Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Henner Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Vorab, Herr Buchholz: Diese FDP-Fraktion wird sich für den Klimaschutz einsetzen, und zwar aus Überzeugung, und ich garantiere Ihnen, dass das die nächsten fünf Jahre auch konsequent so sein wird. Bei diesem gemeinsamen Ziel können wir an einem Strang ziehen.

[Daniel Buchholz (SPD): Wunderbar!]

Wir werden uns über den Weg streiten, da bin ich mir ganz sicher, aber wir werden gemeinsam versuchen, das voranzutreiben.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Dr. Holger Thärichen (SPD) – Mario Czaja (CDU): Danach nicht mehr, oder wie?]

Es reicht nicht, dass man sagt: Vattenfall soll tun. –, sondern der Senat soll tun. Eben hat mich Herr Pflüger informiert, dass Vattenfall überlegt, seine Pläne zu ändern und die Kraftwerksplanung anders zu gestalten. Das ist sehr begrüßenswert. Es ist wichtig, dass die Oppositionsparteien und der Senat auf Vattenfall zugehen. Aber der Senat ist gefordert, etwas für den Klimaschutz zu tun, nicht nur die Unternehmen dieser Stadt.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Deshalb unterstützt die FDP-Fraktion all die schönen Ideen in den Anträgen der Grünen, bei denen der Senat gefordert ist, einmal etwas ganz Konkretes in seinem konkreten Verantwortungsbereich zu tun, nämlich dafür zu sorgen, dass in seinem öffentlichen Bereich mehr erneuerbare Energien beim Strom, bei Warmwasser und der Wärmeerzeugung genutzt werden. Das sind ganz konkrete Maßnahmen in Berlin. Dafür hat der Senat die Verantwortung. Das soll er jetzt mal tun.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die im Antrag 16/0272 geforderte Selbstverpflichtung zum klimaneutralen Reisen ist ein besonders schöner Test, wo Sie, meine Herren und Damen Senatoren und Senatorinnen, zeigen können, dass Sie etwas für die Umwelt tun – nicht nur solche Dinge, wie die Umweltzone einzuführen, die so lange durchlöchert wird, dass sie gar nichts mehr für den Schutz vor dem Feinstaub bringt, sondern im persönlichen Verhalten etwas zu ändern. Wenn Sie wieder einmal von Tempelhof in die Welt jetten, dann können Sie ein CO2-Zertifikat kaufen und dafür sorgen, dass das CO2 wenigstens an anderer Stelle eingespart wird.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die wesentliche Maßnahme für den Klimaschutz ist aber neben dem Sparen – Sie haben völlig recht, Frau Eichstädt-Bohlig, dass wir da noch mehr tun müssen – die Energieversorgung. Es ist gut, dass Sie schon gesagt haben, dass zukunftsfähige Energieversorgung dieser Stadt eben nicht mit Steinkohlekraftwerken geht.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)]

Obwohl wir hier über mehr CO2 reden, als der gesamte Berliner Verkehr erzeugt, haben uns die Kollegen Müller und Jahnke in der letzten Plenarsitzung diese CO2Schleuder noch als Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme verkauft. Herr Wilke hat es schon so ähnlich gesagt: Wenn der wirtschaftliche Wohlstand nur daran gemessen wird, wie viel Rauch aus den Schloten kommt, dann sind Sie in einer Zeit, die schon lange vorbei ist. Wenn Sie das so weitertreiben, fordern Sie für Arbeitsplätze noch die Wiedereinführung der Dampflokomotive.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Der Antrag der Grünen, dieses Steinkohlegroßkraftwerk durch ein Erdgasgroßkraftwerk zu ersetzen, geht uns nicht weit genug. Deshalb haben wir unseren Dringlichkeitsantrag eingebracht, denn auch ein Erdgaskraftwerk beruht auf fossiler Energie, und die Versorgung mit Erdgas ist langfristig unsicher. Für uns ist zukunftsweisende Energieversorgung in erster Linie dezentral und muss sich aus verschiedenen Quellen speisen. Damit können Sie Pufferkapazitäten im Netz reduzieren, was die Kosten senkt, Sie sind nicht abhängig von einzelnen Energiequellen, was die Flexibilität erhöht, und Sie haben dabei eine bessere Energieversorgung. Das können Blockheizkraftwerke sein, das können Brennstoffzellen im Haushalt sein, die Wärme und Strom erzeugen. Die kann man am Anfang mit Erdgas speisen und irgendwann einmal mit Wasserstoff, am besten noch mit solarerzeugtem.

