPD)]