Protokoll der Sitzung vom 03.03.2011

Sie hat sich das möglicherweise angewöhnt, nachdem sie schon diese Schwierigkeiten mit dem Bau von Schulgebäuden hatte.

[Beifall bei der SPD]

Unabhängig davon hat mein Haus ein überbezirkliches Koordinationsgremium einberufen, das sich genau mit diesem Problem der Verteilung innerhalb von Berlin beschäftigen wird. Das Gremium arbeitet und wird nach Abstimmung mit dem Bezirken ein Konzept vorlegen, das selbstverständlich auch Ihnen zur Kenntnis gegeben wird.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

„Betreuungslücke“ ist ein weiteres Beispiel dafür, dass sich jede gute Tat rächt. In Berlin finden Eltern ein einzigartiges Ganztagsangebot in dieser Bundesrepublik Deutschland vor. Alle Grundschulen sind Ganztagsschulen. Die integrierten Sekundarschulen werden von Beginn an Ganztagsschulen sein. Auch gibt es jetzt in jedem Bezirk ein Ganztagsgymnasium. Es gibt auch ein Schulhortangebot für Fünft- und Sechstklässler, ganz im Unterschied übrigens zu den anderen Bundesländern, in denen die Grundschule nach Klasse 4 endet. Das heißt, selbst wenn Sie auf Probleme hinweisen, die es ohne Zweifel in Berlin gibt, sollten Sie endlich einmal den Mut haben, um zu sagen: Selbst in diesem Bereich, in der Klasse 5 und 6, sind wir in Berlin jetzt schon Spitze.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das heißt, wir haben keine Betreuungslücke, wir haben nur das Problem, dass unser Angebot in den Klassen 5 und 6 zwar besser ist als in jedem anderen Bundesland,

[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

aber leider schlechter zwischen den Klassen 1 und 4 und ab Klasse 7. Dazu ist schon etwas gesagt worden. Dieses ist sicher auch eine finanzpolitische Frage. Das Ziel, wenn

man das finanzpolitisch machen will, ist offensichtlich bei den Koalitionsfraktionen und beim Senat gegeben, was aber sicher nicht in einem laufenden Haushalt passieren kann. Wenn wir das tun, dann bin ich gespannt, ob dann wieder von „Reformitis“ die Rede ist und nicht von einer weiteren sinnvollen Reform.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Felicitas Tesch (SPD): Genau!]

Dann kommen wir zur Schulstrukturreform. Wer hier die Notwendigkeit der Reform des überkommenen dreigliedrigen Schulsystems immer noch ernsthaft in Frage stellt, hat sich aus jeder sachlichen, fachlichen und bildungspolitischen Diskussion verabschiedet.

[Beifall von Martina Michels (Linksfraktion)]

Es ist diese Koalition gewesen, die den jahrzehntelangen ideologischen Strukturstreit mit einem gesellschaftlichen Kompromiss zu einem guten Ende geführt hat. Dieses ist ein Kompromiss für die Eltern, für die Schülerinnen und Schüler und letzten Endes auch für die Lehrerinnen und Lehrer.

Herr Senator Prof. Zöllner! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Jantzen?

Ja, gerne.

Bitte sehr!

Herr Zöllner! Ich finde es ja gut, wenn Sie jetzt auch die Hortlücke schließen wollen, frage Sie aber: Ist Ihnen bekannt, dass dieser große Unterschied, den Sie vorhin angesprochen haben, zwischen den erlaubten Plätzen von 140 000 zu jetzt nur 120 000 belegten, wo dann ein Mangel besteht, auch daran liegt, dass wir nicht genügend Erzieherinnen haben und Sie mit den von Ihnen genannten Maßnahmen auch nicht diese Erzieherinnenlücke schließen können? Wie wollen Sie all Ihre Zusagen, die Sie jetzt machen, erfüllen?

Sehr verehrte Frau Jantzen! Ich versuche zumindest, mich nicht komplementär zu Ihnen und den anderen Oppositionsfraktionen zu verhalten, indem Sie alles verdammen und schlechtreden und ich alles gutrede.

[Elfi Jantzen (Grüne): Ich frage ja nur!]

Ich weiß, dass ich Probleme habe.

[Heidi Kosche (Grüne): Lauter!]