Dieser Senat hat nun die Aufgabe, diese Chance zu nutzen, Energiepolitik auch als Technologiepolitik zu verstehen und damit Wirtschaftspolitik zu machen, nämlich Technologien zu fördern und Arbeitsplätze in die Stadt zu bringen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen]

Die eben genannten Technologien sind sogar schon anwendungsfähig – im Gegensatz zu der von Vattenfall genannten CO2-Verpressung in den Untergrund, die zurzeit nur in den Hochglanzbroschüren von Vattenfall steht und außerdem noch 50 % mehr Kohle für die gleiche Energie braucht als das normale Steinkohlekraftwerk. Das ist keine überzeugende Alternative.

Lassen Sie uns deshalb rechtzeitig die richtigen Schritte einleiten, um eine zukunftsfähige Energieversorgung zu sichern, Technologien in dieser Stadt zu fördern und damit auch Arbeitsplätze zu schaffen! Dann kommt Berlin wirklich voran. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Folgende Überweisungen werden vorgeschlagen: Die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/0301 – Stichwort: Änderung des Energiespargesetzes – und Drucksache 16/0302 – Stichwort: Weltklimabericht – federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, mitberatend an die Ausschüsse für Wirtschaft, Technologie und Frauen und für Bauen und Wohnen sowie an den Hauptausschuss.

Dann der dritte Antrag der Grünen Drucksache 16/0273 – Stichwort: Steinkohlekraftwerk – federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucher

schutz und mitberatend an den Ausschuss Wirtschaft, Technologie und Frauen.

Schließlich Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/0313, federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und mitberatend an den Ausschuss Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie an den Hauptausschuss.

Zu diesen Überweisungen höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun auf die Priorität der Fraktion der FDP

lfd. Nr. 4 d:

Antrag

Aktiv gegen Jugendgewalt (I) – jugendlichen Ersttätern die gelbe Karte zeigen

Antrag der FDP Drs 16/0298

Das ist der Tagesordnungspunkt 33. – Für die Beratung steht den Fraktionen wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jotzo. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Jugendkriminalität, das zeigen die aktuellen Statistiken und wissenschaftlichen Untersuchungen, gehört zu den schwierigsten Problemen, die wir in den kommenden Jahren bewältigen müssen. Der Senat beschäftigt sich zurzeit vor allem mit Mehrfach-, Schwellen- und Intensivtätern. Das ist im Grundsatz nicht falsch.

Die typische kriminelle Karriere von Kindern und Jugendlichen, die später zu sogenannten Schwellentätern werden, beginnt aber früher. Sie beginnt mit Delikten wie Ladendiebstahl, Graffiti-Schmierereien, Mofa frisieren oder dem sogenannten Schwarzfahren. Gutachten zeigen, dass es den Tätern in diesem Stadium noch nicht um Bereicherung geht, sondern um Anerkennung in ihrem sozialen Umfeld. Erst später erfolgt ein qualitativer Sprung zu finanziell motivierter, zur gewerbsmäßigen Kriminalität. Eine erfolgreiche Prävention einer Täterkarriere muss daher schon vor diesem qualitativen Sprung einsetzen, am besten vor, mindestens aber direkt nach der ersten Tat.

[Beifall bei der FDP]

Mit einer erfolgreichen Prävention können wir verhindern, dass Ersttäter zu Wiederholungs- oder Schwellentätern werden. Wir schlagen Ihnen heute ein äußerst erfolgreiches Projekt vor, das Projekt Gelbe Karte. Ziel des Projekts ist es, das bereits existierende Modell der sogenannten Diversion mit wissenschaftlicher Unterstützung weiterzuentwickeln und auszuweiten. Das Projekt Gelbe Karte ist schnell, effektiv und hochwirksam.

Schnell ist das Projekt, weil es sofort nach der Straftat des Jugendlichen greift. Zu einem Tag „Gelbe Karte“ werden

bis zu 30 jugendliche Straftäter mit ihren Eltern vorgeladen. Die Reaktion auf die Tat erfolgt also schnell. Ziel ist es, dass es innerhalb eines Monats nach der Tat einen Termin gibt. Bei dem Termin erwarten den Jugendlichen Vertreter der Staatsanwaltschaft, Polizeibeamte und Vertreter des Jugendamts zu einer mehrstufigen Anhörung mit den Erziehungsberechtigten. Die Staatsanwaltschaft entscheidet dann sofort und an Ort und Stelle in enger Abstimmung mit den Betroffenen, dem Jugendamt und der Polizei über das weitere Vorgehen. Entscheidend wirkt sich hier aus, dass das Lebensumfeld von jungen Straftätern, ihre Familien, insbesondere auch solche mit Migrationshintergrund, mit einbezogen werden. Bei leichteren Straftaten und einem einsichtigen Jugendlichen werden erzieherische Maßnahmen wie gemeinnützige Arbeiten oder der Täter-Opfer-Ausgleich angeregt. Mit der Ableistung der vereinbarten Sanktionen ist das Verfahren schnell erledigt. Das Projekt ist deshalb auch effektiv.