Ich weiß, dass ich Probleme habe, genügend Erzieherinnen und Erzieher in jedem Fall zu erreichen. Deswegen mache ich Seiteneinsteigerprogramme. Deswegen machen wir eine Aufstockung der Ausbildungskapazitäten. Das heißt, das, was man staatlicherseits machen kann, wird versucht und wird angegangen. Damit ist dann nicht vom ersten Tag an die Welt wieder in Ordnung. Und Sie wissen auch, dass es gar nicht anders geht, dass sich ein Senator, selbst wenn er die CDU, die Grünen und die FDP in einer Person vereinigen würde, die Erzieherinnen und Erzieher nicht automatisch backen kann, sondern er kann nur Voraussetzungen schaffen, dass sie letzten Endes nach und nach in größerem Maße zur Verfügung stehen.

Diese Koalition hat diesen Strukturstreit beendet. Er ist gut für diese Stadt und die Voraussetzung, dass wir endlich eine langfristige Perspektive in der Schulpolitik letzten Endes erreichen. Wiederum, Frau Senftleben, und Sie wissen, dass es so ist, finden Sie ein Haar in der Suppe. Die Anmeldezahlen zu den integrierten Sekundarschulen und Gymnasien zum kommenden Schuljahr sind in Wirklichkeit unheimlich erfreulich. Beide Schularten werden von den Eltern gut nachgefragt. Erstmals in dieser Legislaturperiode ist der Anteil der Eltern, die ihr Kind an einem Gymnasium angemeldet haben, leicht zurückgegangen, nicht so wie sonst jedes Jahr um 2 Prozent gestiegen, das heißt, es gibt eine Akzeptanz – ich betone – für beide. Und wir wollen beide Schularten haben. Dies ist ein eindeutiger Hinweis dafür, dass die integrierten Sekundarschulen im gerade einmal ersten Jahr ihrer Existenz von den Eltern gut angenommen werden, und das nicht zulasten der Gymnasien.

[Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Allen Unkenrufen zum Trotz, wo man wieder das Chaos herbeigeredet hat, das ist die Wirklichkeit, ist es eben nicht eingetreten.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Martina Michels (Linksfraktion)]

Auch von fehlender Beratung und Verunsicherung kann keine Rede sein. Die Schulen und meine Verwaltung haben die Eltern in den letzten Wochen und Monaten in bisher nie gekanntem Umfang über alle zur Verfügung stehenden Informationskanäle ausführlich über das neue Aufnahmeverfahren informiert. Wir sind z. B. auch unkonventionelle Wege gegangen. Wir haben uns in einem deutsch-türkischsprachigen Radiosender den Fragen aller Hörerinnen und Hörer gestellt. Zu den Anmeldungen lief dort in türkischer Sprache eine Woche mehrmals täglich ein Informationsbeitrag für Eltern eben gerade dieser Gruppe, die Sie auch angesprochen haben, die wir sonst nicht erreichen. Das Ergebnis ist eben anders, als Sie es darzustellen versuchen. Eltern haben ihre Schulwahl sehr verantwortlich getroffen. Der Anteil der Schulen, die mehr Anmeldungen als Plätze haben, ist gegenüber dem Vorjahr weiter zurückgegangen, trotz des von Ihnen immer wieder heraufbeschworenen sogenannten doppelten Jahrgangs, der aufgrund des Vorziehens der Schulpflicht

vor sechs Jahren nun in die 7. Klasse kommt, haben wir ausreichend Plätze an den Gymnasien und an den integrierten Sekundarschulen. Das ist keine Zahlenspielerei. Es ist nachweislich die Realität in dieser Stadt, dass wir eben langfristig auch geplant die Situation verantwortlich im Griff haben. Ich habe keine Probleme, auch Probleme einzuräumen. Selbstkritisch sage ich, dass die Ausstattung der Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern in diesem Schuljahr nicht optimal gelaufen ist. Da müssen wir ohne Zweifel besser werden. Mit der ab sofort geltenden Möglichkeit, jede ausscheidende Lehrkraft sofort zu ersetzen, gehe ich davon aus, dass wir auch dieser Herausforderung gerecht werden.

In unserer globalisierten Welt muss man sich auch auf andere Kulturkreise beziehen können. In einer alten chinesischen Weisheit heißt es: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern und die anderen nutzen ihn, um Windmühlen zu bauen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, können weiter Schutzmauern bauen, in Berlin aber weht ein bildungspolitischer Wind, und zwar in die richtige Richtung.

[Mieke Senftleben (FDP): Von wegen!]

Und dabei wird es auch bleiben. – Ich bedanke mich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Der Don Quichotte der SPD!]

Vielen Dank, Herr Senator Prof. Dr. Zöllner! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Prioritäten gem. § 59 der Geschäftsordnung

lfd. Nr. 4.1:

Erste Lesung

Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin (Wahlrecht für Drittstaatsangehörige zu Bezirksverordnetenversammlungen)

Antrag der Grünen Drs 16/3860

Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Tagesordnungspunkt 6. Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Frau Abgeordnete Bayram hat das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wir haben einen Antrag eingebracht, in dem wir die Verfassung ändern wollen, die es dann ermöglichen soll, dass auch Menschen, die keinen europäischen Pass und

auch keinen deutschen Pass haben, die Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin wählen können.

[Beifall bei den Grünen]

Es geht uns darum, drei Dinge hauptsächlich damit anzustoßen. Das eine ist, dass wir ein Demokratiedefizit in Berlin, aber auch im gesamten Bundesgebiet sehen. Wir wollen uns das nicht weiter anschauen, sondern wir wollen dieses Defizit angehen, und wir wollen die Diskriminierung bei der Ausübung politischer Rechte abwenden. Dazu fangen wir an mit dieser Verfassungsänderung, denn das ist ein klares Bekenntnis Berlins zu sagen, wir nehmen es nicht länger hin, dass Teile der Bevölkerung hier in Berlin von fundamentalen Rechten ausgeschlossen werden.

[Beifall bei den Grünen]

Ein weiterer Punkt ist der, den können Sie auch sehr schön in der Begründung des Antrags nachlesen, dass wir der Ansicht sind, dass nach nunmehr 20 Jahren der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowohl die Gesellschaft sich geändert hat als auch die Rechtsprechung sich in Teilen geändert hat als auch die Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts sich geändert hat. Daher sind wir der Ansicht, dass es wichtig ist, einen Schritt zu unternehmen, um es dem Gericht zu ermöglichen, seine Meinung zur aktuellen Situation in diesem Land darzustellen.

Ich will nur kurz erwähnen, dass uns insbesondere in dem Zusammenhang das Wahlrecht für EU-Staatsangehörige ermutigt zu sagen, Deutschland hat sich verändert, Europa hat sich verändert, und wir wollen ein Europa, und dazu gehört eben auch, dass nicht nur der kleine Begriff des Volkes, so wie er von vielen verstanden wird, wahrgenommen und bei der Ausübung vom Wahlrecht bezogen wird, sondern dass auch Menschen, die seit Jahren, Jahrzehnten in dieser Stadt leben, partizipieren können sollen und dass sie genauso dazugehören und auch, wenn sie denn schon von den Entscheidungen betroffen sind, bei dem Zustandekommen der Entscheidungen mitwirken können sollen.

[Beifall bei den Grünen]

Uns geht es auch noch um einen dritten Aspekt, den ich hier ansprechen will, und das ist das Zusammenwachsen dieser Gesellschaft. Wir stellen uns die Frage, wie denn eine Gesellschaft zusammenwachsen soll, in der Rechte und Pflichten ungleich verteilt sind, in der Menschen, die bei der Steuer herangezogen werden, nicht dabei mitwirken können, ob Steuern überhaupt bzw. für welche Dinge in welcher Höhe erhoben werden. Das ist ein Problem, und das führt eben auch dazu, dass Menschen sich zurückziehen und sagen: Was ich dazu zu sagen habe, das interessiert niemanden. Meine Stimme zählt nicht. Und dann brauche ich auch nicht mich zu öffnen für eine Gesellschaft. – Das ist wirklich schade, und das ist auch etwas, was wir so nicht mehr hinnehmen wollen. Insoweit müssen wir da auch in Bezug auf Integration und das Zusammenwachsen dieser Stadt hier Abänderungen herbeiführen und müssen dafür sorgen, dass die Menschen zu