Mit der plakativen Gelben Karte wird eine breite Öffentlichkeit auf das Präventionsziel aufmerksam gemacht. Mehr und wichtiger noch: Bei Durchführung der Maßnahme wird die betroffenen Klientel und ihr soziales Umfeld direkt und verständlich angesprochen. Allein deshalb ist es sinnvoll, den bisher verwendeten kriminologischen Fachbegriff der Diversion, der sehr sperrig ist, zu ersetzen. Hierbei geht es nicht um begriffliche Rhetorik oder eine symbolische Umetikettierung. Vor allem erreichen wir eine inhaltliche Verständlichkeit als Voraussetzung für die erzieherische Wirksamkeit des Projekts. Der Begriff der gelben Karte verdeutlicht den Warn- und Appellcharakter frühzeitiger Reaktion, bevor zu härteren Maßnahmen, also zur roten Karte, gegriffen werden muss.

[Beifall bei der FDP]

Die verhängten Sanktionen sind so strukturiert, dass der Täter sie versteht und sie vor allem für sich akzeptiert. Sie werden dem Täter nicht wie im jugendgerichtlichen Verfahren oktroyiert, sondern die Sanktionen werden gemeinsam mit dem Täter erarbeitet und vereinbart. Das Projekt Gelbe Karte ist deshalb auch hoch wirksam. Die ersten Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen, wo bereits einige solcher Projekte erfolgreich laufen, zeigen, dass bis zu 95 % der betroffenen Jugendlichen nicht wieder polizeilich auffallen. Das Projekt verbessert die Vernetzung und Kooperation der beteiligten Einrichtungen und führt zu einer Beschleunigung der Jugendverfahren.

Wir wollen das Projekt zunächst modellhaft erproben, um es dann umfassend auf Berlin zu übertragen. Auf der Grundlage des laufenden Projekts müssen dann Leitlinien entwickelt werden, die Standards enthalten, mit denen die Projektansätze und die Projektergebnisse reproduziert werden können. Eine kriminologische Begleitstudie kann diese Erkenntnisse liefern. Dort geht es dann z. B. um Kriterien für die Fallauswahl, um die organisatorischen Rahmenbedingungen eines solchen Projekts und darum, die gewählten Verfahrensweisen zu evaluieren.

Abschließend sei festgehalten: Das Projekt Gelbe Karte ist, wie gezeigt, schnell, effektiv und hoch wirksam. Das

Projekt hat mehr als das bisherige sperrige Diversionsmodell das Potenzial, zum echten Erfolgsmodell für Berlin zu werden. Es kann ein Erfolgsmodell bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität, bei der Verhinderung neuer Jugendstraftaten werden. Lassen Sie uns frühzeitig ansetzen und der Jugendkriminalität mit diesem Erfolgsmodell die gelbe Karte zeigen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat Frau Hertel das Wort. – Bitte schön, Frau Hertel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Antrag der FDP als Außenstehender durchgelesen hätte und nicht als jemand, der sich in der Zwischenzeit seit sieben Jahren auch mit der Thematik Kinder- und Jugendkriminalität befasst hat, wäre man geneigt zu sagen: Das ist ein sehr schöner, guter Antrag.

[Mieke Senftleben (FDP): Genau!]

Man müsste sich im Grunde genommen sogar fragen: Warum kommt er erst jetzt? – Herr Jotzo, Sie haben in Ihrer Rede, die mir bekannt vorkam, durchaus erwähnt, dass es schon ein Programm gibt. Weil Sie erst kurz im Parlament sind, will ich es Ihnen auch noch nachsehen,

[Dr. Martin Lindner (FDP): Jetzt kommt die Tante Oberlehrer!]

Ihrer Fraktion allerdings nehme ich es ein bisschen übel, weil ich den Eindruck habe, dass wieder einmal ein Antrag gestellt worden ist, der bar eines gewissen Sachver- stands ist.